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02.02.2015 · IWW-Abrufnummer 143775

Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 14.10.2014 – 4 K 81/14

Die Besteuerung Alleinerziehender nach dem Grundtarif ist nicht verfassungswidrig.


Finanzgericht Niedersachsen

Urt. v. 14.10.2014

Az.: 4 K 81/14

Tatbestand
1

Streitig ist die Besteuerung eines alleinerziehenden Elternteils.
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Die alleinstehende Klägerin ist Mutter zweier Kinder, die in ihrem Haushalt leben. Der Kindesvater leistet keinen Unterhalt. Sie erzielt aus einer beratenden Tätigkeit Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
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Durch Einkommensteuerbescheid vom 12. November 2013 wurde sie von dem Beklagten (dem Finanzamt -FA -) für das Streitjahr 2011 zur Einkommensteuer veranlagt. Die Steuer wurde unter Anwendung des Grundtarifs und unter Gewährung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende festgesetzt.
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Mit dem dagegen eingelegten Einspruch vom 9. Dezember 2013 wandte sich die Klägerin gegen die Anwendung des Grundtarifs. Sie machte geltend, dass sie durch die Vorenthaltung des Splittingtarifs in verfassungswidriger Weise gegenüber Verheiraten bzw. Lebenspartnern ohne Kinder sowie gegenüber anderen Alleinerziehenden, deren Kinder Barunterhalt von dem anderen Elternteil erhielten, benachteiligt werde. Sie erhalte für ihre Kinder nur einen Unterhaltsvorschuss in Höhe von 180 € pro Kind, während der Mindestunterhalt 272 € betrage.
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Nachdem es die Steuerfestsetzung durch Bescheid vom 10. Februar 2014 geändert hatte, setzte das FA die Steuer durch Einspruchsbescheid vom 10. April 2014 aus nicht streitbefangenen Gründen herab. Im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, dass die Anwendung des Grundtarifs der Gesetzeslage entspreche und die Verwaltung nicht dazu berechtigt sei, eine Gesetzesvorschrift wegen verfassungsrechtlicher Bedenken nicht anzuwenden.
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Hiergegen richtet sich die am 8. Mai 2014 erhobene Klage. Zu deren Begründung trägt die Klägerin vor:
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Die geltende gesetzliche Regelung habe für sie eine Benachteiligung nicht nur gegenüber der klassischen Zwei-Eltern-Familie, sondern auch gegenüber Verheirateten und gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern ohne Kinder zur Folge, die allesamt in den Genuss des Splittingtarifs kämen. Die steuerliche Gleichbehandlung mit alleinstehenden Personen sowie mit solchen Alleinerziehenden, die wenigstens den Mindestunterhalt bezögen, stelle für sie eine erhebliche Benachteiligung dar, die gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verstoße. Denn auch unter Berücksichtigung des ihr zustehenden vollen Kindergelds bleibe der Unterhaltsvorschuss um 92 € pro Kind hinter dem Mindestunterhalt zurück. Dieser Nachteil werde auch durch den zusätzlichen Freibetrag für Alleinerziehende in Höhe von insgesamt 1.308 € nicht ausgeglichen. Hierzu bedürfe es der Einräumung eines zusätzlichen Freibetrags mindestens in Höhe des nicht erhaltenen Mindestbarunterhalts. Die Gewährung eines solchen zusätzlichen Freibetrags sei auch deshalb geboten, weil es sonst für Alleinerziehende an Anreizen zu eigener Erwerbstätigkeit fehle. Eine Bezieherin von Arbeitslosengeld II erhalte für sich und ihre beiden Kinder unter sonst gleichen Voraussetzungen Leistungen in Höhe von monatlich 1.053,76 € zuzüglich geschätzter Unterkunftskosten in Höhe von 700 €. Daraus ergäben sich unter Abzug des Kindergelds steuerfreie Leistungen in Höhe von 16.629,12 €, während für sie - die Klägerin - bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von lediglich 15.578 € noch eine Einkommensteuerzahlung von 549 € verbleibe.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2011 vom 10. Februar 2014 in der Gestalt des Einspruchsbescheids vom 10. April 2014 die Einkommensteuer auf 0 € herabzusetzen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hält an der seinem Einspruchsbescheid zugrunde liegenden Beurteilung fest und führt aus:
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Der Minderung der Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen durch die Verpflichtung zum Kindesunterhalt werde durch die Gewährung von Kinderfreibeträgen bzw. die Zahlung von Kindergeld Rechnung getragen.

Die Klägerin habe zudem den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nach § 24b des Einkommensteuergesetzes (EStG) erhalten und die ihr erwerbsbedingt entstandenen Kinderbetreuungskosten nach § 9c EStG abziehen können. Die von der Klägerin geforderte Berücksichtigung eines individuell ermittelten Entlastungsbetrags sei verfassungsrechtlich nicht geboten und verwaltungstechnisch nicht durchführbar. Der Umstand, dass der Kindesvater seinen Unterhaltspflichten nicht nachkomme, sei für die steuerliche Beurteilung unerheblich. Im Übrigen werde der Ausfall der Unterhaltszahlungen durch Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ausgeglichen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Das FA hat die Einkommensteuer gegenüber der Klägerin zu Recht nach dem Grundtarif (§ 32a Abs. 1 EStG) unter Berücksichtigung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende gemäß § 24b EStG festgesetzt. Die Anwendung des Splittingverfahrens (§ 32a Abs. 5 EStG) auf Alleinstehende ist im Gesetz nicht vorgesehen und verfassungsrechtlich nicht geboten (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 28. Februar 2012 III B 115/10, BFH/NV 2012, 942, und vom 17. Oktober 2012 III B 68/12, BFH/NV 2013, 362; Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 6. Mai 2013 7 K 114/10, EFG 2014, 928; Revision unter Az. III R 62/13 anhängig). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 29. Mai 1990 1 BvL 20/84 u.a., BVerfGE 82, 60, BStBl. II 1990, 653) ist der Gesetzgeber von Verfassung wegen lediglich verpflichtet, Unterhaltsaufwendungen mindestens in Höhe des Existenzminimums der Kinder von der Besteuerung auszunehmen. Dieser Verpflichtung ist er mit der Gewährung eines Freibetrags für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie eines Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes (§ 32 Abs. 6 Satz 1 EStG) nachgekommen. Dass die Höhe dieser Freibeträge bereits im Streitjahr 2011 unzureichend gewesen sei, hat die Klägerin nicht geltend gemacht und ist für den Senat nicht ersichtlich. Auch der Umstand, dass diese Freibeträge bei der Festsetzung der Einkommensteuer gegenüber der Klägerin tatsächlich nicht vom Einkommen abgezogen worden sind, ist ohne Bedeutung. Dies beruht allein darauf, dass die steuerliche Freistellung des Existenzminimums der Kinder bereits durch das der Klägerin gewährte Kindergeld nach Abschnitt X des EStG bewirkt wurde, weil dieses höher als die mit dem Abzug der Kinderfreibeträge verbundene Steuerminderung war (vgl. § 31 Satz 1 EStG).
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Aus der Tatsache, dass der Kindesvater seiner Verpflichtung zur Zahlung des Mindestunterhalts gemäß § 1612a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) im Streitjahr 2011 nicht nachgekommen ist, ergibt sich für die Klägerin auch kein Anspruch auf Gewährung eines zusätzlichen Freibetrags in Höhe des nicht gezahlten Mindestunterhalts. Deren Ansicht, in der Nichtgewährung eines solchen Freibetrags liege eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung gegenüber solchen alleinerziehenden Elternteilen, deren Kinder von dem anderen Elternteil den Mindestunterhalt erhielten, weil sie den nicht gezahlten Unterhalt aus steuerpflichtigen Einkünften aufbringen müsse, während die Unterhaltsleistung steuerfrei sei, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Klägerin verkennt, dass der ausgefallene Kindesunterhalt zivilrechtlich nicht ihr selbst, sondern ihren Kindern zusteht. Im Unterschied zu den von der Klägerin durch ihre Erwerbstätigkeit erzielten steuerbaren Einkünften fließt in dem von ihr herangezogenen Vergleichsfall dem alleinerziehenden Elternteil durch die Unterhaltszahlungen des anderen Elternteils daher kein zusätzliches -steuerfreies - Einkommen zu.
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Auch der Umstand, dass die Leistungen, die nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UhVorschG) für die Kinder der Klägerin gewährt werden, um jeweils 92 € monatlich hinter dem Mindestunterhalt gemäß § 1612a BGB zurückbleiben, führt zu keiner anderen Beurteilung. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das der Klägerin für die Kinder zustehende Kindergeld nach § 2 Abs. 2 UhVorschG in voller Höhe auf die - nach § 2 Abs. 1 UhVorschG in Höhe des Mindestunterhalts zu zahlende - Unterhaltsleistung anzurechnen ist, während es auf den von dem Kindesvater geschuldeten Mindestunterhalt nur zur Hälfte anzurechnen wäre (§ 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB). Ob dieser unterschiedliche Anrechnungsumfang sachlich gerechtfertigt ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn eine darin liegende Benachteiligung beträfe wiederum nicht die Klägerin als Mutter, sondern ihre Kinder als Berechtigte im Sinne des § 1 UhVorschG.
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Schließlich erlaubt auch der Hinweis der Klägerin auf die Höhe der einem alleinerziehenden Elternteil unter sonst gleichen Umständen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB 2) zustehenden Leistungen nicht den Schluss auf die Verfassungswidrigkeit der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Gesetzeslage. Für den Senat ist weder ersichtlich, dass der in der Vergleichsberechnung der Klägerin angesetzte Betrag von 700 € für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB 2) dem tatsächlichen durchschnittlichen Leistungsniveau entspricht, noch vermag er zu beurteilen, ob und inwieweit die Klägerin selbst Anspruch auf Leistungen nach dem Wohngeldgesetz hat, die in die Vergleichsberechnung einzubeziehen wären.
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Die Klage ist daher abzuweisen. Die Kosten hat die Klägerin als unterlegene Beteiligte zu trage (§ 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

RechtsgebieteGG, EStGVorschriftenArt. 3 Abs. 1 GG; § 32a Abs. 1 EStG

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