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05.03.2015 · IWW-Abrufnummer 143967

Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 08.07.2014 – 5 K 93/11

Ist die Ehe zum Zeitpunkt der Festsetzung von Vorauszahlungen zur ESt schon geschieden, werden die Vorauszahlungsbescheide aber bestandskräftig und leistet einer der früheren Ehegatten, ohne dass im Zeitpunkt der Zahlung gegenüber dem FA der Wille erkennbar hervortritt, nur auf eigene Rechnung zahlen zu wollen, hat das FA darüber hinaus keine Kenntnis von der Scheidung, ist davon auszugehen, dass der Ehepartner auf Rechnung beider Eheleute als Gesamtschuldner leisten wollte.

Bei einer Teilerledigung der Hauptsache ist eine einheitliche, aber gemischt-rechtliche Kostenentscheidung zu treffen.


Finanzgericht Schleswig-Holstein

Urt. v. 08.07.2014

Az.: 5 K 93/11

In dem Rechtsstreit
wegen Einkommensteuer 2008
hat der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juli 2014
für Recht erkannt:
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 90 vom Hundert und der Beklagte zu 10 vom Hundert.

Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Anrechnungsverfügung im Einkommensteuerbescheid für 2008.

Der Kläger war verheiratet mit B. Die im Jahr 2002 geschlossene Ehe wurde im Januar 2008 geschieden.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 16. Juli 2008 setzte der Beklagte Einkommensteuervorauszahlungen für 2008 jeweils zum 10. September und 10. Dezember 2008 in Höhe von jeweils 5.165 € fest. Der Kläger leistete die Vorauszahlungen wie folgt von seinem Konto:
III/2008 5.000,00 € 09.09.2008 A, "ST-Nr. ... Einkommensteuer"
556,00 € 10.09.2008 A, "ST-Nr. ... Einkommensteuer"
IV/2008 418,00 € 12.12.2008 A, "ST-Nr. ... Einkommensteuer"
4.582,00 € 12.12.2008 A, "ST-Nr. ... Einkommensteuer"
409,00 € 15.12.2008 A, "ST-Nr. ... Einkommensteuer"

Bei dem Konto des Klägers handelt es sich um das Geschäfts- und Privatkonto, welches er seit Jahren in den Einkommensteuererklärungen angegeben und gleichfalls für Steuererstattungen verwendet hat.

Von der Scheidung hatte der Beklagte zunächst keine Kenntnis.

- Den Bescheid vom 16. Juli 2008 änderte der Beklagte mit Bescheid vom 21. September 2008 aufgrund eines Kirchenaustritts: Die festgesetzte Vorauszahlung zur Einkommensteuer 2008 für das 4. Kalendervierteljahr betrug unverändert 5.165 €. Auch dieser Bescheid war, wie der vom 16. Juli 2008, an die Eheleute adressiert.

- Am 06. April 2009 ging beim Finanzamt die Einkommensteuererklärung für 2007 des Klägers und seiner Ehefrau ein. Die Erklärung enthielt keinen Hinweis darauf, dass die Ehe zwischenzeitlich geschieden worden war. Beantragt wurde die Zusammenveranlagung.

Am 06. Juni 2009 erfuhr der Beklagte von einer getrennt durchzuführenden Veranlagung: Aus einem Antrag auf Anpassung der Vorauszahlung konnte der dem Antrag beigefügten Berechnung entnommen werden "aktuelle Veranlagungswahl: getrennte Veranlagung", "Unterhaltszahlungen ... €" und ferner "zu versteuern nach der Grundtabelle".

Erst mit Eingang der Einkommensteuererklärung für 2008 am 20. Mai 2010 erfuhr der Beklagte von der Scheidung. Am 10. Juli 2010 übersandte der Kläger die Anlage U zur Einkommensteuererklärung 2008, aus der Unterhaltsleistungen an die geschiedene Ehefrau des Klägers zu entnehmen sind.

Im Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 18. September 2010 rechnete der Beklagte die für den Veranlagungszeitraum geleisteten Vorauszahlungen lediglich zur Hälfte an.

Den hiergegen eingelegten Einspruch begründet der Kläger damit, dass die geleisteten Steuerzahlungen für die Jahre 2008 und 2009 nach der Scheidung erfolgt seien. Die Zahlungen seien nur für seine Rechnung erfolgt. Sämtliche Beträge seien von seinem Betriebskonto für die fälligen Steuern seines Betriebes geleistet worden. Steuerbeträge seien seinem Konto gutzuschreiben. Er habe nach erfolgter Scheidung Zahlungen an das Finanzamt C geleistet. Für eine teilweise Zuordnung dieser Zahlungen auf eine nicht vorhandene Steuerschuld seiner ehemaligen Ehefrau fehle es an jeglicher Rechtsgrundlage.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Er wurde mit Einspruchsentscheidung vom 09. April 2011 als unbegründet zurückgewiesen. Seine Entscheidung begründet der Beklagte wie folgt: Nach der Mitteilung in der Einkommensteuererklärung 2008 vom 20. Mai 2010, dass die Eheleute seit Januar 2008 geschieden seien, habe der Beklagte dem Kläger eine neue Steuernummer zugeteilt. Die unter der gemeinsamen Steuernummer der Eheleute festgesetzten und getilgten Vorauszahlungen für das Kalenderjahr 2008 seien dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau je zur Hälfte zugeordnet worden. Die im Einkommensteuerbescheid 2008 enthaltene Anrechnungsverfügung sei über Einkommensteuer in Höhe von 6.222 € und für Solidaritätszuschlag in Höhe von 290,86 € erfolgt und entspreche jeweils 50 % der insgesamt geleisteten Vorauszahlungen.

Die Anrechnung von Einkommensteuervorauszahlungen im Rahmen des Einkommensteuerbescheides betreffe das Erhebungsverfahren. Die Anrechnungsverfügung sei gemäß § 118 Abgabenordnung (AO) ein selbständiger Verwaltungsakt, der durch Leistungsgebot oder durch Erstattungsverfügung Außenwirkung enthalte und der mittels Einspruchs angefochten werden könne. Nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG würden auf die Einkommensteuer die für den Veranlagungszeitraum entrichteten Einkommensteuervorauszahlungen (§ 37 EStG) angerechnet. Anrechnungsberechtigt sei dabei derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden sei, nicht dagegen derjenige, auf dessen Kosten die Zahlung erfolgt sei. Es komme nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden sei, sondern nur darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem Finanzamt gegenüber erkennbar hervorgetreten sei, habe getilgt werden sollen. Den Finanzbehörden werde damit nicht zugemutet, im Einzelfall die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen dem Steuerschuldner und einem zu zahlenden Dritten darauf hin zu überprüfen, wer von ihnen im Innenverhältnis auf die zu erstattenden Beträge materiell-rechtlich einen Anspruch habe. Maßgebend für die Beurteilung der mit der Zahlung verfolgten Absicht seien die Umstände, wie sie dem Finanzamt im Zeitpunkt der Zahlung erkennbar seien. Dies gelte sowohl für den Fall, dass keine ausdrückliche Erklärung des Zahlenden über die beabsichtigte Zurechnung der Zahlung vorliegt und das Finanzamt daher die mutmaßliche Absicht des Zahlenden aus den ihn erkennbaren Umständen entnehmen müsse, als auch für den Fall einer ausdrücklichen Bestimmung über den Zahlungszweck. Die Absicht des eine Steuervorauszahlung leistenden Ehegatten, die Zahlungen nur auf eigene Rechnung bewirken zu wollen, müsse im Zahlungszeitpunkt dem Finanzamt erkennbar sein (vgl. BFH-Beschluss vom 17.12.2009 VII B 20/09, BFH/NV 2010, 834).

Zwar seien im Zeitpunkt der im Jahr 2008 geleisteten Einkommensteuervorauszahlungen die Eheleute bereits geschieden gewesen, so dass grundsätzlich - bei entsprechender Erkennbarkeit für das Finanzamt - keine Vermutungen mehr für Zahlungen auf Rechnung beider Eheleute spräche. Nach den dem Finanzamt im Zeitpunkt der jeweiligen Zahlungen erkennbaren Umständen sei jedoch weiter von einer Zahlung auf Rechnung der nach dem Einkommensteuervorauszahlungsbescheid gesamtschuldnerisch haftenden Eheleute auszugehen gewesen. Denn Anhaltspunkte für die Scheidung der Eheleute oder für eine sonstige Tilgungsbestimmung dahingehend, dass die Zahlung lediglich auf Rechnung des die Zahlung leistenden Klägers habe erfolgen sollen, seien nicht erkennbar gewesen. Abzustellen sei dabei maßgeblich auf den Wissensstand der für die Bearbeitung des Steuerfalls im Finanzamt zuständigen Dienststelle. Denn für die Frage, ob eine bestimmte Tilgungsbestimmung zum Ausdruck gebracht worden sei oder bestimmte Umstände auf eine solche Tilgungsabsicht schließen ließen, komme es auf den Empfängerhorizont der Stelle an, die über die Frage, auf wessen Rechnung die Zahlung erfolgt sei und inwieweit damit eine Anrechnung von Vorauszahlungen zu erfolgen habe, entscheide.

Für die Einkommensteuerveranlagungsstelle hätten sich im Zeitpunkt der Zahlung keine Hinweise auf ein Getrenntleben der Eheleute ergeben, geschweige denn auf die im Januar 2008 erfolgte Scheidung. Selbst die nach erfolgter Scheidung am 20. Mai 2008 und 06. April 2009 eingegangenen Einkommensteuererklärungen für 2006 bzw. 2007 enthielten keine Angaben darüber, dass die Eheleute geschieden seien oder dauernd getrennt lebten. Ebenso wenig seien Angaben zum abweichenden Wohnsitz der Ehefrau gemacht worden. Vielmehr sei, wie in den Jahren zuvor, in beiden Jahren die Zusammenveranlagung beantragt worden. Umstände, die auf eine Tilgungsabsicht in dem Sinne des Klägers schließen ließen, ließen sich auf den Überweisungsträgern nicht entnehmen. Unter Verwendungszweck sei die bisherige gemeinsame Steuernummer der Eheleute mit dem Vermerk Einkommensteuer angegeben. Unbeachtlich für die hälftige Anrechnung der Einkommensteuervorauszahlungen sei schließlich, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers im Jahre 2008 tatsächlich keine Einkünfte erzielt habe. Entscheidend sei vielmehr, dass die Zahlungen auf die gemeinsam gegen den Kläger und seine geschiedene Ehefrau festgesetzten Einkommensteuervorauszahlungen geleistet worden seien und im Zeitpunkt der Zahlungen Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nur seine eigene Steuerschuld habe begleichen wollen, nicht ersichtlich gewesen seien.

Seine hiergegen gerichtete Klage begründet der Kläger im Wesentlichen wie folgt: Die streitigen Vorauszahlungen seien zwar zumindest zum Teil aufgrund während des Bestehens der Ehe ergangener Vorauszahlungsbescheide festgesetzt worden. Die Zahlung sei jedoch erst im Jahr 2008 zu einem Zeitpunkt erfolgt, als die Ehe bereits geschieden gewesen sei. Sei im Zeitpunkt der Zahlung die Ehe bereits geschieden, könne auch bei einem gegen die geschiedenen Ehegatten gemeinsam ergangenen Vorauszahlungsbescheid die genannte Vermutung, dass bei Eheleuten als Gesamtschuldner derjenige, der die Zahlung bewirke, auch den anderen Ehegatten von seiner Steuerschuld befreien wolle, nicht mehr zum Tragen kommen. Vielmehr müsse im Zweifel davon ausgegangen werden, dass der Kläger nur auf eigene Rechnung habe leisten wollen, ohne dass es auf die Kenntnis des Finanzamtes von der Ehescheidung ankomme (Urteil des FG Baden-Württemberg vom 22.4.2009 2 K 567/07 EFG 2009, 1895). Für das Vorliegen einer anderen Tilgungsabsicht lägen keinerlei Anhaltspunkte vor. Die Zahlung sei vom Konto des Klägers erfolgt. Dasselbe Konto sei bereits während des Bestehens der Ehe für Zahlungen an das Finanzamt verwendet worden. Daraus lasse sich jedoch nicht herleiten, dass der Kläger zur Zeit der Leistung den erkennbaren Willen gehabt habe, allein auf eigene Rechnung zu zahlen oder auch Steuerschulden seiner früheren Ehefrau zu tilgen. Dass bereits in der Ehe ein Konto des Klägers verwendet worden sei, könne nicht zu Lasten des Klägers ausgelegt werden. Es könne auf einer Überweisung nichts anderes gelten, als für einen Bankeinzug, wie im zu beurteilenden Fall des FG Baden-Württemberg. In beiden Fällen sei die Zahlung der Steuerschulden bereits während der Ehe vom Konto des Klägers erfolgt. Nach Beendigung der Ehe sei dasselbe Konto beibehalten worden. Der Kläger im Urteilsfall sei ebenso wenig aktiv geworden wie der Kläger im vorliegenden Sachverhalt und habe die Einzugsermächtigung nicht widerrufen. Als Verwendungszweck auf den Überweisungsträgern sei zwar die gemeinsame Steuernummer angegeben worden, mangels Vorliegen einer neuen Steuernummer zum damaligen Zeitpunkt könne dies aber nicht als Indiz für einen gemeinsamen Tilgungswillen gewertet werden.

Ließen sich Feststellungen über die Tilgungsabsicht des Klägers nicht treffen, verbleibe es bei der Vermutung, dass der Kläger nur Zahlungen auf eigene Rechnung habe leisten wollen und ihm deswegen die Vorauszahlungen allein zuzurechnen seien.

Soweit gerichtlicherseits auf das BFH-Urteil vom 22.3.2011 (VII R 42/10, BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607 [BFH 22.03.2011 - VII R 42/10]) hingewiesen werde, komme der BFH in dem vorgenannten Urteil zu dem Ergebnis, dass Vorauszahlungen eines Ehegatten aufgrund eines an beide Ehegatten gerichteten Vorauszahlungsbescheides grundsätzlich der Tilgung der zu erwartenden Steuerschuld beider Ehegatten dienten. Entsprechend seien die Vorauszahlungen nicht - wie vom Beklagten vorgenommen - unabhängig von der später festgesetzten Einkommensteuer hälftig beiden Ehegatten zuzuordnen. Die Vorauszahlungen seien vielmehr zunächst auf die festgesetzten Steuern beider Ehegatten anzurechnen. Übersteigen die geleisteten Vorauszahlungen die für beide Eheleute festgesetzte Einkommensteuer, sei der Restbetrag sodann nach Köpfen, d. h. hälftig aufzuteilen.

Bei Anwendung dieser Rechtsprechungsgrundsätze habe der Kläger Anspruch auf Anrechnung eines Einkommensteuerbetrages in Höhe von 6.869 €. Bislang seien lediglich 6.222 € mit Einkommensteuerbescheid 2008 vom 18. September 2010 auf die festgesetzte Steuerschuld angerechnet worden. Somit ergebe sich ein Differenzbetrag in Höhe von 647 € zugunsten des Klägers. Hingewiesen werde jedoch darauf, dass die Argumentation des Klägers zur Begründung der vorliegenden Klage bereits früher ansetze. Der dem BFH-Urteil zugrunde liegende Sachverhalt zeichne sich dadurch aus, dass die Eheleute bis zum Ende des Streitjahres 2001 zusammengelebt hätten. Die Ehe sei erst in einem späteren Veranlagungszeitraum geschieden worden. Folglich greife die Vermutung, wonach das Finanzamt davon ausgehen könne, dass so lange die Ehe bestehe derjenige Ehegatte, der auch die gemeinsame Steuerschuld zahle, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen wolle. In dem hier vorliegenden Sachverhalt sei die Ehe des Klägers und seiner Frau im Streitjahr 2008 bereits geschieden gewesen. Die vorgenannte Tilgungsvermutung könne daher keine Anwendung mehr finden.

In der mündlichen Verhandlung argumentierte der Klägervertreter mit den Gründen des BFH-Urteils vom 25.7.1989 (VII R 118/87, BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41 [BFH 25.07.1989 - VII R 118/87]): Wenn die Ehe im Zeitpunkt der Zahlungen für die zusammen veranlagte Einkommensteuer bereits seit längerer Zeit geschieden sei, könne, anders als bei bestehenden und intakten Ehen, wie auch in den sonstigen Fällen der Gesamtschuldnerschaft im Zweifel davon ausgegangen werden, dass der Zahlende nur auf eigene Rechnung leisten wolle, wobei aber eine andere Willensbekundung des Gesamtschuldners, der die Zahlung bewirke, stets möglich bleibe.

Der Kläger beantragt,

die Anrechnungsverfügung im Einkommensteuerbescheid 2008 vom 18. September 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09. April 2011 so zu ändern, dass die Anrechnung der Vorauszahlungen für den Kläger für die Einkommensteuer auf 12.444 € und für den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer auf 581,72 €, mithin auf die gesamten geleisteten Vorauszahlungen erhöht wird.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht es sich auf seine Einspruchsentscheidung und weist darüber hinaus auf Folgendes hin: Im zitierten Urteilsfall des Finanzgerichts Baden-Württemberg werde die Entscheidung, die Vorauszahlungen allein dem Kläger zuzurechnen, im Wesentlichen damit begründet, dass sich aufgrund der vorliegenden Einzugsermächtigung Feststellungen über die Tilgungsabsicht des Klägers nicht träfen ließen und es daher bei der Vermutung verbleibe, dass der Kläger nur Zahlungen auf eigene Rechnungen habe leisten wollen. Anders verhalte es sich im Streitfall, in dem die Vorauszahlungen nicht ohne Zutun des Steuerpflichtigen per Lastschrift eingezogen worden seien. Hier habe der Kläger insbesondere auch die Vorauszahlungen III/08 - wie im gemeinsamen Einkommensteuerbescheid der Eheleute für 2006 vom 16. Juli 2008 festgesetzt - in voller Höhe per Überweisung entrichtet und dabei auch das gegen die Ehefrau festgesetzte Kirchgeld in Höhe von 138 € gezahlt. In diesem Fall sei es daher nicht zu beanstanden, wenn das Finanzamt angesichts der vom Kläger getätigten Überweisung - einschließlich Zahlung des Kirchgeldes - und mangels Kenntnis über die Ehescheidung, im Zeitpunkt der Zahlung nach wie vor davon ausging, dass der Kläger nicht nur sich selbst von seiner, sondern auch seine geschiedene Ehefrau von ihrer Steuerschuld habe befreien wollen.

Bei Anwendung der erweiterten Rechtsprechung des BFH und unter Berücksichtigung des BMF-Schreibens vom 31. Januar 2013 sei die Abrechnung in der Form zu ändern, dass die Vorauszahlungen zur Einkommensteuer nunmehr in Höhe von 6.869 € anstelle von bisher 6.222 € angerechnet werden könnten, während der Soli, wie bisher, mit 290,86 € anzurechnen sei.

Ausgehend von der bei der geschiedenen Ehefrau festzusetzenden Einkommensteuer in Höhe von Null Euro seien auf die beim Kläger festgesetzten Steuerbeträge zunächst die Steuerabzugsbeträge anzurechnen. Anschließend erfolge die Anrechnung der geleisteten gemeinsamen Vorauszahlungen ohne individuelle Tilgungsbestimmung maximal bis zum vollständigen Verbrauch der jeweiligen (positiven) verbleibenden Steuerbeträge. Der danach verbleibende Restbetrag sei nach Köpfen aufzuteilen.

Für den Streitfall ergebe sich folgende Ermittlung:
Einkommensteuer Solidaritätszuschlag
festgesetzte Steuer 1.612,00 0,00
ab KapErtrSt 13,00 17,44
ab Zinsabschlag 305,00
verbleibende Steuer 1.294,00 - 17,44
Anrechnung der gemeinsamen Vorauszahlungen
(ESt = 12.444,-€, Soli = 581,72 €) 1.294,00 0,00
verbleibende ESt-VZ = 11.150,-€ zu 1/2 5.575,00
Verbleibender Soli = 581,72 € zu 1/2 290,86
insgesamt anzurechnende Vorauszahlungen 6.869,00 290,86

Zahlungen, denen eine an beide Ehegatten als Gesamtschuldner gerichtete Vorauszahlungsfestsetzung für das Trennungsfolgejahr zugrunde liegen, seien, wenn dem Finanzamt die Trennung im Zahlungszeitpunkt noch nicht bekannt gegeben worden sei oder zu diesem Zeitpunkt auch keine individuelle Tilgungsbestimmung vorgelegen habe, nach Köpfen aufzuteilen (BMF-Schreibens vom 31.1.2013 IV A 3-S 0160/11/10001, 2012/1185415, BStBl I 2013, 70, Tz. 4).

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat sich der Vertreter der Beklagten verpflichtet, die Anrechnungsverfügung im Einkommensteuerbescheid 2008 vom 18. September 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09. April 2011 insoweit zu ändern, dass von insgesamt anzurechnenden Vorauszahlungen bei dem Kläger auf die Einkommensteuer in Höhe von 6.869 € und 290,86 € auf den Solidaritätszuschlag ausgegangen wird und der entsprechende Erstattungsbetrag entsprechend berechnet wird.

Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit übereinstimmend insoweit in der Hauptsache für erledigt.
Entscheidungsgründe

Die Klage ist, soweit sie die nach Maßgabe der Verpflichtungserklärung der Beklagten zu ändernde Anrechnungsverfügung betrifft, unbegründet. Die angefochtene Anrechnungsverfügung ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Im Übrigen haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Zutreffend hat der Beklagte festgestellt, dass eine Anrechnungsverfügung, mittels welcher über die Anrechnung von Einkommensteuervorauszahlungen im Rahmen des Einkommensteuerbescheides entschieden wird, ein gemäß § 118 AO selbständiger Verwaltungsakt ist, der durch das Leistungsgebot oder die Erstattungsverfügung Außenwirkung erhält, und der mittels Einspruchs anfechtbar ist (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 157 Rz. 27).

Der Beklagte geht zu Recht davon aus, dass die aufgrund des Vorauszahlungsbescheides vom 16. Juli 2008 / 21. September 2008 geleisteten Vorauszahlungen zunächst auf die festgesetzten Steuerbeträge anzurechnen sind, und dass der übersteigende Teil hälftig zwischen den geschiedenen Ehegatten aufzuteilen ist (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 2 EStG; BFH-Urteil vom 22.3.2011 VII R 42/10, BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607 [BFH 22.03.2011 - VII R 42/10]). Die Beteiligten haben hinsichtlich der Anrechnung der Vorauszahlungen auf die festgesetzten Beträge (ESt und SolZ) übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Streitig ist daher nur noch die Aufteilung des Erstattungsbetrages.

Nach § 37 Abs. 2 AO ist erstattungsberechtigt, auf wessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Unmaßgeblich für die Erstattungsberechtigung ist, von wem oder mit wessen Mitteln gezahlt worden ist. Es ist darauf abzustellen, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem FA gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte (vgl. BFH-Urteil vom 22.3.2011 VII R 42/10, BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607 [BFH 22.03.2011 - VII R 42/10]). Den Finanzbehörden wird damit nicht zugemutet, im Einzelfall die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen dem Steuerschuldner und einem zahlenden Dritten darauf hin zu überprüfen, wer von ihnen - im Innenverhältnis - auf die zu erstattenden Beträge materiell-rechtlich einen Anspruch hat.

Schuldeten mehrere Personen die überzahlte Steuer als Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 1 AO), gelten die aufgezeigten Rechtsgrundsätze gleichermaßen.

Der Kläger und dessen geschiedene Ehefrau waren Adressaten des in Bestandskraft erwachsenen Vorauszahlungsbescheides vom 16. Juli 2008 / 21. September 2008. Der Vorauszahlungsbescheid bildet den Rechtsgrund für die Zahlung der Vorauszahlungen. Nach dem Inhalt des Bescheides schuldeten der Kläger und dessen geschiedene Ehefrau die Vorauszahlungen. Die Festsetzung gemeinsamer Vorauszahlungen gegenüber den früheren Eheleuten mag materiell-rechtlich unzulässig gewesen sein, weil die Ehe zu diesem Zeitpunkt bereits geschieden war. Dies ist aber für das Bestehen des Gesamtschuldverhältnisses unerheblich, weil der Vorauszahlungsbescheid nicht angefochten wurde und bis zur Entrichtung der letzten Vorauszahlung wirksam geblieben ist.

Lässt sich aus den dem FA bei Zahlung erkennbaren Umständen nicht entnehmen, wessen Steuerschuld der zahlende Gesamtschuldner (§ 44 AO) begleichen wollte, so wird im Allgemeinen angenommen, dass der Gesamtschuldner nur seine eigene Steuerschuld tilgen wollte (vgl. BFH-Urteil vom 18.2.1997 VII R 117/95, BFH/NV 1997, 482). Zahlt indessen ein Ehegatte auf die Gesamtschuld und liegen keine Anhaltspunkte oder ausdrücklichen Absichtsbekundungen vor, kann das FA als Zahlungsempfänger, solange die Voraussetzungen der Zusammenveranlagung nach § 26 Abs. 1 EStG vorliegen, aufgrund der zwischen den Ehegatten bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft davon ausgehen, dass derjenige Ehegatte, der auf die gemeinsame Steuerschuld zahlt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen will. Ob die Eheleute sich später trennen oder einer der Ehegatten nachträglich die getrennte Veranlagung beantragt, ist für die Beurteilung der Tilgungsabsicht nicht maßgeblich, denn es kommt nur darauf an, wie sich die Umstände dem FA zum Zeitpunkt der Vorauszahlung darstellten (vgl. BFH-Urteil vom 22.3.2011 VII R 42/10, BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607 [BFH 22.03.2011 - VII R 42/10]).

Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat der Kläger die Vorauszahlungen nicht nur auf eigene, sondern zugleich auf Rechnung seiner früheren Ehefrau entrichtet. Dabei verkennt der Senat nicht die Besonderheit des Falles, dass die Ehe zum Zeitpunkt der Zahlungen nicht mehr bestand und folglich die objektiven Voraussetzungen, an die die Vermutung einer entsprechenden Tilgungsabsicht anknüpft, fehlten. Der Senat schließt sich insoweit jedoch den Gründen des Urteils des Finanzgerichts Niedersachsen vom 12. Februar 2014 (4 K 261/13, EFG 2014, 883) an, welches aus Sicht des Senats zutreffend darauf abstellt, dass die Frage, auf wessen Rechnung die Zahlung eines Gesamtschuldners erfolgt, nach dem im Zeitpunkt der Zahlung gegenüber dem FA erkennbar hervorgetretenen Willen des Zahlenden zu beurteilen ist. Unstreitig wusste der Beklagte zum Zeitpunkt der Zahlungen weder, dass die Eheleute dauernd getrennt lebten, noch, dass die Ehe zu diesem Zeitpunkt nicht mehr existierte. Der Beklagte konnte und musste nach den ihm zu diesem Zeitpunkt bekannten Umständen davon ausgehen, dass die Ehe und die sich daraus ergebende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft noch bestand. Erst im Juni 2009 erlangte der Beklagte Kenntnis über eine durchzuführende getrennte Veranlagung und erst im Mai 2010 wusste er von der Scheidung. Zu diesen Zeitpunkten waren die streitgegenständlichen Vorauszahlungen bereits vollständig entrichtet. Die nachträgliche Kenntniserlangung des Beklagten konnte die nach den Verhältnissen der Zahlungszeitpunkte zu bestimmende Tilgungswirkung nicht rückwirkend verändern. Der Kläger zahlte, so stellte es sich dem Beklagte zum Zeitpunkt der Zahlung dar, für Rechnung seiner geschiedenen Ehefrau und sich.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135, 138 Abs. 2 Satz 1 FGO. Liegt, wie hier, eine Teilerledigung der Hauptsache vor, ist eine einheitliche, aber gemischt-rechtliche Kostenentscheidung zu treffen. Sie beruht für den erledigten Teil der Hauptsache auf § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO und, soweit streitig entschieden worden ist, auf § 135 FGO (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 138 FGO Rz. 83 m.w.N.). Der Anteil der Teilerledigung bemisst sich mit etwa 10 vom Hundert (647 € von 6.222 €). Die Kostenentscheidung ist, soweit sie auf § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO beruht, unanfechtbar (§ 128 Abs. 4 FGO).

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

RechtsgebieteAO, EStGVorschriften§ 37 Abs. 2 AO; § 44 Abs. 1 AO; § 26 Abs. 1 EStG

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