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14.03.2013 · IWW-Abrufnummer 132006

Finanzgericht Münster: Urteil vom 15.01.2013 – 13 K 3764/09

1) Für ein berechtigtes Interesse i.S. des § 41 Abs. 1 FGO genügt jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, sofern die begehrte Feststellung geeignet ist, in einem der genannten Bereiche eine Verbesserung der Position des Klägers herbeizuführen.
2) Eine Buchführung ist nicht schon deswegen formal ordnungswidrig, weil der Stpfl. ein Buchführungsprogramm verwendet, das wegen seines Alters nur 3,5-Zoll-Disketten und keine CD-Roms erstellen kann.
3) Bestreitet das FA die formelle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung bei Verwendung eines solchen Programms, kann der Stpfl. im Wege der Feststellungsklage die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung feststellen lassen.


Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 13. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 15.01.2013 für Recht erkannt:
Tatbestand:
Streitig ist, ob gerichtlich festgestellt werden kann, dass eine Buchführung nicht allein aus dem Grund als formal ordnungswidrig anzusehen ist, weil ein Buchführungsprogramm verwendet wird, welches aufgrund seines Alters u.a. keine CD-Roms und keine WinIDEA-fähigen Daten erstellen kann.
Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft, an deren Kapital Herr S. H1. als Komplementär zu 98,5 % und seine Ehefrau F. H1. als Kommanditistin zu 1,5 % beteiligt sind. Sie stellt … und … aus … her.
Die Klägerin erstellte ihre Buchführung seit vielen Jahren mit dem Buchführungsprogram „Sage-KHK Classic Line (DOS)”. Die Software arbeitet auf der Grundlage des Betriebssystems „MS-DOS” oder „PC-DOS”. Das Programm ermöglicht nicht eine Datenspeicherung auf CD-ROMs oder DVDs, jedoch auf 3,5 Zoll-Disketten. Außerdem vermag das Programm nicht, WinIDEA- oder IDEA-fähige Daten zu erstellen. Wegen der Einzelheiten wird auf das von der Klägerin vorgelegte Handbuch des KHK-Programms verwiesen.
Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E. führte bei der Klägerin aufgrund einer Prüfungsanordnung vom ….2004 und Prüfungserweiterungsanordnungen vom ….2004 und ….2007 eine Betriebsprüfung für die Jahre 1998 bis 2004 durch. In ihrem Betriebsprüfungsbericht vom ….2009 führten die Prüfer unter Tz. 2.1 aus:
„Gewinnermittlung/Aufzeichnungen
Es liegt eine EDV-Buchführung System „KHK Classic Line (DOS)” vor.
Mit der ersten Erweiterung der Prüfungsanordnung vom ….2006 auf die Jahre 2000 bis 2004 wurde der Firma ein Merkblatt mit Hinweisen zum Datenzugriffsrecht der Finanzverwaltung übersandt. Darin wurde der Hinweis aufgenommen, dass beabsichtigt sei, dass Datenzugriffsrecht mittels
Datenträgerüberlassung geltend zu machen und die Prüfungssoftware IDEA einzusetzen.
Zu Beginn der Prüfung im Unternehmen am ….2006 sollten die steuerlich relevanten Daten für den Prüfungszeitraum – zusammen mit den zur Auswertung notwendigen Strukturinformationen (Datensatzbeschreibung) – auf maschinell verwertbaren Datenträgern (z. B.CD-ROM. DVD) vorgelegt werden.
Dieser Hinweis auf den Erstzugriff per Datenträger wurde von der Firma nicht beachtet. Zu Beginn der Prüfung lag keine Daten-CD mit den steuerrelevanten Buchführungsdaten für die Jahre 2000 bis 2004 vor.
Nach den vom Frau U. erteilten Auskünften besteht wegen des Alters des eingesetzten Buchführungsprogramms keine Möglichkeit des Datenexportes auf externe Datenträger (CD/DVD).
Ein direkter Datenzugriff würde die laufende Büroarbeit blockieren.
In der Stellungnahme der Bfa. vom ….2007, Seite 2, wird vorgetragen, dass die elektronischen Daten auf Disketten zur Verfügung gestellt werden sollten. Hierbei verkennt die Bfa. offensichtlich den Umfang der Buchführungsdaten und die Notwendigkeit, die Daten auf unveränderbaren Datenträgern zur Verfügung zu stellen zu müssen.
Spätestens ab dem 1.1.2002 stellt dies einen Verstoß gegen die Grundsätze der Überprüfbarkeit maschineller Buchführungssysteme im Rahmen von Außenprüfungen dar (§ 146 Abs. 5 AO i.V.m. § 147 Abs. 2 und 6 AO).
Ab dem 1. Januar 2002 ist der Finanzverwaltung aufgrund der gesetzlichen Neuregelungen im Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 (Bundesgesetzblatt Teil I S. 1433, Artikel 7 und 8) das Recht eingeräumt, die mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellte Buchführung des Steuerpflichtigen durch Datenzugriff zu prüfen.
Bei der Datenträgerüberlassung sind der Finanzbehörde mit den gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen alle zur Auswertung der Daten notwendigen Informationen (z.B. über die Dateistruktur, die Datenfelder sowie interne und externe Verknüpfungen) in maschinell auswertbarer Form zur Verfügung zu stellen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen sich die Daten bei Dritten befinden.
Entscheidet sich der Prüfer für eine Datenanalyse mit Hilfe dienstlich bereitgestellter Prüfungssoftware, müssen die dazu erforderlichen steuerlich relevanten Daten vom Unternehmen auf einem maschinell lesbaren Datenträger bereit gestellt werden.
Da nach eigenen Auskünften der Stpfl. in den Klageverfahren gegen die Prüfungsanordnung und die Erweiterung des Prüfungszeitraums auch in den Vorjahren die Buchführung mit dem EDV-System KHK erstellt wurde, waren auch für diese Jahre die Buchführungsdaten auf Datenträger zur Betriebsprüfung vorzulegen (vgl. Grundsätze ordnungsmäßiger EDV – gestützter Buchführungssysteme (GoBS) – BMF 7.11.1995, IV A 8 – S 0316 – 52/95, BStBl 1995 I S. 738; die „GDPdU” geben die Archivierung von Buchführungsdaten in maschinell auswertbaren Formaten vor).
Die 10-jährige Aufbewahrungsfrist gilt für Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen (Dokumentation), ferner für Buchungsbelege.
Für die übrigen aufbewahrungspflichtigen Unterlagen (z.B. empfangene Handelsoder Geschäftsbriefe, Wiedergaben der abgesandten Handels- oder Geschäftsbriefe) gilt die 6-jährige Aufbewahrungsfrist. Die aufbewahrungspflichtigen Unterlagen sind in § 147 Abs. 1 Abgabenordnung, die Aufbewahrungsfristen in § 147 Abs. 3 Abgabenordnung geregelt.
Der Einsatz der Prüfsoftware „WinIDEA” war nicht möglich.
Die Buchführung ist aus den vorgenannten Gründen für die Jahre 1998 bis 2004 formal nicht ordnungsgemäß. […]”
Die Prüfer hielten die Buchführung der Klägerin auch aus anderen Gründen für nicht ordnungsgemäß und stellten hierzu in Tz. 2.1.1 und 2.2.1.1 bis 2.2.1.7 ihres Berichts u.a. eine nicht zeitnahe Erfassung der Geschäftsvorfälle und eine teilweise Verbuchung von Kosten der privaten Lebensführung als Betriebsausgaben dar. Aus der Ordnungswidrigkeit der Buchführung leiteten die Prüfer ihre Befugnis ab, die Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 der Abgabenordnung – AO – zu schätzen. Anhand einer Mehr- und Wenigerrechnung (Anlage 7 zum Bericht) ergaben sich die folgenden Hinzuschätzungen (alle Beträge in EUR):

JahrvorhernachherDifferenz
1998xxx.xxx,xxxxx.xxx,xxxx.xxx,xx
1999xxx.xxx,xxxxx.xxx,xxxx.xxx,xx
2000xxx.xxx,xxxxx.xxx,xxxx.xxx,xx
2001xxx.xxx,xxxxx.xxx,xxxx.xxx,xx
2002xxx.xxx,xxxxx.xxx,xxxx.xxx,xx
2003xxx.xxx,xxxxx.xxx,xxxx.xxx,xx
2004xxx.xxx,xxxxx.xxx,xxxx.xxx,xx
Summexxx.xxx,xx
Wegen der Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht verwiesen. Der Beklagte schloss sich der Auffassung der Betriebsprüfer an und erließ entsprechend geänderte Steuerbescheide, die Gegenstand anderer anhängiger Gerichtsverfahren sind.
Nachdem es zwischen der Klägerin und dem Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E. zu den beschriebenen Streitigkeiten über die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung bei Verwendung des Buchführungsprogramms „KHK Classic Line” gekommen war, gab die Klägerin für die Veranlagungszeiträume ab 2005 keine Steuererklärungen mehr ab. U.a. vor diesem Hintergrund – und wegen der möglicherweise unzutreffend verbuchten Privatausgaben – leitete das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung C1. im Dezember 2006 gegen Herrn S. H1. ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren ein, im Zuge dessen es einen steuerstrafrechtlichen Ermittlungsbericht vom ….2010 erstellte. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Bericht verwiesen. Zudem führte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung C1. ab Oktober 2009 bei der Klägerin und ihren Gesellschaftern eine steuerliche Prüfung der Jahre 2005 bis 2008 durch. Im Bericht vom ….2010 über die steuerlichen Feststellungen gelangte es zu dem Ergebnis, dass eine Schätzungsbefugnis für die Jahre 2005 bis 2008 eröffnet sei und unter Berücksichtigung der Umsätze der Klägerin sowie geschätzter Betriebsausgaben von folgenden Gewinnen im Bereich der Gesamthand der Klägerin auszugehen sei (Mehr- und Wenigerrechnung Gesamthand, Anlage 6 zum Bericht):
2005x,xxxxx.xxx,xxxxx.xxx,xx
2006x,xxxxx.xxx,xxxxx.xxx,xx
2007x,xxxxx.xxx,xxxxx.xxx,xx
2008x,xxxxx.xxx,xxxxx.xxx,xx
Summex.xxx.xxx,xx
Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht vom ….2010 verwiesen.
Im weiteren strafrechtlichen Verfahren klagte die Staatsanwaltschaft E. am … 2012 Herrn S. H1. vor der großen Strafkammer des Landgerichts E. an. Die Anklageschrift weist verkürzte Steuern in Höhe von x.xxx.xxx,– EUR für die Jahre 2005 bis 2008 vor dem Hintergrund nicht abgegebener Steuererklärungen aus.
Die Klägerin hat bereits am 15.10.2009 Klage erhoben und begehrt festzustellen, dass ihre Buchführung nicht aus dem Grund als formal ordnungswidrig angesehen werden könne, weil sie das Programm Sage-KHK Classic Line verwende.
In der am 15.01.2013 vom Senat durchgeführten mündlichen Verhandlung hat der Beklagte verbindlich erklärt,
„dass die Buchführung der Klägerin nicht aus dem Grund als formal ordnungswidrig angesehen werden kann, dass das Programm Sage-KHK Classic Line verwendet wird, und dass die Klägerin das Programm deshalb benutzen darf.”
Nach Auffassung der Klägerin ist ihre Klage zulässig. Eines Vorverfahrens bedürfe es für die Feststellungsklage nicht. Insbesondere besitze sie ein Feststellungsinteresse.
Das Feststellungsinteresse ergebe sich zunächst daraus, dass die Klägerin sich durch die Rechtsauffassung des Beklagten gezwungen sehe, ein neues Programm anzuschaffen. Sie habe ein wirtschaftliches Interesse daran festzustellen, dass dies unzutreffend sei. Denn eine Neuanschaffung bedeute für sie nicht nur einen erheblichen Schulungsbedarf ihrer Mitarbeiter, sondern auch den jährlichen Erwerb hochpreisiger Lizenzen anstatt – wie bei dem Programm KHK Classic – eines einmaligen Erwerbs des Eigentums an dem Programm. Zusätzlich müsste sie neue Hardware anschaffen und in der Folge die gesamte EDV umstellen. Dies sei mit erheblichen Kosten verbunden.
Ihr Feststellungsinteresse ergebe sich weiterhin aus dem gegen ihren Komplementär eingeleiteten Steuerstrafverfahren. Dieses sei aus der Behauptung entstanden, sie – die Klägerin – nutze kein ordnungsgemäßes Buchführungsprogramm. Denn sie könne mithilfe eines angeblich unzulässigen Programms weder Bilanzen erstellen noch Steuererklärungen abgeben. Die Behauptungen der Finanzverwaltung stünden dem Entzug einer allgemeinen Betriebserlaubnis für das KHK Programm gleich, so wie etwa auch für einen PKW die allgemeine Betriebserlaubnis entzogen werden könne. Sie – die Klägerin – habe nun ein Interesse daran, dass aus der unbegründeten Stilllegung ihres Buchführungsprogramms und der daraus folgenden Nichtabgabe von Steuererklärungen keine strafrechtlichen Folgen für ihren Komplementär folgen dürften.
Weiterhin sei die Feststellung erforderlich, um zu klären, wie sie zukünftig unter Berücksichtigung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung buchen könne. Für die Zukunft müssten Sanktionen wie z.B. Schätzungen vermieden werden. Wegen der Unsicherheit, dass die Rechtsauffassung der Prüfer, die später auch von dem Beklagten mehrfach schriftlich bestätigt worden sei, zutreffen könnte, buche die Klägerin nunmehr vorerst manuell wie früher vor der Anschaffung des EDV-Programms.
Schließlich sei die gerichtliche Feststellung erforderlich zur Vorbereitung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche. Die sich aus der Verwerfung des Buchhaltungsprogramms ergebende Enteignung begründe Schadensersatzansprüche. Außerdem sei ihr ein Schaden in Form von Rechtsberatungskosten entstanden.
Der Feststellungsklage stehe auch nicht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Denn da ein von ihr bereits gestellter Antrag auf Erlass einer verbindlichen Auskunft zu derselben Rechtsfrage negativ beschieden worden sei, erkenne sie nur im Wege der Feststellungsklage eine effektive Rechtsschutzmöglichkeit.
Ihr Rechtsschutzbedürfnis sei auch nicht durch die in der mündlichen Verhandlung vom 15.01.2013 von dem Beklagten abgegebene verbindliche Erklärung entfallen. Denn der Beklagte habe keine rechtliche Möglichkeit, mit seiner Erklärung auch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E. hinsichtlich laufender und künftiger Betriebsprüfungen zu binden. Im Falle einer Meinungsverschiedenheit zwischen zwei Finanzbehörden müsse zudem die Oberfinanzdirektion … entscheiden, die ebenfalls durch die Erklärung des Beklagten nicht gebunden werde. Außerdem erwachse die Erklärung des Beklagten nicht in Rechtskraft. Vielmehr habe eine gerichtliche Entscheidung ein anderes Gewicht und bewirke eine weitergehende Bindung. Dies gelte insbesondere auch für das Strafverfahren. Sofern aber doch das Rechtsschutzbedürfnis entfallen sein sollte, begehre sie – die Klägerin – hilfsweise die Feststellung in Form einer Fortsetzungsfeststellungsklage.
Auch in der Sache müsse ihre Klage Erfolg haben.
Aus dem Umstand, dass keine Speicherung auf CD's möglich sei, könne sich kein Buchführungsmangel ergeben. Die Klägerin benutze das Programm Sage-KHK Classic Line seit dem Jahr 1994. Über viele Jahre habe auch die Finanzverwaltung problemlos die Buchführung bzw. die darauf basierenden Bilanzen und Steuererklärungen akzeptiert. Der Klägerin sei bekannt, dass zahlreiche weitere Betriebe mit demselben Programm arbeiteten, ohne dass dieses vom Finanzamt beanstandet würde. Nun sei die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung allein deshalb gerügt worden, weil das Programm keine CD-ROMs bedrucken könne, sondern lediglich Disketten. Es könne aber nicht zu ihren Lasten gehen, wenn die Betriebsprüfung keine Disketten mehr verarbeiten könne. Weiterhin könne ihr Programm auch keine WinIDEA-fähigen Daten und Strukturdaten liefern. Dies sei aber – entgegen der Auffassung der Betriebsprüfung – allein deshalb schon nicht erforderlich, da das EDV-Programm vor dem 01.01.2002 angeschafft worden sei (Erwerb 1994) und daher Bestandsschutz genieße. Die Gesetzesänderung zum 01.01.2002 könne das Programm daher nicht als unrechtmäßig erscheinen lassen oder gar Schätzungsbefugnisse eröffnen. Vor diesem Hintergrund verstoße der Beklagte mit seiner Rechtsauffassung auch gegen Artt. 14 Abs. 1, 2 Abs. 1 sowie 3 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG – sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Es bestehe auch keine Verpflichtung, den Datenzugriff in Form der Datenträgerüberlassung ausschließlich in Form von DVD's oder CD-ROM's zu gewährleisten. Der Gesetzgeber habe sich bewusst hinsichtlich der Datenträgerform nicht geäußert und habe der technischen Entwicklung nicht vorgreifen wollen. Das Bundesministerium der Finanzen – BMF – habe mit Fragen und Antworten zum Datenzugriff der Finanzverwaltung – Stand 01.02.2005 – unter Tz. 3 publiziert, dass für die Datenübertragung auch Disketten verwendet werden könnten, sofern diese das Dateisystem „MS-DOS” oder „FAT” enthielten. Nichts Gegenteiliges ergebe sich auch aus dem BMF-Schreiben vom 16.07.2001 IV D 2-S0316-136/01, welches die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) beschreibe.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die Buchführung der Klägerin nicht aus dem Grund als formal ordnungswidrig angesehen werden kann, dass das Programm Sage-KHK Classic Line verwendet wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach seiner Auffassung ist die Feststellungsklage unzulässig.
Eine Feststellungsklage sei nach § 41 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO – ausgeschlossen, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen könne. Gegen die Aufforderung zur Datenüberlassung und die Befugnisse der Finanzbehörde hinsichtlich des Datenzugriffs könne sich die Klägerin mit Einsprüchen und Anfechtungsklagen zur Wehr setzen. Die Klägerin hätte die Steuererklärungen fertigen und dann ihre Rechte im Rahmen der Anfechtung der danach erlassenen, aus ihrer Sicht rechtswidrigen Steuerbescheide verfolgen können.
In der Sache hat der Beklagte im Laufe des Klageverfahrens zunächst die Auffassung vertreten, die Klage sei unbegründet. In Bezug auf die Unterlagen, die der Steuerpflichtige nach § 147 Abs. 1 AO aufzubewahren habe, stünden der Finanzbehörde die Befugnisse nach § 147 Abs. 6 AO zu. Sie könne insoweit verlangen, dass die gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen auf einen maschinell verwertbaren Datenträger zur Verfügung gestellt würden. Unter dem Begriff „maschinelle Auswertbarkeit” werde der wahlweise Zugriff auf alle gespeicherten Daten einschließlich der Stammdaten und Verknüpfung mit Sortier- und Filterfunktionen verstanden. Dateien, die vom Unternehmer ausgewählt seien, jedoch nicht mehr alle steuerlich relevanten Daten enthielten, könnten mangels wahlfreier Zugriffsmöglichkeiten nicht akzeptiert werden.
Mit Schriftsatz vom 04.09.2012 hat der Beklagte sodann verschiedene Äußerungen, die er schriftsätzlich gegenüber dem Gericht erklärt hatte, ersatzlos zurückgezogen. Er erläuterte, er halte die Äußerungen deshalb nicht mehr aufrecht, weil sich aus den Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen keine Einschränkungen auf bestimmte Arten von Datenträgern entnehmen ließen. Die Frage nach der Veränderbarkeit von Buchungen und Aufzeichnungen sei in § 146 Abs. 3 AO eindeutig geregelt.
Der Senat hat am 15.01.2013 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat Erfolg.
I.
Die Klage ist zulässig.
Gem. § 41 Abs. 1 der FGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Gem. § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungsoder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.
1) Die Feststellungsklage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens zulässig, da ein außergerichtlicher Rechtsbehelf i.S.d. § 44 Abs. 1 FGO nicht gegeben ist (von Groll in Gräber, Kommentar zur FGO, 7. Auflage, § 41 Rz. 3). Darüber hinaus gilt für die Feststellungsklage keine Klagefrist i.S.d. § 47 FGO.
2) Die von der Klägerin begehrte Feststellung, dass die Buchführung der Klägerin nicht aus dem Grund als formal ordnungswidrig angesehen werden kann, dass das Programm Sage-KHK Classic Line verwendet wird, bezieht sich auf ein Rechtsverhältnis i.S.d. § 41 Abs. 1 FGO.
Als Rechtsverhältnis ist eine bestimmte, aus einem konkreten Sachverhalt resultierende, auf Grund von Rechtsnormen geordnete rechtliche Beziehung zwischen Personen oder zwischen Personen und Sachen zu verstehen (Urteil des Bundesfinanzhofes – BFH – vom 23. 9. 1999 XI R 66/98, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 190, 278, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2000, 533; von Groll in Gräber, Kommentar zur FGO, 7. Auflage, § 41 Rz. 12).
Dies ist im Streitfall anzunehmen. Denn eine formelle Ordnungswidrigkeit der Buchführung hat weitreichende Folgen für die Beziehung zwischen der Klägerin einerseits und verschiedenen Finanzbehörden und Strafverfolgungsbehörden andererseits.
3) Die Klägerin besitzt das gem. § 41 Abs. 1 FGO erforderliche besondere Feststellungsinteresse.
Für ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 41 Abs. 1 FGO genügt jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, sofern die begehrte Feststellung geeignet ist, in einem der genannten Bereiche zu einer Verbesserung der Position des Klägers zu führen, wobei dies vom Rechtsschutzsuchenden substantiiert darzulegen ist. Ferner kann ein Feststellungsinteresse unabhängig von einer solchen Verbesserung der Position des Klägers in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe in Betracht gezogen werden (BFH-Urteil vom 29. 7. 2003 VII R 39, 43/02, BFHE 202, 412, BStBl II 2003, 828, unter 2.b, m.w.N; BFH-Beschluss vom 19. 5. 2008 V B 29/07, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2008, 1501). Die Rechtsprechung hat ein Feststellungsinteresse auch dann angenommen, wenn ein Verwaltungshandeln eine diskriminierende Wirkung hat, insbesondere dann, wenn der Vorwurf der Steuerhinterziehung enthalten ist (BFH-Beschlüsse vom 12. 6. 2008 VI B 62/07, BFH/NV 2008, 1514 und vom 15. 12. 2004 X B 56/04, BFH/NV 2005, 714 zur Fortsetzungsfeststellungsklage).
Hierbei ist, auch wenn ein berechtigtes Interesse besteht, die Feststellungsklage dann nicht zulässig, wenn gem. § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO eine Gestaltungs- oder Leistungsklage erhoben werden könnte (Grundsatz der Subsidiarität). Die Gestaltungsoder Leistungsklage muss hierbei im Finanzrechtsweg erhoben werden können, der Verwaltungsrechtsweg etwa würde die finanzgerichtliche Feststellungsklage nicht ausschließen (BFH-Urteile vom 10. 7. 1997 V R 94/96, BFHE 183, 288, BStBl II 1997, 707 und vom 23. 11. 1993 VII R 56/93, BFHE 173, 201, BStBl II 1994, 356; Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, § 41 Rz. 14; von Groll in Gräber, Kommentar zur FGO, 7. Auflage, § 41 Rz. 32; a.A.: Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO und FGO, § 41 FGO Rz. 457). Denn dem Zweck des § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO, vor allem ein Unterlaufen der für die anderen finanzgerichtlichen Klagen geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen zu verhindern, entspricht es, dass nur solche Klagen gegenüber der Feststellungsklage vorrangig sein können, die im Finanzrechtsweg vorgesehen sind (BFH-Urteil vom 23. 11. 1993 VII R 56/93, BFHE 173, 201, BStBl II 1994, 356).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, denen sich der Senat anschließt, hatte die Klägerin im Streitfall ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung; die Feststellung war auch nicht subsidiär.
Es kann dahinstehen, ob die Feststellungsklage subsidiär wäre in Bezug auf das Interesse der Klägerin zu klären, dass sie kein neues Buchführungsprogramm anschaffen müsse und in welcher Weise ordnungsgemäß zu buchen sei. Denn wenn die Klägerin ihr Buchführungsprogramm benutzt, der Beklagte die hierauf basierende Buchführung als nicht ordnungsgemäß ansieht und Schätzungsbescheide erlässt, könnte die Klägerin die hieraus folgenden Steuerbescheide anfechten. Dann wäre die Anfechtungsklage vorrangig und die Feststellungsklage subsidiär.
Das berechtigte Interesse der Klägerin an der Feststellung ergibt sich zur Überzeugung des Senats jedoch jedenfalls aus der steuerstrafrechtlichen Verfolgung der Komplementärin der Klägerin. Denn die Klägerin hat die Abgabe von Steuererklärungen ab dem Veranlagungszeitraum 2005 vor dem Hintergrund eingestellt, dass der Beklagte mitgeteilt hatte, ihre Buchführung sei bereits aufgrund des von ihr verwendeten Buchführungsprogramms nicht ordnungsgemäß. U.a. aus dieser Reaktion der Klägerin hat das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung C1. strafrechtliche Vorwürfe abgeleitet. Zur Überzeugung des Senats besteht zumindest die Möglichkeit, dass die begehrte Feststellung zu einer Verbesserung der Position des Herrn S. H1. und damit auch der Klägerin im Strafverfahren vor der großen Strafkammer des Landgerichts E. führen könnte. Denn auch wenn ein unzutreffender Hinweis der Betriebsprüfung für die Klägerin kein berechtigter Anlass gewesen sein dürfte, von der Abgabe von Steuererklärungen völlig abzusehen, ist es aber möglicherweise im Rahmen der strafrechtlichen Vorsatz- und Schuldfeststellung oder der Strafzumessung von Bedeutung, welche Umstände dem Verhalten des Komplementärs zugrunde lagen, insbesondere ob eine unzutreffende Rechtsauffassung der Betriebsprüfung Anlass zu Irritationen beim Komplementär gewesen sein könnten und sein späteres Verhalten beeinflusst haben könnten.
Insofern wäre die Feststellung entsprechend der zitierten Rechtsprechung und dem zitierten Schrifttum auch nicht subsidiär, da es sich bei dem Strafverfahren nicht um ein finanzgerichtliches Verfahren, sondern um einen anderen Gerichtszweig handelt.
Ob sich darüber hinaus ein Feststellungsinteresse auch aus der Vorbereitung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche ergibt, kann vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ebenfalls dahinstehen. Zwar wäre die Feststellungsklage diesbezüglich nicht subsidiär, jedoch ist im vorliegenden Verfahren nicht erkennbar, ob sämtliche Voraussetzungen für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche vorliegen könnten.
Die Feststellungsklage ist schließlich insgesamt nicht wegen des von der Klägerin gestellten Antrags auf Erlass einer verbindlichen Auskunft zu derselben Rechtsfrage, deren Ablehnung anderweitig rechtshängig ist, subsidiär. Denn eine verbindliche Auskunft ist gem. § 89 Abs. 2 AO lediglich auf die Beurteilung zukünftiger Sachverhalte beschränkt und insoweit von ihrem Anwendungsbereich her enger als die vorliegende Feststellungsklage.
4) Der Klägerin fehlt auch nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, welches als Sachentscheidungsvoraussetzung zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens zu prüfen ist.
Das Rechtsschutzbedürfnis ist nicht durch die Erklärung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 15.01.2013 entfallen, wonach die Buchführung der Klägerin nicht aus dem Grund als formal ordnungswidrig angesehen werden könne, dass das Programm Sage-KHK Classic Line verwendet werde.
Zwar hat sich der Beklagte durch seine Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom 15.01.2013 rechtsverbindlich gebunden. Zutreffend weist die Klägerin jedoch darauf hin, dass sich hierdurch nur der Beklagte binden konnte, nicht aber andere Finanzbehörden. Ein Urteil wirkt gem. § 110 Abs. 1 Satz 2 FGO hingegen nicht nur gegenüber der beteiligten Finanzbehörde, sondern auch gegenüber der öffentlich-rechtlichen Körperschaft, der die beteiligte Finanzbehörde angehört. Insofern kommt dem Urteil eine weitergehende Bindungswirkung zu, die hier zumindest in Bezug auf das von dem Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung C1. eingeleitete Strafverfahren relevant ist.
Darüber hinaus ist es für die Klägerin und ihren Komplementär im Strafverfahren von höherer Bedeutung, wenn nicht nur der Beklagte, sondern auch das Finanzgericht rechtliche Feststellungen getroffen hat, auch wenn das Strafgericht hierdurch in keiner Weise gebunden ist.
II.
Die Klage ist auch begründet.
Die Ausführungen im Betriebsprüfungsbericht vom ….2009, denen sich der Beklagte zunächst anschloss, wonach die mit dem Buchführungsprogramm Sage-KHK Classic Line erstellte Buchführung der Klägerin bereits deshalb als formal nicht ordnungsgemäß anzusehen sei, weil die Klägerin keine Daten-CD's mit den steuerrelevanten Buchführungsdaten vorlegen und die Prüfungssoftware IDEA bzw. WinIDEA von den Betriebsprüfern nicht eingesetzt werden konnte, sind sachlich unrichtig.
Gem. § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO sind u.a. Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz sowie sonstige Organisationsunterlagen geordnet aufzubewahren. Sind diese Unterlagen mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden, hat die Finanzbehörde gem. § 147 Abs. 6 Satz 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen zu nutzen. Gem. Satz 2 dieser Vorschrift kann sie im Rahmen einer Außenprüfung auch verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben maschinell ausgewertet oder ihr die gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Die Kosten trägt gem. § 147 Abs. 6 Satz 3 AO der Steuerpflichtige.
Aus den zitierten Vorschriften ergibt sich – entgegen der im Betriebsprüfungsbericht vom ….2009 vertretenen Rechtsauffassung – lediglich, dass der Steuerpflichtige für diejenigen Datenverarbeitungssysteme, die er tatsächlich verwendet, die Einsicht und Prüfung gestatten muss und eine maschinelle Auswertung bzw. einen maschinell verwertbaren Datenträger zur Verfügung stellen muss. Hingegen ergibt sich aus § 147 Abs. 6 AO nicht, dass der Steuerpflichtige auch Datenverarbeitungssysteme, die er wegen des Alters des Programms nicht verwendet, oder Datenträger, die sein System nicht erstellen kann, zur Verfügung stellen müsste.
Dementsprechend besagt § 147 Abs. 6 AO auch nicht, dass ein Datenverarbeitungssystem CD-Rom's erstellen können muss, dass Disketten nicht genügen oder dass die maschinelle Datenauswertung IDEA- oder WinIDEA-fähig sein muss, obwohl das Programm wegen seines Alters solche Daten nicht unterstützt. Ebenso kann sich aus dem Fehlen dieser Datenträger bzw. Daten nicht die Ordnungswidrigkeit der Buchführung oder sonstige Nachteile für den Steuerpflichtigen ergeben, wenn und soweit die geforderten Datenträger bzw. Daten von dem verwendeten Buchführungsprogramm wegen seines Alters nicht hergestellt werden können.
Eine andere Sichtweise ergibt sich auch nicht aus anderen Rechtsvorschriften, aus der Rechtsprechung, dem Schrifttum oder der Verwaltungsauffassung (dazu BMFSchreiben vom 16.07.2001 IV D 2-S0316-136/01, Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU)).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

VorschriftenAO § 147 Abs 6, FGO § 41

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