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20.11.2001 · IWW-Abrufnummer 011395

Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 26.04.2001 – 11 K 224/99

Doppelte Haushaltsführung: Der Neubeginn der Zweijahresfrist ist nicht von einer Mindestdauer der Unterbrechung der Beschäftigung am selben Ort abhängig.


Tatbestand
Streitig ist die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Der Kläger lebt mit seiner berufstätigen Ehefrau und drei ? im Streitjahr 1997 ? minderjährigen Kindern in A. Er war vom 01.01.1995 an bei der Firma X in B als Qualitätsmanagement?Beauftragter tätig. Seine Aufgabe umfasste die konzeptionelle Erarbeitung, Einführung und Dokumentation eines Qualitätsmanagementsystems nach DIN EN ISO 9002 (Einzelheiten siehe Zeugnis vom 31.12.1996 ? Bl. 45 Gerichtsakte ? GA). Der Firma wurde am 05.11.1996 bescheinigt, die Forderungen der DIN?Vorschrift zu erfüllen (Bl. 46 GA). Zum 31.12.1996 kündigte die Firma dem Kläger. In den Einkommensteuerbescheiden 1995 und 1996 berücksichtigte der Beklagte Aufwendungen des Klägers für doppelte Haushaltsführung.
Der Kläger gab im Dezember 1996 und Februar 1997 Stellengesuche in Y-fachzeitschriften auf (Bl. 49, 50 GA). Ab 01.01.1997 war er arbeitslos gemeldet. Vom 15.04.1997 bis 15.05.1998 war er wiederum für die Firma X als Qualitätsmanagement?Beauftragter tätig, um das bestehende Qualitätsmanagementsystem zu erweitern. Auf das Zeugnis vom 15.05.1998 (Bl. 48 GA) wird verwiesen.
In seiner Einkommensteuererklärung des Streitjahres 1997 machte der Kläger Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung ? Fahrtkosten 7.180 DM, Hotelkosten 7.188 DM, Verpflegungsmehraufwendungen 2.760 DM ? geltend, von denen der Beklagte nur die Fahrtkosten, allerdings nach einer Entfernung von nur 220 km (statt beantragter 304 km), zwischen A und B anerkannte (Einkommensteuerbescheid 1997 vom 09.06.1998 ? Bl. 197 Einkommensteuerakte ? EStA). Der Beklagte vertrat die Auffassung, den nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1996 auf zwei Jahre begrenzten Werbungskostenabzug für eine doppelte Haushaltsführung habe der Kläger bereits 1995/1996 in Anspruch genommen. Erst eine Unterbrechung von mindestens 12 Monaten lasse die Zweijahresfrist neu beginnen. Hiergegen richtet sich nach insoweit erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsbescheid vom 22.02.1999 ? Bl. 18 GA) die Klage.
Der Kläger meint, dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass die Zweijahresfrist bei Begründung einer neuen doppelten Haushaltsführung am Ort der vorherigen nur dann neu beginne, wenn die Unterbrechung eine Mindestdauer überschreite. Die erste doppelte Haushaltsführung sei zum 31.12.1996 beendet worden. Dass der Kläger bei der Firma X erneut beschäftigt werden könnte, sei zu dem Zeitpunkt nicht absehbar gewesen. Die Neuregelung der doppelten Haushaltsführung sei bei berufstätigen Eheleuten verfassungswidrig.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1997 vom 09.06.1998 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 22.02.1999 weitere Werbungskosten von 12.046 DM zu berücksichtigen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt
Klagabweisung mit der Maßgabe, dass Einwendungen gegen eine Zugrundelegung von 304 Entfernungskilometern für den Fall der Anerkennung von Familienheimfahrten nicht erhoben werden.
Im Übrigen hält der Beklagte an seiner Rechtsauffassung fest, die Zweijahresfrist der doppelten Haushaltsführung sei abgelaufen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist im erkannten Umfang begründet. Bei den geltend gemachten Fahrt- und Hotelkosten handelt es sich um notwendige Mehraufwendungen, die dem Kläger wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstanden und nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abzuziehen sind. Keine ?notwendigen? Mehraufwendungen sind jedoch die in diesem Zusammenhang erklärten Verpflegungsmehraufwendungen.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstanden sind. Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG). Im Streitfall hat der Kläger am 15.04.1997 in B unstreitig eine doppelte Haushaltsführung aus beruflichem Anlass begründet und für den Rest des Veranlagungszeitraums beibehalten.
Dass der Abzug der Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG bei einer Beschäftigung am selben Ort auf insgesamt zwei Jahre begrenzt ist und der Kläger bereits vom 01.01.1995 bis 31.12.1996 in B gearbeitet hat, wirkt sich hier nicht aus. Am 15.04.1997 hat eine neue Zweijahresfrist zu laufen begonnen. Zu diesem Termin hat der Kläger eine neue doppelte Haushaltsführung in B begründet.
Der Kläger hat die vorherige doppelte Haushaltsführung zum 31.12.1996 endgültig beendet. Bei dem Zeitraum bis zur Wiedereinstellung des Klägers handelt es sich nach Überzeugung des Senats (§ 96 Finanzgerichtsordnung ? FGO) nicht etwa um eine nur vorübergehende Phase der Nichtbeschäftigung bei der Firma X. Der Kläger hatte Ende 1996 die ihm gestellte Aufgabe gelöst. Der Firma X wurde am 05.11.1996 das TÜV ? Zertifikat ausgestellt, sie erfülle die Forderungen der DIN EN ISO 9002. Die Firma kündigte dem unbefristet angestellten Kläger mit Schreiben vom 21.11.1996 daher aus betriebsbedingten Gründen zum 31.12.1996. Dass das zertifizierte Qualitätsmanagementsystem demnächst erweitert werden sollte, war nicht absehbar. Der Kläger gab im November 1996 für die Dezemberausgabe einer Y-fachzeitschrift eine Stellengesuchsanzeige auf. Er meldete sich zum 01.01.1997 arbeitslos. Im Februar 1997 erschien eine weitere Stellengesuchsanzeige des Klägers. Er suchte den Y-verband in C auf, um sich nach offenen Stellen zu erkundigen, und stellte sich am 11.03.1997 bei einer Firma in D vor. Erst am 04.04.1997 fand nach dem Vortrag des Klägers die erste Projektbesprechung und die Vereinbarung des neuen Arbeitsverhältnisses bei der Firma X statt. Der Senat hält diese Darstellung des Klägers für glaubhaft. Damit steht für den Senat fest, dass der Kläger seinen Haushalt in B zum 31.12.1996 endgültig aufgegeben hat und sich erst nach der Besprechung vom 04.04.1997 entschloss, erneut einen weiteren Haushalt in B zu begründen.
Der Neubeginn der Zweijahresfrist ist nicht von einer Mindestdauer der Unterbrechung der Beschäftigung am selben Ort abhängig (Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 9, 518; Kirchhof/Söhn, EStG, § 9, G 112 e f; Schmidt, EStG, § 9, 154; a.A. Hartmann/Böttcher/Nissen/ Bordewin, EStG, § 9, 216; Littmann/Bitz/Hellwig, EStG, § 9, 348; Abschnitt 43 Abs. 10 Satz 3 LStR 1996: 12 Monate; R 43 Abs. 11 Satz 9 LStR 1999: 8 Monate). Die in den Richtlinien genannten Fristen haben keine gesetzliche Grundlage. Sie sind willkürlich bestimmt, was sich auch daran zeigt, dass die Finanzverwaltung ohne Änderung der Gesetzeslage ab 1999 bereits eine um vier Monate kürzere Unterbrechung ausreichen lässt. Bei einer nur kurzen Unterbrechung wird zwar eher als bei einer längeren Anlass bestehen, genau zu prüfen, ob wirklich eine endgültige Aufgabe des Haushalts am Beschäftigungsort oder ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts gegeben ist. Erbringt ein Steuerpflichtiger ? wie der Kläger ? aber den Nachweis, dass trotz einer nur kurzen Unterbrechung der Beschäftigung am selben Ort die vorherige Haushaltsführung beendet war, ist der Werbungskostenabzug von Mehraufwendungen für eine neue doppelte Haushaltsführung möglich.
Als notwendige Mehraufwendungen der doppelten Haushaltsführung sind danach die erklärten Hotel- und Fahrtkosten abzugsfähig, wobei bei den Fahrtkosten nunmehr unstreitig eine Entfernung von 304 Kilometern zugrunde zu legen ist. Dagegen sind keine Verpflegungsmehraufwendungen zu berücksichtigen. Dem Kläger war aus seinem nur wenige Monate zuvor beendeten zweijährigen Aufenthalt die Verpflegungssituation bestens bekannt. Ihm entstanden keine notwendigen Mehraufwendungen für Verpflegung (vgl. auch Schmidt, EStG, § 9, 154).
Es ergibt sich folgende Berechnung:
Kosten der ersten Fahrt zum Beschäftigungsort 158 DM
Familienheimfahrten 7.022 DM
Hotelkosten 7.188 DM
Mehraufwendungen der doppelten Haushaltsführung 14.368 DM
bereits anerkannt 5.197 DM
weitere Werbungskosten 9.171 DM
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

RechtsgebietEinkommensteuer einschl. Solidaritätszuschlag 1997Vorschriften§ 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG

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