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14.10.2010 · IWW-Abrufnummer 103319

Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 31.03.2009 – 7 K 416/08

1. Wer trotz Kenntnis der unterschiedlichen Steuersätze für Heizgas und Treibgas und der verschiedenen erlaubten Verwendungszwecke sich über diese gesetzlich vorgegebene Trennung eigenmächtig hinwegsetzt, verletzt die ihm als Erlaubnisinhaber obliegende Sorgfaltspflicht in einem besonders großen Maße und handelt leichtfertig.



2. Zum Nachweis einer inneren Tatsache, bedarf es der Darlegung von äußeren Tatsachen, die, wenn Sie bewiesen sind, den Rückschluss auf das Vorliegen der inneren Tatsache zulassen.




3. Wer sich trotz Kenntnis der eingeschränkten Befugnis zur Weitergabe der steuerbegünstigten Flüssiggase nicht um die erlaubte Verwendung kümmert, kann sich anschließend auf die möglicherweise bestehende Unkenntnis der Einzelheiten der steuerrechtlichen Regelungen nicht berufen.




4. Wird vorversteuert bezogenes Flüssiggas, das nur zum Zwecke des Verheizens verwendet werden darf, als Treibgas verwendet, führt dies zum Ausschluss der Steuervergünstigung, auch wenn das Flüssiggas zu einem anderen begünstigten Zweck verwendet wird.




5. Wird als Heizgas vorversteuertes Flüssiggas als Treibgas verwendet, fällt die Steuer in Höhe des Regelsteuersatzes und nicht nur in Höhe des Differenzbetrages an.



Hessisches Finanzgericht v. 31.03.2009

7 K 416/08

Tatbestand
Der Kläger hatte seit dem 1. Dezember 1970 in A ein Gewerbe angemeldet, dessen Tätigkeit von ihm als Agentur für technische Gase, Handel mit Schweißartikeln, Fuhrunternehmen bezeichnet wurde. Am 20. Dezember 2005 suchte der zuständige Steueraufsichtsbeamte den Kläger in dessen Geschäftsräumen auf. Er stellte fest, dass im Kalenderjahr 2004 neben Flüssiggas in Form von Heizgas auch Flüssiggas in Form von Treibgas, und zwar abgefüllt auf Gasflaschen mit 11 kg Inhalt, abgegeben worden war. Für diesen vorgenannten Zeitraum lagen indes keine Bezüge an Treibgas, sondern lediglich für Heizgas vor. Daraus zog die Verwaltungsbehörde den Schluss, dass im Kalenderjahr 2004 als Heizgas versteuert bezogenes Flüssiggas teilweise als Treibgas abgegeben worden war. Der Übergang von der Steueraufsicht zur Außenprüfung wurde mündlich mitgeteilt, eine schriftliche Dokumentation lässt sich in den Verwaltungsunterlagen nicht finden. Weil sich der Verdacht auf ein steuerstrafrechtlich relevantes Verhalten ergab, unterbrach die Verwaltungsbehörde zunächst die Prüfung. Am 23. Januar 2006 wurde gegen den Kläger das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Die anschließend getroffenen Feststellungen ergeben sich im Einzelnen aus dem Prüfungsbericht vom 24. November 2006. Danach hat der Kläger das jeweils als Heizgas vorversteuert bezogene Flüssiggas in den nachstehend aufgeführten Mengen als Treibgas abgegeben:

Vom 01.01.1995 bis zum 31.03.1999 20.856 kg
Vom 01.04.1999 bis zum 31.12.1999 3.641 kg
Vom 01.01.2000 bis 31.12.2000 4.411 kg
Vom 01.01.2001 bis 31.12.2001 4.961 kg
Vom 01.01.2002 bis 31.12.2002 7.326 kg
Vom 01.01.2003 bis 28.02.2006 22.891 kg

(bei 38 Abgabemonaten ergibt dies eine durchschnittliche monatliche Abgabemenge vom ca. 602 kg, sodass sich eine durchschnittliche Jahresmenge von 7.228 kg ergibt).

Mit Schreiben vom 8. März 2007 teilte die Strafsachenstelle des für diesen Teilbereich zuständigen Hauptzollamtes B dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass sein Mandant in einem der Steueraufsichtsmaßnahme vorausgehenden Gespräch dazu befragt worden sei, ob er mit Treibgas handele. Daraufhin habe dieser entgegnet, dass dies seit mehreren Jahren nicht mehr der Fall sei. Dazu erklärte der Prozessbevollmächtigte in seiner Stellungnahme vom 16.04.2007, dass aus diesem Vorgespräch nicht vollständig korrekt zitiert worden sei. Der Kläger habe die Prüfer sinngemäß dahingehend unterrichtet, dass so gut wie kein Treibgas mehr verkauft werde. Diese Aussage spiegele lediglich wider, dass der diesbezügliche Absatz des Klägers seit Jahren rückläufig sei.

Die für die Durchführung des Besteuerungsverfahrens zuständige Verwaltungsbehörde, das Hauptzollamt C, erließ unter dem 22. Mai 2007 in Auswertung des genannten Prüfungsberichtes den angegriffenen Steuerbescheid. Darin wurden die Mineralölsteuerbeträge für die Jahre 2000 bis einschließlich 2006 festgesetzt. Der bereits bei Bezug des als Heizgas ermäßigt versteuerten Flüssiggases entrichtete Mineralölsteuerbetrag wurde dabei angerechnet. Dies führte zu einer Steuerfestsetzung in Höhe von 44.540,44 EUR.

Mit dem Einspruch wird dieser Bescheid in Höhe von 36.753,69 EUR angegriffen.

Mit Bescheid vom 29. August 2007 hob die Verwaltungsbehörde die für das Jahr 2000 festgesetzte Mineralölsteuer wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung auf. Im Übrigen blieb der ursprüngliche Steuerbescheid unverändert.

Mit dieser Maßgabe blieb der Einspruch des Klägers erfolglos.

Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Ziel, die Festsetzung der über den Betrag von 7.786,75 EUR hinausgehenden Abgaben als rechtswidrig aufheben zu lassen, weiter.

Der Kläger ist der Auffassung, über den genannten Betrag hinaus sei eine Abgabenerhebung nicht mehr zulässig, weil die Abgaben durch Eintritt der Festsetzungsverjährung erloschen seien. Gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO greife die längere Festsetzungsfrist von 10 bzw. 5 Jahren nur ein, soweit eine Steuer hinterzogen bzw. leichtfertig verkürzt worden sei. Damit habe der Gesetzgeber ausdrücklich eine Teilverjährung anerkannt, was so auch von den Kommentaren übereinstimmend gesehen würde. Dies lasse sich auch aus einem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 26.02.2008 (Deutsches Steuerrecht 2008, Seite 1281, 1284) entnehmen, wenn es darin heiße, dass nur diejenige Steuerart bzw. derjenige anteilige Steuerbetrag, die tatsächlich Gegenstand einer Steuerhinterziehung seien, nach 10 Jahren verjähren würden. Daraus folge, dass nach der zunächst vorzunehmenden Prüfung, ob eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliege, weiterhin zu klären sei, ob sich der Vorsatz des Steuerpflichtigen bzw. sein pflichtwidriges Unterlassen hinsichtlich des objektiven und subjektiven Tatbestandes auf die volle entstandene Steuer beziehe oder ob dies nicht der Fall sei. Im Falle der leichtfertigen Steuerverkürzung sei damit zu klären, ob sich das hier geforderte subjektive Merkmal der Leichtfertigkeit auf die volle entstandene Steuer beziehe.

Auch wenn es nach den steuerrechtlichen Vorschriften unbestreitbar sei, dass infolge der Abgabe des als Heizgas ermäßigt vorversteuert bezogenen Flüssiggases als Treibgas die Mineralölsteuer in Höhe des gesetzlichen Regelsatzes entstanden sei, so habe sich darauf jedenfalls nicht die Kenntnis des Klägers bezogen. Dem Kläger sei lediglich bekannt gewesen, dass es einerseits den ermäßigten Steuersatz für Flüssiggas und andererseits den ermäßigten Steuersatz für Treibgas gibt. Dies sei dem Kläger aus seinem Geschäftsalltag als Flüssiggashändler bekannt gewesen. Es ergäbe sich bereits aus den Einkaufs- und Verkaufspreisen. Nach dieser Lebenserfahrung liege die Annahme, die Abgabe von Heizgas als Treibgas führe zur Verpflichtung, die Differenz zwischen diesen beiden ermäßigten Steuersätzen nach zu entrichten, jedenfalls nicht fern. Der fiskalische Schaden bestehe genau in dieser Differenz. Bei ordnungsgemäßem Handeln wäre eben diese Differenz an den Fiskus mehr entrichtet worden. Eine über die Differenz zwischen Heiz- und Treibgassteuern hinausgehende steuerliche Konsequenz seiner Handlungen hätte sich dem Kläger daher auch nicht aufdrängen müssen. Irgendwelche Umstände, aus denen sich ergeben würde, dass der Kläger vor Einleitung der Außenprüfung Kenntnis gehabt hätte, dass die Mineralölsteuer zum Regelsteuersatz entstünde, seien nicht ersichtlich. Für derartige Umstände läge im Übrigen die Beweislast bei der beklagten Verwaltungsbehörde. Dieser seien aber vielmehr gegenteilige sichere Erkenntnisse dahingehend bekannt, dass der Kläger gerade nicht über entsprechende Kenntnisse verfügt habe. Denn nach Beginn der Außenprüfung hätten der Kläger und seine Ehefrau den Außenprüfer Z geradezu bedrängt, dass er ihnen die sich aus den Prüfungsergebnissen ergebenden steuerlichen Konsequenzen erläutern sollte. Aus den in diesem Zusammenhang geführten Gesprächen habe sich für den Z unzweideutig ergeben, dass der Kläger und seine Ehefrau keinerlei Kenntnis davon gehabt hätten, dass Mineralölsteuer zum Regelsteuersatz entstehen würde. Zum Beweis hierfür werde die Vernehmung des Z als Zeuge beantragt. Selbst wenn man daher davon ausgehen wollte, dass dem Kläger der Vorwurf einer Steuerhinterziehung gemacht werden könnte, so könne unproblematisch ein subjektiver Tatbestand dahingehend unterstellt werden, dass nur die Differenz zwischen Heizgassteuer und Treibgassteuer hinterzogen werden sollte. Ein darüber hinausgehender Vorsatz habe nicht vorgelegen. Entsprechend sei es auch zu bewerten, wenn dem Kläger eine leichtfertige Steuerhinterziehung zur Last fallen sollte.

Es sei zudem darauf hinzuweisen, dass nach Einschätzung des Prozessbevollmächtigten des Klägers, der in einem Mineralölverband tätig ist, im Flüssiggashandel in der täglichen betrieblichen Praxis der Regelsteuersatz überhaupt keine Rolle spiele. Denn stets sei entweder der Heizgas- oder der Treibgassteuersatz anwendbar oder es dürfe sogar steuerfrei abgegeben werden. Flüssiggas vorversteuert zum Regelsteuersatz werde in der Praxis überhaupt nicht angeboten bzw. verkauft. Praktiker in der Flüssiggasbranche hätten daher zumeist weder über die Höhe des Regelsteuersatzes noch zu dessen Bedeutung Kenntnisse.

Der Kläger beantragt,

den Mineralölsteuerbescheid vom 22.05.2007 in der Fassung vom 29.08.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.01.2008 unter Aufhebung im Übrigen auf 7.786,75 EUR herabzusetzen sowie hilfsweise im Falle der Klageabweisung die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe im Rahmen seines Unternehmens im Zeitraum vom 01.01.2000 bis zum 28.02.2006 unter anderem Flüssiggas (Heizgas), das zum mittelbaren oder unmittelbaren Verheizen bestimmt und zum ermäßigten Steuersatz des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b Mineralölsteuergesetz versteuert gewesen sei, bezogen. Die Bezugsrechnungen hätten den Hinweis erhalten, dass dieses Heizgas nur zum mittelbaren oder unmittelbaren Verheizen abgegeben werden dürfe. Trotzdem habe der Kläger es teilweise als Treibgas an seine Kunden verkauft, ohne dies vorher einer Finanzbehörde gemäß § 153 Abs. 3 Abgabenordnung anzuzeigen.

Das zunächst gegen den Kläger eingeleitete Steuerstrafverfahren sei vom Hauptzollamt B im Mai 2007 in ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des Verdachts der leichtfertigen Steuerverkürzung übergeleitet worden.

Die Mineralölsteuer in Höhe von 7.786,75 EUR hätte der Kläger am 01.06.2007 gezahlt.

Mit Schreiben vom 18.06.2007 hätte das Hauptzollamt B das Bußgeldverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Besteuerungsverfahrens ausgesetzt.

Der vom Kläger geltend gemachte Einwand der Teilverjährung beruhe letztlich auf einem fehlerhaften Verständnis der einerseits für Heizgas und andererseits für Treibgas vorgesehenen ermäßigten Steuersätze. Entgegen der Auffassung des Klägers gäbe es im Mineralölsteuergesetz nicht die Möglichkeit der Steuerentstehung in Höhe der Differenz zwischen der Steuer bei Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für als Heizgas vorgesehenes Flüssiggas einerseits und der ermäßigten Steuer bei Verwendung des Flüssiggases als Treibgas, wenn Heizgas entgegen seiner erlaubten Verwendung zweckwidrig als Treibgas abgegeben würde. Vielmehr entstehe die Steuer in Fällen der nicht der Erlaubnis entsprechenden Verwendung des Flüssiggases zum Regelsteuersatz nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 Mineralölsteuergesetz. In Höhe dieser Differenz sei der Kläger seinen steuerlichen Pflichten nicht nachgekommen und habe eine leichtfertige Steuerverkürzung begangen, sodass in Folge der so verlängerten Festsetzungsfrist vor Erlass des Steuerbescheides keine Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei.

In der mündlichen Verhandlung überreichte der Sitzungsvertreter der beklagten Verwaltungsbehörde eine unter dem 16. September 2008 gefertigte schriftliche Stellungnahme des damaligen Prüfungsbeamten Z zu den Gerichtsakten. Der Inhalt dieser Stellungnahme wurde verlesen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hielt an seinem Antrag, Herrn Z als Zeugen persönlich vor dem Senat zu hören, fest.

Ausweislich des Sitzungsprotokolles gab er dazu als Beweisthema an, der Kläger und seine Ehefrau hätten bei erstmaligem Erscheinen des Steueraufsichtsbeamten Z keine Kenntnis von der Entstehung von Mineralölsteuer zum Regelsteuersatz bei mit dem ermäßigten Steuersatz als Heizgas vorversteuert bezogenen Flüssiggas, das als Treibgas abgegeben wurde, gehabt. Dies solle durch Vernehmung des Zeugen belegt werden.

Mit dem am 7. Mai 2009 bei Gericht eingegangenen Schreiben übersandte der Prozessbevollmächtigte des Klägers den gemäß Schreiben vom 6. Mai 2009 bei der Verwaltungsbehörde gestellten Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung gemäß § 163 AO aus Billigkeitsgründen.



Gründe
Die Klage ist nicht begründet, denn soweit die Abgabenfestsetzung streitgegenständlich ist, verletzt sie den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Kläger wendet sich ausschließlich gegen die Mineralölsteuerfestsetzung für die Kalenderjahre 2001 bis 2004. Dabei greift er die durch die beklagte Verwaltungsbehörde erfolgte Abgabenberechnung und -festsetzung nur hinsichtlich eines Teilbetrages an, weil er der Auffassung ist, dieser sei durch Verjährung erloschen. Dazu beruft er sich darauf, dass der ihm zu machende steuerstrafrechtliche oder bußgeldrechtliche Vorwurf in subjektiver Hinsicht nur den Differenzbetrag zwischen den Steuersätzen umfasse, die für die Verwendung von Flüssiggas als Heizgas oder als Treibgas festgelegt seien.

Diese Auffassung findet im Gesetz keine Stütze.

Gemäß § 169 Abs. 2 Nr. 1 AO beträgt die Festsetzungsfrist für Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen ein Jahr. Sie beträgt gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO hinterzieht Steuern, wer die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung kann nur vorsätzlich begangen werden, d.h. die Verkürzung muss vorsätzlich, also mit Wissen und Wollen desjenigen, der die unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben gemacht oder die steuererheblichen Angaben unterlassen hat, geschehen. Dabei handelt vorsätzlich auch derjenige, der es für möglich hält, dass er den Tatbestand des § 370 Abgabenordnung verwirklicht oder dies billigt oder billigend in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz). Der Wille muss sich dabei auf die Verwirklichung des Straftatbestandes in Kenntnis seiner Tatbestandsmerkmale beziehen (vgl. dazu z.B. Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2004 Aktenzeichen 2 K 1000/03 in Deutsches Steuerrecht E 2004, 1444 ff.).

Gemäß § 378 Abs. 1 Abgabenordnung handelt ordnungswidrig, wer als Steuerpflichtiger eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten leichtfertig begeht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Steuerpflichtige die ihm zumutbare Sorgfalt in einem besonders großen Ausmaß außer Acht lässt. Die zwischen dem bedingten Vorsatz und der groben Fahrlässigkeit liegende Grenzziehung erfolgt üblicherweise dergestalt, dass der mit bedingtem Vorsatz Handelnde die Tatbestandsmerkmale kennt und den Erfolgseintritt in Kauf nimmt, wohingegen im Falle der groben Fahrlässigkeit zwar die Tatbestandsmerkmale ebenfalls bekannt sind, der Täter indes darauf vertraut, dass der Erfolg schon nicht eintreten werde.

Der objektive Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung ist verwirklicht worden. Ausweislich der von der beklagten Verwaltungsbehörde in dem Steueränderungsbescheid vom 29. August 2007 gefertigten Aufstellung gab der Kläger in den Jahren 2001 bis 2006 (2005 und 2006 sind nicht mehr streitbefangen) die in der tabellarischen Aufstellung angegebenen Mengen Flüssiggas als Treibgas ab. Es steht ferner fest, dass der Kläger dieses Treibgas als zu dem für Heizgas vorgesehenen ermäßigten Steuersatz bezogen hatte. Im Rahmen der mineralölsteuerrechtlichen allgemein erteilten Erlaubnis war es dem Kläger daher nur gestattet, das so vorversteuert bezogene Flüssiggas zu Heizzwecken, also zu dem vorgesehenen begünstigten Zweck, weiter zu geben.

Gemäß § 153 Abs. 3 Abgabenordnung hat derjenige, der Waren, für die eine Steuervergünstigung unter einer Bedingung gewährt worden ist, und der diese Waren in einer Weise verwenden will, die der Bedingung nicht entspricht, dies vorher der Finanzbehörde anzuzeigen. Dieser Anzeigepflicht ist der Kläger nicht nachgekommen, sodass er das Hauptzollamt als die zuständige Finanzbehörde über die steuerlich erhebliche Tatsache einer anderweitigen Verwendung des begünstigt bezogenen Flüssiggases in Unkenntnis gelassen hat. Als Inhaber der allgemein erteilten Erlaubnis oblag dem Kläger auch diese Pflicht.

Gemäß § 13 Abs. 2 Ziffer 3 Mineralölsteuergesetz ist in Folge der Abgabe des als Heizgas vorversteuerten Flüssiggases als Treibstoff die Steuer nach dem zutreffenden Steuersatz des § 2 Mineralölsteuergesetz entstanden. Hierfür war auch das Verhalten bzw. Unterlassen des Klägers kausal. Da die entstandene Steuer weder festgesetzt werden konnte noch entrichtet wurde, ist der Verkürzungserfolg gemäß § 370 Abs. 4 Abgabenordnung eingetreten.

Dem Kläger ist ferner zumindest der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit zu machen. Der Kläger macht geltend, er habe nichts davon gewusst, dass bei einer Abgabe des Flüssiggases zu einem anderem als dem von der Bewilligung vorgesehenen Zweck die Mineralölsteuer in Höhe des Regelsteuersatzes entstehen würde. Er sei vielmehr davon ausgegangen, dass es nur um die Differenz zwischen dem ermäßigten Steuersatz für Heizgas sowie dem ebenfalls ermäßigten Steuersatz für Treibgas gehen könne.

Dieser Einwand ist unerheblich.

Der Bundesfinanzhof hat bereits in seinem Urteil vom 19. November 1959 (IV 108/59U in BStBl 1960 III S. 30 – hier zitiert nach Juris –) für den Umfang der Verjährungsunterbrechung in Zusammenhang mit Steuerhinterziehung festgestellt, dass entscheidend weder der vielfach gar nicht vorhandene oder gar nicht feststellbare Unterbrechungswille des Beteiligten noch seine rechtliche Vorstellung über die Auswirkungen des einzelnen Vorgangs seien. Bei der Verjährungsunterbrechung handele es sich nach Grund und Umfang vielmehr um eine Folge, die sich unabhängig von dem Willen der Beteiligten im Anschluss an die genannten Vorgänge unmittelbar aus dem Gesetz ergäbe. Es komme daher nicht auf die rechtliche Vorstellung über das Ausmaß der nach seiner Erklärung zu erwartenden Steuerfestsetzung an. In seinem Urteil vom 21.02.1992 (Aktenzeichen VI R 141/88 in BStBl 1992 II S. 565) weist der Bundesfinanzhof darauf hin, dass die Annahme einer Steuerhinterziehung keine Feststellungen darüber voraussetze, dass sich der Steuerpflichtige konkrete Vorstellungen gemacht hätte. Er müsste das Unrechtmäßige seiner Tat nicht in rechtstechnischer Beurteilung erkannt haben, sondern es reiche aus, wenn dies entsprechend allgemeiner Bewertung in seiner Gedankenwelt geschehen sei. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz führt in dem bereits zitierten Urteil vom 8. Juni 2004 insoweit aus, dass vorsätzliches Handeln bereits dann vorliegt, wenn der Täter anhand einer unter Umständen laienhaften Bewertung der Umstände erkenne, dass ein Steueranspruch existiere, auf den er einwirkt. Wird das Vorliegen der vorstehend genannten Bedingungen bejaht, so führt dies zu dem Ergebnis, dass dem Betreffenden der Vorwurf einer vorsätzlich begangenen Steuerhinterziehung zu machen ist.

Die beklagte Verwaltungsbehörde hat lediglich den milderen Vorwurf der grob fahrlässigen Steuerverkürzung erhoben.

Der Senat ist aufgrund des Akteninhalts und unter Berücksichtigung des Vortrags in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gekommen, dass diese Bewertung der Verwaltungsbehörde jedenfalls nicht zum Nachteil des Klägers falsch ist. Denn der Kläger hat die ihm obliegenden und auch zumutbaren Sorgfaltspflichten in einem besonderen Ausmaß verletzt.

Zu dieser Überzeugung ist der Senat aufgrund der nachstehenden Überlegungen gekommen:

Der Kläger beschäftigte sich bereits seit Jahrzehnten mit dem An- und Verkauf von Flüssiggas als Heizgas und als Treibgas. Zu einem von seinem Prozessbevollmächtigten nicht konkret benannte aber früheren Zeitpunkt als dem, in dem die dem streitgegenständlichen Steuerbescheid zugrunde liegenden Feststellungen getroffen wurden, gab es aus emissionsschutzrechtlichen Gründen Probleme mit der dafür zuständigen Behörde. Dies führte zu eingeschränkten Lagermöglichkeiten für Flüssiggas im Betrieb des Klägers. Die prüfenden Beamten der beklagten Verwaltungsbehörde fanden demgemäß im Prüfungszeitpunkt nur noch als Heizgas vorversteuert bezogenes Flüssiggas in den auf dem Betriebsgrundstück befindlichen Lagertanks vor.

Eine dem begünstigten Zweck entsprechende Abgabe war daher auf die als Heizgas beschränkt. Erlaubtermaßen kam daneben mangels entsprechender Bezüge bzw. Abgabe einer Anzeige gem. § 153 Abs. 3 AO eine Verwendung des Flüssiggases als Treibgas nicht in Betracht.

Da die Abgabe von Treibgas angeblich seit Jahren rückläufig gewesen sein soll, macht der Prozessbevollmächtigte des Klägers geltend, sein Mandant hätte keinen direkten Vorsatz, eine Steuer zu hinterziehen, gehabt. Die „konkrete Handlungsweise” sei „aus den eingeschränkten Lagermöglichkeiten durch Auflagen der Emissionsschutzbehörden entstanden”. Daraus ergibt sich, dass der Kläger wusste, dass es bezüglich der unterschiedlichen Verwendungsbereiche des Flüssiggases unterschiedliche Steuersätze gibt. Das wird im Übrigen auch nicht von ihm in Abrede gestellt.

Er wusste auch, dass ihm nur noch Heizgas zur Verfügung stand. Wenn er dann trotz Kenntnis der unterschiedlichen Steuersätze und der verschiedenen erlaubten Verwendungszwecke sich über diese gesetzlich vorgegebene Trennung eigenmächtig hinwegsetzt, so verletzt er damit die ihm als Erlaubnisinhaber obliegende Sorgfaltspflichten in einem besonders großen Ausmaß.

Die weitergehende Behauptung des Klägers, er habe keine Vorstellung darüber gehabt, dass bei Abgabe von als Heizgas vorversteuert bezogenem Flüssiggas als Treibgas der hohe Regelsteuersatz und nicht etwa der ebenfalls vergünstigte Steuersatz für Treibgas entstehen würde, hat er auch nicht ansatzweise durch objektivierbare Tatsachen unterlegt. Der Senat verkennt insoweit nicht, dass ein Vortrag zu nicht vorhandenen inneren Tatsachen schwierig ist. Andererseits steht aber fest, dass der Kläger die steuerrechtlichen Vorgaben dem Grunde nach gekannt hat. Da es einer genauen Kenntnis der steuerlichen Vorschriften weder nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs noch nach der strafrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshof (vgl. dazu nur Urteil vom 24.10.2002 5 StR 600/01 in NJW 2003, Seite 446, 451) bedarf, fällt insoweit ins Gewicht, dass die Angaben des Prozessbevollmächtigten sich durchgängig im Ungefähren halten. Dies zeigt sich bereits in dem ersten Schriftsatz vom 24.04.2006, in dem der Prozessbevollmächtigte mitteilt, dass „wir keinerlei Erkenntnisse dahingehend” haben, „dass unsere Mandanten überhaupt ein Hinterziehungsvorsatz getroffen hat”. Soweit tatsächliche Angaben wie etwa der Hinweis auf eine bei der Emissionsschutzbehörde getätigte Anfrage, gemacht werden, fehlen präzise Angaben. Dem Senat war es insoweit verwehrt, den Sachverhalt weiter aufzuklären.

Der Kläger hat sich zwar als Beweis für seine fehlende Kenntnis auf das Zeugnis des Zollbeamten Z berufen. Der Senat konnte aber aus verschiedenen Gründen davon absehen, diesen Beweis zu erheben. Zum einen entspricht das Beweisthema nicht dem Inhalt der Erklärung des als Zeugen benannten Beamten. Denn danach wirkten der Kläger und seine Ehefrau „sichtlich betroffen” als der Beamte ihnen mitteilte, dass die Steuer in Höhe des Regelsteuersatzes entstanden sei. Die weiteren Ausführungen werden von dem Beamten selbst als subjektive Einschätzung bezeichnet, stellen also eine Schlussfolgerung dar. Der Senat geht davon aus, dass die Angaben zutreffend sind. Dies bedeutet allerdings nur, dass der Kläger und seine Ehefrau in der Tat betroffen waren und sich für den Beamten aus dieser Betroffenheit eine gewisse Schlussfolgerung ergeben hat. Über den vorhandenen oder nicht vorhandenen Kenntnisstand des Klägers in mineralölsteuerrechtlicher Hinsicht besagt dies hingegen nichts.

Das vom Prozessbevollmächtigten des Klägers zu Protokoll gegebene Beweisthema ist als solches ungeeignet, um den erforderlichen Nachweis zu führen. Denn ob eine Person Kenntnis von etwas hat oder nicht, ist eine innere Tatsache, die dem Beweis nicht zugänglich ist. Hierzu bedarf es vielmehr der Darlegung von äußeren Tatsachen, die, wenn sie bewiesen sind, den Rückschluss auf das Vorliegen der inneren Tatsache zulassen. Derartige äußere Tatsachen hat der Prozessbevollmächtigte weder vorgetragen noch entsprechende Beweise angeboten.

Der Kläger kann sich insoweit auch nicht darauf berufen, dass etwa die Beweislast bei der Verwaltungsbehörde läge und deswegen durch sie nachgewiesen werden müsste, dass der Kläger über die entsprechenden Kenntnisse verfügt hätte. Denn insoweit verkennt der Kläger, dass die Verwaltungsbehörde ihm lediglich grobe Fahrlässigkeit vorwirft. Als jahrzehntelanger Gewerbetreibender mit technischen Gasen war der Kläger nach seiner persönlichen Situation in der Lage, sich um die mit einer ordnungsgemäßen Geschäftsabwicklung erforderlichen Fragen zu kümmern. Dies war ihm auch zumutbar. Er kannte darüber hinaus die eingeschränkte Befugnis zur Weitergabe der steuervergünstigten Flüssiggase je nach ihrem Verwendungszweck. Wenn er sich dann trotz der auf den Lieferantenrechnungen befindlichen Warnhinweise nicht an die Bedingungen hält, dann muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er insoweit die ihm obliegende Sorgfalt gröblich verletzt. Denn bei den steuerlich hoch belasteten Waren wie z.B. Mineralöl drängt es sich auf, dass unrechtmäßige Verwendungen nicht folgenlos bleiben können. Wer sich darum nicht kümmert, kann sich nicht anschließend auf die möglicherweise bestehende Unkenntnis der Einzelheiten der steuerrechtlichen Regelungen berufen wollen.

Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit bezieht sich auch auf den aus dem Gesetz herzuleitenden Steueranspruch. Wenn der Kläger dazu meint, aus der Gesetzesformulierung „soweit” herleiten zu können, dass entgegen der gesetzlichen Systematik des Mineralölsteuerrechtes eine im Gesetz nicht vorgesehene Teilbetragsregelung eintreten könnte, so scheitert dies an der Gesetzesstruktur. Denn das Mineralölsteuergesetz kennt nur den Regelsteuersatz oder z.B. die Vergünstigung für den Einsatz von Flüssiggas als Heizgas oder aber für den Einsatz als Treibgas. Das Gesetz enthält hingegen keine Regelung dahingehend, dass etwa bei einer Verwendung von als Heizgas vorversteuert bezogenem Flüssiggas als Treibgas nur ein Differenzbetrag entstehen würde. Eine Verwendung außerhalb des erlaubten Zweckes führt durchgängig zur Entstehung der Steuer zum Regelsteuersatz. Denn der Erlaubnis kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs konstitutive Wirkung zu. Dass vorliegend nicht eine Einzelerlaubnis erteilt werden musste, sondern vielmehr im Rahmen einer allgemeinen Erlaubnis diese Verwendung bewilligt wurde, ändert daran nichts. Dieses vom Kläger als Heizgas vorversteuert bezogene Flüssiggas durfte nach der diesem Vorgang zugrunde liegenden allgemeinen Erlaubnis nur zum Zwecke des Verheizens, nicht hingegen als Treibgas eingesetzt bzw. abgegeben werden. Für diese Abgabe fehlte es an der entsprechenden Erlaubnis, sodass dies zum Ausschluss der Steuerbegünstigung führt, auch wenn das Flüssiggas zu einem begünstigten Zweck verwendet wird (vgl. Bundesfinanzhof, Beschl. v. 8. März 2004 VII B 150/03 in BFH/NV 2004, 981).

Die Festsetzungsfrist war mithin gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO noch nicht abgelaufen. Der Senat brauchte sich daher nicht mit der Frage auseinander zu setzen, ob durch die Steueraufsichtsmaßnahme im Dezember 2005 möglicherweise die während des Kalenderjahres 2004 entstandene Mineralölsteuer auch schon hinsichtlich des Ablaufs der Festsetzungsfrist gehemmt sein könnte.

Die Höhe des durch die beklagte Verwaltungsbehörde festgesetzten Steuerbetrages ist jedenfalls nicht zum Nachteil des Klägers falsch. Wie sich aus der tabellarischen Übersicht ergibt, die dem Steueränderungsbescheid vom 29. August 2007 beigefügt ist, hat die Verwaltungsbehörde jeweils den Steuerbetrag angerechnet, der bereits für das als Heizgas vorversteuert bezogene Flüssiggas geleistet worden war. Eine solche Anrechnung ist zwar im Mineralölsteuergesetz (im Gegensatz zum Energiesteuergesetz) nicht vorgesehen, da sich dies indes ausschließlich zu Gunsten des Klägers auswirkt und dem Senat eine Verböserung verwehrt ist, verbleibt es dabei.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger gemäß § 135 Abs. 1 FGO zu tragen.

Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil er die hier maßgeblichen Fragen durch die zitierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als geklärt ansieht.

RechtsgebietAOVorschriftenAO § 169 Abs. 2 Nr. 1 AO § 170 Abs. 1 Nr. 2 AO § 153 Abs. 3

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