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24.03.2004 · IWW-Abrufnummer 040117

Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 25.09.2001 – 8 U 70/01

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

8 U 70/01

Verkündet laut Protokoll am 25.09.2001

In dem Rechtsstreit

hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main - 8. Zivilsenat

durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
die Richterin am Oberlandesgericht ...
sowie den Richter am Oberlandesgericht ...

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25.9.2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gießen vom 26.2.2001 - Az: 4 O 489/00 - wird zurückgewiesen.

Dem Beklagten fallen die Kosten der Berufung zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Beklagten beträgt 13.817,25 DM.

Tatbestand:

Gegenstand des Rechtsstreits ist eine Forderung aus einer Vermittlungsgebührenvereinbarung.

Die Klägerin vermittelt als Handelsmaklerin fondsgebundene Versicherungen in Form von "Nettopolicen". Das bedeutet, daß die Versicherungsgesellschaft in die Versicherungsbeiträge, die der Beklagte an die Versicherungsgesellschaft zu zahlen hat, keinerlei Provision für die Vermittlertätigkeit der Klägerin einkalkuliert hat. Diese kann ihre Provision vielmehr direkt vom Versicherungsnehmer verlangen.

Sie verwendet ein Vertriebssystem, welches sich der Laienwerbung bedient. Mitarbeiter erhalten für jede erfolgreich vermittelte Versicherung eine Provision, deren Höhe abhängig ist, von ihrer Position im Vertriebssystem. Ein Aufstieg in der Hierarchie des Systems erfolgt automatisch durch Anwerbung weiterer Mitarbeiter, die den Werbenden in einer Unterstruktur zugeordnet werden (näheres siehe "Beraterhandbuch" der Klägerin, Bl. 80-100 d.A.).

Der Beklagte besuchte Anfang Juli 1996 eine Informations- und Werbeveranstaltung der Klägerin und unterzeichnete daraufhin am 28.7.1996 einen Antrag auf eine Lebensversicherung (Bl. 38-48 d.A.). Hierbei kam es dem Beklagten aber gar nicht auf den Abschluß einer fondsgebundenen Lebensversicherung an. Er suchte vielmehr wegen Verdienstmöglichkeiten den Kontakt zur Klägerin und glaubte, bei ihr viel Geld verdienen zu können. Sein Antrag auf Abschluß einer Lebensversicherung wurde von ihr an das Versicherungsunternehmen, die ... weitergeleitet und von diesem mit Wirkung zum 1.12.1996 angenommen.

Zusätzlich schlossen die Parteien am 28.7.1996 eine gesonderte Vermittlungsgebührenvereinbarung (Bl. 17 d.A.), wonach der Beklagte an die Klägerin 19.348,20 DM Maklergebühren zu zahlen hat. Diese Gebühren sollten 3 Jahre lang in Raten von je 537,45 DM entrichtet werden, fällig jeweils am 1. eines Monats ab Versicherungsbeginn.

Der Beklagte leistete für die Monate Dezember 1996 bis Juli 1997 die Beiträge für beide Verträge. Nach ausbleibender zugesagter Gewinnerträge kündigte er die abgeschlossene Lebensversicherung. Das Versicherungsverhältnis endete dann im August 1997. Der Beklagte stellte daraufhin sowohl die Zahlungen an die Versicherung als auch an die Klägerin ein.

Diese hat den Beklagten wegen des noch ausstehenden Betrages in Höhe von 13.817,25 DM nebst 12 % Zinsen seit dem 27.7.2000 in Anspruch genommen und insoweit einen Vollstreckungsbescheid erreicht.

Dieser wurde durch das angefochtene Urteil aufrechterhalten. Das Landgericht hat ausgeführt, dass die Vermittlungsgebührenvereinbarung nicht gegen § 9 AGBG verstoße, da sie dem Transparenzgebot entspreche und keine unangemessene Benachteiligung des Beklagten ersichtlich sei. Auch eine Nichtigkeit nach § 138 II BGB bestehe nicht, denn die Vermittlungsleistung der Klägerin beinhalte nicht ein auffälliges Mißverhältnis zu dem Provisionsanspruch. Der Provisionsvertrag sei schließlich auch nicht gemäß § 138 I BGB als Folgevertrag über die Teilnahme an einem System progressiver Kundenwerbung sittenwidrig.

Gegen diese Würdigung wendet sich der Beklagte mit seiner zulässigen Berufung. Er führt aus, Ziffer 3 Satz 2 der Vermittlungsgebührenvereinbarung verstoße gegen § 9 AGBG, da er unangemessen benachteiligt werde. Dies umsomehr, als die vereinbarte Provisionssumme über den üblichen Rahmen von Provisionszahlungen hinausgehe. Insbesondere verstoße sie gegen den allgemein geltenden Schicksalsteilungsgrundsatz des § 92 IV HGB. Er ist darüber hinaus der Ansicht, daß ein Fall progressiver Kundenwerbung und damit eine Sittenwidrigkeit nach § 138 I BGB vorliege, da die Vermittlung der fondsgebundenen Versicherungen nur eine Alibifunktion einnehme, die Zahlung der Maklerprovision in Wirklichkeit aber die Einlage für das System der Klägerin sei. Die Provisionszahlung sei der Einsatz zu einem unzulässigem Schneeballsystem.

Der Provisionsvertrag sei auch gemäß § 138 II BGB sittenwidrig. Der Anspruch der Klägerin mache 13% der Versicherungssumme aus, 4 % seien aber nur üblich. Die Leistung des Maklers und die Zahlung einer Provision stünden daher in einem Mißverhältnis. Darüber hinaus sei er zum damaligen Zeitpunkt aufgrund seiner schwierigen finanziellen Situation in einer Notlage gewesen, die die Klägerin bewußt ausgenutzt habe.

Der Maklerlohn sei zudem analog § 654 BGB verwirkt und wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach der Beendigung der Beratertätigkeit des Beklagten sei er nicht mehr verpflichtet, die streitgegenständliche Provision zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

1. das angefochtene Urteil aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen,

2. im Falle einer eigenen Sachentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, daß die Höhe der Maklerprovision angemessen sei und bezieht sich auf ein für 1999 vom Bundesamt für das Versicherungswesen veröffentlichten Bericht sowie auf ein im Parallelrechtsstreit verwendetes Sachverständigengutachten des Dipl. ök. ... vom 10.1.1999.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 13.817,25 DM aus §§ 652 I 1 BGB, 93 I HGB i.V.m. der zwischen den Parteien abgeschlossenen Vermittlungsgebührenvereinbarung zu.

Die Klägerin hat dem Beklagten als Versicherungsmaklerin eine Lebensversicherung vermittelt und somit ihre vertraglichen Leistungen aus der Vereinbarung erbracht. Abweichend von § 652 BGB verdient der Versicherungsmakler seine Provision nicht schon mit dem Abschluß des von ihm vermittelten Versicherungsvertrages. Voraussetzung seines Courtageanspruchs ist die Ausführung des Versicherungsvertrages, also die Provisionzahlung durch den Versicherungsnehmer (Prölls/Kollhosser PR, 25. Aufl., Anhang zu §§ 43-48 VVG, Anm. 3). Der Beklagte hat den Versicherungsvertrag abgeschlossen, in dem er den Antrag für die fondsgebundene Lebensversicherung unterschrieb, den Versicherungsschein erhielt und zunächst die Prämien gezahlt hat.

Die gegen den Klageanspruch vorgebrachten Einwendungen kommen insgesamt nicht zum Tragen.

Die Annahme des Beklagten, die Gebührenvereinbarung verstoße gegen § 9 AGBG, geht fehl. Ziff. 3 S. 2 der Gebührenvereinbarung unterliegt nämlich nach § 8 AGBG nicht der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG. Die besagte Ziffer der Gebührenvereinbarung stellt eine deklaratorische Klausel dar, welche nach § 8 AGBG von einer Überprüfung durch das AGBG ausgeschlossen ist. Die Klausel gibt lediglich den Inhalt einer ohnehin geltenden gesetzlichen Regelung wieder, wozu auch alle ungeschriebenen Rechtsgrundsätze sowie die Regeln des Richterrechts gehören (BGHZ 121.13,18).

Die Vorschrift des § 652 BGB und das dazu entwickelte Richterrecht besagen nämlich, daß der Maklerlohn verdient ist, wenn der Vertrag in der Folge der Vermittlung des Maklers zustande kommt und nicht nachträglich wegen einer im Vertragsschluß selbst liegenden Unvollkommenheit wieder beseitigt wird. Die Durchführung des vermittelten Vertrages hat auf den Vergütungsanspruch keinen Einfluß mehr (BGH BB 1974.716).

Er entfällt also nicht, wenn der vermittelte Vertrag etwa wegen vorzeitiger Kündigung oder einer einvernehmlichen Aufhebung nicht in der ursprünglich vorgesehenen Weise abgewickelt wird. Nur ausnahmsweise entsteht kein Vergütungsanspruch bzw. fällt er weg, wenn etwa der vermittelte Vertrag wegen Abschlußmängeln von Anfang an nichtig ist oder ein vertraglich vereinbartes, zeitlich befristetes, an keine weiteren Voraussetzungen gebundenes Rücktrittsrecht ausgeübt wird (BGH NJW RR 1993. 248). Eine derartige Ausnahme liegt nicht vor. Ein Verstoß gegen § 9 II Nr. 1 AGBG kommt daher unter dem Blickwinkel des § 652 BGB nicht in Betracht.

Der Schicksalsteilungsgrundsatz ist kein wesentlicher Grundgedanke der gesetzlichen Regelung im Sinne des § 9 AGBG, der auf den vorliegenden Fall angewendet werden muß. Abgeleitet aus § 92 IV HGB besagt dieser Grundsatz, daß eine Maklerprovision nicht geschuldet wird, sofern der Versicherungsnehmer keine Prämie bezahlt bzw. bezahlen muß. Unabhängig davon, daß von § 92 IV abweichende Vereinbarungen getroffen werden können, wurde dieser Schicksalsteilungsgrundsatz für das Verhältnis zwischen der Versicherungsgesellschaft und dem Makler entwickelt. Dort hat er seine Berechtigung, da einer Versicherungsgesellschaft nicht abverlangt werden soll, Provisionen aus Versicherungsprämien an den Makler abzuführen, die sie ihrerseits überhaupt nicht erhalten hat. Dieser Grundsatz ist aber nicht anwendbar auf das Verhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem von ihm beauftragten und für ihn tätig gewordenen Makler. Aus diesem Grund sind auch die vom Beklagten zum Beleg für die Richtigkeit seiner Auffassung zitierten Entscheidungen zum Schicksalsteilungsgrundsatz nicht einschlägig.

Dieser Grundsatz ist darüberhinaus auch deswegen nicht anwendbar, weil sich die Vorschrift des § 92 HGB nur auf das Handelsvertreterrecht bezieht. Die Klägerin ist jedoch nicht Handelsvertreter, sondern Handelsmakler im Sinne von § 93 I HGB, weil nach dem unbestrittenem Vortrag der Klägerin zwischen ihr und dem Versicherungsunternehmen keine wirtschaftliche Verpflichtung und daher gerade kein Courtageabkommen bestanden hat. Nach der Vertragsgestaltung war die Prämie von der Vermittlungsgebühr getrennt und vom Versicherungsnehmer direkt an den Makler zu bezahlen. Darüberhinaus ist in der Vermittlungsgebührenvereinbarung bestimmt, daß die vom Versicherungsmakler zu erbringende Leistung auf die Vermittlung des Versicherungsvertrages beschränkt ist, was der Verpflichtung eines Zivilmaklers nach § 652 BGB bzw. eines Handelsmaklers nach § 93 HGB entspricht.

In den für Handelsmakler geltenden Vorschriften der §§ 93 ff HGB fehlt aber eine dem § 92 IV HGB entsprechende Regelung. Daraus folgt, daß es für Handelsmakler bei der grundlegenden Regelung des § 652 BGB verbleibt.

Auch die Tatsache, dass vorliegend der Versicherungsnehmer Courtage-Schuldner des Maklers wurde, stellt keine Regelung dar, die mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Bestimmungen unvereinbar wäre. In § 99 HGB ist gesagt, daß nur, sofern gerade keine andere Vereinbarung getroffen ist und auch kein abweichender Ortsgebrauch vorliegt, jede Partei die Hälfte des Lohnanspruchs des Maklers zu tragen hat. Zwar ist es üblich, daß sich der Courtage-Anspruch des Versicherungsmaklers gegen den Versicherer richtet (BGHZ 94.359); das bedeutet indes nicht, daß nicht eine nach § 99 HGB mögliche vorrangige individuelle Vereinbarung gegeben sein kann.

Durch die Vereinbarung, daß die Courtage mit der Vermittlung des Vertrages anfällt und weitere Verpflichtungen des Maklers nicht gegeben sind, ist der Versicherungsnehmer nicht unangemessen benachteiligt, denn er hat es in der Hand, den Versicherungsvertrag zu erfüllen und weiter zu bedienen. Durch die klare Regelung im Vertrag wird ihm auch deutlich gemacht, daß der Makler nicht die typischen Pflichten eines Versicherungsmaklers übernimmt und die Maklercourtage daher entsprechend der Regelungen über den Handelsmakler bereits bei Vermittlung anfällt Eine fällige, leistungsunabhängige Provisionsverpflichtung, die unzulässig wäre (Schwerdtner, Maklerrecht S. 279), ist darin noch nicht zu sehen.

Nicht gefolgt werden kann dem Beklagten auch in der Behauptung, der Provisionsvertrag sei nach § 138 II BGB sittenwidrig. Seine Auffassung, die Leistung des Maklers und die Zahlung einer Provision stünden in Bezug zueinander, entbehrt der Grundlage. Im Maklerrecht ist das Verhältnis des Provisionsanspruchs zum Wert des Objektes entscheidend, das Gegenstand des Hauptvertrages ist (Schwerdtner, Maklerrecht 4. Aufl., München 1999, S. 70). Die Höhe der Prämie ist in Relation zu setzen zur Beitragssumme für die gesamte Vertragslaufzeit, wobei auf den Barzahlungspreis abzustellen ist (Prölls/Martin, VVG, Anhang zu §§ 43-48, RN 39). Nach dieser Relation beträgt die vereinbarte Provision 7,79 %, denn dem Provisionsanspruch von 36 x 537,45 DM = 19.348,20 DM ist die beantragte Beitragssumme von 248.344.48 DM gegenüber zu stellen.

Für Nettopolicen, bei denen keine Provision in die Versicherungsprämie eingerechnet ist und der Versicherungsnehmer direkt an dem Versicherungsmittler die Prämie bezahlt, ist diese Provision angemessen. Die Klägerin hat diesbezüglich auf einen für 1999 vom Bundesamt für das Versicherungswesen veröffentlichten Bericht verwiesen. Dort ist vorgetragen, daß die Provision bei Nettopolicen bis zu 11,25 % betragen könne. Dies wird auch durch die Vorlage des Sachverständigengutachtens des Dipl. ök. ... vom 10.01.1999 für eine vergleichbare Vermittlungsgebührenvereinbarung gestützt. Für die Annahme einer unangemessen überhöhten Prämie bleibt somit kein Raum.

Da insoweit schon keine Benachteiligung ersichtlich ist, war das Landgericht nicht gehalten, auf eine etwa bestehende Zwangslage des Beklagten einzugehen. Auf eine eventuelle Wissenszurechnung der schwierigen finanziellen Situation des Beklagten durch den Zeugen ... kommt es daher nicht mehr an.

Die Vermittlungsgebührenvereinbarung ist auch nicht nach § 134 BGB i.V.m. § 6 c UWG nichtig, weil es sich bei dem Betriebssystem der Klägerin nicht um ein Schneeballsystem handelt. Der Beklagte behauptet zwar, daß die Vermittlung der fondsgebundenen Versicherung nur eine Alibifunktion habe, und bemängelt, sein Vortrag sei nicht gewürdigt und die von ihm angebotenen Beweise nicht erhoben worden. Doch selbst wenn man den Vortrag des Beklagten über den Ablauf der Veranstaltung als wahr unterstellt, sind die Voraussetzungen des § 6 c UWG nicht erfüllt. Bei dem Schneeballsystem setzt ein Unternehmen für die Werbung und den Vertrieb Laien ein, die zur Abnahme von Waren durch das Versprechen besonderer Vorteile für den Fall veranlaßt werden, daß sie weitere Abnehmer zum Abschluß gleichartiger Geschäfte gewinnen, denen ihrerseits derartige Vorteile für eine entsprechende Werbung weiterer Abnehmer versprochen werden. Dabei prägen die Verknüpfung von Werbung und Vertrieb das Kettenelement und die Abhängigkeit der Gewinnchancen vom Grad der Progression das strafbare System der progressiven Kundenwerbung (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 6 c RN 3). Erforderlich ist dabei eine Vermögensgefährdung auf Seiten des angeworbenen Laien, der seine Gewinnchancen durch die Unübersichtlichkeit der Progression nicht richtig einschätzen kann.

Vorliegend fehlt es an einer Vermögensgefährdung des Beklagten, denn er hat einen Gegenwert in Form des Versicherungsvertragsabschlusses ohne Einrechnung der Vermittlungskosten erhalten. Der Vermögenseinsatz bleibt erhalten, auch wenn durch das Voranschreiten der Progression irgendwann keine weiteren Mitarbeiter mehr gewonnen werden können.

Der Provisionsvertrag ist auch nicht gemäß § 138 I BGB als Folgevereinbarung über die Teilnahme an einem System progressiver Kundenwerbung sittenwidrig. Bei solchen Folgeverträgen kann sich eine Sittenwidrigkeit aus der Gesamtbetrachtung der zum Vertrag führenden Umstände ergeben (Münchner Kommentar Mayer-Maly, § 138 RN 20).

Der Beklagte trägt insoweit vor, daß die Zahlung der Vermittlungsgebühr bei Abschluß des Versicherungsvertrages das Eintrittsgeld in das System der Klägerin gewesen sei. Er hat dahingehend Beweis angeboten, daß bei Weigerung eines Interessenten, den Versicherungsvertrag samt Vermittlungsgebührenvereinbarung zu unterschreiben, dieser nicht als Berater in das System der Klägerin eintreten dürfe. Doch selbst bei Unterstellung dieser Gesichtspunkte als richtig sind Umstände, die aus der Gesamtbetrachtung die Sittenwidrigkeit des Vertrages begründen könnten, nicht feststellbar. Zwar ist gerade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit eine Werbung mit einer Verdienstmöglichkeit unangemessen, wenn an diese Verdienstmöglichkeit Bedingungen geknüpft werden, die einen Vermögenseinsatz voraussetzen. Das Gericht verkennt auch nicht die mißliche Lage des Beklagten, der nämlich eine hohe Summe für die Vermittlung einer Lebensversicherung leisten muß, die er gar nicht benötigte. Das ändert jedoch nichts daran, daß es ihm letztlich freistand, den Versicherungsvertrag abzuschließen. Er hat seine wirtschaftlichen Interessen eigenverantwortlich wahrgenommen, als er den Vertrag unterzeichnete. Schließlich war er auch durch die ihm in der Vermittlungsgebührenvereinbarung eingeräumte Widerrufsmöglichkeit von 10 Tagen ausreichend geschützt. Er hat es versäumt, seine Chancen und Möglichkeiten, neue Lebensversicherungskunden zu werben und damit in der Vergütungsstruktur der Klägerin Erfolg zu haben, offenbar nicht richtig eingeschätzt. Einer Verwirkung des Makleranspruchs nach § 654 BGB, wie der Beklagte annimmt, würde eine grobe Treuepflichtverletzung des Maklers vor oder nach Abschluß des Maklervertrages voraussetzen (Palandt-Sprau § 654 BGB RN 6). Die Rechtsprechung hat zwar den Verwirkungstatbestand auf alle subjektiv schwerwiegenden Treuepflichtverletzungen ausgedehnt (Schwerdtner, Maklerrecht, S. 1234). Eine solche Pflichtverletzung ist aber aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht anzunehmen. Die von dem Beklagten hierzu vorgetragenen Tatsachen reichen jedenfalls zu einer Bejahung nicht aus.

Dem Beklagten steht auch kein Recht auf Änderung oder Anpassung des Vermittlungsgebührenvertrages unter dem Gesichtspunkt des Wegfalles der Geschäftsgrundlage zu. Denn die von dem Beklagten erhoffte und erwartete Beratertätigkeit ist nicht Geschäftsgrundlage geworden.

Geschäftsgrundlage sind die bei Abschluß des Vertrages zu Tage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut. Gemeinsame Vorstellungen der Parteien hinsichtlich einer Beratertätigkeit des Beklagten sind nicht gegeben. Gemeinsam nach außen in Erscheinung getreten ist der der Gebührenvereinbarung zugrunde gelegte Zweck, die Klägerin für ihre Maklertätigkeit zu entlohnen. Ihr Geschäftswille ging dahin, eine Gebühren Vereinbarung zu treffen, da sie dem Beklagten mit Erfolg einen Lebensversicherungsvertrag vermittelt hatte. Ein anderer Umstand ist bei Vertragsschluß nach außenhin nicht in Erscheinung getreten, so daß keine gemeinsamen Vorstellungen der Parteien vorliegen. Die Erklärungen fallen äußerlich auseinander, obwohl die Parteien bei Vertragsschluß davon ausgegangen sind, daß sie sich decken. Danach liegt ein Erklärungsdissens vor, der dazu führt, daß der in der Vereinbarung zugrunde gelegte Vertragsinhalt Geltung hat, nicht aber andere Umstände, über die sich die Parteien in Wirklichkeit gar nicht geeinigt haben. Die einseitige Vorstellung des Beklagten von dem mit der Gebührenvereinbarung verfolgten Ziel, nämlich eine Verdienstmöglichkeit zu erschließen, reicht für die Bejahung einer Geschäftsgrundlage noch nicht aus. Sicherlich hat die Klägerin eine dahingehende Erwartung durch die Aushändigung des Beraterhandbuchs gefördert. Gleichwohl ist es als einseitig gebliebene Erwartung des Beklagten anzusehen, die für seine Willensbildung maßgeblich war, nicht aber für einen dem Vertrag zugrunde liegenden gemeinschaftlichen Geschäftswillen beider Parteien. Dazu genügt noch nicht, daß die Partei ihre Erwartungen bei den Vertragsverhandlungen der anderen Seite mitgeteilt hat. Entscheidend ist vielmehr, ob das Verhalten des anderen Teils nach Treu und Glauben als bloße Kenntnisnahme oder als Einverständnis und Aufnahme der Erwartung in die gemeinsame Grundlage des Geschäftswillens zu werten ist. Dabei ist im Zweifel eine Aufnahme in die Geschäftsgrundlage zu verneinen (Palandt-Heinrichs, § 242 BGB RN 117). Der Beklagte trägt insoweit vor, daß er den Versicherungsvertrag samt Vermittlungsgebührenvereinbarung nur zu dem Zweck unterschrieben habe, damit er bei der Klägerin Einnahmen erzielen konnte, was dieser auch -wegen des positiven Wissens des Erfüllungsgehilfen L- bekannt gewesen sein mußte. Doch selbst bei unterstellter Kenntnis der Klägerin von den Erwartungen des Beklagten ist noch nicht von einer Aufnahme dieser Erwartungen in dem Geschäftswillen auszugehen, denn ihr Wille zielte nur auf die Provisionszahlungen infolge der vermittelten Lebensversicherung. Die Aufnahme anderer Umstände in ihren Geschäftswillen stellt sie in Abrede. Somit verbleiben Zweifel, die mangels Widerlegbarkeit zu Lasten des Beklagten gehen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen, weil er unterliegt (§ 97 I ZPO). Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO.

RechtsgebieteAGBG, BGB, HGB, UWGVorschriftenAGBG § 8 AGBG § 9 AGBG § 9 II Nr. 1 BGB § 134 BGB § 138 I BGB § 138 II BGB § 652 I 1 BGB § 652 BGB § 654 HGB § 92 HGB § 93 HGB § 92 IV HGB § 93 I HGB § 99 UWG § 6 c

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