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12.10.2010 · IWW-Abrufnummer 102502

Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 29.10.2009 – 5 K 531/06

1. Hat der Steuerpflichtige vollständige und zutreffende Steuererklärungen abgegeben, hat das Finanzamt in einem Vorjahr den erklärten Gewinn aber versehentlich als Verlust berücksichtigt und deswegen einen vebleibenden Verlustvortrag festgestellt, der u. a. im Streitjahr eine Steuerfestsetzung auf 0 Euro zur Folge hatte, so ist eine vom Steuerpflichtigen nach Anordnung einer Betriebsprüfung für die betroffenen Veranlagungszeiträume abgegebene strafbefreiende Erklärung nach dem Strafbefreiungserklärungsgesetz (StraBEG) mangels vorangegangener „unrichtiger oder unwirksamer Angaben” unwirksam.



2. Eine Steuerhinterziehung des Steuerpflichtigen ist auch nicht darin zu sehen, dass er in der Steuererklärung des Folgejahres den Abzug des vom Finanzamt nur wegen des Vorzeichenfehlers festgestellten Verlustvortrags beantragt und erklärt hat, er erwarte eine Steuererstattung.



3. Zudem wird der vom Gesetzgeber mit dem StraBEG verfolgte Zweck bei demjenigen nicht erreicht, der eine strafbefreiende Erklärung erst zu einem Zeitpunkt abgibt, in dem aufgrund einer vorstehenden Betriebsprüfung und der noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheide die Wahrscheinlichkeit besteht, dass dem Finanzamt ein Veranlagungsfehler offenbar wird, wenn der Steuerpflichtige angesichts der drohenden Nachzahlungen also die strafbefreiende Erklärung nicht aus tätiger Reue abgibt, sondern nur um in den Genuss der für ihn günstigeren Steueramnestie kommen.



4. Unterlaufen der Finanzbehörde während des Bearbeitungsvorgangs Irrtümer oder Fehler, die sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken, und erkennt der Steuerpflichtige dies, so ist er mangels eigenen vorangegangenen Handelns nicht gemäß § 153 AO verpflichtet, auf den Fehler hinzuweisen. Der mangelnde Hinweis des Steuerpflichtigen ist daher nicht nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbar.


FG des Landes Sachsen-Anhalt v. 29.10.2009

5 K 531/06

Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Wirksamkeit einer strafbefreienden Erklärung i. S. d. Strafbefreiungserklärungsgesetz – StraBEG – (Artikel 1 des Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit vom 23. Dezember 2003) streitig.

Der Kläger betreibt als Internist eine Facharztpraxis in W. In den Jahren 1999 bis 2001 wurde er von der Steuerberatungsgesellschaft … GmbH und im Jahr 2002 von der … & Partner GmbH beraten und vertreten.

Da der Kläger zunächst keine Steuerklärungen für die Kalenderjahre 1999 und 2000 beim Beklagten einreichte, schätzte dieser die Besteuerungsgrundlagen und setzte mit Bescheiden vom 23. Juli 2001 die Einkommensteuer für 1999 auf 305.540 DM und für 2000 auf 165.039 DM fest. Beide Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Am 23. August 2001 legte die damalige Verfahrensbevollmächtigte hiergegen jeweils Einspruch ein und verwies auf die beigefügten Einkommensteuererklärungen für die Kalenderjahre 1999 und 2000, die von dem Kläger und seiner Ehefrau jeweils mit Datum vom 13. August 2001 unterzeichnet waren. In der Einkommensteuererklärung 1999 gab der Kläger u. a. Einkünfte aus selbständiger Arbeit – Einzelpraxis – in Höhe von 1.054.011 DM an. Der Beklagte erließ am 20. März 2002 einen Einkommensteuerbescheid für 1999, in dem die vom Kläger genannten erzielten Einkünfte aus selbständiger Arbeit fälschlicherweise in Höhe von 1.047.588 DM als negative Einkünfte behandelt wurden. Aufgrund dieses Eingabefehlers ergab sich unter Einbeziehung weiterer negativer Einkünfte des Klägers und seiner Ehefrau insgesamt ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 1.732.909 DM, so dass die Einkommensteuer für das Kalenderjahr 1999 mit Bescheid vom 04. März 2002 auf 0,– DM festgesetzt wurde. Aufgrund von Mitteilungen über Beteiligungseinkünfte änderte der Beklagte mit Bescheid vom 26. November 2002 den Gesamtbetrag der Einkünfte auf ./. 1.732.895 DM und setzte die Einkommensteuer für 1999 erneut auf 0,– DM fest.

Mit Bescheid vom 26. November 2002 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.1999 wurde für den Kläger ein verbleibender Verlustvortrag hinsichtlich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 1.234.592 DM festgestellt. Aufgrund einer erneuten Beteiligungsmitteilung reduzierte der Beklagte mit Bescheid vom 08. April 2003 den Gesamtbetrag der Einkünfte auf ./. 1.704.117 DM und setzte die Einkommensteuer für 1999 erneut auf 0,– DM fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb in allen Einkommensteuerbescheiden bestehen. Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer zum 31.12.2000 vom selben Tag wurde für den Ehemann der verbleibende Verlustvortrag nach § 10 d Abs. 4 EStG hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 0,– DM, hinsichtlich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit auf 841.730 DM und hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf 357.380 DM festgestellt. Für die Ehefrau ergab sich kein vortragsfähiger Verlust mehr. Mit Bescheid vom 29. August 2003 erfolgte eine Änderung dahingehend, dass die Beträge auf 840.145 DM und 356.707 DM reduziert wurden.

Aufgrund der eingereichten Steuererklärung für 2000 setzte der Beklagte zunächst die Einkommensteuer mit Bescheid vom 18. Februar 2002 auf 52.035,20 EUR fest. Nach mehreren Bescheidänderungen reduzierte der Beklagte erstmalig mit Bescheid vom 05. Dezember 2002 die Einkommensteuer für 2000 auf 0,– EUR. Dabei wurde ein Verlustvortrag hinsichtlich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe 319.385 DM angesetzt. Im Bescheid zur Einkommensteuer 2000 vom 29. August 2003 wurde dieser Verlustvortrag auf 365.669 DM erhöht.

Mit der Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr 2001 vom 24. April 2003 nahm der Kläger den Vorzeichenfehler des Beklagten im Veranlagungsverfahren 1999 dergestalt für sich in Anspruch, dass er in der Zeile 92 – Verlustabzug – ein Kreuz im Kästchen Stpfl./Ehemann setzte, so dass die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags nach § 10 d EStG zum 31.12.2000 für den Kläger bejaht wurde. Hierzu korrespondierend war auf dem Mantelbogen neben der Einkommensteuererklärung auch die Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages angekreuzt. Weiter war angegeben, dass die Steuerpflichtigen mit einer Einkommensteuererstattung rechneten. Auf der Rückseite der Anlage VA zur Einkommensteuererklärung 2001 waren in den Zeilen 16/17 das Bescheiddatum „08.04.2003” und in der Zeile 20 hinsichtlich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit ein Betrag in Höhe von „DM 841.730” eingetragen worden, mithin die Daten des bei der Fertigung der Steuererklärung vorliegenden Feststellungsbescheides vom 08. April 2003. Mit Bescheid vom 29. August 2003 wurde die Einkommensteuer für 2001 auf 0,– EUR festgesetzt, da u. a. ein Verlustvortrag auf Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 488.162 DM angesetzt wurde. Mit Bescheid vom selben Tag wurde der verbleibende Verlustvortrag zur Einkommensteuer zum 31.12.2001 hinsichtlich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit auf 351.983 DM reduziert.

Der vorstehend dargelegte Vorzeichenfehler des Beklagten bei der Einkommensteuerveranlagung für 1999 hatte zur Folge, dass der Kläger für die Jahre 1999 bis 2001 sämtliche Einkommensteuervorauszahlungen nebst Zinsen erstattet bekam, und darüber hinaus für die folgenden Jahre keine Vorauszahlungen zu entrichten hatte.

Zum Jahreswechsel 2003/2004 wurde die steuerliche Vertretung des Klägers von seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten übernommen. Mit Anordnung vom 29. März 2004 meldete der Beklagte beim Kläger eine Betriebsprüfung für die Jahre 1999 bis 2001 an in Bezug auf Einkommen- und Umsatzsteuer, mit deren Durchführung am 27. April 2004 begonnen werden sollte. Da diese Prüfungsanordnung jedoch an den früheren Verfahrensbevollmächtigten adressiert war, erging am 07. April 2004 eine neue an den Kläger gerichtete Prüfungsanordnung. Gegen diese Prüfungsanordnung legte die nunmehrige Prozessbevollmächtigte am 13. April 2004 Einspruch ein, da der Kläger seit Herbst 2003 mit seinem Hauptwohnsitz in L. gemeldet und somit das Finanzamt L. III für die Einkommensbesteuerung zuständig sei. Am 20. April 2004 erließ das Finanzamt L. I – Betriebsprüfungsstelle – einen Prüfauftrag an den Beklagten. Daraufhin wurde der Einspruch gegen die Prüfungsanordnung zurückgenommen, jedoch mit der Bitte den Prüfungstermin zu verschieben. Die Prüfung begann dann am 21. Juni 2004.

Am 03. Mai 2004 ging im Finanzamt L. III eine strafbefreiende Erklärung des Klägers für die Jahre 2000 und 2001 ein. Die zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StraBEG gab der Kläger mit 494.614 EUR an. Die zu entrichtende Abgabe bezifferte der Kläger mit 35 v. H. des obigen Betrages, somit 123.653 EUR. Weiterhin wurde in der Anlage mitgeteilt, „dass ein Verlustvortrag aus 1999 in 2000 zu Unrecht in Anspruch genommen wurde und dieser weiterhin auch in 2001 in Anspruch genommen wurde, nachdem er zum 31.12.2000 irrtümlich festgestellt wurde”. Nach vorläufiger Tatbewertung durch die B. L. habe sich der Kläger mit der Hinnahme der fehlerhaften Festsetzung nicht strafbar gemacht oder ordnungswidrig gehandelt. Der Kläger habe zwar von der Fehlveranlagung gewusst, jedoch gegenüber dem Finanzamt keine falschen Angaben gemacht. Die Erklärung habe den Tatsachen entsprochen. Der Kläger habe lediglich Stillschweigen bewahrt. Daher könne die strafbefreiende Erklärung nicht unter den Geltungsbereich des StraBEG fallen, weshalb auch keine Pauschalbesteuerung möglich sei.

Die strafbefreiende Erklärung für das Jahr 2000 wurde mit Schreiben vom 17. Mai 2005 zurückgenommen. Die endgültige Klärung der Zuständigkeit für die Besteuerung der Einkünfte 1999 bis 2001 des Klägers, sowie die Bearbeitung der strafbefreienden Erklärung für das Jahr 2001 erfolgte Mitte 2005 zwischen dem Finanzamt L. III und dem Beklagten. Da letzterer zuerst mit der Sache befasst war – § 25 AO –, sollte auch dieser über die strafbefreiende Erklärung entscheiden. Mit Bescheid vom 08. November 2005 lehnte der Beklagte die strafbefreiende Erklärung für 2001 ab, da mangels Vorliegen einer Straftat eine strafbfreiende Erklärung nicht abgegeben werden könne. Der daraufhin am 23. November 2005 eingelegte Einspruch wurde vom Beklagten mit Einspruchsbescheid vom 23. März 2006 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Klage vom 24. April 2006. Der Kläger ist der Auffassung, dass das Ankreuzen des Kästchens in der Zeile der 92 des Mantelbogens gleichbedeutend sei mit der Erklärung des Steuerpflichtigen „ich will einen verbleibenden Verlustvortrag in Anspruch nehmen, der nach § 10 d EStG zum 31.12.2000 festgestellt wurde” – eine Erklärung, deren Richtigkeit und Vollständigkeit dann vom Steuerpflichtigen durch Unterzeichnung der Steuererklärung dokumentiert werde. Die Angaben in der Anlage VA bzgl. des Bescheides vom 08. April 2003 und des verbleibenden Verlustvortrages von 841.730 DM könnten ebenfalls als relevante Tatsachenbehauptung angesehen werden, nämlich dergestalt, dass der besagte Bescheid richtig sei bzw. dass tatsächlich ein Verlustvortrag in bezifferter Höhe angefallen bzw. verblieben sei. Der Steuerpflichtige mache sich die Feststellungen des Finanzamtes zu Eigen und deklariere diese als „richtig”. Des Weiteren sei fraglich, ob der Kläger nicht verpflichtet gewesen sei, auf den Fehler des Beklagten hinzuweisen, wenn dieser sich nicht nur in einem Veranlagungszeitraum auswirke, sondern ihm – dem Kläger – über mehrere Veranlagungszeiträume hinweg finanzielle Vorteile bringe, die ihm tatsächlich nicht zuständen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 08. November 2005 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 23. März 2006 die Wirksamkeit der strafbefreienden Erklärung für 2001 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bezieht sich auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung vom 23. März 2006.

Dem Gericht haben die vom Beklagten für den Kläger geführten Akten (Einkommensteuer 1999 bis 2000, Einkommensteuer 2001, 3 Betriebsprüfungsakten und Einspruchsakte) vorgelegen.



Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für eine strafbefreiende Erklärung verneint.

Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG kann derjenige unter im Weiteren näher beschriebenen Umständen durch eine Nacherklärung und Zahlung einer pauschalen Steuer in den Genuss einer Straffreiheit und günstigeren Besteuerung kommen, der gegenüber den Finanzbehörden unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht oder die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer oder Abzugsteuern nach dem Einkommensteuergesetz verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt hat. In den Genuss der Steueramnestie kann nur kommen, wer sich wegen Steuerhinterziehung, § 370 AO, gewerbsmäßiger oder bandenmäßiger Steuerhinterziehung, § 370a AO, und wegen gewerbsmäßiger oder bandenmäßiger Schädigung des Umsatzsteueraufkommens, § 26c UStG, strafbar gemacht hat.

Eine Anwendung des StraBEG scheitert schon daran, dass der Kläger weder unrichtige Angaben gegenüber der Finanzbehörde gemacht, noch diese pflichtwidrig über steuererhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen hat. Die Tatbestandsmerkmale der § 1 Abs. 1 StraBEG sind nicht erfüllt.

Eine Steuerstraftat i. S. d. § 370 Abs. 1 AO begeht, wer den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht. Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen i. S. d § 370 Abs. 1 AO sind Erklärungen, die vom Steuerpflichtigen gegenüber der Finanzverwaltung schriftlich, mündlich oder ggf. mittelbar im automatisierten Verfahren abgegeben werden und die zur Ausfüllung eines Besteuerungstatbestandes von steuerlicher Bedeutung sind, mithin Grund und Höhe des Steueranspruchs oder des Steuervorteils beeinflussen. Eine solche Angabe ist dabei unrichtig, wenn die in ihr enthaltene Behauptung mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt, wenn also zwischen der Erklärung und der Wirklichkeit ein Widerspruch besteht.

Mit der Abgabe der Steuererklärung für 1999 am 23. August 2001 hat der Kläger vollständige und zutreffende Angaben gemacht. Die Änderung des Schätzungsbescheides vom 23. Juli 2001 durch Erlass des Einkommensteuerbescheides vom 04. März 2002, in dem Einkommensteuer für 1999 auf 0,– EUR festgesetzt wurde, erfolgte allein aus dem Vorzeichenwechsel bei den Einkünften des Klägers durch den Beklagten ohne erneutes Handeln seitens des Klägers.

Auch mit der Einreichung der Steuererklärung nebst Anlagen für das Jahr 2001 hat der Kläger keine Steuerhinterziehung begangen, da die hierin enthaltenen Angaben der Wahrheit entsprachen, somit weder unrichtig noch unvollständig waren.

Die Angabe auf dem Mantelbogen, „ich rechne mit einer Einkommensteuererstattung” führt zu keiner unrichtigen Angabe. Auf Grund des existierenden Bescheides vom 08. April 2003 ist dies eine zutreffende Angabe. Diese gibt im Übrigen nur die Erwartung des Steuerpflichtigen wieder. Diese Angabe hat für die Finanzverwaltung allein den Sinn, das Veranlagungsverfahren vorzuziehen, um Überzahlungen zügig zu erstatten und ggf. eine Verzinsung eines Erstattungsbetrages gemäß § 223 a AO durch zeitgerechte Veranlagung zu vermeiden. Das Kreuz für den Kläger in der Zeile 92 – Verlustabzug – ist zutreffend, denn es ist entsprechend des Bescheides vom 08. April 2003 ein verbleibender Verlustvortrag nach § 10 d EStG zum 31.12.2000 für den Kläger festgestellt worden. Auf diesen weist der Kläger hin, ohne sich inhaltlich zu den einzelnen Feststellungen des Bescheides zu positionieren oder gar die Richtigkeit der der Verlustfeststellung zugrundeliegenden Besteuerungsgrundlagen zu behaupten.

Des Weiteren entsprechen die Eintragungen auf der Anlage AV zum verbleibenden Verlustvortrag den Tatsachen. Der Kläger hat die Angaben bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung aus dem ihm aktuell vorliegenden Bescheid vom 08. April 2003 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer zum 31.12.2000 korrekt übernommen. Der Bescheid ist so vom Beklagten mit den entsprechenden Zahlen erlassen worden. Die Anlage AV enthält keine Aussagen darüber, ob der Verlust zu Recht entstanden ist. Es wird wiederum nicht vom Kläger verlangt, die der Verlustfeststellung zugrundeliegenden Besteuerungsgrundlagen anzugeben bzw. sogar deren Richtigkeit zu versichern. Es wird nur nach der Existenz eines Bescheides über die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrages auf den 31.12.2000 gefragt, so dass das Ausfüllen der Anlage AV zum Verlustvortrag auch keinen Antrag auf Wahlrechtsausübung bzgl. eines Verlustvortrages darstellt. Ein strafrechtlich relevantes Handeln kann möglicherweise durch eine Einflussnahme auf den Beklagten vorliegen, wenn durch tatsächliche Erklärungen oder rechtliche Erwägungen eine fehlerhaft vertiefende Fehlleitung beim Beklagten zu einer dort noch unerkannt gebliebenen und objektiv fehlerhaften Besteuerung erzielt wird. Dies kommt vorliegend nicht in Betracht, da sich der Kläger beim Ausfüllen der Formulare nur im Rahmen der ihm durch diese vorgegebenen und gebotenen Angaben hielt. Zusätzliche Angaben oder Erklärungen machte er nicht.

Der Kläger hat sich auch keiner Steuerhinterziehung durch Unterlassen, §§ 370 AO i. V. m. § 153 Abs. 1 AO schuldig gemacht, in dem er den Beklagten nicht über seinen begangenen Veranlagungsfehler aufgeklärt hat bzw. sogar den Fehler des Beklagten zu erheblichen Erstattungsansprüchen bzw. der Nichtentrichtung von Vorauszahlungen ausgenutzt hat.

§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO beinhaltet die pflichtwidrige unterlassene Anzeige oder Richtigstellung über steuererhebliche Tatsachen gegenüber den Finanzbehörden. In der Rechtsprechung ist anerkannt (so die h. M., vgl. z. B. Urteil des BGH vom 04. April 1979 , 3 StR 488/ 78, BGHSt 28, 371; vom 25. September 1979, 1 StR 702/78, StRK AO 1977, § 370 R. 17), dass das Unterlassen der nach § 153 gebotene Anzeige oder Berichtigung zu einer Steuerhinterziehung, begangen durch Unterlassen führen kann. Gemäß § 153 Abs. 1 AO ist ein Steuerpflichtiger verpflichtet, berichtigte Steueranmeldungen oder Steuererklärungen einzureichen, wenn er nachträglich erkennt, dass die von ihm abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist. Der Verpflichtete muss die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Erklärungen nachträglich, d.h. nach Abgabe der Erklärung erkennen. Rechtssystematisch gesehen stellt § 153 Abs. 1 AO einen gesetzlich geregelten Fall einer Garantenstellung kraft vorangegangenen Handelns dar. Fehlt es an einem fehlerverursachenden vorangegangenen Tun des Steuerpflichtigen, so wird eine Garantenstellung nicht begründet mit der Folge, dass der Steuerpflichtige nicht zum Einschreiten verpflichtet ist. Unterlaufen der Finanzbehörde während des Bearbeitungsvorgangs Irrtümer oder Fehler, die sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken, und erkennt der Steuerpflichtige dies, so ist er mangels eigenen vorangegangenen Handelns nicht gemäß § 153 AO verpflichtet, auf den Fehler hinzuweisen (Urteil des BFH vom 07. September 1993 VII R 128/92, BFH/NV 1994, 672; BFHE 172, 561; Helmrich, DStR 2009, 2131 [2133]; Müller, DStZ 2005, 25 [29]; Tormöhlen, in: Papperitz/Keller, ABC Betriebsprüfung, Fach 5 Steuerhinterziehung, Rz. 11; Cöster, in Pahlke/Koenig, AO, 2. Aufl. 2009, § 153 Rn 26; Heuermann, in: Herrmann/Heuer/Spitaler, § 153 Rn. 7; Stöcker, in: Beermann/Gosch, § 153 AO Rz. 12; Tipke, in: Tipke/Kruse, § 153 Rz. 10; Joecks, in: Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 181; Dumke, in: Schwarz, AO, § 153 Rz.10; Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 Rz. 29). Sein mangelnder Hinweis ist daher nicht nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 strafbar (Kohlmann, a. a. O. unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 05. Oktober 1966 VI R 328/65 , StRK RAO § 165 e R. 5 = DStR/B 1967, 32). Die nicht erforderliche Aufklärung des Beklagten wird auch nicht nach längerer Zeit zu einer Verpflichtung zur Aufklärung, da eine Garantenstellung immer an ein vorheriges Tun oder Unterlassen anknüpft, somit nicht allein durch Zeitablauf entstehen kann. Nicht nur die Hinnahme des Fehlers des Beklagten löst keine Steuerhinterziehung aus, sondern sogar nicht die Annahme des Erstattungsanspruches (Streck, Stbg 1989, 30; Trame in Pump/Leibner, Abgabenordnung, § 153 AO, Rz. 31; Stöcker, a. a. O., Rz. 12).

Es entspricht auch dem erkennbaren Zweck des Gesetzes, dass vorliegend die steuerliche Abgeltungswirkung nicht eintritt. Mit dem StraBEG verfolgte der Gesetzgeber den Zweck, „eine Brücke in die Steuerehrlichkeit” einzuführen (Beschluss des BFH vom 02. Juni 2005 IX B 59/05, BFH/NV 2005, 1498). Dieser Zweck wird bei demjenigen nicht erreicht, der eine strafbefreiende Erklärung erst zu einem Zeitpunkt abgibt, in dem aufgrund der vorstehenden Betriebsprüfung und der noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheide die Wahrscheinlichkeit bestand, dass dem Beklagten sein Veranlagungsfehler offenbar wird. Der Kläger gab die strafbefreiende Erklärung nicht aus tätiger Reue ab, sondern er wollte, wenn schon Nachzahlungen zu entrichten waren, in den Genuss der für ihn günstigeren Steueramnestie kommen. Er gab die Erklärung allein aus Steuerspargründen ab.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 AO.

RechtsgebieteStraBEG, AOVorschriftenStraBEG § 1 Abs. 1 S. 1 AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO § 153

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