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27.12.2004 · IWW-Abrufnummer 043239

Amtsgericht Offenbach: Urteil vom 27.09.2004 – 38 C 276/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


AMTSGERICHT
Offenbach am Main

Geschäftsnummer 38 C 276/02
verkündet am 20.9.2004

Im Namen des Volkes

URTEIL

In dem Rechtsstreit XXX

hat das Amtsgericht Offenbach am Main durch XXX aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 03. September 2004

für Recht erkannt:

1.) Die Klage wird abgewiesen.

2.) Die Kosten des Rechtsstreites hat der Kläger zu tragen.

3.) a) Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
b) Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung der Hinterlegung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wen nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadensersatz aus einem Gebrauchtwagenkauf.

Am 24. Januar 2004 erwarb der Kläger von dem Beklagten einen PKW Mercedes 124 T, 100 kW, Erstzulassung im August 1994, 150.733 km für etwas unter 5.000 Euro. Einen Tag vorher wurden noch TÜV und ASU neu gemacht. Am 10.02.2004 wurde in einer Werkstatt ein Geräusch am Katalysator festgestellt, die Werkstatt riet dazu, dies zu beobachten. Am 29. März 2004 wurde dann von der Werkstatt festgestellt, dass der Katalysator defekt ist. Für den Austausch des Katalysators würden Kosten in Höhe der Klageforderung anfallen. Die Parteien sind sich darüber einig, dass ein Katalysator, entweder funktioniert oder nicht funktioniert.

Der Kläger meint, das Versagen des Katalysators stelle einen Sachmangel dar.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.057,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 16.04.2004 sowie außergerichtlich Mahnkosten in Höhe von 1 Euro und vorgerichtliche Auslagen von 9,56 Euro zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

Die Klage abzuweisen.

Er meint, es liege kein Sachmangel vor, sondern üblicher Verschleiß.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet (§§ 281, 280, 440, 437, 434, BGB). Der Kläger hat gegen den Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz, weil das Versagen des Katalysators in hier zu beurteilenden Fall einen Sachmangel des verkauften PKW darstellt.

Eine verkaufte Sache ist gemäß § 434 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB dann frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann. Beim Kauf gebrauchter Sachen ist dieser Vergleichsmaßstab zu berücksichtigen, ein gebrauchter PKW darf daher nicht mit einem Neuwagen verglichen werden (Hk-BGB/Saenger, 3. Auflage, § 434 Rn. 13). Bei gebrauchten Sachen stellt damit nicht jede bei neuwertigen Sachen als Fehler zu bewertende Beschaffenheit einen Mangel dar, denn die Parteien wissen, dass keine neuwertige Sache verkauft wird, so dass normale Verschleiß- und Abnutzungserscheinungen ausscheiden (OLG Düsseldorf OLGR 1998, 381). Dies wird auf die griffige Formel: ?Verschleiß ist kein Mangel? gebracht (Jauernig/Chr. Berger, BGB, 10. Auflage, § 434 Rn. 14; OLG Frankfurt am Main DAR 1989, 463, 464).

Es geht somit hier um die Frage, ob das Versagen des Katalysators eines knapp 10 Jahre alten PKW, der mit einem Kilometerstand von ca. 150.000 verkauft wird, einen Verschleiß des Katalysators darstellt oder nicht.

Zur Abgrenzung zwischen Verschleiß und Mangel liegen diverse Entscheidungen der Gerichte vor, auch schon zum neuen Recht, d. h. zum hier anwendbaren geänderten BGB.
- Das OLG Köln (NJW-RR 2004, 268) hat beispielsweise entschieden, dass der Dauerbruch einer Ventilfeder eines Zylinders bei einem 10,5 Jahre alten und 122.000 km gelaufenen Porsche keinen Verschleiß darstellt. Hierzu hatte jedoch ein dort eingeschalteter Sachverständiger ausgeführt, dass ein derartiger Federbruch ? insbesondere bei Porsche ? ganz untypisch ist und normalerweise nie eintritt. Dieser Entscheidung ist zuzustimmen. Das Versagen eines Katalysators ist jedoch ? was allgemein bekannt ist ? im Gegensatz zu einem Federbruch, von dem auch das Gericht noch nie etwas gehört hat, ein (einer) alltägliches Ereignis.
- In die gleiche Richtung geht eine Entscheidung des AG Marsberg (ZGS 2003, 119). Im dortigen Fall erlag das Fahrzeug einem Kabelbrand. Das AG Marsberg hat darin keinen Verschleiß gesehen, sondern ausgeführt, bei der Installation und Benutzung von Kabeln spielten natürliche Verschleißerscheinungen nur eine Nebenrolle, darüber hinaus sei ein Kabelbrand nicht nur für gebrauchte PKW spezifisch. Auch dieser Entscheidung ist zuzustimmen, denn selbst gebrauchte Fahrzeuge dürfen einem Kabelbrand fast nie zum Opfer fallen.
- Der Bundesgerichtshof hat in einem neuen Urteil Ausführungen des Oberlandesgerichts München unbeanstandet gelassen, wonach bei einem Zahnriemen (der bei einem älteren PKW vor dem Verkauf gewechselt wurde) eine längere Haltbarkeit und Funktionsfähigkeit erwartet werden kann als acht Monate bei einer Laufleistung (mit dem neuen Riemen) von ca. 10.000 km (BGH NJW 2004, 2299, 2300; das Urteil des Oberlandesgerichts München wurde aus anderen Gründen aufgehoben). Auch dieser Entscheidung kann gefolgt werden, denn die Wechselintervalle für Zahnriemen sind viel höher anzusetzen als 10.000 km, sie gehen eher in die Richtung von 40.000 km oder mehr.
- In einer älteren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof dazu tendiert, Abnutzung der Bremsbacken, Undichtigkeit der Bremszylinder ausgeschlagene Lagerung des Achsträgers und angeschlagenes Lenkgetriebe bei einem fünf Jahre alten und 97.000 km gelaufenen PKW schon als Verschleiß angesehen (NJW 1982, 1700f.). Dies geht vielleicht etwas zu weit. Allerdings ist zu bedenken, dass diese Entscheidung noch zum alten Recht erging und zwischenzeitlich, auch was die technischen Fortschritte betrifft, viel Zeit in das Land gegangen ist. Dieser Entscheidung würde heute wohl nicht mehr gefolgt werden können.

Bei einem Katalysator ist dies jedoch durchaus anders als bei den vorstehend erwähnten Fällen. Die durchschnittliche Lebensdauer eines Katalysators beträgt durchaus 100.000 km + X, wobei X auch sehr hoch sein kann. Viele Katalysatoren überleben sogar die Autos, in die sie einst eingebaut wurden. Dies gilt aber nicht für alle. Manche geben schon nach 100.000 km ihren Geist auf. Darüber hinaus kommt es noch darauf an, unter welchen Nutzungs- und Einsatzbedingungen das Auto betrieben wird sowie auch noch auf die individuellen Besonderheiten des Autos und der jeweiligen Fahrer. Dies ist dem Gericht aus eigener Erfahrung und auch aus Gesprächen mit Sachverständigen bekannt, worauf im Rahmen der mündlichen Verhandlung hingewiesen wurde. Dies spricht zunächst dafür, das Versagen eines Katalysators nicht immer als Mangel anzusehen, sondern gegebenenfalls auch als Verschleiß.

Dem lässt sich nicht entgegen halten, dass ein Katalysator nicht verschleißt. Das Gericht mein, dass der Begriff des Verschleißes nicht so eng ausgelegt werden kann, dass nur Teile betrifft, die im wahrsten Sinne des Wortes verschleißen können; beispielsweise Reifen, die sich abfahren oder Bremsbacken, die sich abnutzen. Bei einem Kfz. gibt es Teile, die entweder zu 100 % funktionieren müssen oder gar nicht mehr funktionieren. Hier besteht der Verschleiß eben darin, dass sie durchschnittlich eine bestimmte Zahl von Betriebsstunden oder sonstige Zeit halten und dann einfach nicht mehr funktionieren. Auch in einem solchen Fall kann von Verschleiß gesprochen werden. Verschleiß bedeutet nicht nur mechanische Abnutzung (z. B. durch Reibung oder chemischen Abnutzung (z. B. durch Korrosion), sondern auch Abnutzung allgemein. Eine Abnutzung tritt aber auch bei Teilen ein, die weder Reibung unterliegen, noch korrodieren. Irgendwann funktionieren sie eben nicht mehr.

Dies bedeutet nun auf der anderen Seite nicht, dass von einem gebrauchten Fahrzeug gar nichts mehr erwartet werden kann und Gewährleistungsansprüche überhaupt nicht mehr bestehen könnten. Dies wäre genauso widersinnig wie der Versuch, jedes Versagen irgendeines Teiles bei einem uralten Auto als Gewährleistungsfall einzuordnen. Es kommt immer darauf an, welcher PKW mit welchem Baujahr und mit welchem Kilometerstand zu welchem Preis verkauft wurde; denn: Je höher der Preis, desto höher dürfen natürlich auch die Erwartungen des Käufers sein.
In den Gesetzesmaterialien zum neuen § 434 BGB heißt es demgemäß auch (Bundestags-Drucksache 14/6040 S. 214): ?Der Vergleichsmaßstab sind ? Sachen der gleichen Art?. Dies wird vor allem bei gebrauchten Sachen zu berücksichtigen sein. Ein gebrauchten PKW etwa ist nicht von der gleichen Art wie ein Neuwagen desselben Typs, darf mit diesem also nicht verglichen werden. Vielmehr kommt es darauf an, welche Eigenschaften der Durchschnittskäufer anhand der ?Art der Sache? erwarten kann. Das ist z. B. bei einem Neuwagen naturgemäß anders als bei einem gebrauchten Fahrzeug. Bei letzterem wird etwa das Alter und die Laufleistung die berechtigten Erwartungen des Käufers wesentlich beeinflussen, Umstände, die bei einem Neuwagen keine Rolle spielen können.?

Ob das Versagen eines Katalysators also als Verschleiß oder Mangel einzuordnen ist, kann nicht generell, sondern nur für den Einzelfall beurteilt werden. Hier ist der gekaufte PKW ca. 10 Jahre alt gewesen und wies eine Laufleistung von ca. 150.000 km auf. Damit ist nach allgemeiner Lebenserfahrung ein Zeitpunkt erreicht, in dem erfahrungsgemäß auch mit dem Ableben des Katalysators gerechnet werden muss. Wenn also in einem derartigen Fall der Katalysator funktionsunfähig wird, so kann in Anbetracht des Alters und der Laufleistung des PKW durchaus von einem übrigen Verschleiß gesprochen werden. Der PKW kostete unter 5.000 Euro. Dies ist kein wirklich hoher Preis. Ein Katalysator kostet schon über 20 % des Kaufpreises. Auch dies spricht eher dafür, hier von einem übrigen Verschleiß auszugehen.

Diese Auffassung hält auch einer realistischen Gegenprobe stand: Würde man eine Meinungsumfrage mit der Frage durchführen: ?Muß man damit rechnen, dass bei einem 10. Jahre alten Auto, das 150.000 km gefahren ist und knapp 5.000 Euro gekostet hat, demnächst der Katalysator den Geist aufgibt? Ja oder Nein ?? so würde man von dem meisten der befragten Personen mit Sicherheit die Antwort ?Ja.? erhalten.

§ 476 BGB hilft dem Kläger hier nicht weiter, denn diese Vorschrift setzt voraus, dass ein Mangel vorliegt; sie führt nicht etwa dazu, dass jeder Defekt als Mangel anzusehen ist. Dies hat der Bundesgerichtshof zu Recht erst kürzlich entschieden (BGB NJW 2004, 2299, 2300).

Unerheblich ist, dass mit einem defekten Katalysator nicht gefahren werden darf. Darauf kommt es nicht an. Schon nach dem alten Recht waren Abnutzungs- und Verschleißerscheinung selbst dann keine Mängel, wenn sie die Funktions- und Gebrauchstauglichkeit des gekauften PKW beeinträchtigten (OLG Koblenz MDR 1986, 316; OLG Hamburg MDR 1982, 406).

Somit ergibt sich alles in allem, dass ein Mangel nicht vorliegt und demgemäß die Klage abzuweisen ist. Ob der Entscheidung des Amtsgerichts Zeven gefolgt werden kann, kann nicht beurteilt werden, weil darin nähere Angaben zu dem PKW (mit Ausnahme des Kaufpreises von 6.902 Euro) nicht mitgeteilt werden.

Die Kosten des Rechtsstreites waren dem Kläger aufzuerlegen, da er im Prozess unterlegen war (§ 91 I 1 ZPO).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

RechtsgebietKaufrechtVorschriften§ 434 BGB

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