Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • Anwaltswerbung

    Welche Werbemaßnahmen sind möglich, zulässig und zweckmäßig?

    von Rechtsanwalt Udo Henke, Unna

    In der Vergangenheit haben die meisten Rechtsanwälte in Deutschland ihren Beruf ausgeübt, ohne groß in Werbung und Marketing zu investieren. Damit liegt die Frage auf dem Tisch: Brauchen Anwälte überhaupt Werbung? Die Antwort lautet eindeutig ja. Der folgende Beitrag erläutert die Bedeutung von Anwaltswerbung und macht die Grundlagen der anwaltlichen Werbepraxis transparent.

    1. Die Grundfrage: Warum sollte der Anwalt werben?

    Die Bedeutung anwaltlicher Werbung folgt aus zwei wichtigen Gesichtspunkten:

    • Erstens erfordert der Wandel der Anwaltschaft Werbung: Der starke Zustrom junger Anwälte wird auch in den nächsten Jahren anhalten; die psychologische Marke von 100.000 Anwälten in Deutschland ist bereits überschritten. Trotz vielfältiger Bemühungen, den Markt für anwaltliche Dienstleistungen zu verbreitern, wird das Betätigungsfeld für jeden Anwalt eher enger.

      Die Verkleinerung des Marktanteils für den Einzelnen führt zunehmend zu einer Spezialisierung. Heute gibt es schon rund 10.000 Fachanwälte für die (derzeit) sieben Fachanwaltschaften; viele Anwälte verdeutlichen neuerdings ihre Spezialisierung durch die Nennung von Interessen- und Tätigkeitsschwerpunkten. Allein diese zunehmende Spezialisierung ist Anlaß genug, potentielle Mandanten darüber aufzuklären, auf welchem Gebiet der Anwalt besonders kompetent ist.
    • Zweitens hat sich vor allem auch das Mandantenverhalten verändert. Mandanten wollen heute, daß die Anwälte auf sie zugehen, sich ihnen mitteilen und sich sichtbar dem Wettbewerb stellen. Die inzwischen von vielen Anwälten bereits praktizierten Werbe- und Marketingaktivitäten haben diese Einstellung beim Publikum noch verstärkt, denn: Werben erst einige Anwälte für ihre Dienstleistung, erwartet das Publikum bald, daß auch die übrigen Anwälte ihr Dienstleistungsangebot durch Werbeaussagen transparenter machen. Dieser Kreislauf scheint nun in Gang gekommen zu sein und ist nicht mehr aufzuhalten.

    2. Die Bandbreite: Erlaubt ist, was nicht verboten ist.

    Seit den beiden bahnbrechenden Entscheidungen des BVerfG von 1987 (Beschluß, 14.7.87, AnwBl. 87, 598; Beschluß, 14.7.87, AnwBl. 87, 603) ist das bis dato strikte Werbeverbot aufgebrochen worden. Die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und die Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) ziehen nun den berufsrechtlichen Rahmen dafür, was der Anwalt an zulässigen Werbe- und Marketingmaßnahmen unternehmen darf. § 43b BRAO lautet: „Werbung ist dem Rechtsanwalt nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist.“ § 6 bis § 10 BORA konkretisieren die besonderen Berufspflichten des Anwalts im Zusammenhang mit der Werbung.

    Unter Berücksichtigung des allgemeinen Wettbewerbsrechts, das keine speziellen Eingrenzungen für die Anwaltswerbung vorsieht, sondern bereits seit jeher für jeden Werbeauftritt gilt, ergeben sich folgende Grundregeln:

    • Wettbewerbsrechtlich müssen alle Werbeaussagen zutreffend und wahr sein. Jede Irreführung des Marktes ist zu vermeiden. Übertriebene Anpreisungen, ausgeprägte Vergleiche mit anderen Anbietern oder das Herausstellen von Selbstverständlichkeiten sind wettbewerbsrechtlich von den konkurrierenden Kollegen, von den Anwaltvereinen oder den Rechtsanwaltskammern leicht zu kassieren und zu sanktionieren.
    Beispiel

    Zulässig ist die Veröffentlichung von „Spezialgebieten“ – also Interessen- oder Tätigkeitsschwerpunkten –, auf denen der Anwalt tätig ist. Unzulässig sind dagegen Angaben, die zu einer Fehlvorstellung hinsichtlich der Qualifikation des Anwalts führen. So ist unzweifelhaft klarzustellen, ob es sich um einen Interessen- und/oder Tätigkeitsschwerpunkt handelt oder ob der Anwalt als Fachanwalt tätig wird.

    • Gesetz und Berufsordnung pochen auf Sachlichkeit und verwehren dem Anwalt damit lediglich reklamehafte und marktschreierische Auftritte.
    Beispiel

    Unzulässig sind Zeitungsanzeigen in unangemessener Größe und Farbgestaltung oder Fotos von Anwälten, die den meisten Raum einer Anzeige einnehmen.

    • Verboten ist die gezielte Werbung um die Praxis, um ein bestimmtes Mandat.
    Beispiel

    Der Anwalt darf (potentiellen) Mandanten seine Dienste nicht unaufgefordert anbieten – auch nicht mit einem Schreiben anläßlich der Praxisneueröffnung, das der Adressat nicht als Rundschreiben, sondern als individuelles Anschreiben betrachten muß (zum zulässigen Serienbrief siehe BRAGO prof. 9/97, 1).

    Hinweis: Für Sozietäten mit anderen Berufsgruppen muß bei Werbemaßnahmen zusätzlich das unter Umständen strengere Berufsrecht einzelner Berufsträger beachtet werden.

    3. Die Werbeträger: Klassiker und neue Werbemethoden nutzen

    Mit diesen Vorgaben stehen dem Anwalt zunächst alle Werbemittel zur Verfügung, die allgemein akzeptiert und schon seit langer Zeit der anwaltlichen Selbstdarstellung dienen. Diese klassischen Werbeträger sind zum Beispiel Briefpapier, Kanzleischilder, Visitenkarten, Mandantenbriefe, Fachanwaltsbezeichnungen oder Personalanzeigen.

    Die bewußte Vermarktung der eigenen Stärken hat Inhalte und Formen der herkömmlichen Kommunikationsmedien deutlich verändert. Auffällige oder zurückhaltende Farbgebung, gegenständliche oder abstrakte Logos, einheitliche und moderne Typographie sowie Corporate Design – und zukünftig auch Kanzlei-Slogans – kennzeichnen eine neue Qualität der bisherigen Ausdrucksformen.

    Relativ neu sind Werbeaktivitäten im Internet. Hierfür entstehen nur verhältnismäßig geringe Herstellungs- und Aktualisierungskosten. Außerdem gibt es Darstellungsweisen, die sich mit Printmedien bisher kaum erzeugen ließen. Interessant ist auch die Zugriffsmöglichkeit durch eine beliebige Zahl von Interessenten und das sogar weltweit. Die Homepage ist normalerweise leicht und schnell zu aktualisieren und ein Benutzer (User) kann durch „Links“ auf andere Informationsquellen zugreifen.

    Ein völlig neuer, allerdings auch kostenintensiver Trend im Werbebereich sind Events (auch „Happenings”). Das sind Veranstaltungen, die in der Anwaltschaft bislang allenfalls in Form von Vernissagen oder Kanzleieröffnungsfesten praktiziert wurden. Hier sind weitere Gestaltungsmöglichkeiten denkbar wie Einladungen für besondere Anlässe in Luxushotels in attraktiven Städten, von großen Anwaltskanzleien gesponsorte Fach- und Kulturveranstaltungen bis hin zu „Road-Shows”. Doch solche „exotischen“ Werbeauftritte sind sicherlich nicht für jede Anwaltskanzlei das Richtige. Sie kosten viel Geld und bewegen sich eher in der Grauzone zu unzulässiger Reklame.

    4. Ist alles sinnvoll, was erlaubt ist?

    Aber auch sonst gilt: Längst nicht alles, was erlaubt ist, ist auch eine sinnvolle Werbung. Grundsätzlich ist folgendes zu überlegen: Werbekosten sind Betriebsausgaben. Bei jeder Werbeaktivität müssen der Aufwand und der Ertrag in einem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis stehen. Vor jeder Werbeaktion sollte man sich deshalb vor Augen halten, wie viele neue Mandate damit überhaupt gewonnen werden können. Der kalkulierte zusätzliche Umsatz sollte die Werbekosten bei weitem übersteigen.

    Beispiel

    Anzeigen in der (über-)regionalen Tagespresse sind kostspielig. Sie finden sich oft auf sogenannten „Anzeigenfriedhöfen” wieder und werden dort von potentiellen Adressaten kaum wahrgenommen.

    Besonders kritisch sind auch Werbeaktivitäten zu prüfen, die nur kurzfristig die Aufmerksamkeit des Marktes erreichen, dafür aber erhebliche Kosten verursachen. Wird am falschen Ort, zur falschen Zeit oder in unglücklicher Art und Weise geworben, so bleiben solche Werbeaktionen ohne großen Nutzen.

    5. Hoher Berufsstatus muß gewahrt werden

    Und noch eines ist bei anwaltlicher Werbung zu beachten: Nur Seriosität ist der beworbenen Dienstleistung angemessen und wirtschaftlich sinnvoll. Auch der Gesetzgeber und die Rechtsanwaltskammern sehen dies so. Noch ist das anwaltliche Werbeverhalten in der Entwicklung. Die gesamte Anwaltschaft nimmt den entscheidenden Einfluß darauf, welche Formen der Darstellung gewählt und sich künftig durchsetzen werden. Deshalb gilt:

    • Die anwaltliche Dienstleistung ist keine x-beliebige Serviceleistung. „Waschpulver-Werbung” ist dafür völlig unangebracht. Den gehobenen Status des Berufsstands zu wahren, liegt im Interesse aller Berufsträger.
    • Die Wahl der Mittel und die Art und Weise der Werbedarstellung sind von großer Bedeutung, um der Anwaltschaft weiterhin das hohe Image und die gute Achtung der Anwaltschaft beim Publikum zu erhalten. Billige Effekte und reklamehafte Aufmachung schaden auf Dauer nicht nur der Anwaltschaft, sondern vor allem dem Verwender solcher Werbung.

    Leserservice: In den folgenden Ausgaben lesen Sie, worauf es bei speziellen Werbeträgern, klassischen und neuen Werbemedien und der Art und Weise der Werbeansprache ankommt (zum Beispiel Werbung durch Kanzleiname, Briefpapier und Visitenkarten, Kanzlei-Schilder, Kanzleibroschüren, Rundschreiben, Werbung mit Tätigkeits- und Interessenschwerpunkten, Anzeigenwerbung, Werbung im Internet, Pressearbeit, Sponsoring, Werbung im Straßenraum oder in Rundfunk und Fernsehen, Job-Börse und Personalanzeige, Events, Corporate Design, Logo und Kanzlei-Slogan). Im einzelnen werden jeweils die Zulässigkeit, der wirtschaftliche und marketingmäßige Sinn und die Erstellungskosten einer Werbeaktion untersucht sowie Tips für die Praxis gegeben.

    Quelle: RVG professionell - Ausgabe 11/1999, Seite 136

    Quelle: Ausgabe 11 / 1999 | Seite 136 | ID 106221