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  • · Fachbeitrag · Arbeitsrecht

    Ordnungsgeldantrag: Für Gegenstandswert auf Bruchteil des Hauptsachewerts abstellen

    von RiOLG Frank-Michael Goebel, Koblenz

    Bei der Festsetzung des Gegenstandswerts eines Ordnungsgeldantrags - auch betreffend einen betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch - ist im Regelfall von einem Bruchteil des Werts der Hauptsache auszugehen. Dieser Bruchteilswert kann sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls allerdings erhöhen oder erniedrigen (LAG Hamburg 20.1.15, 5 Ta 1/13, Abruf-Nr. 174920).

     

    Sachverhalt

    Der Gläubiger und antragstellende Betriebsrat geht in einem Beschlussverfahren aus einem arbeitsrechtlichen Prozessvergleich vor. Darin hatte sich die Schuldnerin bei Meidung eines Ordnungsgelds von 10.000 EUR in jedem Einzelfall verpflichtet, keine Überstunden ohne Zustimmung des Betriebsrats anzuordnen. Der Gläubiger beantragte wegen mehrerer Verstöße gegen den Vergleich die Verhängung von Ordnungsgeld in Höhe von 137.500 bzw. 81.000 EUR. Das ArbG wies diese Anträge zurück. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers wurde zurückgenommen und beantragt, den Wert des Beschwerdeverfahrens auf 218.500 EUR festzusetzen. Dem kam das LAG nach.

     

    Entscheidungsgründe und Praxishinweis

    Der Wert der anwaltlichen Tätigkeit bei der Durchsetzung von titulierten Handlungs-, Duldungs- und Unterlassungsansprüchen, die im individuellen wie kollektiven Arbeitsrecht besonders häufig vorkommen, bestimmt sich gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG. Maßgeblich ist danach der Wert, den die zu erwirkende Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat.

     

    Damit kommt es für die Streitwertbemessung nicht auf die Höhe des Ordnungsgelds an. Dies fließt dem Staat und nicht dem Gläubiger zu. Das Interesse des Schuldners, die Zahlung in dieser Höhe zu vermeiden, ist nicht erheblich (BGH NJW-RR 09, 549; LAG Bremen AnwBl 88, 173; OLG Rostock JurBüro 09, 105; OLG Celle AGS 08, 189; OLG München FamRZ 11, 1686; OLGR Köln 94, 138; OLG Karlsruhe MDR 00, 229). Trotzdem knüpfen immer wieder Gerichte hieran an (etwa LAG Hamm 5.10.07, 10 Ta 245/07, Abruf-Nr. 161484). Der Bevollmächtigte muss im Einzelfall beurteilen, ob dies eine für ihn und seinen Mandanten günstige Variante darstellt oder nicht.

     

    In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, wie das Interesse des Gläubigers an der Vornahme der Duldung oder Unterlassung zu bewerten ist:

     

    • Eine Auffassung stellt auf den Hauptsachestreitwert ab (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 21. Aufl., § 25 Rn. 13; AnwK/Wolf, RVG, 7. Aufl., § 25 Rn. 35; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 29. Aufl., § 3 Rn. 115; zu § 888 ZPO: OLG Köln OLGR 05, 259; OLG Celle OLGR 08, 91). Maßgeblich sei das Ziel des Ordnungsgeldantrags, den Hauptanspruch tatsächlich durchzusetzen.

     

    • Nach anderer Ansicht sei im Regelfall nur ein Bruchteil des Werts der Hauptsache anzusetzen. Überwiegend wird eine Spanne von einem Fünftel bis einem Drittel vertreten wird (OLG Karlsruhe WRP 92, 198; OLG Hamburg WRP 94, 42; OLG Stuttgart WRP 82, 432).

     

    • Das LAG Hamburg knüpft an die Rechtsprechung des OLG Hamburg an. Es erachtet in der Regel nur einen Bruchteil des Hauptsachewerts für angemessen. Dabei fügt das LAG allerdings der bisherigen konfrontativen Sicht der Dinge zwischen den dargelegten Auffassungen eine vermittelnde Variante an. Darin unterscheidet es zwischen der Vollstreckung nach § 888 ZPO und § 890 ZPO:

     

      • Soweit die Verpflichtung im Rahmen des § 888 ZPO auf die Vornahme einer (unvertretbaren) Handlung gerichtet sei und die Festsetzung des Zwangsgelds der Erfüllung der titulierten Verpflichtung diene, müsse auf das Erfüllungsinteresse und damit den Wert der Hauptsache abgestellt werden.

     

      • Im Anwendungsbereich des § 890 Abs. 1 ZPO ziele der Antrag des Gläubigers zwar ebenfalls darauf ab, den Schuldner zur Erfüllung des Titels anzuhalten, nämlich sich zukünftig an das titulierte Unterlassungsgebot zu halten. Der Unterlassungsanspruch unterscheide sich aber von dem auf ein positives Tun gerichteten Anspruch dadurch, dass er nicht durch einen einmaligen Akt endgültig erfüllt werden könne. Vielmehr ziele er auf einen Dauerzustand, währenddessen die verbotene Handlung nicht vorgenommen wird. Dementsprechend könne hier das konkrete Vollstreckungsverfahren niemals dazu führen, dass der Anspruch endgültig erfüllt sei. Indem ein in der Vergangenheit liegender Verstoß geahndet werde, könne nur ohne Erfolgsgarantie darauf hingewirkt werden, dass ein solcher Verstoß in Zukunft unterbleibe. Dementsprechend könne auch der Streitwert für das konkrete Vollstreckungsverfahren regelmäßig nur einen Bruchteil des Hauptsachestreitwerts ausmachen.

     

    Mit dieser Sicht der Dinge, verstößt das LAG Hamburg allerdings gegen den Wortlaut von § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG und seinen eigenen Obersatz, wonach es allein auf das Interesse des Gläubigers ankommt. Dessen Interesse ist aber ohne jeden Zweifel darauf gerichtet, dass die Verhängung des Ordnungsgelds gerade dazu führt, dass sich der Schuldner dauerhaft an die Unterlassungsverpflichtung hält. Ob dieses Interesse durch das konkrete Ordnungsgeld erreicht wird, ist ebenso wenig garantiert, wie die Vornahme der Handlung auf ein festgesetztes Zwangsgeld. In beiden Fällen verfolgt aber der Gläubiger sein vollständiges Erfüllungsinteresse. Im Ergebnis ist die Rechtsprechung, die nur einen Bruchteil des Streitwerts ansetzt, an Billigkeitserwägungen orientiert. Das verkennt allerdings, dass der Anwalt bei identischem Streitwert im Hauptsacheverfahren und im Vollstreckungsverfahren nicht auch eine identische Gebühr erhält. In der Zwangsvollstreckung erhält der Bevollmächtigte des Gläubigers nach Nr. 3309 VV RVG nämlich nur eine 0,3-Verfahrensgebühr.

     

    • Beispiel - Gebühr im Zwangsvollstreckungsverfahren

    Bei einem Gegenstand von 10.000 EUR in der Hauptsache erhält der Anwalt im Hauptsacheverfahren eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG von 725,40 EUR und eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG von 669,60 EUR, insgesamt 1.395 EUR an Gebühren. In der Zwangsvollstreckung erhält er für den Ordnungsgeldantrag dagegen nur eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG von 167,40 EUR. Der wesentlich geringere Aufwand im Vollstreckungsverfahren gegenüber dem Hauptsacheverfahren wird also durch den geringeren Gebührensatz berücksichtigt. Eines weiteren Korrektivs über den Streitwert bedarf es nicht.

     

    Merke | Der Bevollmächtigte sollte also auch bei Unterlassungsverpflichtungen im Arbeitsrecht eine Streitwertfestsetzung in Höhe des Hauptsachewerts begehren. Diese kann er notfalls im Wege der Streitwertbeschwerde nach §§ 32 RVG, 68 GKG im eigenen Namen weiterverfolgen. Dabei kann er die vorstehende Argumentation nutzen. Ein großes Risiko geht er damit nicht ein. Das Verfahren über die Streitwertbeschwerde ist gebührenfrei und Kosten (des Gegners) werden nicht erstattet, § 68 Abs. 3 GKG.

     

    Eine Streitwertfestsetzung beantragen Sie z.B. so:

     

    Musterformulierung / Streitwertfestsetzungsantrag

    An das

    Arbeitsgericht

    in …

     

    In dem Rechtsstreit

    Betriebsrat ./. Arbeitgeber

    Az.: …

     

    wird beantragt,

     

    den Streitwert in Höhe des Hauptsachestreitwerts von … EUR festzusetzen.

     

    Die beantragte Festsetzung entspricht der Auffassung in Literatur und Rechtsprechung (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 21. Aufl., § 25 Rn. 13; AnwK/Wolf, RVG, 7. Aufl., § 25 Rn. 35; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 29. Aufl., § 3 Rn. 115; zu § 888 ZPO: OLG Köln OLGR 05, 259; OLG Celle OLGR 08, 91). Maßgeblich ist das Ziel des Ordnungsgeldantrags, den Hauptanspruch tatsächlich durchzusetzen.

     

    Rechtsanwalt

     

    Weiterführende Hinweise

    • In der folgenden Ausgabe stellen wir ein Muster der Streitwertbeschwerde vor.
    • RVG prof. 14, 37: Arbeitsgerichtsbarkeit - Streitwertkatalog sollte regelmäßig angewendet werden
    Quelle: Ausgabe 06 / 2015 | Seite 93 | ID 43377376