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  • · Fachbeitrag · Kostenerstattung

    Rechtsanwalt stellt Strafanzeige: So erhalten Sie die Kosten erstattet

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D. Münster/Augsburg

    | Fordert der Rechtsanwalt für seinen Mandanten z. B. Schadenersatz, verbessert er die prozessrechtliche Situation ggf., wenn er auch Strafanzeige erstattet. In diversen Fallkonstellationen des Strafverfahrens sollte er hierauf nicht verzichten! Doch wie rechnet er diese Tätigkeit gegenüber seinem Mandanten ab? Kann der Mandant die Kosten im Zivilverfahren als sog. Vorbereitungskosten zurückfordern? Der Beitrag gibt die Antworten. |

    1. Strafanzeige im Strafverfahren: Diese Gebühren fallen an

    Wenn die Partei ihren Anwalt beauftragt, eine Strafanzeige zu erstellen und/oder einzureichen, entsteht für seine Tätigkeiten eine Gebühr nach Teil 4 Abschn. 3 VV RVG. Bei diesem Auftrag handelt es sich in der Regel um eine Einzeltätigkeit, für die eine Gebühr nach Nrn. 4300 ff. VV RVG (Verfahrensgebühr nach Nr. 4302 Nr. 2 VV RVG) entsteht.

     

    • Beispiel 1: Strafanzeige wegen Verdachts des § 142 StGB

    Der Pkw des Mandanten M ist bei einem Verkehrsunfall beschädigt worden. Der Unfallverursacher V hat sich unerlaubt vom Unfallort entfernt. M beauftragt seinen Rechtsanwalt R, Strafanzeige wegen Verdachts des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB) zu erstatten. In dem daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahren gelingt es, den Namen des V und das Kennzeichen seines Fahrzeugs zu ermitteln. Was kann R dem M dafür berechnen, dass er die Strafanzeige gestellt hat?

     

    Lösung:

    R legt die Mittelgebühr aus dem zur Verfügung stehenden Gebührenrahmen von 30 bis 290 EUR zugrunde. Er rechnet seine Tätigkeiten gegenüber M als Einzeltätigkeit gemäß Nr. 4302 Ziff. 2 VV RVG wie folgt ab:

    1. Verfahrensgebühr Nr. 4302 Nr. 2 VV RVG

    160,00 EUR

    2. Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    3. USt., 19 Prozent Nr. 7008 VV RVG

    34,20 EUR

    Summe

    214,20 EUR

     

     
    • Beispiel 2: Erfolgreiche Einstellungsbeschwerde

    Im Fall des Beispiels 1 stellen die Ermittlungsbehörden das Ermittlungsverfahren zunächst ein. M beauftragt R daraufhin, eine Einstellungsbeschwerde (§ 172 Abs. 1 StPO) einzulegen und diese zu begründen. Die Beschwerde führt zum Erfolg, sodass die Ermittlungen mit dem Ergebnis wie in Beispiel 1 wieder aufgenommen werden. Was kann R dem M berechnen?

    Lösung:

    Dafür dass R die Strafanzeige erstellt hat, sind die in Beispiel 1 angeführten Gebühren entstanden. Bei der Einstellungsbeschwerde handelt es sich um eine weitere Einzeltätigkeit, für die die Verfahrensgebühr Nr. 4302 Ziff. 1 VV RVG entstanden ist. R kann also abrechnen:

     

    Strafanzeige fertigen und erstatten

    1. Verfahrensgebühr Nr. 4302 Ziff. 2 VV RVG

    160,00 EUR

    2. Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

     

     

    Einstellungsbeschwerde einlegen und begründen

    1. Verfahrensgebühr Nr. 4302 Ziff. 1 VV RVG

    160,00 EUR

    2. Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

     

     

    Zwischensumme:

    360,00 EUR

    3. USt., 19 Prozent Nr. 7008 VV RVG

    68,40 EUR

    Summe insgesamt

    428,40 EUR

     

     

    PRAXISHINWEIS | Der Rechtsanwalt muss Folgendes beachten, wenn er abrechnet: Hat der Mandant von vornherein den Auftrag zur Einstellungsbeschwerde und deren Begründung erteilt, entsteht nur die Verfahrensgebühr nach Nr. 4302 Ziff. 1 VV RVG. Legt der Rechtsanwalt auftragsgemäß zunächst nur die Einstellungsbeschwerde ein und begründet diese später, fallen die Gebühr Nr. 4302 Ziff. 1 VV RVG und die Gebühr Nr. 4302 Ziff. 2 VV RVG an. Die Regelung ist anders als bei den Nrn. 4300, 4301 VV RVG. Die Begrenzung aus Vorb. 4.3 Abs. 3 i. V. m. § 15 Abs. 6 RVG gilt aber.

     

    2. Zivilverfahren: Mandant kann Kosten zurückfordern

    Für den Mandanten von Bedeutung ist die Frage, ob und wie er die Kosten der Strafanzeige erstattet bekommt.

     

    a) Kein Schadenersatzanspruch aus Deliktsrecht

    Fraglich ist, ob die Kosten der Strafanzeige im Rahmen eines ggf. entstehenden Schadenersatzanspruchs gegen den Schädiger über § 823 BGB geltend gemacht werden können. Die obergerichtliche Rechtsprechung verneint dies. Danach kann der Verletzte einer Straftat keinen Ersatz für die Auslagen verlangen, die dadurch entstehen, dass das Strafverfahren gegen den Straftäter eingeleitet wird (BGH NJW 11, 2966; OLG Zweibrücken NJW-RR 14, 33).

     

    b) Kosten einer Strafanzeige als Vorbereitungskosten festsetzbar

    Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Kosten einer Strafanzeige im Zivilprozess als Vorbereitungskosten nach § 91 ZPO erstattungsfähig sind und sie nach §§ 103 ff. ZPO festgesetzt werden können. Dies wird bejaht.

     

    Wichtig | M. E. werden die für die Strafanzeige erbrachten Tätigkeiten nicht durch die Gebühren, die im Zivilverfahren entstehen, abgegolten (so auch KG JurBüro 83, 1251 für den Verkehrsanwalt nach § 52 BRAGO a. F.; a. A. OLG Düsseldorf Rpfleger 89, 393).

     

    Die Kosten werden nur erstattet, wenn die Strafanzeige in Bezug zum Rechtsstreit steht (N. Schneider NJW-Spezial 11, 219). Sie muss zudem geboten gewesen sein, um den im Zivilprozess geltend gemachten Anspruch durchzusetzen oder abzuwehren. Die Kosten müssen in Bezug auf den Prozess, in dem sie geltend gemacht werden, entstanden sein (KG JurBüro 83, 1251; LG Frankfurt MDR 1982, 75). Die Rechtsprechung sah die Kosten einer Strafanzeige etwa als notwendig an, wenn eine zur Klage bereits entschlossene oder bereits klagende Partei erst durch ein Ermittlungs- oder Strafverfahren gegen ihren Prozessgegner die Tatsachen erlangt, die erforderlich sind, um das Zivilverfahren zu begründen oder um Beweismittel zu erhalten (Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 91 Rn. 13 „Strafanzeige“; Baumbach-Hartmann, ZPO, 74. Aufl., § 91 Rn. 288; OLG Saarbrücken OLGR 98, 136).

     

    • Beispiel 3: Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufs

    Nach einem Gebrauchtwagenkauf nimmt Kläger K die Beklagte B gemäß § 437 Nr. 2, § 323, § 346 BGB in Anspruch, weil B bei Vertragsabschluss einen Unfallschaden des Fahrzeugs arglistig verschwiegen habe. In ihrer Klageerwiderung stellt B den Unfallschaden in Abrede - jedenfalls habe ihr persönlich haftender Gesellschafter G von einem Unfallschaden nichts gewusst und könne deshalb nicht arglistig getäuscht haben. K lässt durch seinen Prozessbevollmächtigten P Strafanzeige erstatten. Er weist auf den schwebenden Rechtsstreit gegen den persönlich haftenden G hin. Im Zuge der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen stellt sich heraus, dass G - was dem K bis dahin nicht bekannt war - vor dem Verkauf mit dem Fahrzeug einen Verkehrsunfall erlitten hat. Der Sachschaden betrug rund 4.500 EUR. Gestützt auf dieses Ermittlungsergebnis hat das Klagebegehren des K vollen Erfolg. Kann K beantragen, dass die Kosten für die Strafanzeige festgesetzt und erstattet werden?

     

    Lösung: Die Kosten der Strafanzeige sind erstattungsfähig (OLG Saarbrücken, a. a. O.). Denn erst das auf die Strafanzeige des K eingeleitete Ermittlungsverfahren ermöglichte dem darlegungs- und beweispflichtigen K, in der Sache weiter vorzutragen (vgl. BGHZ 117, 260, 263). Gerade die Ergebnisse der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen verhalfen zu Beweismitteln. Daher zählen die Kosten der Strafanzeige zu den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten des Rechtsstreits (vgl. aber auch OLG Düsseldorf Rpfleger 69, 393).

     

    Wichtig | Eine Strafanzeige kann ferner notwendig sein, wenn sie dazu dient, nachzuweisen, dass die Klageforderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung resultiert. Dies kann im Urteilstenor festgestellt werden und weitergehende Vollstreckungsmöglichkeiten eröffnen (§ 850 f Abs. 2 ZPO; so N. Schneider, NJW-Spezial 11, 219).

     

    Fehlt hingegen ein „Prozessbezug“, ist die Strafanzeige also nur anlässlich des Rechtsstreits erstattet worden, handelt es sich bei den dadurch verursachten Kosten nicht um notwendigen Prozessaufwand. Die Kosten sind nicht erstattungsfähig und können auch nicht festgesetzt werden. Davon geht das OLG Koblenz z. B. aus, wenn nicht eindeutig ist, ob die Kosten nur deshalb angefallen sind, weil sich der Kläger zunächst einmal Gewissheit darüber verschaffen wollte, ob eine hinreichende Grundlage für eine Klage gegen den Beklagten vorhanden war (OLG Koblenz NJW 06, 102; BGHZ 153, 235).

    Quelle: Ausgabe 04 / 2016 | Seite 75 | ID 43725191