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  • 01.02.2007 | Verkehrsunfallschadenregulierung

    Abrechnung gemäß „DAV-Abkommen“

    von RA Gudrun Möller, Nordkirchen
    Stellt ein Anwalt nach teilweiser Regulierung eines Verkehrsunfallschadens gegenüber dem gegnerischen Haftpflichtversicherer eine Gebührenrechnung „nach Maßgabe des DAV-Abkommens“, kann allein daraus nicht der Schluss gezogen werden, er verzichte namens seines Mandanten auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche (BGH 21.11.06, VI ZR 76/06, n.v., Abruf-Nr. 063778).

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin nimmt die beklagte Haftpflichtversicherung (HV) auf Ersatz restlichen Schadens aus einem Verkehrsunfall in Anspruch. Die Einstandspflicht der HV ist unstreitig. Diese zahlte Schmerzensgeld und Schadenersatz. Die Klägerin verlangte ein höheres Schmerzensgeld und Ersatz des Haushaltsführungsschadens. Nachdem die HV einen weiteren Betrag zahlte, antwortete der Prozessbevollmächtigte der Klägerin: „Sie haben den Schaden in Höhe von 21.000 EUR reguliert. Insoweit möchte ich nun meine Gebühren abrechnen ...“. Gemäß der beigefügten Kostenrechnung machte die Klägerin eine 17,5/10 Pauschalgebühr gemäß „DAV-Abkommen“ aus 21.000 EUR geltend. Die HV glich die Forderung aus. Mit der Klage begehrt die Klägerin den Ersatz des restlichen Unfallschadens. Die HV hat erwidert, dass durch die Übersendung der Kostennote und ihre Zahlung ein Erlassvertrag zustande gekommen sei. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Die Revision führt zur Aufhebung und zur Zurückverweisung.  

     

    Entscheidungsgründe und Praxishinweis

    Das Berufungsurteil steht nicht im Einklang mit dem Urteil des BGH vom 7.3.06 (NJW 06, 1511). Der BGH hat die Annahme eines Erlassvertrags abgelehnt und stellt wichtige Grundsätze dazu auf, in welchen Fällen die Abrechnung gemäß „DAV-Abkommen“ nach einer Teilregulierung eines Verkehrsunfallschadens gegenüber dem Haftpflichtversicherer (HV) als Verzicht auf weitere Ansprüche gewertet werden kann. Diese Grundsätze sind noch für solche Fälle wichtig, in denen das alte „DAV-Abkommen“ gilt. Das sind die Fälle, in denen das Mandat bis zum 30.6.04 erteilt worden ist (ausführlich dazu und zu dem Problem des Erlassvertrags RVG prof. 04, 96; Onderka, RVG prof. 04, 125). Denn Nr. 7f der alten Regulierungsempfehlungen lautete: „Die Regelung gilt grundsätzlich nur für den Fall der vollständigen außergerichtlichen Schadenregulierung; bei nur teilweiser Regulierung dann, wenn der Ausgleich weitere Schadenpositionen einvernehmlich vorbehalten bleibt.“  

     

    Checkliste: Anforderungen für einen Erlassvertrag bei Abrechnung nach „DAV-Abkommen
    • Ein Verzicht auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche erfordert, dass über die bloße Kostenabrechnung hinaus hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass eine materiell-rechtlich wirkende Erklärung abgegeben werden soll.
    • Maßgeblich sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
    • Das Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrags muss unmissverständlich erklärt werden (BGH NJW 01, 2325).
    • An die Feststellung eines Verzichtwillens sind strenge Anforderungen zu stellen, er darf nicht vermutet werden (BGH NJW 84, 1346; 06, 1511).
    • Selbst bei einer eindeutig erscheinenden Erklärung darf ein Verzicht nicht angenommen werden, ohne dass bei der Feststellung zum erklärten Vertragswillen sämtliche Begleitumstände berücksichtigt worden sind (BGH NJW 02, 1044).
    • Darüber hinaus gilt der Grundsatz, dass empfangsbedürftige Willenserklärungen möglichst nach beiden Seiten hin interessengerecht auszulegen sind (BGHZ 31, 136).
    • Auch ein Abrechnungsschreiben „nach Maßgabe des DAV-Abkommens“ muss danach mit ausreichender Deutlichkeit erkennen lassen, dass eine abschließende Erledigung gewollt ist.
    • Zudem dürfen die Begleitumstände nicht einen abweichenden Willen nahelegen.
    • Enthält das Abrechnungsschreiben lediglich die Gebührenabrechnung, ist ihm nicht ohne Weiteres ein Erlasswille zu entnehmen. Die Abrechnung kann darauf beruhen, dass der Anwalt die Voraussetzungen für den Anfall der Gebühr verkannt hat. In diesem Fall wäre aber der Ausschluss weiterer – insbesondere erheblicher – Ansprüche des Geschädigten nicht interessengerecht.
    • Es kann trotz fehlendem Erklärungsbewusstseins eine Willenserklärung vorliegen, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerungen nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und der Empfänger sie auch so verstanden hat (BGHZ 91, 324; 109, 171).
    • Dieser Grundsatz ist nur anwendbar, wenn die maßgebliche Erklärung einen insoweit tauglichen Inhalt hat. Das ist aber nicht der Fall, wenn nur die Anwaltsgebühren nach Maßgabe des DAV-Abkommens abgerechnet werden.