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01.09.2015 · IWW-Abrufnummer 145248

Sozialgericht Marburg: Urteil vom 17.06.2015 – S 16 KA 460/12

Eine Zweigpraxis mit dem Angebot radiologischer Diagnostik, Computertomographien und konventioneller Röntgenleistungen stellt keine Versorgungsverbesserung i.S.d. § 24 Abs. 3 Satz 1 Ärzte-ZV dar, wenn in einer Entfernung von unter 17 Km zwei radiologische Praxen jeweils das vollständige radiologische Leistungsangebot abbilden.


S 16 KA 460/12

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Verfahrenskosten zu tragen.

Der Streitwert wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Genehmigung einer radiologischen Zweigpraxis in C-Stadt.

2

Die Klägerin ist ein medizinisches Versorgungszentrum mit Sitz in A-Stadt. Derzeit sind zwei Anstellungen für das Fachgebiet Radiologie genehmigt, nämlich Herr Dr. D und Frau Dr. E.

3

Mit Schreiben vom 07.03.2011 beantragte die Klägerin beim Zulassungsausschluss für Ärzte bei der Beklagten die Genehmigung ihrer radiologischen Tätigkeit an einem zweiten Standort in C-Stadt unter der Anschrift C-Straße, C-Stadt. Konkret begehrt sie die Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung von radiologischer Diagnostik, Computertomographien und konventionellen Röntgenleistungen an den Tagen Montag, Mittwoch und Freitag, jeweils in der Zeit von 8:00 bis 13:00 Uhr, durch zwei bei ihr angestellte und namentlich benannte Radiologen.

4

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5.4.2011 ab. Zur Begründung führte sie aus, der Planungsbereich G-Kreis sei gesperrt. Mit 191,78 % bestehe eine Überversorgung im Bereich der Radiologie. C-Stadt habe 13.000 Einwohner, dort sei kein Radiologe niedergelassen. Im Umkreis von ca. 20 km zur geplanten Zweigpraxis befänden sich jedoch eine Berufsausübungsgemeinschafts mit sechs Radiologen und ein radiologische Einzelpraxis. Für überversorgte Planungsbereiche gelte, dass allein das Hinzutreten eines weiteren Behandler keine Versorgungsverbesserung darstelle. Ebenso wenig stelle ein erhöhtes Leistungsangebot per se eine Versorgungsverbesserung dar. Erforderlich sei vielmehr eine Erweiterung des bestehenden Leistungsangebots zum Vorteil für die Versicherten in qualitativer Hinsicht. Dies sei aber nicht der Fall.

5

Eine qualifizierte Versorgungsverbesserung könne etwa dann gegeben sein, wenn der jeweilige Antragsteller über andere Abrechnungsgenehmigungen gegenüber den vor Ort bereits tätigen Ärzten oder über ein differenziertes Leistungsspektrum verfüge. Sieben Ärzte im Gebiet der geplanten Zweigpraxis erbrächten die angedachten Leistungen bereits und gäben an, was auf eine entsprechende Umfrage gestützt wird, über freie Kapazitäten zu verfügen. Die angegebenen Wartezeiten beliefen sich von keinen bis hin zu zehn Tagen.

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Die Abrechnungsanalyse habe eine hohe Frequentierung von radiologischen Leistungen im näheren Umkreis zur geplanten Zweigpraxis ergeben und hierbei auch eine hohe Frequentierung von Patienten aus C-Stadt. Die geplante Zweigpraxis bedeutet ein wirtschaftliches Risiko für die bereits niedergelassenen Radiologen.

7

Hiergegen hat die Klägerin am 11.4.2011 Widerspruch erhoben. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, eine Verbesserung der Versorgung resultiere aus dem ortsnäheren Angebot. In C-Stadt existiere keine weitere Arztniederlassung der radiologischen Versorgungsebene. Die einzigen radiologischen Niederlassungen befänden sich in A-Stadt, nämlich die Klägerin selbst sowie eine weitere Praxis (F). Die Verbesserung der räumlichen Verteilung in einem Planungsbereich stelle eine Versorgungsverbesserung dar. Mit der Zweigpraxis sei hingegen keine Ausweitung des Versorgungsumfangs verbunden.

8

Eine Verbesserung der Versorgung ergäbe sich weiterhin daraus, dass die Klägerin in der Zweigpraxis ein CT-Gerät aufstellen werde, dass auch der Notfallversorgung des G-Kreises zur Verfügung stände.

9

Auch die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes sei nicht beeinträchtigt, was näher ausgeführt wird.

10

Schließlich trete gerade kein weiterer Versorger hinzu, weil die Klägerin im G-Kreis bereits zugelassen sei.

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Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.8.2012 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass jede zusätzliche Praxis nicht schon per se eine Versorgungsverbesserung darstellen könne, weil ansonsten die Vorschrift des § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV obsolet werde.

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Bei der Prüfung der Anspruchsnorm seien Bedarfsgesichtspunkte zu berücksichtigen. Eine Versorgungsverbesserung könne in Anlehnung an die Bedarfsplanungsrichtlinien vorliegen, wenn am Ort der Zweigpraxis durch diese spezielle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden angeboten würden, die bisher im Umkreis der geplanten Zweigpraxis von keiner andren Praxis angeboten werden oder am Ort der Zweigpraxis ein Versorgungsengpass (partielle Unterversorgung) bestehe. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall, wobei sich die Beklagte auf eine konkrete Auflistung aller Ärzte im Umkreis, die Röntgenuntersuchungen erbringen können, mit Entfernungsangaben zum geplanten Praxisort untermauert. Im Übrigen bedeute nicht jede ortsnähere Leistungserbringung eine Versorgungsverbesserung, denn auch bei dieser Annahme würde § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV obsolet.

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Eine bessere räumliche Verteilung sei hier nicht entscheidend, weil das radiologische Angebot bereits gleichmäßig verteilt sei und nicht die Aufteilung im Planungsbereich, sondern die Erreichbarkeit der Praxen das entscheidende Kriterium für die vorliegende Prüfung sei.

14

Die Klägerin hat am 11.9.2012 Klage erhoben.

15

Hierbei vertieft und erweitert sie ihr Widerspruchsvorbringen. So verweist sie darauf, dass es bei der begehrten Zweigpraxisgenehmigung um die Erbringung und Abrechnung von Computertomographien (im Folgenden: CT) und konventionellen Röntgenleistungen gehe. Insbesondere CT würden weder am Ort der geplanten Zweigpraxis noch in angemessener Nähe erbracht. Das nächste Gerät für CT-Leistungen (bezogen auf C-Stadt) befände sich in A-Stadt. Außerhalb von A-Stadt befänden sich im G-Kreis keine weiteren CT-Geräte. Hinsichtlich der Röntgenleistungen sei zu beachten, dass es sich bei den Ärzten in der näheren Umgebung lediglich um „Teilradiologen“ handele, nämlich um Fachärzte, die jeweils eingeschränkt und nur fachgebiets- bzw. organbezogene Röntgenleistungen erbringen dürften.

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Die beantrage Zweigpraxis werde sowohl eine qualitative als auch quantitative Versorgungsverbesserung erbringen, weil erstmals die Versorgung mit Röntgen- und CT-Leistungen in vollständiger Form erbracht werde.

17

Weiterhin betont die Klägerin die bessere Erreichbarkeit der Zweigpraxis für eine Vielzahl an potentiellen Patienten, gegenüber der aktuellen Situation.

18

Unbeachtlich eines möglichen Beurteilungsspielraums habe die Beklagte den Sachverhalt umfassend zu ermitteln, was die Beklagte vorliegend unterlassen habe, jedenfalls aber unzureichend dokumentiert habe. Sie habe sich nicht mit der Frage beschäftigt, wie sich der Ort, auf den sich die Versorgungsverbesserung beziehen soll, begrenzen ließe. Sie habe die Erreichbarkeit und die infrastrukturellen Besonderheiten des ländlichen Bereichs völlig außer Acht gelassen. Es dränge sich der Eindruck auf, die Beklagte habe den Vergleichsradius zufällig danach gezogen, wo die nächsten Radiologen sitzen.

19

Im Übrigen setzte die Beklagte die Prüfung mit der einer Bedarfsplanung gleich.

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Die Klägerin beantragt:

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Der Bescheid der Beklagten vom 05.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2012 wird aufgehoben.

22

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Genehmigung einer radiologischen Zweigpraxis unter der Anschrift C-Straße, C-Stadt zu erteilen.

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Für den Fall der Abweisung hilfsweise:

24

Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin vom 07.03.2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

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Die Beklagte beantragt,

26

die Klage abzuweisen.

27

Sie verweist im Einzelnen auf die Fachärzte der allgemeinen Röntgendiagnostik im Umkreis von C-Stadt und ergänzt, dass die Klägerin keine Sprechstunden zu besonderen Zeiten anzubieten gedenke. Sie verweist weiterhin darauf, dass es sich bei den beantragten spezialisierten fachärztlichen Leistungen um die dritte oder vierte Versorgungsebene handele, die anders als die erste Versorgungsebene zu beurteilen sei. Im Übrigen benötige ein Patient in den weitaus meisten Fällen lediglich eine Röntgenaufnahme für ein spezielles Teilgebiet seines Körpers.

28

Die beantragte Zweigpraxis würde allenfalls das Hinzutreten von zwei weiteren Teilzeitleistungserbringern bedeuten. Landkreisgrenzen seien übrigens kein relevantes Kriterium zur Ermittlung der Versorgungsverbesserung.

29

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Behördenvorgänge sowie der Gerichtsakten. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

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Entscheidungsgründe

30

Die Kammer hat gem. § 12 Abs. 3 Satz 2 SGG in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

31

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden, auch ist das Sozialgericht Marburg zuständig.

32

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 05.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2012 ist rechtmäßig. Deshalb besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf eine Verpflichtung der Beklagten zur Genehmigung der begehrten radiologischen Zweigpraxis in C-Stadt oder hilfsweise eine Neubescheidung.

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Rechtsgrundlage für die Genehmigung einer Zweigpraxis ist § 24 Abs. 3 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) i.V.m. § 98 Abs. 2 Nr. 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), allerdings unter Beachtung berufsrechtlicher Vorschriften, hier insbesondre § 17 Bundesmantelvertrag – Ärzte (BMV-Ä) vom 01.01.2015 und § 17 der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen vom 02.09.1998 (HÄBl. 10/1998, S. I – VIII, zuletzt geändert am 1. Oktober 2014 (HÄBl. 11/2014, S. 662)).

34

Demnach ist die Ablehnung des Antrags vom 07.03.2011 durch die Beklagte mit Bescheid vom 05.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2012 nicht zu beanstanden.

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Nach § 24 Abs. 3 Satz 5 Ärzte-ZV hat der Vertragsarzt für einen Ort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung, in der er Mitglied ist, bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Anspruch auf vorherige Genehmigung der Zweigpraxis durch die Kassenärztliche Vereinigung. Nach Abs. 3 Satz 1 sind vertragsärztliche Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes an weiteren Orten zulässig, wenn und soweit

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1. dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und

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2. die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt wird; geringfügige Beeinträchtigungen für die Versorgung am Ort des Vertragsarztsitzes sind dabei unbeachtlich, wenn sie durch die Verbesserung der Versorgung an dem weiteren Ort aufgewogen werden.

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Schließlich dürfen nach Abs. 7 Gründe der vertragsärztlichen Versorgung der Genehmigung nicht entgegenstehen.

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Hinsichtlich des gerichtlichen Prüfungsradius ist zu beachten, dass der Beklagten bzw. dem Zulassungsgremium ein Beurteilungsspielraum zukommt (st. Rspr., vgl. etwa BSG, Urteil vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R; BSG, Urteil vom 09.02.2011 - B 6 KA 49/09 R; BSG, Urteil vom 09.02.2011 - B 6 KA 3/10 R; BSG, Urteil vom 09.02.2011 - B 6 KA 7/10 R). Diese Kontrolle beschränkt sich auf die Prüfung, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtiger und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Entscheidungsgremien die durch die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe „Verbesserung der Versorgung“ und „ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Vertragsarztsitz“ ermittelten Grenzen eingehalten haben und ob sie ihre Erwägungen so verdeutlicht und begründet haben, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (vgl. beispielhaft BSG, Urteil vom 06.06.1984 – 6 RKa 7/83, dort zur Ermächtigung).

40

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist an der ablehnenden Entscheidung der Beklagten, weil es bereits an der erforderlichen Verbesserung der Versorgung der Versicherten an dem weitern Ort, also dem beabsichtigten Standort der Zweigpraxis, fehle, nichts zu beanstanden.

41

Weder die Ärzte-ZV noch die zugehörigen Gesetzesmaterialien geben eine Definition der Verbesserungssituation her. Allerdings ist der Begriff durch die Rechtsprechung mittlerweile hinlänglich konkretisiert worden.

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Danach ist einerseits die Genehmigung einer Zweigpraxis im Falle von Unterversorgung stets als Versorgungsverbesserung anzusehen, während andererseits (in ausreichend versorgten Gebieten) das bloße Hinzutreten eines weiteren Behandlers - ungeachtet der damit verbundenen Erweiterung der Möglichkeiten der Arztwahl - noch keine Verbesserung der Versorgung in qualitativer oder zeitlicher Hinsicht darstellt. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, dass das bestehende Leistungsangebot an dem "weiteren Ort", an dem die Zweigpraxis betrieben werden soll, zum Vorteil für die Versicherten in qualitativer - unter bestimmten Umständen aber auch in quantitativer - Hinsicht erweitert wird. Eine qualitative Versorgungsverbesserung kann etwa dann gegeben sein, wenn der in der Zweigpraxis tätige Vertragsarzt im Vergleich zu den bereits vor Ort tätigen Ärzten über andere qualifikationsgebundene Genehmigungen nach § 135 Abs 2 SGB V verfügt, ein differenzierteres Leistungsspektrum anbietet oder wenn er eine besondere Untersuchungs- oder Behandlungsmethode anwenden kann, die z.B. besonders schonend ist oder bessere Diagnoseergebnisse liefert. Eine lediglich quantitative Erweiterung des bestehenden Versorgungsangebots kommt etwa dann als Verbesserung im Sinne des § 24 Abs 3 Satz 1 Ärzte-ZV in Betracht, wenn durch das erhöhte Leistungsangebot Wartezeiten verringert werden, die – z.B. wegen einer ungleichmäßigen Verteilung der Leistungserbringer im Planungsbereich - bei den bereits vor Ort niedergelassenen Ärzten bestehen. Als Versorgungsverbesserung können auch besondere organisatorische Maßnahmen angesehen werden, wie das Angebot von Abend- und Wochenendsprechstunden. Im Einzelfall - allerdings wohl nur bei größeren "weiteren Orten" i.S. des § 24 Abs 3 Ärzte-ZV - kann dies auch im Falle besserer Erreichbarkeit der Zweigpraxis gelten. Insbesondere die Frage einer ausgleichsbedürftigen Versorgungslücke ist allerdings nicht Bestandteil der Prüfung, ob eine Versorgungsverbesserung vorliegt (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 09.02.2011 – B 6 KA 49/09 R; siehe weiterhin BSG, Urteil vom 05.06.2013 - B 6 KA 29/12 R sowie Urteil vom 09.02.2011 – B 6 KA 3/10 R und Urteil vom 28.10.2009 – B 6 KA 42/08 R, alle mwN).

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Bei der Prüfung einer Versorgungsverbesserung ist im Gegensatz zur Bedarfsplanung nicht auf den Planungsbereich abzustellen, sondern auf den „weiteren Ort“, an dem die Zweigpraxis betrieben werden soll (BSG, Urteil vom 28.10.2009 – B 6 KA 42/08 R), womit die Anschrift der geplanten Praxisräume gemeint ist (Schallen in: Schallen, Zulassungsverordnung, 8. Aufl. 2012, § 18 Rn 3).

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Diesen Maßstäben ist die Beklagte gerecht geworden. Zunächst ist entgegen der Meinung der Klägerin nicht erkennbar, dass die Beklagte in unzureichendem Maße ermittelt oder ihrer Entscheidung einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hätte. Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen, § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Hierbei kommt ihr kein Beurteilungsspielraum zu, sie hat den Sachverhalt ausreichend und fundiert zu ermitteln (BSG, Urteil vom 02.09. 2009 – B 6 KA 34/08 R). Daran bestehen trotz der wenig umfangreichen Verwaltungsakte keine Zweifel, weil die vorliegend zu ermittelnden Tatsachen alle bei der Beklagten bereits bekannt sind. Aufgrund ihrer originären Aufgaben hat die Beklagte Kenntnis darüber, welche Ärzte mit welche fachärztlicher Ausrichtung und welchen Schwerpunkten in Hessen an welchem Standort tätig sind. Dass die Beklagte sich mit der Versorgungssituation, insbesondere im betroffenen Planungsbereich und der Region um den geplanten Ort der Praxisräume beschäftigt hat, folgt aus der Begründung von Ablehnungs- und Widerspruchsbescheid.

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Ob die Beklagte aber die Erreichbarkeit und die infrastrukturellen Besonderheiten des ländlichen Bereichs völlig außer Acht gelassen und den Vergleichsradius zufällig oder willkürlich gezogen hat, wie der Kläger vorträgt, ist keine Frage der Sachverhaltsermittlung, sondern der der materiellen Bewertung. Denn dass sie die geographischen Besonderheiten zur Kenntnis genommen hat, folgt bereits aus deren Wiedergabe in den angegriffenen Bescheiden.

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Das Gericht erkennt hierbei auch keine zur Rechtswidrigkeit der angegriffenen Bescheide führenden Versäumnisse im Hinblick auf die Dokumentation der Verwaltungsentscheidung. Die Ergebnisse der Sachverhaltsermittlung sind in allen schriftlichen Verfahren aktenkundig zu machen (Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 20 SGB X, Rn. 18). Dass die Beklagte allerdings die von ihr im Widerspruchsbescheid erwähnte Umfrage bei Ärzten im Gebiet der geplanten Zweigpraxis nicht näher dokumentiert hat, ist kein Ausweis guter Verwaltungspraxis, genügt nach Überzeugung der Kammer in einer Gesamtbetrachtung allerdings gerade noch den Anforderungen des § 20 SGB X, weil weder Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussage und seiner Ergebnisse bestehen noch solche substantiiert durch die Klägerseite vorgetragen wurden. Angesichts der Tatsache, dass außer dieser Umfange keine weitergehenden Ermittlungen durchzuführen waren, sondern lediglich der Rückgriff auf vorhandene Daten, genügt die vorliegende Dokumentation noch rechtsstaatlichen Anforderungen.

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Weiterhin trifft der Vorwurf, die Beklagte habe ihre Prüfung hinsichtlich der Zweigpraxisgenehmigung der einer Bedarfsplanung gleichgesetzt, nicht zu. Abgesehen davon, dass die Beklagte wiederholt bestritten hat, eine solche Bedarfsprüfung durchgeführt zu haben, deutet auch nichts in den angefochtenen Bescheiden darauf hin. Vielmehr hat die Beklagte sich im Zuge ihrer Prüfung lediglich mit dem Bedarf der Versicherten an ärztlichen Leistungen am „weiteren Ort“ i.S.d. § 24 Abs. 3 Satz 1 Ärzte-ZV und der zugehörigen Region bis hin zu den Grenzen des Planungsbereichs auseinandergesetzt, was angesichts der obigen Ausführungen zur höchstrichterlichen Rechtsprechung notwendiger Bestandteil einer umfassenden Prüfung ist.

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Schließlich ist das Ergebnis der Abwägung aller relevanten im Aspekte durch die Beklagte nicht zu beanstanden. Ihre Schlussfolgerung, die Zweigpraxis führe zu keiner Versorgungsverbesserung ist im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums vertretbar.

49

In tatsächlicher Hinsicht steht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vorliegend fest, dass der beabsichtigte Zweipraxisstandort in einem radiologisch überversorgten Planungsbereich liegt. Weiterhin steht fest, dass C-Stadt ca. 13.600 Einwohner aufweist und die Erreichbarkeit des Hauptsitzes der Klägerin vom Bahnhof C-Stadt mit öffentlichen Verkehrsmitteln nahezu 50 Minuten dauert.

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Ferner befindet sich aus Sicht des beabsichtigten Zweipraxisstandorts das nächste CT-Gerät am Hauptsitz der Klägerin in einer Entfernung von 16 km vorgehalten wird und das zweitnächste in einer Entfernung von 16,6 km (Radiologische Gemeinschaftspraxis, A-Stadt). Diese beiden Praxen erbringen ein vollständiges radiologisches Leistungsangebot. Innerhalb eines Umkreises von 20 km (Luftlinie) sind 20 Fachärzte mit 15 Versorgungsaufträgen niedergelassen, die CT-Leistungen erbringen.

51

Innerhalb eines Wegstreckenradius (nicht Luftlinie) von 20 km befinden sich 13 fachärztliche Radiologen mit 11 Versorgungsaufträgen. Innerhalb eines Wegstreckenradius von 30 km befinden sich 21 fachärztliche Radiologen mit 18 Versorgungsaufträgen und innerhalb eines Weckstreckenradius von 35 km befinden sich 57 mit 40 Versorgungsaufträgen.

52

Weiterhin sind im Umkreis von 20 km (Luftlinie) vom Ort der beabsichtigten Zweigpraxis 81 Fachärzte mit der Befugnis, für ihr Fachgebiet Röntgenleistungen zu erbringen, mit 73,75 Versorgungsaufträgen niedergelassen. Hier sind unter anderem folgende Fachgebiete abgedeckt: Orthopädie, Innere Medizin (zum Teil mit Schwerpunkt Kardiologie), Lungen- und Bronchialheilkunde, Physikalische und Rehabilitative Medizin, Chirurgie, Urologie. Allerdings nutzen diese Ärzte nicht alle eigenen Röntgengeräte, sondern teilweise praxisübergreifend.

53

Diese Sachlage rechtfertigt es, die Versorgungsverbesserung durch die hinzugedachte Zweigpraxis zu verneinen.

54

Die Zweigpraxis würde für C-Stadt und die umliegende Region keine quantitative Versorgungsverbesserung darstellen. Denn aktuell bestehen bei Überversorgung ausreichende Kapazitäten zur Leistungserbringung bei geringen Wartezeiten. Die seitens der Klägerin beabsichtigten Leistungszeiten an drei Werktagen vormittags lassen auch keine Verbesserung gegenüber dem vorhandenen Leistungsangebot erkennen.

55

Die Zweigpraxis würde für C-Stadt und die umliegende Region aber auch keine qualitative Erweiterung der Versorgung erkennen, die eine Versorgungsverbesserung im Sinne von § 24 Abs. 3 Satz 1 Ärzte-ZV darstellen würde. Die Klägerin beabsichtigt die Erbringung von radiologischer Diagnostik, Computertomographien und konventionellen Röntgenleistungen. Ein differenzierteres Leistungsspektrum oder besondere Untersuchungs- oder Behandlungsmethode sind nicht beabsichtigt. Es handelt sich also um ein gewöhnliches radiologisches Leistungsangebot, dass in ihrem Hauptsitz und durch die weitere Praxis in A-Stadt bereits angeboten wird.

56

Die Versorgungsverbesserung wäre einzig aus der besseren Erreichbarkeit der Zweigpraxis gegenüber den anderen Leistungserbringern zu begründen. Die Verkürzung der Wegezeiten vermag eine Versorgungsverbesserung aber grundsätzlich nicht zu begründen. Dies folgt schon daraus, dass jede Zweigpraxiseröffnung im jeweiligen Einzugsbereich naturgemäß und immer Wegzeitverkürzungen bewirkt (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.12.2010 – L 11 KA 71/10 B). Ein Ausnahmefall ergibt sich vorliegend nicht. Denn innerhalb des vorliegenden Planungsbereichs wird innerhalb einer Wegstrecke von unter 17 Km durch zwei Praxen, nämlich die Klägerin und eine weitere Praxis, das vollständige radiologische Leistungsangebot, insbesondere auch CT- und Röntgenleistungen, erbracht. Es handelt sich dabei vorliegend um die dritte Versorgungsebene. Die Anreise aus C-Stadt und Region für radiologische Untersuchungen und Behandlungen nach A-Stadt ist den Patienten zur vollen Überzeugung der Kammer zumutbar (vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.08.2014 – L 7 KA 27/13, zur Frage der Zweitpraxisgenehmigung für MRT-Untersuchungen in 19 km Entfernung zum bestehenden Angebot und SG Marburg, Urteil vom 17.03.2010 – S 12 KA 281/09 zur Frage der Zweitpraxisgenehmigungen des nephrologischen Leistungsangebots in einer Entfernung von 17 km und 19 km zum bestehenden).

57

Dieser Fall ist auch nicht vergleichbar mit der Genehmigung einer Kinderarztpraxis bei bestehenden Angeboten im nahen Umkreis (vgl. SG Marburg, Urteil vom 07.05.2008 – S 12 KA 403/07), weil die typischerweise hohe Frequenz von Konsultationen des Kinderarztes im Zusammenhang mit dem notwendigen Transport des betroffenen Kindes eine gänzlich andere Sachlage gegenüber der typischen radiologischen Leistungserbringung darstellt.

58

Im Übrigen steht ergänzend das breite Angebot an Röntgenleistungen durch Fachärzte mit der Befugnis, für ihr Fachgebiet Röntgenleistungen zu erbringen, einer Versorgungsverbesserung entgegen. Denn mindestens ein Großteil der typischen Röntgenleistungen kann für die Patienten aus C-Stadt und Region auch durch diese Ärzte und damit, je nach Wohnort des Patienten, in kürzerer Entfernung als nach A-Stadt erbracht werden. Dieses Leistungsangebot ist auch mit dem Leistungsangebot der beabsichtigten Zweigpraxis vergleichbar und stellt gegenüber diesem kein qualitativ zurückbleibendes dar. Es entspricht nämlich der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Röntgenleistungen in mindestens der ganz überwiegenden Zahl der Fälle bezogen auf nur ein fachärztliches Gebiet durchgeführt werden.

59

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich weitere Ausführungen zur Verbesserung der Notfallversorgung des UN. durch Aufstellung des CT-Geräts schon deshalb erübrigen, weil nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung feststeht, dass dieses Gerät im C-Stadt Krankenhaus bereits aufgestellt wurde und laufend für die Notfallversorgung genutzt wird.

60

Aufgrund der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide besteht weder ein Anspruch der Klägerin auf die begehrte Verpflichtung der Beklagten noch auf Neubescheidung.

61

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

62

Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden.

63

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).

64

Nach dem Streitwertkatalog der Sozialgerichtsbarkeit für das Jahr 2012 (www.sozialgerichtsbarkeit.de), dem die Kammer hier folgt, ist für Genehmigungen für Zweigpraxen vom dreifachen Regelstreitwert auszugehen (vgl. auch LSG Hessen, Beschluss vom 26.01.2009 – L 4 KA 15/09 B und Beschluss om 13.11.2007 – L 4 KA 57/07 ER). Dies ergab den festgesetzten Wert.

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