Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

06.09.2016 · IWW-Abrufnummer 188438

Landesarbeitsgericht Hamm: Beschluss vom 14.06.2012 – 5 Ta 4/12


Tenor:

Der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamm vom 29.11.2011 wird abgeändert.

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe in vollem Umfang mit Wirkung zum 12.10.2011 bewilligt. Zur Wahrnehmung der Rechte aus dem Rechtszug erster Instanz wird ihm Rechtsanwalt F beigeordnet.

Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt mit der Maßgabe, dass der Kläger keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten braucht.



Gründe



I. Mit seiner am 05.09.2011 bei Gericht eingegangenen Klageerweiterung macht der Kläger die Vergütung von je einer weiteren Arbeitsstunde für den Zeitraum Januar 2007 bis Juli 2011 geltend. Bei dieser Stunde handelt es sich um diejenige, die seitens des Arbeitgebers als gesetzliche Ruhepause pauschal von der sich aus der PZE Mitarbeiterkarte ergebenden Zeitspanne, mit der der Arbeitbeginn und das Arbeitsende eines Tages erfasst wurde, abgezogen wurde.



In dem zuletzt zwischen den Parteien geltenden Arbeitsvertrag vom 24.02.2010 war unter Ziff. 3. Abs. 6 vereinbart:



Eine Stunde während der Schichtzeit gelten als Pausenzeit und werden nicht als Arbeitszeit durchbezahlt.



Nach den PZE-Mitarbeiterkarten erfolgte die Abrechnung in der Weise, dass 11 Stunden pro Tag als Normalarbeitszeit abgerechnet wurden und der darüberhinausgehende Teil mit 5 Stunden monatlich in ein Überstundenkonto eingestellt, der Recht als "Lohn Mehrarbeit 12,5%" ausbezahlt.



Mit Beschluss vom 29.11.2011 wies das Arbeitsgericht den Antrag des Klägers vom 1.10.2011 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der, nur kurz zusammengefassten, Begründung zurück, dass nach der Änderungsvereinbarung eine Pause von einer Stunde arbeitstäglich einzuhalten sei. Wenn der Kläger sich an diese Anweisung nicht gehalten habe, sei er dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass er während dieser Zeiten tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den ausführlichen Beschluss (Bl. 96 - 100 d.A.) Bezug genommen.



Gegen diesen ihm am 02.12.2011 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit am 23.12.2011 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.



Er trägt vor, dass eine arbeitsvertragliche Verpflichtung zu der Einhaltung einer einstündigen Pause nicht bestanden habe. Der Kläger habe auch hinreichend dargelegt, dass er tatsächlich keine Pausen durchgeführt hat. So hat er seine Arbeitszeiten unter Benennung des jeweiligen Tages und des Arbeitsanfangs- und Arbeitsendes unter Vorlage der Mitarbeiterkarten dargelegt. Es sei nicht nachvollziehbar, dass das Gericht die Zeiten der Mitarbeiterkarte als "kommt" "geht" Zeiten gewertet habe, da die Abrechnung der Beklagten jeweils exakt bei Zugrundelegung dieser Zeiten erfolgt sei, woraus sich ergebe, dass es sich um Arbeitszeiten handele. Eine regelmäßige Arbeitszeit von 11 Stunden, wie aus den PZE-Mitarbeiterkarten ersichtlich und vom Gericht angenommen, sei an keiner Stelle zwischen den Parteien vereinbart. Der Kläger verlange demgemäß auch keine Vergütung von Überstunden, sondern die Vergütung seiner normalen Arbeitszeit. Die Vereinbarung im Arbeitsvertrag bezüglich der Pausen sei gem. § 305 BGB unwirksam. Dem Kläger werde auch eine nichterfüllbare Beweislast auferlegt, wenn er diese für das Nicht-Vorhandensein von Pausen tragen solle. Auch sei die Behauptung des Klägers, wonach er Pausen tatsächlich nicht abgeleistet habe, bisher nicht bestritten worden.



Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen mit der Begründung, der Kläger verlange auch nach dem Vorbringen in seiner Beschwerdebegründung die Vergütung von einer Stunde mehr als tatsächlich vergütet wurde und müsse darlegen, dass es sich dabei um tatsächlich erbrachte Arbeitszeit gehandelt hat.



II. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist nach den §§ 46 Abs. 2 Satz 3, 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässig. Die einmonatige Notfrist (§ 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO) für die Einlegung der sofortigen Beschwerde ist gewahrt.



Diese hat auch Erfolg.



Nach § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, sofern die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne von § 114 ZPO sind zu bejahen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der PKH begehrenden Partei aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen mindestens für vertretbar hält und von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Es muss aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage möglich sein, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen wird (Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 114 Rdnr. 19 m. w. N.). Nicht erforderlich ist, dass die klagende Partei in einem Prozess später auch tatsächlich obsiegt. Jedenfalls die untere Instanz darf dabei die hinreichende Erfolgsaussicht nicht verneinen, wenn die Entscheidung von einer Rechtsfrage abhängig ist, die höchstgerichtlich noch nicht geklärt ist. (Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/ Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe , 6. Auflage, Rz. 412 m.w.N.)



Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen bestand zum Zeitpunkt der Entscheidung des Arbeitsgerichtes eine hinreichende Erfolgsaussicht.



Gem. § 2 ArbZG ist Arbeitszeit im Sinne des Gesetzes die Zeit von Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Vergütungspflicht besteht im Arbeitsverhältnis, vorbehaltlich anderer Vereinbarungen, allerdings nur für die tatsächliche Arbeitszeit. Daraus ergibt sich, dass Ruhepausen nicht vergütungspflichtig sind.



Unerheblich für eine Entscheidung des Rechtsstreites ist auch, welche Stundenzahl zwischen den Parteien vereinbart wurde, obwohl entgegen der Auffassung des Klägers davon auszugehen ist, dass zwischen den Parteien eine regelmäßige Arbeitszeit von 11 Stunden arbeitstäglich zumindest konkludent vereinbart war. Der Vertrag vom 26.11.1996 sah keine Vereinbarung einer Arbeitszeit vor, der Änderungsvertrag vom 24.02.2010 verwies in Ziff. 11 auf die maßgebenden betrieblichen Bestimmungen. Ausweislich der vorgelegten Mitarbeiterkarten wurde auf Basis dieser Stundenzahl auch die Anzahl der geleisteten Mehrarbeitsstunden ermittelt, anhand dieser Stundenzahl wurde auch die Urlaubs- und Krankenvergütung vorgenommen und zwar mindestens seit dem Jahr 2007, also auch vor Abschluss des Änderungsvertrages vom 24.02.2010.



Das kann aber für die Beurteilung der Rechtslage dahinstehen, da die Beklagte von der tatsächlich ermittelten Arbeitszeit, welche sie, da ist dem Kläger zuzustimmen, einfach durch Ermittlung der Differenz der "Geht" und "Kommt" Zeit ermittelt hat, eine Stunde pauschal als gewährte Pausenzeit abgezogen hat. Streitpunkt ist damit zwischen den Parteien letztlich, ob die Beklagte zu einem solchen pauschalen Abzug berechtigt war und wer die Darlegungs- und Beweislast für die Gewährung der Pausenzeit trägt.



Hierzu liegt eine gefestigte Rechtsprechung nicht vor.



Dabei ist zu berücksichtigten, dass sich die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes in erster Linie an den Arbeitgeber richten, dieser hat die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu gewährleisten. Zwar kann der Arbeitgeber diese Pflichten ggf. auf eine Gruppe von Arbeitnehmern delegieren, er hat seine Pflicht, eine Ruhepause zu gewähren, aber nicht erfüllt, wenn er es einer Gruppe von Arbeitnehmern überlassen hat, einvernehmlich die Ruhepause zu regeln, die Arbeitnehmer aber eine Regelung, aus der sich für den einzelnen eine im voraus festliegende Unterbrechung der Arbeitszeit ergibt, nicht getroffen haben oder eine von ihnen getroffene Regelung nicht durchführen. (BAG Urt. v. 27.02.1992, 6 AZR 478/90, BB 93, 1086; dem folgend LAG Schleswig-Holstein, 14.01.09, 6 Sa 347/08, - [...] - ) In diesem Fall sind aber Pausen nicht gewährt, weshalb die gesamte zeit von Beginn bis Ende der Arbeit als Arbeitszeit zu werten wäre. Nicht anders kann es sich verhalten, wenn der Arbeitgeber die Pflicht, die gesetzlichen/vertraglichen Ruhepausen einzuhalten, auf den einzelnen Arbeitnehmer abwälzt.



Der Kläger hat dargelegt, dass die Beklagte die Arbeitszeiten anhand der Differenz zwischen Beginn- und Endzeit des jeweiligen Arbeitstages ermittelt hat, damit hat sie nicht zwischen verschiedenen Tätigkeiten des Klägers wie Fahrleistung, Be- oder Entladen sowie ggf. Wartezeiten bei Be- und Entladungen unterschieden. Damit ist zwischen den Parteien an sich unstreitig dass es sich bei diesem Zeitraum um Arbeitszeit handelt. Die Berechnung der Pausenzeiten ist auch, wie vertraglich vereinbart, pauschal erfolgt. Es ist nicht ersichtlich, dass die tatsächliche Einhaltung jeweils geprüft wurde. Bei einer solchen Vorgehensweise hat aber die Beklagte ihre Pflicht zur Pausengewährung nicht erfüllt. Wenn der Kläger nunmehr vorträgt, dass er tatsächlich die gesamte erfasste Zeit Dienstleistungen erbracht hat und eine konkrete Pausenerfassung und/oder Bestimmung nicht ersichtlich ist, wäre es wohl zunächst Sache der Beklagten, darzulegen, inwieweit Pausen auch tatsächlich eingehalten wurden. Das LAG Schleswig-Holstein, (Urt. v. 14.01.09, 6 Sa 347/08, a.a.O.) hat hierzu in einem vergleichbaren Fall ausgeführt: " Nicht ordnungsgemäß festgelegte und eingehaltene Ruhepausen gelten als Arbeitszeit und sind als solche zu bezahlen (BAG 05.05.1988 - 6 AZR 658/85 -, AP Nr. 1 zu § 3 AzO Kr; 27.02.1992 - 6 AZR 478/90 -, AP Nr. 5 zu § 3 AzO Kr; 23.09.1992 - 6 AZR 478/90 -, AP Nr. 6 zu § 3 AzO Kr). Erst wenn der Arbeitgeber dargelegt hat, dass er die Ruhepausen ordnungsgemäß festgelegt und dafür gesorgt hat, dass sie tatsächlich genommen werden können, muss der Arbeitnehmer vortragen, warum es ihm dennoch nicht möglich war, die festgelegten Pausen in Anspruch zu nehmen (vgl. Küttner/Reinicke, Personalbuch 2008, Pause Rdn. 10)."



Der Beschwerdekammer ist auch keine Entscheidung bekannt, die für Kraftfahrer aufgrund der Besonderheiten ihrer Tätigkeit, insbesondere der eingeschränkten Möglichkeit der vorherigen Bestimmung von Pausenzeiten oder konkreten -zeiträumen hier Ausnahmen vorsehen oder sich mit dieser Fragestellung explizit beschäftigt haben. Insoweit liegt im zu entscheidenden Fall eine offene Rechtsfrage vor, die die Verweigerung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht ausschließt. Der Beschluss war abzuändern.



Entsprechend der Berechnungen des Arbeitsgerichtes vom 04.11.11 lagen die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung vor. Der Beiordnung eines Rechtsanwaltes bedurfte es angesichts des komplexen Sachverhaltes, darüber hinaus ist auch die Beklagte durch einen Rechtsanwalt vertreten.

Vorschriften§ 305 BGB, §§ 46 Abs. 2 Satz 3, 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO, § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO, § 114 ZPO, § 2 ArbZG

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr