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  • 02.05.2011 | Mitwirkungsgebühr

    Gezieltes Schweigen als Mitwirkung

    Für die Mitwirkung an der Erledigung des Verfahrens kann es genügen, wenn der Verteidiger seinem Mandanten rät, zu dem erhobenen Vorwurf zu schweigen, und dies der Verwaltungsbehörde mitteilt. Dies gilt nicht, wenn unabhängig von der Einlassung des Betroffenen offenkundig ist, dass dieser die ihm vorgeworfene Ordnungswidrigkeit nicht begangen haben kann (BGH 20.1.11, IX ZR 123/10, Abruf-Nr. 110580).

     

    Sachverhalt

    In ihrem Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung riet der Rechtsanwalt der Klägerin, zu dem Vorwurf zu schweigen und teilte dies der Verwaltungsbehörde mit. Nach Einstellung des Bußgeldverfahrens stellte er auch eine Erledigungsgebühr nach Nr. 5115 VV RVG in Rechnung. Die beklagte Rechtsschutzversicherung (RSV) verweigerte die Bezahlung. Die Freistellungsklage hatte beim AG keinen Erfolg. Das LG hat der Klage hingegen auf die Berufung stattgegeben. Die dagegen gerichtete Revision führte zur Aufhebung und zur Zurückverweisung des Verfahrens.  

     

    Entscheidungsgründe

    Mitwirkung i.S. der Nr. 5115 VV RVG kann auch gegeben sein, wenn der Verteidiger seinem Mandanten im Bußgeldverfahren rät, zu dem erhobenen Vorwurf zu schweigen, und er diese Entschließung seines Mandanten der Verwaltungsbehörde mitteilt (gezieltes Schweigen, Burhoff in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., Nr. 5115 VV Rn. 6). Die Erledigungsgebühr entsteht jedoch nicht, wenn die Verwaltungsbehörde das Verfahren unabhängig von einer diesbezüglichen Erklärung einstellt, weil anderweitig offenkundig ist, dass der Mandant die Ordnungswidrigkeit nicht begangen haben kann. Dann ist eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit des Verteidigers nicht ersichtlich (Abs. 2 der Anm. zu Nr. 5115 VV RVG).  

     

    Praxishinweis

    Es ist schon erstaunlich, wie häufig die Rechtsprechung zu den Nrn. 4114, 5115 VV RVG Stellung nehmen muss. Aber: Wer bezahlt schon gerne eine „zusätzliche Gebühr“. Die RSV in der Regel nicht und auch die Staatskasse tut sich damit schwer. Von daher ist es zu begrüßen, dass der BGH zum gezielten Schweigen Stellung genommen hat und dieses - grundsätzlich - als „Mitwirkung“ ansieht. Mit der Einschränkung tut man sich allerdings schwer, dass der Streit um die Gebühr damit auf eine andere Ebene verlagert wird. Denn was ist „offenkundig“. Darüber wird neuer Streit zwischen den Betroffenen/ihren Verteidigern und den Rechtsschutzversicherern entstehen. „Offenkundigkeit“ will der BGH wohl bejahen, wenn - wie hier - das von dem Verkehrsverstoß gefertigte Beweisfoto zweifelsfrei einen männlichen Fahrer zeigt, wir es aber mit einer weiblichen Betroffenen zu tun haben. Nur führt das nicht bei allen Verwaltungsbehörden automatisch zur Einstellung, sondern häufig erst nach einem entsprechenden Hinweis des Betroffenen bzw. seines Verteidigers. Soll das dann keine Mitwirkung sein? Neuer Streit ist vorprogrammiert.