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18.09.2014 · IWW-Abrufnummer 142702

Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 08.04.2014 – 4 K 1218/12

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FG Sachsen-Anhalt, 08.04.2014 - 4 K 1218/12

In dem Rechtsstreit
der Frau A.
Klägerin,
gegen
die Familienkasse
Beklagte,
wegen Kindergeld (September und Oktober 2012)
hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 4. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 8. April 2014 durch
den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht Görlitz,
die Richterin am Finanzgericht Gradl,
den Richter am Finanzgericht Keilig,
den ehrenamtlichen Richter ... und
die ehrenamtliche Richterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Kindergeld für das seelisch behinderte (Schizophrenie) Kind M., geboren ... 1980. Dieser hat seit dem 11. Juli 2007 einen Grad der Behinderung von 70, bezieht seit November 2002 eine Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit und lebt in einem eigenen Haushalt.

Mit Antrag vom 05. September 2012 beantragte M. die Auszahlung des anteiligen Kindergeldes an sich selbst und gab an, dass seine Eltern für ihn keinen Unterhalt leisten würden. Über diesen Abzweigungsantrag unterrichtete die Beklagte die Klägerin und forderte sie auf, einen Überprüfungsfragebogen für behinderte Kinder mit aktuellen Nachweisen vorzulegen. Die Klägerin gab daraufhin an, dass sie für das Kind regelmäßige Zahlungen in Höhe von 100 € monatlich sowie rechtliche Betreuung, Ausübung des Sorgerechts und Interessenvertretung leiste. Des Weiteren übersandte sie einen Rentenbescheid, wonach M. ab dem 01. Juli 2012 eine monatliche Rente in Höhe von netto 780,44 € beziehe. Des Weiteren gab sie an, dass die bestehende Betreuung seit April 2012 auf Wunsch des Kindes beendet worden sei.

Die Beklagte berechnete daraufhin den Bedarf und die verfügbaren Mittel des Kindes und hob mit Bescheid vom 04. Oktober 2012 die Kindergeldfestsetzung ab September 2012 nach § 70 Abs. 3 Einkommensteuergesetz in der Fassung des Streitjahres (EStG) auf und gab zur Begründung an, dass das Kind durch eigene verfügbare finanzielle Mittel in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Hintergrund war die Rentenerhöhung ab Juli 2012 von netto 763,21 € auf 780,44 €. Gleichzeitig lehnte die Beklagte mit Bescheid vom gleichen Tage den Abzweigungsantrag des Kindes ab, da ein Anspruch auf laufende Zahlung des Kindergeldes nicht gegeben sei.

Gegen die Aufhebung richtete sich der Einspruch der Klägerin vom 06. Oktober 2012. Sie vertrat die Ansicht, dass mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 Einkünfte- oder Bezügegrenzen entfallen seien, so dass Kindergeld unabhängig von den eigenen Einkünften des Kindes zu gewähren sei.

Mit Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2012 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Beklagte führte aus, dass ein behindertes Kind kindergeldrechtlich nur zu berücksichtigen sei, wenn es nicht in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten. Der notwendige Lebensbedarf bestehe aus dem allgemeinen Lebensbedarf und orientiere sich insoweit am Grundbedarf des § 32 a Abs. 1 EStG in Höhe von 8004 € jährlich und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf. Der behinderungsbedingte Mehrbedarf richte sich nach § 33 b Abs. 3 EStG und liege bei einem Grad der Behinderung von 70 bei 890 € im Jahr, sofern ein höherer Mehrbedarf nicht durch Einzelnachweise benannt werde. Zum behinderungsbedingten Mehrbedarf würden auch persönliche Betreuungsleistungen der Eltern mit 8 Euro je Stunde rechnen, sofern diese nach amtsärztlicher Bescheinigung nach § 64 Einkommensteuerdurchführungsverordnung zwingend erforderlich seien. Im Streitfall würde sich ergeben, dass beim Gesamtbedarf des Kindes in Höhe von 741,17 € die Einnahmen bei 754,71 € liegen würden und mithin das Kind in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt selbst zu decken. Soweit die Klägerin auf das Steuervereinfachungsgesetz 2011 hinweise, sei in den Fällen, in denen das Kind aufgrund einer Behinderung einen grundsätzlichen Anspruch auf Kindergeld habe, das Einkommen weiterhin zu prüfen.

Gegen die Einspruchsentscheidung richtet sich die am 26. November 2012 erhobene Klage. Die Klägerin gibt an, dass die Einspruchsentscheidung ihr am 24. Oktober 2012 zugestellt worden sei und dass sie und ihr Ehemann monatlich einen Betreuungsaufwand von zusammen 16 Stunden - dies entspreche 128 € - erbringe, der über den angesetzten Behindertenpauschbetrag von monatlich 74,17 € liege. Die Betreuung bestehe darin, das Kind bei Freizeitaktivitäten, Behördengängen, etc. zu begleiten.

Später gab die Klägerin an, dass je nach schwankendem Krankheitszustand ihr Betreuungsaufwand zwischen sechs bis zehn Stunden pro Monat liege und der Sohn inzwischen vom sozialpsychiatrischen Dienst betreut werde, da er derzeit keine sozialen Kontakte zur Verwandtschaft haben möchte. Der sozialpsychiatrische Dienst habe auch die Pflegestufe "0" beantragt, was die Erkrankung und Hilfsbedürftigkeit unterstreiche.

Mit Antrag auf Kindergeld von 08. Februar 2013 beantragte die Klägerin erneut Kindergeld bei der Beklagten. Aus dem beigefügten Rentenbescheid ergab sich, dass das Kind ab 01. Januar 2013 eine Nettorente in Höhe von 779,57 € erhält. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Februar 2013 ab. Hiergegen richtete sich unter Bezugnahme auf das laufende Klageverfahren der Einspruch vom 26. Februar 2013, woraufhin die Beklagte die Klägerin aufforderte, Nachweise in Form von ärztlichen Attesten oder Gutachten vorzulegen, dass die Klägerin ihren Sohn betreuen müsse. Insofern sei zu belegen, weshalb der Sohn bei behaupteter erforderlicher Betreuung alleine in einem Haushalt leben könne, wenn die Klägerin und ihr Ehemann wöchentlich nur zwei Stunden pro Person eine Betreuungsleistung erbringe. Nach Auskunft der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung wurde das Einspruchsverfahren unter Hinweis auf das hiesige Klageverfahren ruhend gestellt und ist demzufolge noch nicht abgeschlossen.

Im laufenden Klageverfahren gab die Klägerin an, dass sie sich ständig fortbilde, um im Falle einer Gesundheitsveränderung des Sohnes sofort richtig helfen zu können. Darüber hinaus sei sie Mitglied im Landesverband für psychisch kranke Menschen sowie im Sozialverband, nehme regelmäßig an Treffen von Selbsthilfegruppen sowie an Volkshochschulkursen und Schulungen für ehrenamtliche Betreuer teil. Sofern es dem Sohn besser gehe, werde dieser telefonisch beraten und kaufe man mit ihm Bekleidung oder Haushaltsgegenstände ein. Im Durchschnitt würden die Zeitaufwendungen für den Sohn im Monat zehn Stunden betragen. Dies sei verbunden mit der Hoffnung auf eine Verbesserung seines Gesundheitszustandes unter Aufhebung seiner zeitweise selbst auferlegten Kontaktsperre.

Die Klägerin legte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 06. November 2009 vor, nachdem die Alltagskompetenz des Kindes nicht eingeschränkt sei. Des Weiteren legte sie Schriftverkehr hinsichtlich der Einstufung in die Pflegestufe "0" sowie neurologisch-psychiatrische Gutachten aus 2004 und 2005 vor.

Zuletzt gab die Klägerin an, dass der Sohn seit September 2012 aus gesundheitlichen Gründen eine Tagungsstätte nicht mehr besuchen könne und sie für ihren Sohn Kleidung und Dinge des täglichen Bedarfs einkaufe. Im Allgemeinen würde sie je nach Gesundheitszustand mit dem Sohn alle drei Monate einkaufen gehen. Sie legte Einkaufsquittungen vom 13. und 14. Juni 2013 vor und gab an, dass andere Belege an M. ausgehändigt worden seien. Weitere Nachweise könnten nicht erbracht werden, im Zweifelsfalle möge die Beklagte ein aktuelles Gutachten veranlassen. Der Sohn habe zwischenzeitlich gegenüber dem behandelnden Arzt angegeben, dass sein Gesundheitszustand nicht weitergegeben werden solle. Sie könne daher auch keine weitere Auskunft erteilen.

In der mündlichen Verhandlung führte die Klägerin aus, dass sie Widersprüche zwischen sozial- und kindergeldrechtlichen Entscheidungen der Behörden nicht verstehen könne und eine einheitliche Lösung sämtlicher Probleme gefunden werden müsse. Es könne nicht sein, dass z.B. Sozialbehörden ihr gegenüber Rechtsstandswahrungsanzeigen erließen und aus ihren Hartz IV-Bezügen Einbehalte in Höhe von 31 € vornehmen wollten, wenn ihr auf der anderen Seite das Kindergeld verweigert werde. Offensichtlich gebe es keinen Austausch zwischen den einzelnen Behörden. Zudem erhalte der Sohn zwischenzeitlich vom sozialpsychiatrischen Dienst ein Budget ausgezahlt, was aufzeige, dass er Hilfe benötige. Dieses Budget sei vom Sohn jedoch wohl zweckwidrig verwendet worden, so dass jetzt eine Rückforderung drohe. Darüber hinaus seien sie und ihr Ehemann wiederholt für Schulden des Sohnes aufgekommen und hätten sie ihm bei Schwierigkeiten mit Behörden oder der Polizei beigestanden. Für weitere Schulden könnten sie nicht mehr aufkommen, was bei einer gesamtgesellschaftlichen Betrachtung des Sachverhaltes auch zu berücksichtigen sei. Die seelische Erkrankung des Sohnes mit Stimmenhören und Verfolgungswahn könne nicht mit anderen körperlichen Erkrankungen verglichen werden. Ihr Sohn sei dauerhaft nicht zum Selbstunterhalt in der Lage, wie auch die Rentengewährung wegen Erwerbsunfähigkeit bis zum Eintritt in das reguläre Rentenalter aufzeige.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2012 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Kindergeld für ihren Sohn M. für September und Oktober 2012 zu zahlen sowie,

hilfsweise, für den Fall des Unterliegens,

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass es der Klägerin nicht gelungen sei, einen Nachweis darüber zu erbringen, dass für ihren Sohn (derzeit) ein Betreuungsbedarf entstehe, der über den bereits pauschal berücksichtigten Behindertenpauschbetrag hinausgehe. Insbesondere gebe es weder Anhaltspunkte noch eine ärztliche bzw. gutachterliche Bestätigung dafür, dass die Klägerin selbst oder ihr Ehemann eine vorgetragene Betreuungszeit von ca. zehn Stunden monatlich notwendigerweise erbringen müsse. Die vorliegenden Unterlagen würden nicht den aktuellen Streitzeitraum betreffen.

Soweit die Klägerin Belege für Bekleidung und Schuhe vorlege, handele es sich um den allgemeinen Lebensbedarf des Sohnes, der aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln (Rente) gedeckt werden könne. Soweit die Klägerin diese Kosten selbst getragen habe, handele es sich um freiwillige Zuwendungen. Maßgeblich seien für den Rechtsstreit nicht die finanziellen Aufwendungen der Klägerin, sondern der behinderungsbedingte Mehrbedarf des Sohnes, der nach Aktenlage nicht höher als bereits berücksichtigt sei.

Die Kindergeldakte der Beklagten hat dem Senat vorgelegen.
Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Zu Recht hat die Beklagte einen Anspruch der Klägerin auf Kindergeld abgelehnt. Die Entscheidung der Beklagten verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG wird ein Kind kindergeldrechtlich berücksichtigt, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und wenn die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Es müssen demnach zwei Feststellungen getroffen werden: das Vorliegen einer Behinderung und die fehlende Fähigkeit zum Selbstunterhalt.

Im Streitfall ist das Kind unstreitig im Sinne des Gesetzes behindert und ist die Behinderung auch vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten. Dem Grunde nach hat die Klägerin damit einen Anspruch auf Kindergeld.

Zu der Behinderung muss jedoch die fehlende Fähigkeit zum Selbstunterhalt hinzukommen. Das Tatbestandsmerkmal "außerstande ist, sich selbst zu unterhalten" ist im Gesetz nicht näher umschrieben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein behindertes Kind dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten kann. Ein Kind ist dann imstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es über eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt, die zur Bestreitung seines gesamten notwendigen Lebensunterhalts ausreicht. Der gesamte existenzielle Lebensbedarf des behinderten Kindes setzt sich dabei typischerweise aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen. Für den Streitzeitraum ist der (Jahres-)Grundbedarf nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG mit 8004,00 € (monatlich 667,00 €) zu bemessen. Hinzu kommt ein individueller behinderungsbedingter Mehraufwand, den gesunde Kinder nicht haben. Erbringt der Steuerpflichtige keinen Einzelnachweis, kann der jeweils maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag (§ 33b Abs. 1 bis 3 EStG) als Anhalt für den betreffenden Mehrbedarf dienen (vgl. z.B. BFH Urteil vom 19.11.2008, III R 195/07, BFHE 223, 365, [BFH 19.11.2008 - III R 105/07] BStBl II 2010, 1057, [BFH 19.11.2008 - III R 105/07] m.w.N.).

Die Gesetzesfassung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG ist auch nach Wegfall des ehemaligen § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG - Grenzbetragsregelung - durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 (StVereinfG 2011 vom 01.11.2011, BGBl 2011 I S. 2131) unverändert geblieben, mit der Folge, dass Kindergeld in Fällen der Behinderung weiterhin nur dann gezahlt wird, wenn das Kind nicht in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten. Der Gesetzgeber hat das Tatbestandsmerkmal insoweit unverändert gelassen, so dass der Senat der Überzeugung ist, dass bei behinderten Kindern weiterhin die vorhandene Fähigkeit zum Selbstunterhalt sich kindergeldschädlich auswirkt und für die Berechnungen des Grundbedarfs anstelle des bisherigen Grenzbetrages nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nunmehr der Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG in Ansatz zu bringen ist (so auch Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes, Stand 2013 - DA-FamEStG DA 63.3.6.4. Abs. 1 Satz 3). Aus der Gesetzesbegründung wird nicht ersichtlich, dass das Tatbestandsmerkmal "außerstande ist, sich selbst zu unterhalten" des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG geändert werden sollte. Mit dem Steuervereinfachungsgesetz sollte lediglich die komplizierte und aufwändige Ermittlung und Erklärung der Einkünfte und Bezüge entfallen und damit der Erklärungsaufwand der Eltern vermindert und eine Steuervereinfachung erzielt werden (BT-Drs 17/5125, S. 21, 41).

Bei der Vorschrift des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG handelt es sich um eine kindergeldrechtliche Ausnahmeregelung, die es ermöglicht, Eltern behinderter Kinder auch über das 25. Lebensjahr hinaus Kindergeld zu gewähren. Wenn das Kind nicht in der Lage ist, seinen existentiellen Lebensbedarf zu decken, erwächst den Eltern ein zusätzlicher Aufwand, der ihre Leistungsfähigkeit mindert. Dies soll - zumindest teilweise - durch die Gewährung von Kindergeld ausgeglichen werden und damit die Eltern - ggf. lebenslang - besser gestellt werden (vgl. insoweit auch FG des Saarlandes, Urteil vom 13.11.2013 2 K 1224/13, Haufe-Index 6495451). Verfügt das behinderte Kind dagegen über ausreichende eigene finanzielle Mittel, besteht für zusätzliche Aufwendungen der Eltern grundsätzlich keine Notwendigkeit. Ob und inwieweit die Eltern ggf. aus familiären oder sozialen Gründen darüber hinaus eigene Aufwendungen für das Kind erbringen, ist unter kindergeld- und steuerrechtlichen Gründen unbeachtlich.

Im Streitfall ist der Sohn der Klägerin in der Lage, sich selbst zu unterhalten.

Der Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG betrug im Kalenderjahr 2012 8004 € und lag damit bei 667 € im Monat. Im Streitfall ist darüber hinaus der Pauschbetrag nach § 33b Abs. 3 EStG für den behinderungsbedingten Mehrbedarf hinzuzurechnen. Bei einem GdB von 70 beträgt dieser im Kalenderjahr 890 € und lag damit monatlich bei 74,17 €. Das Kind hat damit einen monatlichen Unterhaltsbedarf in Höhe von 741,17 €.

Dem steht die monatliche Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von netto 780,44 € gegenüber, von der noch der Pauschbetrag des § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG in Höhe von kalenderjährlich 102 € = 8,50 €/Monat in Abzug zu bringen ist. Insgesamt ergeben sich damit monatliche Einkünfte in Höhe von 771,94 €, die über dem Unterhaltsbedarf in Höhe von 741,17 € liegen. Mithin besteht die Fähigkeit zum Selbstunterhalt.

Ein besonderer behinderungsbedingter Mehrbedarf über den Pauschbetrag des § 33b Abs. 3 EStG hinaus ist nicht ersichtlich. Der Ansatz weiterer Aufwendungen erfordert einen detaillierten Einzelnachweis. Fehlt es hieran - wie im Streitfall - bleibt es beim Ansatz des Pauschbetrages. Denn dieser Pauschbetrag dient dazu, aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung sämtliche laufende Aufwendungen, die typischerweise mit der Behinderung zusammenhängen, abzugelten. Es ist bei der Veranlagung zur Einkommensteuer nicht zulässig, sowohl den Pauschbetrag in Anspruch zu nehmen und zusätzlich für einen Teil der Aufwendungen, die mit dem Pauschbetrag abgegolten werden, gleichwohl den Einzelnachweis zu führen. Es ist kein überzeugender Grund dafür ersichtlich, dies bei der Ermittlung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG anders zu beurteilen und hier solche Aufwendungen, die bereits von dem Pauschbetrag erfasst werden, nochmals als Bedarf anzusetzen (vgl. BFH Urteil vom 24.08.2004 VIII R 50/03, BFHE, 207, 250, BStBl II 2010, 1052, [BFH 24.08.2004 - VIII R 50/03] m.w.N.).

Die Klägerin hat darüber hinaus trotz entsprechender gerichtlicher Aufforderung weder einen besonderen Betreuungsbedarf gutachterlich bestätigen können, noch war im Streitzeitraum eine besondere Betreuung nach Auffassung des Senats notwendig. Das Kind lebte alleine und hatte sich gegen eine Betreuung ausgesprochen.

Soweit der Verzicht auf eine Betreuung bzw. die selbst auferlegte Kontaktsperre des Sohnes ggf. aus krankheitsbedingten Gründen gegenüber der Klägerin und ihrem Ehemann erfolgten, ist jedoch festzustellen, das konkrete Betreuungshandlungen offensichtlich nicht erforderlich bzw. medizinisch nicht indiziert waren, auch wenn die Klägerin weiterhin für ihren Sohn da war, gelegentliche Einkäufe den Grundbedarf des Kindes gedeckt und die Eltern an Seminaren teilgenommen haben. Hierbei ist jedoch auch darauf hinzuweisen, dass diese Seminare im Eigeninteresse der Eltern lagen und daher nicht dem Unterhaltsbedarf des Kindes zugerechnet werden können. Maßgeblich wären allenfalls Leistungen, die direkt aus einem Mehrbedarf des Kindes resultieren würden. Hierfür hat die Klägerin nichts Substantiiertes vorgetragen bzw. vortragen können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird nicht zugelassen. Der Senat folgt der Rechtsprechung des BFH und dem eindeutigen Gesetzeswortlaut. Der Streitfall hat weder eine grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Fortbildung des Rechts erforderlich oder ist abweichende Rechtsprechung bekannt.

RechtsgebietEStGVorschriften§ 32a Abs. 1 EStG; § 33b Abs. 3 EStG; § 70 Abs. 3 EStG

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