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30.10.2014 · IWW-Abrufnummer 143153

Sozialgericht Marburg: Urteil vom 02.07.2014 – S 12 KA 483/13

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


S 12 KA 483/13

1. Der Bescheid der Beklagten vom 20.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2013 wird aufgehoben

2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 17.717,42 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Honorarrückforderung in Höhe von 17.717,42 EUR aufgrund einer Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnungen der acht Quartale II und IV/05, I/06 und III/06 bis III/07 und hierbei insbesondere eines Praxisabgleichs innerhalb der Praxisgemeinschaft der Klägerin mit Herrn Dr. C. mit einem Anteil gemeinsamer Patienten zwischen 20,24 % und 28,89 %.

Die Klägerin ist als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Herr Dr. C. ist ebf. als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. In den streitbefangenen Quartalen bestand eine Praxisgemeinschaft zwischen dem Kläger und Herrn Dr. C.

In den streitbefangenen Quartalen setzte die Beklagte das Honorar der Klägerin jeweils durch Honorarbescheid fest. Die Festsetzungen im Einzelnen ergeben sich aus nachfolgender Übersicht:

Quartal II/05 IV/05 I/06 III/06
Honorarbescheid vom 29.06.2006 06.08.2007 21.01.2007 17.03.2007
Nettohonorar gesamt in EUR 30.429,37 40.086,44 40.108,14 33.318,69

Quartal IV/06 I/07 II/07 III/07
Honorarbescheid vom 18.04.2007 08.03.2008 17.10.2007 17.01.2008
Nettohonorar gesamt in EUR 43.227,72 46.255,97 35.952,40 38.038,04

Die Beklagte forderte die Klägerin unter Datum vom 14.04.2009 aufgrund einer Plausibilitätsprüfung der Quartalsabrechnung für die Quartale II/05 bis IV/07 zu einer Stellungnahme auf. Sie habe die Honorarabrechnung der Klägerin zusammen mit der Honorarabrechnung des Herrn Dr. C. einer Plausibilitätsprüfung unterzogen. Es sei analysiert worden, wie viele Patienten von beiden Ärzten gemeinsam behandelt und abgerechnet worden seien. Hierbei habe sie eine Anzahl von gemeinsam abgerechneten Fällen festgestellt, was sie zahlenmäßig in einer Tabelle darstellte. Ferner fügte sie eine Patientenliste mit 21 Patientennamen bei.

Der Kläger äußerte sich zur Einleitung des Verfahrens nicht.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 20.07.2010 die strittigen Honorarrückforderungen fest. Im Einzelnen entfielen auf die streitbefangenen Quartale folgende Honorarrückforderungen:

Quartal Honorar in EUR
II/05 1.705,38
IV/05 2.436,72
I/06 2.697,40
III/06 2.026,85
IV/06 2.612,60
I/07 2.381,84
II/07 2.283,58
III/07 1.573,24

Zur Begründung führte sie aus, die Abrechnungen von Ärzten, welche untereinander in einer Praxisgemeinschaft (Berufsausübungsgemeinschaft) verbunden seien, könnten unplausibel sein, wenn bestimmte Grenzwerte des Anteils identischer Patienten überschritten worden seien. Die Anzahl der doppelt abgerechneten Patienten sei ins Verhältnis zur praxiseigenen Patientenzahl zu setzen. Eine Abrechnungsauffälligkeit sei bei 20% Patientenidentität - auf die abrechnenden Praxen bezogen - bei versorgungsbereichsidentischen Praxen zu vermuten. Die Berechnungsergebnisse hätten für die Praxis des Klägers folgende Werte ergeben:

Quartal Fallzahl Gemeinsame Patienten Anteil in Prozent
II/05 637 152 24,05
IV/05 737 208 28,89
I/06 791 172 21,86
III/06 702 152 21,78
IV/06 776 184 24,66
I/07 938 188 20,24
II/07 799 175 22,38
III/07 787 163 21,11

Die nach außen gewählte Rechtsform einer Praxisgemeinschaft müsse auch im Praxisalltag transparent realisiert werden; andernfalls liege ein Gestaltungsmissbrauch vor. Bei einer derart hohen Praxisidentität müsse das Patientenaufkommen koordiniert werden, was wiederum die für eine Gemeinschaftspraxis typische einheitliche Praxisorganisation voraussetze. Eine Vertretung sei nur zulässig, wenn der vertretene Vertragsarzt sich im Urlaub befinde, erkrankt sei oder an einer Fortbildung oder Wehrübung teilnehme. Eine Vertretung liege nur dann vor, wenn der Arzt zumindest einen Tag abwesend sei, so dass die Praxis insgesamt geschlossen bleibe. Von indizieller Bedeutung sei insoweit bereits die ungewöhnlich hohe Zahl von Vertreterfällen in der Praxis der Klägerin, die nicht in allen Fällen plausibel erklärt werden könne. Ein Großteil der Vertreterscheine entfalle auf eine nur stundenweise Abwesenheit des Praxisgemeinschaftspartners. Beispielhaft werden drei Behandlungsfälle erläutert. In beiden Praxen sei die Krankversicherungskarte eingelesen worden (Scheinart 00= Originalbehandlungsschein). Während einer laufenden Behandlung werde dann der Praxisgemeinschaftspartner ebenfalls tätig, ohne dass aus den angegebenen Diagnosen eine plausible Erklärung für den Praxiswechsel hergeleitet werden könne. Die Beklagte verweist beispielhaft auf zwei Patientenfälle. Es liege eine missbräuchliche Nutzung der Rechtsform der Praxisgemeinschaft vor. Dies führe zu einer deutlichen Erhöhung der Fallzahlen und damit verbunden zu einer erheblichen Steigerung des Honorars, ohne das dies durch die Morbidität der Klientel begründet werden könnte. Der prozentuale Anteil an Vertretungsfällen liege hessenweit unter 10 %. Doppelt eingelesene Krankenversichertenkarten, Vertreterfälle gem. Muster 19 der Vordruckvereinbarung, Notfälle und Überweisungen zur Auftragsleistung habe sie dahingehend berücksichtigt, dass bei der Berechnung der Honorarkorrektur 30 % der gemeinsamen Patienten als plausibel eingestuft und daher bei der Korrekturberechnung zu Gunsten der Klägerin berücksichtigt worden seien. Der Umstand, dass in einer Vielzahl von Fällen unter demselben Datum in beiden Praxen Krankenversichertenkarten eingelesen worden seien und Doppelbehandlungen stattgefunden hätten, stelle ein weiteres Indiz für ein pflichtwidriges Verhalten dar. Auch durch die regelmäßigen gegenseitigen Vertretungen werde der Missbrauch deutlich. Zur Schätzung des Berichtigungsbetrages habe sie die Anzahl die bei der Prüfung festgestellten gemeinsamen Behandlungsfälle um die auf Grund ihrer Urlaubs- und Krankheitsmeldungen zulässigen gemeinsamen Behandlungsfälle reduziert. Im Fachgruppendurchschnitt sei eine gegenseitige Vertretung in einer Größenordnung von unter 10 % der Gesamtfallzahl evident. Die Korrekturhöhe pro Behandlungsfall errechne sich dabei aus dem Nettofalldurchschnittswert aus allen Behandlungsfällen der Praxis, multipliziert mit der Gesamtzahl der implausiblen Behandlungsfälle. Im Einzelnen verweise sie auf die beigefügte Anlage.

Hiergegen legte die Klägerin am 18.08.2010 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, es treffe zu, dass sie eine ärztliche Praxisgemeinschaft mit Herrn Dr. C. betreibe. Im Rahmen dieser Praxisgemeinschaft erfolge eine gemeinsame Nutzung der Praxisräume, es erfolge eine Auftrennung der Kosten des Personal usw. Aufgrund der Größe der Praxisräume sei eine gleichzeitige Berufsausübung beider Ärzte nicht möglich. So fehle es z. B. an einer ausreichenden Zahl von Sprechzimmern für die gleichzeitige Berufsausübung. Hieraus habe sich die Notwendigkeit der Regelung der jeweiligen Arbeitszeiten ergeben. Es seien für jeden Arzt bestimmte Arbeitszeiten/Sprechstundenzeiten festgelegt worden. Eine zeitliche Überschneidung der Arbeitszeiten sei nicht möglich. Es fehle eine gesetzliche Grundlage für die Abrechnungsprüfungen. Sämtliche abgerechneten Leistungen seien ordnungsgemäß tatsächlich erbracht worden. Die Beklagte liste keinen Fall auf, in denen eine abgerechnete Leistung tatsächlich gar nicht erbracht worden sei. Fehlerhaft gehe die Beklagte davon aus, dass eine Vertretung nur ganztags erfolgen könne. Ferne führte sie zu den einzelnen Beispielsfällen aus. Hinsichtlich der Abrechnung eigener Leistung an "Vertretungstagen" verweise sie auf die unterschiedlichen Arbeitszeiten der beiden Ärzte. Bedingt durch ihren Schwerpunkt Neuropädiatrie ergäben sich häufig entsprechende Notfälle. Sie führte drei Behandlungsfälle an. Es könne vorkommen, dass das Kind morgens vorgestellt werde und die Eltern am Nachmittag mit dem Kind die Praxis erneut aufsuchten, weil sich die Situation verschlechtert habe. Es könne gerade bei Kleinkindern und Säuglingen nicht mit einer Untersuchung/Behandlung bis zum nächsten Tag abgewartet werden. Zur Behandlung verpflichtet sei auch der jeweils anwesende Arzt. Der Beklagten erstehe dadurch kein Schaden. So entspreche auch ihr Fallwert im Quartal IV/06 45,25 Euro gegenüber dem Durchschnittswert der Fachgruppe mit 55,57 Euro. Hieraus erklärten sich auch die geringen Kürzungsbeträge.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 24.07.2013, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 25.07.2013 zugestellt, den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe in der Praxisgemeinschaft mit Herrn C. tatsächlich wie in einer (nicht genehmigten) Gemeinschaftspraxis zusammen gearbeitet. Dies zeige sich in der Überschreitung der Grenzwerte für Patientenidentitäten. Die hohe Zahl der Doppelfälle basiere nicht auf Notfällen oder Überweisungsfällen zur Auftragsleistung. Die Stichprobenprüfung der jeweils ersten 100 Doppelfälle eines Quartals der Quartale IV/05 (insgesamt 208 Doppelfälle), III/06 (152 Doppelfälle) und I/07 (188 Doppelfälle) habe ergeben, dass keine Überweisungsfälle zur Auftragsleistung vorgelegen hätten. Nur in wenigen Doppelfällen seien Notfallscheine angelegt worden. Die Klägerin und Herr C. hätten im Quartal IV/05 von 100 Fällen nur 7 Notfallscheine eingereicht, in den Quartalen III/06 und I/07 von 100 Fällen nur 8 bzw. 29 Notfallscheine. Die meisten Doppelfälle hätten auf Vertretungen beruht. So lägen gegenseitige Vertretungen im Quartal IV/05 in 92 Fällen, im Quartal III/06 in 84 Fällen und im Quartal I/07 in 66 Fällen vor (Stichprobenprüfung der ersten 100 Doppelfälle). Die hohe Zahl von Vertretungsfällen beruhe nach dem Vortrag der Klägerin auf der Organisation der Praxen, die sie faktisch wie eine Berufsausübungsgemeinschaft führe. Wenn nach der Organisation jeweils nur eine der Praxen wenige Stunden am Tag geöffnet sei, andererseits die Patienten umgehend behandelt werden müssten, dann sei die Organisation darauf ausgelegt, dass die Patienten vom jeweils anwesenden Kollegen mitbehandelt würden. Faktisch entspreche dies der wechselseitigen Mitbehandlung in einer Berufsausübungsgemeinschaft. Ein weiteres Indiz sei die Weiterreichung der Krankenversichertenkarten zwischen den Praxen sowie die (Weiter) Behandlung der Patienten durch den Vertreter, obwohl der Kollege in der Praxis anwesend sei. Hierzu listet sie tabellarisch für alle streitbefangenen Quartale jeweils 5 Patientennamen auf mit Behandlungstagen der Klägerin, obwohl auch Herr C. an diesem Tag mehrstündig tätig gewesen sei. Im Übrigen hätten die Praxen gegenseitig die Krankenversichertenkarten weiter gereicht und die Karten in beiden Praxen eingelesen. In einer der Praxen finde am Tag der Karteneinlesung eine Behandlung statt, in der anderen Praxis jedoch nicht. Besonders auffällig seien die Fälle, in denen die Versichertenkarte vor dem ersten Behandlungstag eingelesen worden sei. Demnach hätten die Ärzte ihre Patientenkarteien nicht getrennt geführt. Die Einlesung und Speicherung der Daten der Versichertenkarte in Praxen, die der Patient zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht aufgesucht habe, verstoße gegen den Datenschutz, die ärztliche Schweigepflicht und gegen die Vorgaben der Bundesmantelverträge. Insbesondere bestehe die Gefahr des Abrechnungsbetruges. Anhand einer Stichprobe der ersten 100 Doppelfälle führte die Beklagte die Anzahl der Fälle mit identischem Einlesedatum bzw. erkennbarer Weiterreichung der Versichertenkarte an die andere Praxis und gab ferner für jedes Quartal drei Patientennamen mit dem Einlesedatum und dem ersten Behandlungstag auf. Ein Vertragsarztwechsel solle innerhalb des Quartals nur bei wichtigem Grund erfolgen, um die Mehrfachabrechnung von (behandlungsfallbezogenen) Leistungen zum Schutz der Gesamtvergütung zu unterbinden. Es mache daher keinen Unterschied, ob eine Mehrfachabrechnung am gleichen Tag oder an unterschiedlichen Tagen im Quartal erfolge. Im Übrigen seien auch Fälle mit taggleicher Leistungsabrechnung in beiden Praxen zu finden. Hierzu führte sie 4 Behandlungsfälle für die Quartale II/05 und III/06 und 5 Behandlungsfälle für das Quartal III/07 auf. Die Klägerin habe die Zusammenarbeit in der Praxisgemeinschaft zumindest grob fahrlässig wie die Zusammenarbeit in einer Gemeinschaftspraxis ausgestaltet und damit gegen die vertragsärztlichen Regelungen verstoßen. Dies folge aus dem über Quartale hinweg andauernden, nicht ordnungsgemäßen Umgang mit den Versichertenkarten, der umfangreichen Mitbehandlung von Patienten des Kollegen trotz dessen Anwesenheit in der Praxis sowie der Praxisorganisation. Die Sammelerklärungen seien folglich nichtig, sodass die durch die rechtswidrige Zusammenarbeit ungerechtfertigt erlangten Honorarvorteile zurückzufordern seien. Die erhöhte Fallzahl der Praxis führe zu Vorteilen bei Budgetierungsregelungen, die den Budgetrahmen anhand der Zahl der Behandlungsfälle berechneten. Hierzu gehörten beispielsweise das Regelleistungsvolumen, Laborkostenbudget und der Wirtschaftlichkeitsbonus. Darüber hinaus könne jede Einzelpraxis den Ordinationskomplex jeweils ein Mal im Behandlungsfall abrechnen. Dagegen zähle die gemeinsame Behandlung eines Patienten durch mehrere Ärzte einer Gemeinschaftspraxis als ein Behandlungsfall, so dass die Gemeinschaftspraxis den Ordinationskomplex nur ein Mal pro Patient, erhöht um einen Punkt-Aufschlag, abrechnen könne. Bei ordnungsgemäßer Praxisorganisation wären weder ein Vertretungsschein noch in beiden Praxen Originalscheine angelegt worden. Die Honorarrückforderung dürfe geschätzt werden. Sie lege für jedes Quartal eine geschätzte Zahl an implausiblen Fällen zugrunde. Anhand des durchschnittlichen Fallwerts werde dann die Rückforderungshöhe ermittelt. Für jedes Quartal gehe sie von einer individuell ermittelten Anzahl plausibler Fälle (z.B. berechtigte Vertretungsfälle) aus. Von den verbleibenden unplausiblen Doppelfällen würden nochmals 30 % zu Gunsten des Arztes anerkannt werden. Die restlichen unplausiblen Doppelfälle seien erneut um 50 % reduziert worden. Letztlich werde in die Kürzungsberechnung nur eine geringe Zahl der implausiblen Doppelfälle einbezogen. Das Quartal I/06 enthalte die höchste Kürzung. Dieses Quartal sei stichprobenweise anhand der Doppelfälle 1 bis 100 überprüft worden. Im Ergebnis seien hiervon 74 Fälle als implausibel bewertet worden, weil die Praxisgemeinschaftspartner der Patienten abwechselnd und gemeinsam übernommen hätten und auf keine Zuordnung der Patienten zu einem Hausarzt geachtet werde. Im Ergebnis sei jedoch nur ein kleiner Anteil der implausiblen Doppelfälle (z.B. im Quartal I/06 nur 53 Fälle) tatsächlich in die Rückforderungsberechnung einbezogen worden.

Hiergegen hat die Klägerin am 23.08.2013 die Klage erhoben. Sie rüge einen Verstoß gegen den Grundsatz "Beratung vor Regress". In einem Verfahren bezüglich der Folgequartale I/08 bis IV/10 sei deshalb lediglich ein "beratender Hinweis" erfolgt. Die Beklagte berücksichtigte nicht ihre berufliche Situation in ausreichender Weise. Insbesondere bei der Berechnung der Kürzungssumme liege eine fehlerhafte Ausübung des Ermessens vor. Sie verweise auch auf ihre Ausführungen im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, das zwischenzeitlich eingestellt worden sei. Sie überreiche Aufstellungen bezüglich der angeblich doppelten Behandlungsfälle. Aufgrund der Notfallsituationen sei zum Teil eine sofortige Behandlung notwendig geworden, einige Patienten hätten sich dem ärztlichen Notdienst vorgestellt. Bei einigen Patienten habe es sich um Unfälle gehandelt, sie hätten sofort behandelt werden müssen. Bei einigen Patienten sei die U2-Untersuchung von Herrn C. im Krankenhaus vorgenommen worden, sie habe dann die ambulante Behandlung übernommen. Diese Fälle seien leider im Rahmen des Prüfungsverfahrens nicht berücksichtigt worden.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 20.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und trägt ergänzend vor, die Klägerin und Herr C. hätten die bestehende Praxisgemeinschaft tatsächlich wie eine Gemeinschaftspraxis ohne entsprechende Genehmigung geführt. Den Nachweis hierfür habe sie erbracht. Die Klägerin beziehe sich in ihrer Klagebegründung auf die bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegte Stellungnahme gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft. Weitergehende Argumente würden nicht vorgetragen. Im Widerspruchsbescheid habe sie weitere Indizien aufgeführt, die für eine fehlende Trennung der Praxis spreche. Eine Praxisgemeinschaft könne nicht unter Hinweis auf die generelle Vertretungsbefugnis wie eine Gemeinschaftspraxis geführt werden. Die Entscheidung, die für die Nachfolgequartale ergangen sei, habe keine Auswirkungen auf die streitgegenständliche Quartale. Im Übrigen sei in dem Zeitraum I/08 bis IV/10 lediglich in den Quartalen IV/08 und IV/09 – und somit anders als in den hier streitigen Quartalen - das Aufgreifkriterium der 20 % Patientenüberschneidungen gegeben gewesen. Der Grundsatz Beratung vor Regress gelte nicht für Plausibilitätsverfahren. Die von der Klägerin im Gerichtsverfahren angegebenen Fällen seien von ihr – bis auf einen Fall im Quartal III/06 - nicht beanstandet worden. Im Übrigen handele es sich bei den in den angefochtenen Bescheiden aufgeführten Behandlungsfällen lediglich um Beispielsfälle für die unplausiblen doppelten Fälle. Die korrekten Vertreterfälle habe sie als plausible Vertretungsfälle anerkannt. Von den gemeinsam festgestellten Fällen seien zwischen 20 und 70 Fälle aufgrund von angezeigten oder zulässigen Vertretungen vorab konkret berücksichtig und herausgerechnet worden. Weiterhin habe sie einen Sicherheitsabschlag vorgenommen und einen weiteren Abzug von 50 %. So seien z.B. im Quartal II/05 von insgesamt 152 Fällen lediglich 36 Fälle als nicht plausibel gewertet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 23.05.2014 angehört. Ein Einverständnis der Beteiligten hierzu wird vom Gesetz nicht verlangt. Die Kammer hat bereits mehrfach über vergleichbare Sachverhalte entschieden, so mit Urt. vom 02.04.2014 - S 12 KA 634/12 -, Urt. vom 29.01.2014 S 12 KA 359/12 u. S 12 KA 360/12 - Berufung anhängig beim LSG Hessen - L 4 KA 22/14 -, Urt. vom 08.05.2013 - S 12 KA 435/12 - Berufung anhängig beim LSG Hessen L 4 KA 33/13 -, Urt. vom 05.12.2012 - S 12 KA 80/12 - Berufung anhängig beim LSG Hessen - L 4 KA 5/13 -).

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist im Ergebnis auch begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 20.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2013 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben.

Die Rechtswidrigkeit folgt allein aus einer unzureichenden Ausübung des Kürzungsermessens.

Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.

Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragsärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Es obliegt deshalb nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen. Dies wird nunmehr durch den ab 01.01.2004 geltenden § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V klargestellt, wonach die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte feststellt; dazu gehört auch die Arzt bezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Dies galt auch bereits zuvor auf der Grundlage der genannten bundesmantelvertraglichen Regelungen.

Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids. Die genannten, auf § 82 Abs. 1 SGB V beruhenden bundesmantelvertraglichen Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil )Aufhebung des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der Grundnorm des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs für den gesamten Bereich des Sozialrechts, eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (vgl. BSG, Urt. v. 14.12.2005 - B 6 KA 17/05 RSozR 4-2500 § 85 Nr. 22 = BSGE 96, 1 = Breith 2006, 715 = MedR 2006, 542 = GesR 2006, 499 = USK 2005-130, zitiert nach juris Rdnr. 11 m.w.N.)

Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und abgerechnet worden sind. Die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarforderung auf bundesmantelvertraglicher Rechtsgrundlage besteht danach nicht nur im Falle rechnerischer und gebührenordnungsmäßiger Fehler, sondern erfasst auch Fallgestaltungen, in denen der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet hat. Dementsprechend erfolgt eine sachlich-rechnerische Richtigstellung z. B. bei der Abrechnung fachfremder Leistungen oder qualitativ mangelhafter Leistungen, aber auch bei Leistungen eines nicht genehmigten Assistenten sowie bei der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs mit Hilfe eines Assistenten, bei der Abrechnung von Leistungen, die nach stationärer Aufnahme erbracht werden, bei der Nichtbeachtung der bereichsspezifischen Vorschriften zur Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung im Rahmen der vertragsärztlichen Abrechnung und schließlich bei einem Missbrauch vertragsarztrechtlicher Kooperationsformen (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 23.06.2010 - B 6 KA 7/09 R - BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr. 4 = GesR 2010, 615 = ZMGR 2010, 370 = MedR 2011, 298 = USK 2010-73, juris Rdnr. 26 f. m.w.N.).

Bei missbräuchlicher Nutzung der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft können Honorarbescheide korrigiert werden.

Für die berufliche Kooperation im Status der Gemeinschaftspraxis i. S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (in der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung) (Ärzte-ZV) ist kennzeichnend, dass sich mehrere Ärzte des gleichen Fachgebietes oder ähnlicher Fachgebiete zur gemeinsamen und gemeinschaftlichen Ausübung des ärztlichen Berufs in einer Praxis zusammenschließen, wobei - über die gemeinsame Nutzung der Praxiseinrichtungen sowie die gemeinsame Beschäftigung von Personal hinaus - die gemeinschaftliche Behandlung von Patienten und die gemeinschaftliche Karteiführung und Abrechnung in den Vordergrund treten. Einen Schwerpunkt bildet die Zusammenarbeit zur gemeinsamen Einnahmenerzielung. Für die Annahme einer gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis ist neben einer Beteiligung der Partner an den Investitionen und Kosten der Praxis grundsätzlich auch eine Beteiligung am immateriellen Wert der Praxis (dem "Goodwill") erforderlich, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Einzelfall unterschiedlich sein kann. Diese Form der Zusammenarbeit bedarf vorheriger Genehmigung durch den Zulassungsausschuss (§ 33 Abs. 2 Satz 2 Ärzte-ZV). Bei der Praxisgemeinschaft handelt es sich um eine Organisationsgemeinschaft, die nicht der gemeinsamen, in der Regel jederzeit austauschbaren ärztlichen Behandlung an gemeinsamen Patienten dient. Mit ihr wird vielmehr die gemeinsame Nutzung von Praxisräumen und Praxiseinrichtungen sowie die gemeinsame Beschäftigung von Hilfspersonal durch mehrere Ärzte mit dem vorrangigen Zweck, bestimmte Kosten zur besseren Ausnutzung der persönlichen und sachlichen Mittel auf mehrere Ärzte umzulegen. Es verbleibt bei der selbstständigen Praxisführung mit verschiedenem Patientenstamm und jeweils eigener Patientenkartei (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2006 B 6 KA 76/04 R - SozR 4-5520 § 33 Nr. 6 = BSGE 96, 99 = ZMGR 2006, 148 = NZS 2006, 544 = GesR 2006, 450 = MedR 2006, 611 = Breith 2007, 185, juris Rdnr. 14 f. m.w.N.).

Behandeln die Partner einer Praxisgemeinschaft die Patienten zu einem hohen Anteil gemeinschaftlich, bedienen sie sich der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft missbräuchlich. Die zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und den Spitzenverbänden der Krankenkassen mit Wirkung vom 1. Januar 2005 vereinbarten Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der KVen und der Krankenkassen (DÄ 2004, A-2555) (im Folgenden: ARL) geben in § 11 Abs. 2 für die Plausibilitätsprüfung bereits bei 20 % Patientenidentität in (teil )gebietsgleichen/versorgungsbereichsidentischen bzw. 30 % bei gebietsübergreifenden/versorgungsübergreifenden Praxisgemeinschaften die Annahme einer Abrechnungsauffälligkeit vor. Diese Aufgreifkriterien lassen die in den Richtlinien vorgenommenen Grenzziehungen erkennen, dass jedenfalls dann, wenn zwei in der Rechtsform einer Praxisgemeinschaft kooperierende Vertragsärzte desselben Fachgebietes annähernd bzw. mehr als 50 % der Patienten in einem Quartal gemeinsam behandeln, tatsächlich die für eine Gemeinschaftspraxis kennzeichnende gemeinsame und gemeinschaftliche Ausübung der ärztlichen Tätigkeit durch Behandlung eines gemeinsamen Patientenstammes stattfindet. Bei einer derart hohen Patientenidentität muss das Patientenaufkommen koordiniert werden, was wiederum die für eine Gemeinschaftspraxis typische einheitliche Praxisorganisation erfordert (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R - a.a.O., Rdnr. 19 f.; BSG, Beschl. v. 05.11.2008 - B 6 KA 17/07 B - juris Rdnr. 12).

Insofern ist es die klare Aufgabe des Arztes, nicht nur auf die bestehende Kooperationsform der Praxisgemeinschaft hinzuweisen (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2006 B 6 KA 76/04 R - a.a.O., Rdnr. 19; LSG Bayern, Urt. v. 16.05.2007 - L 12 KA 563/04 - juris Rdnr. 34 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. v. 17.09.2008 - B 6 KA 65/07 B - BeckRS 2008, 57265)), sondern auch ggf. die Behandlung des Patienten – abgesehen von Notfällen – abzulehnen und auf die bereits begonnene Behandlung durch den Praxisgemeinschaftspartner hinzuweisen und sich im Falle einer Vertretungsbehandlung auf die notwendige, d. h. keinen Aufschub zulassende Behandlung zu beschränken. Speziell für den Fall der hausärztlichen Versorgung, an der beide Ärzte der Praxisgemeinschaft teilnehmen, ergibt sich die Pflicht zur Festlegung auf einen bestimmten Hausarzt zwingend aus § 76 Abs. 3 Satz 2 SGB V. Danach wählt der Versicherte einen Hausarzt. Das Nebeneinander von zwei Hausärzten kommt schon begrifflich nicht in Betracht und widerspräche dem Hausarztkonzept, wonach die ärztliche Betreuung und die Koordination diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen in einer Hand sein sollen (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Nach § 76 Abs. 3 Satz 3 SGB V ist der Arzt verpflichtet, die Versicherten über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung vorab zu informieren und damit auch über die Verpflichtung des Versicherten, einen bestimmten Hausarzt zu wählen.

Nach diesen Kriterien hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden eine missbräuchliche Nutzung der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft hinreichend nachgewiesen. Sie hat in den angefochtenen Bescheiden im Einzelnen zutreffend dargelegt, dass der Anteil der gemeinsam behandelten Patienten in den streitbefangenen Quartalen bei der Klägerin zwischen 20,24 % und 28,89 % beträgt. Je höher der Anteil gemeinsam behandelter Patienten ist, desto eher kann allein aus diesem Umstand auf eine missbräuchliche Nutzung der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft geschlossen werden. Dabei können auch Erfahrungswerte berücksichtigt werden, dass im hausärztlichen Bereich von einem Anteil an Vertretungsfällen von 5 % bis 10 % auszugehen ist. So weist das LSG Nordrhein-Westfalen auf Ermittlungen der KZV Nordrhein hin, die für ihren - vertragszahnärztlichen - Bereich einen Anteil von Doppelbehandlungen in Praxisgemeinschaften von 3 bis 5 % festgestellt habe (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 13.12.2006 - L 11 KA 60/06 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 21; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 13.12.2006 - L 11 KA 59/06 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 19). Die Beklagte geht im Allgemeinen von einem Anteil von 5 % für Vertretungsscheine aus (vgl. SG Marburg, Urt. v. 08.12.2010 S 12 KA 30/10 - juris Rdnr. 50) bzw. – wie im hier vorliegenden Verfahren - von einer gegenseitigen Vertretung im Fachgruppendurchschnitt von unter 10 % aus (vgl. SG Marburg, Urt. v. 05.12.2012 - S 12 KA 80/12GesR 2013, 225, juris Rdnr. 42; SG Marburg, Urt. v. 29.01.2014 - S 12 KA 359/12 und S 12 KA 360/12 -; SG Marburg, Urt. v. 02.04.2014 - S 12 KA 634/12 -). LSG Niedersachsen geht gleichfalls davon aus, dass bei Praxisgemeinschaften üblicherweise auftretende Patientenidentitäten deutlich geringer sind als 20 % (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 21.03.2012 - L 3 KA 103/08 - juris Rdnr. 23). Clemens weist darauf hin, dass die Überschneidungsquote bei Praxisgemeinschaften normalerweise bis max. 15 % beträgt (vgl. Clemens in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl., § 106a Rdnr. 175). Danach kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Durchschnitt im Einzelfall überschritten wird.

Die Klägerin hat letztlich bereits mit ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren selbst dargelegt, dass die Praxis wie eine Gemeinschaftspraxis geführt wird. Die Klägerin hat eingeräumt, dass aufgrund der Größe der Praxis eine gleichzeitige Berufsausübung beider Ärzte nicht möglich sei. Daraus folgt zwingend, dass keiner der beiden Ärzte die Sprechstundenzeiten anbieten kann, die eine kinderärztliche Praxis im Normalfall anbietet. Insofern ist davon auszugehen, dass der übliche Praxisbetrieb nur durch das Behandeln beider Ärzte aufrechterhalten werden kann. Hieraus resultieren auch zwangsläufig die von der Beklagten festgestellten sog. Doppelfälle.

Darüber hinaus hat die Beklagte festgestellt, dass nicht alle diese Fälle darauf beruhen, dass es sich um, wenn auch der Organisation der klägerischen Praxis geschuldete Notfälle gehandelt hat. Insofern setzen die geltenden vertragsarztrechtlichen Regelungen für eine letztlich arbeitsteilige Behandlungsweise Grenzen. Die von der Klägerin mit ihrem Gemeinschaftspraxispartner gewählte Organisationsform wäre allenfalls nur dann zulässig, wenn die strikte Trennung beider Praxen durchgehalten werde würde. Sie wäre selbst dann noch problematisch, wenn sich aufgrund der zwangsläufig gehäuften Abwesenheitszeiten vermehrt Überlappungen der Behandlungen ergäben.

Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass die von der Klägerin im Gerichtsverfahren gemachten Ausführungen zu den einzelnen Behandlungsfällen solche betreffen, die von ihr nicht beanstandet wurden. Im Übrigen weist sie zutreffend darauf hin, dass es sich bei den in den angefochtenen Bescheiden genannten Behandlungsfällen um Beispielsfälle handelt.

Die Beklagte hat im Einzelnen auf die große Zahl der gemeinsamen Patienten und auf weitere Indizien hingewiesen, die eindeutig auf das Vorliegen einer Gemeinschaftspraxis hindeuten. Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da der Begründung des Widerspruchsbescheides, insbesondere Seite 5 bis 9, folgt (§ 136 Abs. 3 SGG).

Zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass ein Vertretungsfall nur dann angenommen werden kann, wenn der Vertragsarzt aus einem besonderen Grund "an der Ausübung seiner Praxis verhindert" sei, d. h. nicht nur stundenweise abwesend ist und die Praxis insgesamt geschlossen bleibt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 08.06.2007 - L 3 KA 9/07 ER - juris Rdnr. 31). Bereits nach dem Bundesmantelvertrag im Primärkassenbereich in der bis Juni 2007 geltenden Fassung - die gleiche Rechtslage bestand im Quartal III/07 fort - war der Vertragsarzt gehalten, seine Sprechstunden entsprechend dem Bedürfnis nach einer ausreichenden und zweckmäßigen vertragsärztlichen Versorgung und den Gegebenheiten seines Praxisbereiches festzusetzen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BMV-Ä). Bei der Verteilung der Sprechstunden auf den einzelnen Tag sollen die Besonderheiten des Praxisbereiches und die Bedürfnisse der Versicherten (z. B. durch Sprechstunden am Abend oder an Samstagen) berücksichtigt werden (§ 17 Abs. 2 BMV-Ä). Der Vertragsarzt war und ist gehalten, in dem Umfang Sprechstundenzeiten anzubieten, in denen er seine Patienten das gesamte Quartal hindurch behandeln kann und diese nicht gehalten sind, einen "Vertreter" aufzusuchen. Dies folgt bereits aus seinen allgemeinen vertragsärztlichen Pflichten (§ 95 Abs. 3 SGB V). Der Vertragsarzt hat die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben (§ 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV). Nur bei Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an ärztlicher Fortbildung oder an einer Wehrübung kann er sich innerhalb von zwölf Monaten bis zur Dauer von drei Monaten vertreten lassen. Dauert die Vertretung länger als eine Woche, so ist sie der Kassenärztlichen Vereinigung mitzuteilen (§ 32 Abs. 1 Satz 2 und 4 Ärzte-ZV). Eine Gemeinschaftspraxis kann nicht unter Hinweis auf die generelle Vertretungsbefugnis wie eine Praxisgemeinschaft geführt werden; der Vertragsarzt hat in dem Umfang Sprechstundenzeiten anzubieten, in denen er seine Patienten das gesamte Quartal hindurch behandeln kann und diese nicht gehalten sind, einen "Vertreter" aufzusuchen (vgl. SG Marburg, Urt. v. 08.12.2010 - S 12 KA 30/10 R - juris Rdnr. 40 ff.)

Insofern ist es die klare Aufgabe des Arztes, nicht nur auf die bestehende Kooperationsform der Praxisgemeinschaft hinzuweisen (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2006 B 6 KA 76/04 R – a.a.O., Rdnr. 19; LSG Bayern, Urt. v. 16.05.2007 – L 12 KA 563/04 – juris Rdnr. 34 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. v. 17.09.2008 – B 6 KA 65/07 B - BeckRS 2008, 57265)), sondern auch ggf. die Behandlung des Patienten – abgesehen von Notfällen – abzulehnen und auf die bereits begonnene Behandlung durch den Praxisgemeinschaftspartner hinzuweisen und sich im Falle einer Vertretungsbehandlung auf die notwendige, d. h. keinen Aufschub zulassende Behandlung zu beschränken. Speziell für den Fall der hausärztlichen Versorgung, an der beide Ärzte der Praxisgemeinschaft teilnehmen, ergibt sich die Pflicht zur Festlegung auf einen bestimmten Hausarzt zwingend aus § 76 Abs. 3 Satz 2 SGB V. Danach wählt der Versicherte einen Hausarzt. Das Nebeneinander von zwei Hausärzten kommt schon begrifflich nicht in Betracht und widerspräche dem Hausarztkonzept, wonach die ärztliche Betreuung und die Koordination diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen in einer Hand sein sollen (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Nach § 76 Abs. 3 Satz 3 SGB V ist der Arzt verpflichtet, die Versicherten über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung vorab zu informieren und damit auch über die Verpflichtung des Versicherten, einen bestimmten Hausarzt zu wählen. Das haben die Kläger nicht oder jedenfalls nicht ausreichend getan. Vielmehr geht aus den Ausführungen der Kläger hervor, dass aufgrund der von ihnen geschilderten sozialen Verhältnisse eine wirkliche Akzeptanz nicht zu erreichen war. Das deckt sich insofern mit den Feststellungen der Beklagten, dass bei Abwesenheit eines Praxispartners die Praxis des abwesenden Partners im Wesentlichen von dem anwesenden Praxispartner fortgeführt wurde. Soweit in einzelnen (Not-)Fällen aus medizinischen Gründen eine Abweisung der Patienten nicht möglich gewesen sein sollte, wird dem von der Beklagten bei der Neufeststellung der Honorare mit den zugestandenen gemeinsamen Fällen - zum Umfang im Einzelnen sogleich - mehr als ausreichend Rechnung getragen (vgl. LSG Bayern, Urt. v. 16.05.2007 – L 12 KA 563/04 – juris Rdnr. 35; LSG Bayern, Urt. v. 28.03.2007 – L 12 KA 216/04 – juris Rdnr. 26).

Angesichts dieser Verstöße gegen die Regeln des Vertragsarztrechts erweisen sich die von den Klägern in den streitbefangenen Quartalen jeweils der Abrechnung beigefügten Abrechnungssammelerklärungen, in denen sie die ordnungsgemäße Erbringung der abgerechneten Leistungen bestätigt haben, als falsch, mit der Folge, dass die Beklagte berechtigt war, die Honorarbescheide aufzuheben und die Honorare im Wege der Schätzung neu festzusetzen (vgl. BSG, Urt. v. 23.06.2010 - B 6 KA 7/09 R - a.a.O., Rdnr. 69). Der Beklagten kommt dabei ein weites Schätzungsermessen zu, da mit der Implausibilität der Abrechnung aufgrund des Formenmissbrauchs die Abrechnung selbst nicht mehr ausschlaggebend sein kann.

Die Abrechnungs-Sammelerklärung als Ganzes ist bereits dann unrichtig, wenn nur ein mit ihr erfasster Behandlungsausweis eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen enthält. Dies gilt auch für implausible Abrechnungen. Wegen dieser weitgehenden Wirkung der Rechtsfolgen aus der Abgabe einer unrichtigen Abrechnungs-Sammelerklärung ist weiter vorauszusetzen, dass unrichtige Angaben in den Behandlungsausweisen zumindest grob fahrlässig oder vorsätzlich erfolgt sind (vgl. BSG, Urt. v. 17.09.1997 - 6 RKa 86/95 - SozR 3-5500 § 35 Nr.1 = MedR 1998, 338 = USK 97134, juris Rdnr. 21 f. ). Angesichts der im Einzelnen von der Beklagten dargelegten Implausibilität der Abrechnung für alle streitbefangenen Quartale ist von einem zumindest grob fahrlässigen Verhalten der Klägerin auszugehen. Es bedarf eines Nachweises im Einzelfall dann nicht mehr, wenn entweder eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen oder eben die Implausibilität der Abrechnung nachgewiesen ist. Der Nachweis der Implausibilität der Abrechnung steht insofern dem Nachweis einer unrichtigen Angabe über erbrachte Leistungen gleich bzw. ersetzt diesen. Im Übrigen hat die Beklagte auch für jedes Quartal wenigstens einen Einzelfall nachgewiesen. Von daher war auch nicht in jedem Einzelfall zu prüfen, aus welchem Grund die Angabe einer Notfalldiagnose unterblieben ist.

Keinesfalls steht den in einer vorgetäuschten Praxisgemeinschaft zusammenarbeitenden Ärzten mehr an Honorar zu, als ihnen zu zahlen gewesen wäre, wenn sie auch rechtlich eine genehmigte Gemeinschaftspraxis im Sinne von § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV gebildet hätten (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R - a.a.O., Rdnr. 22). Dies bedeutet jedoch nicht, dass den Ärzten auch tatsächlich das Honorar zu zahlen wäre, das sie erhalten hätten, wenn sie legal in einer genehmigten Gemeinschaftspraxis zusammengearbeitet hätten. Das BSG (ebd.) führt vielmehr weiter aus, dass jedenfalls bei einer Patientenidentität von mehr als 50 % bei formal unter der Rechtsform einer Praxisgemeinschaft zusammenarbeitenden Ärzten desselben Fachgebiets solche Gebührentatbestände des EBM, bei denen bei einer Behandlung in einer fachgleichen Gemeinschaftspraxis eine Vergütung für ein Quartal höchstens einmal gewährt werden kann, bei keinem Praxisgemeinschaftspartner zu berücksichtigen seien, denn insoweit scheide eine vergütungsrechtliche Zuordnung der Leistungen zu einem der Vertragsärzte aus. Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung solche Gegenrechnungen bzw. Saldierungen abgelehnt, weil dadurch die Ordnungsvorgaben des Vertragsarztsystems unterlaufen würden. Honorarkürzungen dürfen sich vielmehr auf das gesamte Honorar erstrecken, das auf rechtswidrige Weise erlangt wurde, ohne dass gegenzurechnen ist, was bei rechtmäßigem Verhalten als Honorar zu zahlen gewesen wäre; in solchen Fällen kann eine Honorarneufestsetzung im Wege einer Schätzung erfolgen. Diese Grundsätze gelten auch in Fällen des Missbrauchs der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft. Dabei können auch deutlich unter 50% liegende Quoten ausreichen, um Vergütungen, die bei Vorliegen einer Gemeinschaftspraxis nur einmal zu zahlen wären, beiden Ärzten zu kürzen (vgl. BSG, Beschl. v. 17.09.2008 – B 6 KA 65/07 B - BeckRS 2008, 57265, Rdnr. 9 ff.).

Eine "Beratung vor Regress" ist gesetzlich nur und erst seit Neuerem für eine Richtgrößenprüfung vorgeschrieben, nicht aber für ein Verfahren nach § 106a SGB V.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Berechnung des Berichtigungsbetrags aber zu beanstanden.

Die Beklagte geht zunächst von der Anzahl gemeinsamer Patienten aus. Hiervon zieht sie einen nicht näher begründeten "Sicherheitsabschlag" von 30 % ab. Die darüber hinaus verbliebene Anzahl der Fälle teilt sie hälftig (50 %) auf die Praxisgemeinschaftspartner auf, wodurch weitere 50 % anerkannt werden. Im Ergebnis verbleiben damit, wie nachfolgende Aufstellung zeigt, der Klägerin 7,6 % bis 12,5 % der gemeinsamen Fälle, wie sich aus nachfolgenden Berechnungen der Kammer ergeben. Spalte 6 zeigt jeweils die verbleibenden Fälle aufgrund des 30 %-Abzugs, Spalte 7 die verbleibenden Fälle aufgrund der 50 %-Aufteilung, Spalte 8 gibt die Differenz der Spalten 4 und 7 wieder und damit die Anzahl der nicht beanstandeten gemeinsamen Fälle, Spalte 9 deren Anteil an der Gesamtfallzahl (Spalte 2):

1 2 3 4 5 6 7 8 (4-7) 9 (8 von 2)
Quartal Fallzahl Gemeinsame Patienten Unplausible Fälle - 30% Unpl. Fälle 50 % Gesamt anerkannt Gesamt in %
II/05 637 152 102 31 71 36 66 10,4
IV/05 737 208 128 38 90 45 83 11,3
I/06 791 172 152 46 106 53 99 12,5
III/06 702 152 122 37 85 43 79 11,3
IV/06 776 184 134 40 94 47 87 11,2
I/07 938 188 138 41 97 48 90 9,6
II/07 799 175 145 44 102 51 94 11,8
III/07 787 163 93 28 65 33 60 7,6

Damit werden trotz der Annahme allgemeiner Vertretungsfälle von unter 10 % und dem Aufgreifkriterium von 20 % der Klägerin z. T. erheblich weniger als 20 %, z.T. weniger als 10 % gemeinsamer Fälle zugestanden. Auch bestehen grundsätzlich Bedenken bei der Ausübung des Schätzungsermessens hinsichtlich des Gebots der Gleichbehandlung, da die Vorgehensweise der Beklagten zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führt. Die Kammer hat zunächst im Urteil vom 08.05.2013 - S 12 KA 435/12 - a.a.O. Rdnr. 59 die Kürzung nicht beanstandet, da trotz der Annahme allgemeiner Vertretungsfälle von unter 10 % und dem Aufgreifkriterium von 20 % den Klägern erheblich mehr als 20 % gemeinsame Fälle nicht beanstandet worden seien. Die Kammer hat ausgeführt, die Schwankungsbreiten zwischen den beiden Klägern und den Quartalen beruhten auf der unterschiedlichen Anzahl gemeinsamer Fälle und der willkürlichen 30 %-Grenze. Wenn auch die Beklagte über diese Unterschiede keine Begründung abgegeben habe, so sehe die Kammer dies noch von dem Ermessen der Beklagten, das zu Pauschalierung Berechtigte als gedeckt an. Die Kammer hat dann im Urteil vom 29.01.2014 - S 12 KA 359/12 - die Kürzungen z. T. beanstandet, da diese Voraussetzungen nicht mehr durchgängig vorlagen. Sie hat ferner nochmals darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die ganz unterschiedlichen Auswirkungen Bedenken bzgl. einer gleichmäßigen Ermessensausübung (Art. 3 Abs. 1 GG) bestünden.

Die Kammer ist bereits im Urteil vom 29.01.2014 - S 12 KA 359/12 - davon ausgegangen, dass insofern § 11 Abs. 2 ARL verbindlich vorgibt, dass im Ergebnis ein Anteil von 20 % bzw. bei fachübergreifenden Praxisgemeinschaften von 30 % - gemeinsamer Patienten anzuerkennen ist, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die einen höheren Anteil rechtfertigen, was vorliegend nicht ersichtlich ist. Auch in der Literatur werden, ausgehend davon, dass die Überschneidungsquote bei Praxisgemeinschaften normalerweise bis max. 15% beträgt, Kürzungen ab einer Quote von 20% an Doppelpatienten grundsätzlich als rechtens angesehen (vgl. Clemens in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 106a SGB V, Rdnr. 175). Soll eine darüber hinausgehende Kürzung vorgenommen werden, ist dies im Einzelnen zu begründen und reichen bei Ausübung des Kürzungsermessens allgemeine pauschalierende Erwägungen nicht mehr aus. Hieran fehlt es aber vorliegend.

Nach § 11 Abs. 2 ARL ist eine Abrechnungsauffälligkeit nur ab der genannten Grenzwerte zu vermuten. Eine solche Abrechnungsauffälligkeit bedeutet aber noch nicht, dass automatisch eine Honorarkürzung ausgesprochen werden kann, da nach § 12 Abs. 1 und 2 ARL erst dann die Kassenärztliche Vereinigung weitere Prüfungen durchführt mit dem Ziel, mit Hilfe ergänzender Tatsachenfeststellungen und Bewertungen festzustellen, ob gegen die rechtliche Ordnungsmäßigkeit verstoßen worden ist oder nicht. § 11 Abs. 2 ARL gibt damit aber eine Untergrenze an, ab deren Überschreiten erst eine weitere Prüfung stattfindet, ohne die eine Honorarkürzung nicht erfolgen kann. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass diese Untergrenze trotz der Feststellung, dass tatsächlich ein Gestaltungsmissbrauch vorliegt, auch als Kürzungsgrenze jedenfalls verbleibt, soweit nicht eine ergänzende substantiierte Prüfung ergibt, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der Gestaltungsmissbrauch auch Unterhalb der Untergrenze zu unzulässigen Honorarverschiebungen geführt hat. Insofern beschränkt die für die Beteiligten verbindliche ARL (§ 106a Abs. 6 i. V. m. Abs. 5 Satz 3 SGB V) das Ermessen der Beklagten.

Die Beklagte hat zwar, wie bereits ausgeführt, hinreichende Gründe für eine Honorarberichtigung dargelegt. Anhand der Ausführungen der Beklagten lässt sich aber nicht nachvollziehen, wie sie den Umfang der Kürzung begründet. Das schematische Vorgehen der Beklagten auch in anderen Verfahren führt zwar gleichbleibend dazu, dass von den sog. Doppelfällen annähernd 2/3 anerkannt und annähernd 1/3 gekürzt werden. Gleichzeitig reicht unter Einbeziehung weiterer Verfahren die Schwankungsbreite der anerkannten sog. Doppelfälle von unter 10 % bis um die 30 %, bezogen auf die Gesamtfallzahl, was eine gleichmäßige Ermessensausübung nicht erkennen lässt, da wesentlicher Bezugspunkt der Prüfung die Gesamtfallzahl ist.

Nach allem war der Klage stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). Der wirtschaftliche Wert folgt aus dem Rückforderungsbetrag. Dies ergab den festgesetzten Wert.

RechtsgebietSGB 5Vorschriften§ 106a SGB 5

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