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07.02.2017 · IWW-Abrufnummer 191684

Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 17.11.2016 – 13 K 13119/15

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FG Berlin-Brandenburg

17.11.2016

13 K 13119/15

In dem Rechtsstreit
der Frau A...,
des Herrn B...,
Kläger,
gegen
das Finanzamt,
Beklagter,

wegen Einkommensteuer 2013

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 13. Senat - ohne mündliche Verhandlung am 17. November 2016 durch
den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,
die Richterin ...,
den Richter am Finanzgericht ...
sowie die ehrenamtlichen Richter Herr ... und Frau ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den Umfang der Abzugsmöglichkeit von Beiträgen des Klägers zur Kranken- und Pflegversicherung.

Der als Beamter privat krankenversicherte Kläger zahlte im Streitjahr Beiträge zur Kranken- und Pflegversicherung in Höhe von 2.673 €. Der Übermittlung der Beitragshöhe an eine zentrale Stelle nach § 10 Abs. 2a Einkommensteuergesetz - EStG - hatte der Kläger - im Gegensatz zur Klägerin - widersprochen. Die Klägerin ist gesetzlich versichert und leistete im Streitjahr Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 3.262 €. In ihrer Steuererklärung gaben die Kläger ferner an, Beiträge für die Arbeitslosenversicherung in Höhe von 531 € und für die Haftpflichtversicherung in Höhe von 274 € gezahlt zu haben.

Der Beklagte folgte der Steuererklärung der Kläger. Dabei wurden die o.g. Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben entsprechend § 10 Abs. 4 EStG mit dem doppelten Pauschbetrag in Höhe von insgesamt 3.800 € berücksichtigt. Zu einem vollständigen Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nach § 10 Abs. 4 S. 4 EStG kam es nicht, weil die Aufwendungen des Klägers aufgrund der fehlenden Einwilligung in die Datenübermittlung gemäß § 10 Abs. 2 S. 3 EStG nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG, sondern nur nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG zu berücksichtigen sind. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

Mit ihrer Klage machen die Kläger verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 10 EStG geltend. So verstoße es gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG -, dass bei fehlender Einwilligung in die Datenübermittlung die Vorsorgebeiträge nicht auch bei Vorlage einer Bescheinigung auf Papier voll abzugsfähig seien. Für diese Ungleichbehandlung gebe es keinen rechtfertigenden Grund. Die vom Gesetzgeber angestrebte Minderung des bürokratischen Aufwandes werde nicht erreicht, weil lediglich die Beifügung von schriftlichen Belegen der Krankenkasse gespart würde. Hingegen gebe es bürokratischen Mehraufwand durch den komplizierten Weg der elektronischen Mitteilung über die zentrale Stelle an die Landesfinanzverwaltungen.

Ferner werde das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Durch elektronische Erhebung, Speicherung und Weiterleitung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge werde elementar dieses Recht eingegriffen. Zwar sei zuvor eine Einwilligung in die Datenübermittlung notwendig. Es bestehe jedoch ein faktischer Zwang, diese zu erteilen. Es sei zudem kein rechtfertigender Grund dafür ersichtlich, weshalb bei der Datenübermittlung die Deutsche Rentenversicherung Bund eingebunden werde, die mit Beamten keine Berührungspunkte habe. Ferner begegne die Erfassung, Speicherung, Verarbeitung und Übermittlung der Daten erheblichen Bedenken wegen der Datensicherheit.

Die beschränkte Abzugsmöglichkeit der Vorsorgeaufwendungen verstoße auch gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, wonach Krankenversicherungsbeiträge als Sonderausgaben abzugsfähig sein müssten.

Um dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung zu tragen, müsse der Nachweis der geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung individuell über eine der Steuererklärung beigefügte Bescheinigung ermöglicht werden. Dieses Verfahren sei bei der steuerlichen Veranlagung bisher erfolgreich angewandt worden. Dies sei auch genau das Verfahren, welches der Bundesdatenschutzbeauftragte befürworte und welches den Bedenken des Bundesrates Rechnung tragen würde.

Die Kläger beantragen,

unter Änderung des Bescheids vom 24.4.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.6.2015 die Einkommensteuer 2013 um 557,56 € herabzusetzen,

hilfsweise, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 10 Abs. 2 S. 3 EStG i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG und § 10 Abs. 2a EStG insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als danach bestimmte Vorsorgeaufwendungen in voller Höhe bei der Einkommensteuer nur dann berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige gegenüber dem Versicherungsunternehmen in eine elektronische Datenübermittlung eingewilligt hat.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Dem Gericht hat bei der Entscheidung eine Heftung mit dem Rechtsbehelfsvorgang vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht durfte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Rechte der Kläger nicht (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO). Zu Recht hat der Beklagte die Beiträge des Klägers zur Kranken- und Pflegversicherung nur in einem begrenzten Umfang als Sonderausgaben abgezogen.

Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Beklagte den Sonderausgabenabzug im Einklang mit dem Wortlaut von § 10 EStG vorgenommen hat. Nach § 10 Abs. 2 S. 3 EStG werden Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG nur berücksichtigt, wenn der Steuerpflichtige gegenüber dem Versicherungsunternehmen, dem Träger der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung oder der Künstlersozialkasse in die Datenübermittlung nach Absatz 2a eingewilligt hat. Da diese Einwilligung nicht erfolgt ist, ist § 10 Abs. 4 S. 4 EStG - der den vollen Abzug zulässt - für die Beiträge des Klägers nicht anwendbar, da dieser nur auf Vorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG abstellt und nicht auf solche nach Nr. 3a. Raum für die vollständige Berücksichtigung der Vorsorgeaufwendungen aufgrund der vorgelegten Papierbescheinigung lässt die gesetzliche Regelung nicht; § 10 Abs. 2 S. 3 EStG und die darauf aufbauenden Vorschriften sind eindeutig und nicht im Sinne der Kläger auslegungsfähig.

Das Gericht hält die streitentscheidenden Regelungen in § 10 EStG nicht für verfassungswidrig. Eine Vorlage nach § 100 Abs. 1 GG erfolgt nicht. Soweit überhaupt ein Eingriff in grundgesetzlich geschützte Rechte des Klägers erfolgt ist, ist dieser gerechtfertigt.

In seiner Grundsatzentscheidung vom 18.1.2012 (Az. II R 49/10, BStBl. II 2012, 168) hat sich der Bundesfinanzhof - BFH - sehr ausführlich zur Verfassungsmäßigkeit der Zuteilung der Steueridentifikationsnummer und der Datenspeicherung dazu geäußert. Als Zweck der Steueridentifikationsnummer ist auch die Übermittlung von Vorsorgeaufwendungen durch Datenfernübertragung gemäß § 10 Abs. 2a EStG angeführt worden ([...] Rn. 55). Hieraus ist die verfassungsmäßige Billigung auch dieser Vorschrift zu entnehmen. Der erkennende Senat schließt sich den Ausführungen des BFH an, wonach die Datenspeicherung und -mitteilung nicht gegen Verfassungsrecht verstößt.

Den Klägern ist allerdings darin Recht zu geben, dass in der BFH-Entscheidung II R 49/10 keine eindeutige Aussage zur Verfassungsmäßigkeit der Folgen der fehlenden Einwilligung getroffen wird. Gleichwohl hält das Gericht diese für gegeben.

Soweit sich der Kläger darauf beruft, in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt zu sein, ist schon ein Eingriff in dieses Recht des Klägers durch staatliches Handeln nicht zu erkennen. Der vom Kläger beanstandete Wortlaut des § 10 Abs. 2 S. 3 EStG zwingt ihn nicht zur Datenpreisgabe, sondern regelt nur die Folgen der fehlenden Einwilligung in die Datenübertagung. Wenn der Kläger sich dadurch faktisch gezwungen sehen will, die Einwilligung zu erklären, verkennt er zum einen, dass die Datenübertragung weiterhin von seiner Zustimmung abhängig bleibt und staatlich nicht erzwungen werden kann und zum anderen, dass er auch "faktisch" nicht verpflichtet ist, mehr zu offenbaren als er es auch freiwillig tut. Denn der Kläger verhindert mit dem Unterlassen seiner Einwilligung lediglich die elektronische Übertragung der von ihm geleisteten Versicherungsbeiträge durch den Versicherer über eine zentrale Stelle an das Finanzamt. Mit ihrer per ELSTER für das Streitjahr elektronisch eingereichten Steuererklärung haben die Kläger die Versicherungsbeiträge dem Beklagten aber selbst mitgeteilt.

Selbst wenn man in der Datenübertragung vom Versicherer an die Finanzbehörden eine Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sehen sollte, wäre diese gerechtfertigt.

Ziel der Datenerhebung, -speicherung und -weiterleitung ist es, auf effektive Weise sowohl hinsichtlich der Festsetzung als auch der Erhebung von Steuern für Belastungsgleichheit zu sorgen, was ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung ist. Der Gesetzgeber muss daher das materielle Steuergesetz in ein verfahrensrechtliches Umfeld einbetten, das grundsätzlich geeignet ist, die tatsächliche Leistungsgleichheit der Steuerpflichtigen zu gewährleisten. Bei der Erleichterung des Steuerverfahrens, der vollständigen Erfassung der Steuerquellen und der Sicherstellung der gesetzmäßigen, d.h. insbesondere gleichmäßigen Besteuerung handelt es sich um öffentliche Interessen, die im Rechtsstaatsprinzip und Gleichbehandlungsgebot verankert sind (BFH-Urteil vom 18.1.2012, II R 49/10, BStBl. II 2012, 168).

Hiervon ausgehend ist es gerechtfertigt, den vollständigen Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge an die Einwilligung zur Datenübertragung zu knüpfen, weil sich der Kläger mit der Versagung der Einwilligung gegen die Absicht des Gesetzgebers stellt, die steuerliche Veranlagung - ein Massenverfahren - effektiver zu gestalten. Die Verfahrenserleichterung wird u.a. dadurch erzielt, dass die Finanzbehörden die erklärten Daten automatisch mit den übermittelten abgleichen können, ohne die Belege der Steuerpflichtigen zu prüfen oder solche noch von diesen anzufordern. Den von den Klägern gerügten faktischen Zwang zur Einwilligung in die Datenübermittlung hält das Gericht im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung für verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Eingriff in dieses Recht findet - wenn von der freiwilligen Datenübermittlung durch die Kläger abgesehen wird - allenfalls auf niedrigster Stufe statt und ist daher jedenfalls durch die überwiegenden Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt (vgl. Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 10 Rn. 316). Hinzu kommt, dass es sich bei den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen nach Einschätzung des Gerichts nicht um besonders sensible Daten handelt. Insofern ist auch der Verweis der Kläger auf die fehlende Datensicherheit bei der Übermittlung an die zentrale Stelle nicht weiterführend. Denn ein besonderes Interesse Dritter an der Kenntnis der Höhe der vom Kläger geleisteten Krankenkassenbeiträge ist weder erkennbar noch von den Klägern behauptet. Die immer vorhandene abstrakte Gefahr eines Angriffs auf die Datennetze besteht bei jeder Nutzung der Datenfernübertragung und wird von den Klägern offensichtlich in Kauf genommen. Anderenfalls wäre zu erwarten gewesen, dass die Kläger ihre Steuererklärung dem Beklagten in Papierform vorlegt hätten, was aber nicht geschehen ist.

Letztlich kann das Gericht auch keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG feststellen, die in der Versagung des Nachweises der Vorsorgebeiträge auf Papier liegen soll. Entgegen der Ansicht der Kläger liegt die Zielrichtung der von ihnen bemängelten Regelungen nicht im bloßen Bürokratieabbau, sondern - zumindest auch - in der effektiveren und gleichmäßigen Gestaltung des Steuerverfahrens. Diesem Zweck würde das Einräumen der von den Klägern geforderten alternativen Nachweismöglichkeit zuwiderlaufen. Es liegt damit ein sachlicher Grund für die Schlechterstellung derjenigen vor, die die Einwilligung in die Datenübermittlung versagt haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war nach § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen. Der BFH hat bereits die Verfassungsmäßigkeit der Übermittlung von Vorsorgeaufwendungen durch Datenfernübertragung festgestellt. Soweit der Senat die Rechte des Klägers durch den beschränkten Abzug der Vorsorgebeiträge nicht verletzt sah, handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung.

RechtsgebietEStGVorschriften§ 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG; § 10 Abs. 2 S. 3 EStG; § 10 Abs. 4 S. 4 EStG

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