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09.11.2012

Landesarbeitsgericht: Urteil vom 15.05.2012 – 3 Sa 230/12

Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nach § 1 BUrlG entsteht auch während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines vereinbarten unbezahlten Sonderurlaubs.


In Sachen

pp

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 3. Kammer,

auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2012

durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht S. als Vorsitzende

sowie die ehrenamtlichen Richter G. und K.

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 09. Januar 2012 - 58 Ca 18678/11 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.949,90 Euro brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über den Basiszinssatz seit dem 01. Dezember 2011 zu zahlen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 1. August 2002 als Krankenschwester beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des 30. September 2011. Im Jahr 2010 belief sich das Jahresbruttoentgelt der Klägerin auf 33.798,23 Euro. Auf die Gehaltsabrechnung für den Dezember 2010 (Anlage K1, Bl. 7 der Akte) wird Bezug genommen.

Auf einen Antrag der Klägerin gewährte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 6. Dezember 2010 "antragsgemäß nach § 28 Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Charité- Universitätsmedizin Berlin (TV Charité) Sonderurlaub unter Fortfall des Entgelts/der Vergütung für die Zeit vom 01.01.2011 bis 30.06.2011". Auf den Inhalt des Schreibens wird im Übrigen verwiesen (Anlage B1, Bl. 50 der Akte). Die Parteien vereinbarten später ein weiteres Ruhen des Arbeitsverhältnisses bis zum 30. September 2011. In der Zeit vom 1. Januar 2011 bis 30. September 2011 wurde der Klägerin kein Erholungsurlaub gewährt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 16. November 2011 (Anlage K2, Bl. 9 bis 10 der Akte) forderte die Klägerin die Beklagte auf, ihr eine Urlaubsabgeltung für 15 Urlaubstage in Höhe von 1.979,17 Euro brutto zu zahlen. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 28. November 2011 (Anlage K3, Bl. 12) unter Berufung auf die Kürzungsmöglichkeit gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. c des TV-Charité ab.

Mit ihrer am 7. Dezember 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 14. Dezember 2011 zugestellten Klage hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.949,90 Euro brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus dem vorgenannten Betrag seit dem 1. Dezember 2011 zu zahlen.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ihr stehe ein Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs im Umfang von 15 Tagen trotz des vereinbarten Ruhens des Arbeitsverhältnisses in der Zeit vom 1. Januar 2011 bis 30. September 2011 zu.

Die Beklagte hat vorgetragen, der Klägerin sei in der Zeit vom 1. Januar 2011 bis 30. September 2011 Sonderurlaub ohne Vergütung gewährt worden.

Nachdem die Parteien in der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht übereinstimmend um eine Alleinentscheidung durch den Vorsitzenden gebeten hatten, hat das Arbeitsgericht durch Urteil vom 9. Januar 2012 die Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Urlaubsabgeltungsanspruch, da sie wegen des ruhenden Arbeitsverhältnisses im Jahr 2011 keinen Urlaubsanspruch gegen die Beklagte erworben habe. Es fehle während des Ruhens an einem Austauschverhältnis, aus dem Urlaubsansprüche erwachsen könnten. Die Urlaubsgewährung verbunden mit der Fortzahlung der Vergütung sei Teil der Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers.

Gegen dieses der Klägerin am 17. Januar 2012 zugestellte Urteil hat diese mit beim Landesarbeitsgericht am 2. Februar 2012 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und begründet.

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Berufung zusammengefasst vor: Bei der Pflicht zur Urlaubsgewährung handele es sich nicht um eine Hauptpflicht des Arbeitgebers, sondern nur um eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Diese Nebenpflicht sei aufgrund der Unabdingbarkeitsregelung in § 13 Abs. 1 BUrlG gerade nicht suspendiert. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des BUrlG. Der Urlaubsanspruch entstehe auch, wenn der Arbeitnehmer nicht arbeite. Dies habe der EuGH entschieden und entspreche der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Es bestehe auch keine hier eingreifende gesetzliche Grundlage für eine Kürzung des Urlaubsanspruchs. Eine analoge Anwendung von Kürzungsnormen sei dogmatisch nicht begründbar. Die tarifliche Kürzungsmöglichkeit könne nicht den gesetzlichen Mindesturlaub erfassen.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

unter Abänderung des am 9. Januar 2012 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Berlin, Aktenzeichen 58 Ca 18678/11, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.949,90 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2011 zu zahlen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt zusammengefasst vor: Da das Arbeitsverhältnis aufgrund des von der Klägerin begehrten Sonderurlaubs in der Zeit vom 1. Januar 2011 bis 30. September 2011 geruht habe, habe für diese Zeit kein Anspruch auf Urlaub, auch nicht in Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubs, bestanden. Die Urlaubsgewährung bzw. als Surrogat die Urlaubsabgeltung sei Hauptleistungspflicht, die für die Dauer des Ruhens des Arbeitsverhältnisses entfalle. Es fehle an dem erforderlichen Synallagma, aus dem Urlaubsansprüche erwachsen könnten. Der Wunsch der Klägerin nach Sonderurlaub unterliege keinem besonderen gesetzlichen Schutz. Auch § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG zeige, dass der Gesetzgeber zutreffend angenommen habe, es bedürfe dieser Regelung, weil ohne sie während der Elternzeit kein Urlaubsanspruch bestünde. Jedenfalls müsse die Kürzungsmöglichkeit nach § 17 Abs. 1 BEEG hier analog gelten. Ferner sehe der TV-Charité in § 26 Abs. 2 Buchst. c eine Kürzungsmöglichkeit vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung und die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft und gemäß §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519 Abs. 1 und Abs. 2, 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung der Klägerin ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.949,90 Euro brutto nebst der geltend gemachten Zinsen zu zahlen. Der Anspruch auf Zahlung der Urlaubsabgeltung ergibt sich aus § 7 Abs. 4 BUrlG.

1. Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG hat der Arbeitgeber Urlaub abzugelten, wenn dieser wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann.

2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete am 30. September 2011. Zu diesem Zeitpunkt stand der Klägerin gemäß § 1 BUrlG iVm. § 3 BUrlG ein Anspruch auf Gewährung des gesetzlichen Mindesturlaubs von 24 Werktagen zu. Da dieser Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden konnte, ist er von der Beklagten abzugelten.

a) Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung von Erholungsurlaub für 24 Werktage für das Jahr 2011 erworben. Dem steht nicht entgegen, dass die Parteien vor Beginn des Jahres 2011 das Ruhen des Arbeitsverhältnisses bzw. einen unbezahlten Sonderurlaub gemäß § 28 TV-Charité für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis einschließlich 30. September 2011 vereinbart haben.

aa) Ob auch im ruhenden Arbeitsverhältnis Urlaubsansprüche entstehen können, ist umstritten (vgl. zB die Nachweise zum Streitstand bei einem Ruhen in Folge einer befristeten Erwerbsunfähigkeitsrente bzw. beim Ruhen zum Zwecke des Bezugs von Arbeitslosengeld in der Entscheidung des LAG Baden Württemberg 21. Dezember 2011 - 10 Sa 19/11 - Juris-Rn. 31, BB 2012, 1353). Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 30. Juli 1986 - 8 AZR 475/84 - (BAGE 52, 305) ausgeführt, dass der Arbeitgeber nicht berechtigt ist, den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers anteilig zu kürzen, wenn ein türkischer Arbeitnehmer zur Ableistung seines auf zwei Monate verkürzten Wehrdienstes in seinem Heimatland durch den Arbeitgeber einvernehmlich ohne Vergütung von seiner Arbeitspflicht befreit worden ist. Der Urlaubsanspruch entstehe nach den tariflichen Bestimmungen und dem Bundesurlaubsgesetz nicht erst nach und nach im Laufe des Jahres für die einzelnen Kalendermonate, sondern nach erstmaligem Ablauf der Wartefrist (§ 4 BUrlG) mit Beginn eines jeden Jahres insgesamt (30. Juli 1986 - 8 AZR 475/84 - Juris-Rn. 26, BAGE 52, 305). In der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15. Dezember 2009 wird unter Verweis auf die Entscheidungen des EuGH vom 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [verbundene Rechtssachen Schultz-Hoff, Stringer ua.] Rn. 41 (AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1) und des Bundesarbeitsgerichts vom 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 21 (AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15) ausgeführt, der Mindesturlaubsanspruch iSv. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (sog. Arbeitszeitrichtlinie) und §§ 1, 3 BUrlG auch dann entstehe, wenn der Arbeitnehmer nicht arbeite, das Seemannsgesetz enthalte hiervon keine abweichenden Bestimmungen (§ 53 Abs. 2 SeemG). Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses während der Teilnahme an Wehrübungen führe auch nicht aufgrund allgemeiner Bestimmungen dazu, dass der tarifliche Jahresurlaubsanspruch zeitanteilig entfalle (BAG 15. Dezember 2009 - 9 AZR 795/08 - Rn. 28f., NZA 2010, 728). Das Bundesarbeitsgericht ließ in der Entscheidung vom 17. Mai 2011 offen, ob in jedem Fall des Ruhens der Arbeitspflicht oder bei einem vereinbarten Ruhen der beiderseitigen Hauptleistungspflichten (zB bei Bezug einer befristeten oder unbefristeten Erwerbsminderungsrente) Urlaubsansprüche entstehen können (BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 24, ZTR 2011, 605). Ob bei einem Ruhen wegen des Bezuges einer befristeten Rente wegen Erwerbsminderung der Arbeitnehmer Urlaubsansprüche erwirbt, ließ das Bundesarbeitsgericht auch in der Entscheidung vom 9. August 2011 (9 AZR 475/10 - Rn. 16, DB 2012, 122) offen.

bb) Nach Ansicht der Kammer ist der Anspruch der Klägerin auf den gesetzlichen Mindesturlaub für das Jahr 2011 zu Beginn des Jahres 2011 entstanden und zwar unabhängig davon, dass die Parteien einen unbezahlten Sonderurlaub bzw. ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses vor Beginn des Jahres 2011 mit Wirkung vom 1. Januar 2011 an vereinbart hatten.

(1) Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs auf den gesetzlichen Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz ist allein der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses. Der Vollanspruch entsteht gemäß § 4 BUrlG dann, wenn die sechsmonatige Wartezeit erfüllt ist (vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 Rn. 23, ZTR 2011, 605; 15. Dezember 2009 - 9 AZR 795/08 - Rn. 29, NZA 2010, 728 Leitsatz)). Ist die Wartezeit einmal erfüllt, entsteht der gesetzliche Mindesturlaub in einem bestehenden Arbeitsverhältnis in voller Höhe zu Beginn des jeweiligen Kalenderjahres. Dabei entsteht der Anspruch auf Urlaub nach § 1 BUrlG in jedem Kalenderjahr, ohne dass Arbeitsleistungen erbracht werden müssen. Der gesetzliche Urlaubsanspruch ist keine Gegenleistung des Arbeitgebers für erbrachte oder noch zu erbringende Arbeitsleistungen, sondern eine gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis, den Arbeitnehmer für die Dauer des Urlaubs von der Arbeitspflicht zu befreien (so die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 763/08 - Rn. 15; 7. November 1985 - 6 AZR 62/84 - zu 3 a und b der Gründe, BAGE 50, 112; vgl. auch HWK/Schinz 5. Aufl. § 1 BUrlG Rn. 14). Nach deutschem Recht existiert keine Norm, die die Erbringung von Arbeitsleistung zur Voraussetzung für den Urlaubsanspruch erhebt (vgl. BAG 17. Mai 2011- 9 AZR 197/10 Rn. 23, ZTR 2011, 605; 15. Dezember 2009 - 9 AZR 795/08 - Rn. 29).

(2) Diese Grundsätze folgen aus der Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes.

(a) Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 4 BUrlG hängt der erstmalige Erwerb des vollen Urlaubsanspruchs ausschließlich vom Bestehen des Arbeitsverhältnisses ab. Auch der Teilurlaub gemäß § 5 BUrlG setzt allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus. Aus den Formulierungen in § 1 BUrlG und § 5 BUrlG im Zusammenhang mit § 4 BUrlG folgt, dass nach Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit der gesetzliche Mindesturlaub zu Beginn des Kalenderjahres in voller Höhe entsteht, wenn ein Arbeitsverhältnis rechtlich besteht und nur dann lediglich ein Teilurlaubsanspruch besteht, wenn der Arbeitnehmer in der ersten Hälfte des Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet (§ 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG). Keine der Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes verlangt dagegen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich eine Arbeitsleistung erbracht hat oder verpflichtet war, eine Arbeitsleistung zu erbringen und der Arbeitgeber verpflichtet war, dem Arbeitnehmer während des maßgeblichen Kalenderjahres, für das Urlaub verlangt wird, Vergütung zu zahlen. Die Urlaubsgewährung steht damit in keinem synallagmatischen Verhältnis zur Verpflichtung, eine Arbeitsleistung zu erbringen.

(b) Auch unter Berücksichtigung des Systematik und des Sinn und Zwecks des Bundesurlaubsgesetzes kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Entstehen des Anspruchs auf den Mindesturlaub die Verpflichtung zur Erbringung einer Arbeitsleistung bzw. die Erbringung einer Arbeitsleistung und die Verpflichtung zur Vergütungszahlung voraussetzt. Der Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz soll dem Arbeitnehmer ermöglichen, sich während des Urlaubsjahres für einen Mindestzeitraum bei Bestehen eines Vergütungsanspruchs zu erholen. Dieses Bedürfnis kann unabhängig davon entstehen, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht hat oder erbringen musste.

(c) Auch die Regelungen in § 11 BUrlG rechtfertigen kein anderes Auslegungsergebnis. Diese Vorschrift bestimmt lediglich, wie das Urlaubsentgelt berechnet werden soll. Der Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub dagegen ergibt sich aus § 1 BUrlG. Dort wird zwingend festgelegt, dass der Arbeitnehmer in jedem Jahr einen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub hat.

(d) Auch der Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG kann nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber die Vorstellung hatte, während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses könne kein Anspruch auf Erholungsurlaub entstehen und er habe daher mit dieser Vorschrift eine Anspruchsgrundlage für das Entstehen eines gesetzlichen Urlaubsanspruchs begründen wollen. Dagegen sprechen der Wortlaut und die Systematik der Bestimmung. Es wird gerade nicht formuliert, dass dem Arbeitnehmer bzw. der Arbeitnehmerin auch während der Elternzeit ein Anspruch auf Erholungsurlaub zusteht bzw. der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin einen solchen Anspruch hat. Vielmehr drückt die Formulierung "der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht" im Zusammenhang mit der Kürzungsmöglichkeit aus, dass der Gesetzgeber vom Bestehen einer anderweitigen Rechtsgrundlage ausgegangen ist, die einen Anspruch auf Urlaub begründet. Andernfalls hätte der Gesetzgeber auch bestimmen müssen, in welcher Höhe dem Arbeitnehmer während der Elternzeit überhaupt ein Anspruch auf Urlaub zustehen soll und ob es sich hierbei um bezahlten oder unbezahlten Urlaub handeln soll. § 17 Abs. 1 BEEG und § 4 ArbSchlG zeigen vielmehr, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass ein Ruhen das Entstehen des Urlaubsanspruchs nicht verhindert (vgl. auch LAG Schleswig-Holstein 16. Dezember 2012 - 4 Sa 209/10 - Juris-Rn. 34, EzTöD 100 § 26 TVöD-AT Nr. 6).

(3) Die Vereinbarung eines unbezahlten Sonderurlaubs bzw. des Ruhens des Arbeitsverhältnisses berührt den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht und steht damit dem Entstehen des Anspruchs aus § 1 BUrlG nicht entgegen. Wird von den Arbeitsvertragsparteien das Ruhen der Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis vereinbart, legen die Parteien damit lediglich fest, dass die Rechte aus dem Arbeitsverhältnis während der vereinbarten Ruhensdauer nicht von ihnen geltend gemacht werden können. Nach dem Willen der Vertragsparteien soll bei einer Ruhensvereinbarung bzw. Vereinbarung eines unbezahlten Sonderurlaubs das Arbeitsverhältnis als solches aber rechtlich weiter bestehen bleiben (vgl. auch BAG 15. Dezember 2009 - 9 AZR 795/08 - Rn. 26, NZA 2010, 728 (Leitsatz). Daher kann die Ruhensvereinbarung nicht bewirken, dass unabdingbare gesetzliche Ansprüche, deren Entstehen ausschließlich vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängen, nicht entstehen können. Die Ruhensvereinbarung hat allerdings zur Folge, dass während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses der Anspruch auf Gewährung des Erholungsurlaubs nicht erfüllt werden kann. Denn der Anspruch auf Urlaub ist gerichtet auf die Befreiung von der Arbeitspflicht durch den Arbeitgeber zu Erholungszwecken. Solange eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, Arbeitsleistungen zu erbringen, nicht besteht, kann der Arbeitgeber den Anspruch auf Urlaubsgewährung nicht gemäß § 362 BGB erfüllen. Die Unmöglichkeit, den Urlaub zu gewähren, kann aber nach der Systematik des Bundesurlaubsgesetzes auch unter Berücksichtigung § 275 Abs. 1 BGB nicht vor Ablauf des Kalenderjahres bzw. des Übertragungszeitraums nach § 7 Abs. 3 BUrlG zu einem Untergang des gesetzlichen Urlaubsanspruchs führen, sondern steht nur der Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs entgegen.

cc) Der zu Beginn des Kalenderjahres 2011 entstandene Anspruch der Klägerin auf Urlaub für 24 Werktage ist auch nicht gekürzt worden.

(1) Da das Arbeitsverhältnis der Parteien erst in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2011 endete, liegen die Voraussetzungen für die Kürzung des Urlaubsanspruchs auf einen Teilurlaubsanspruch nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG nicht vor.

(2) Das Bundesurlaubsgesetz enthält, wie bereits ausgeführt, keine Norm, die eine Kürzungsmöglichkeit des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs bei einem vereinbarten Ruhen zulässt. Es kann vor diesem Hintergrund auch dahingestellt bleiben, ob die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung eine Kürzungsmöglichkeit zulassen würde. Denn diese Richtlinie enthält gemäß Art. 1 (1) nur die Mindestvorschriften.

(3) Eine analoge Anwendung des § 17 Abs. 1 BEEG oder des § 4 Abs. 1 ArbPlSchG kommt nicht in Betracht.

(a) Eine den Wortsinn übersteigende Gesetzesanwendung durch Analogie ist geboten, wenn der gesetzessprachlich nicht erfasste Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt wie ein gesetzessprachlich erfasster Fall. Eine Gesetzesanwendung über den Wortsinn hinaus bedarf einer besonderen Legitimation. Die Analogie setzt das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke voraus. Hat sich der Gesetzgeber hingegen bewusst für die Regelung oder Nichtregelung eines bestimmten Sachverhalts entschieden, sind die Gerichte nicht befugt, sich über diese gesetzgeberische Entscheidung durch eine Auslegung der Vorschrift gegen ihren Wortlaut hinwegzusetzen (BAG 5. Mai 2010 - 7 AZR 728/08 - Rn. 26, BAGE 134, 233).

(b) Vorliegend ist gerade nicht erkennbar, dass eine planwidrige Gesetzeslücke besteht. Dagegen spricht gerade die explizite Regelung einer Kürzungsmöglichkeit in speziellen Gesetzen. Im Übrigen fehlt es an einer vergleichbaren Interessenlage in den Fällen, in denen der Arbeitgeber mit seinem Arbeitnehmer vertraglich das Ruhen des Arbeitsverhältnisses vereinbart, im Vergleich zu den von § 17 BEEG und § 4 ArbPlSchG erfassten Fällen. Der Arbeitgeber kann im Fall der Elternzeit und den in im ArbPlSchG geregelten Fällen nicht darauf Einfluss nehmen, ob das Arbeitsverhältnis zum Ruhen kommt.

(c) Da eine Analogie ausscheidet, bedarf es auch keiner Entscheidung, ob die gesetzlichen Kürzungsmöglichkeiten überhaupt im Einklang mit der Richtlinie 2003/88/EG stehen.

(4) Auch die Kürzungsregel in § 26 Abs. 2 Buchst. c TVöD-AT steht der Abgeltung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs nicht entgegen. Nach dieser tariflichen Vorschrift vermindert sich die Dauer des Erholungsurlaubes einschließlich eines etwaigen Zusatzurlaubes für jeden vollen Kalendermonat des Ruhens des Arbeitsverhältnisses um 1/12. Diese Vorschrift ist aber nur anwendbar auf den über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgehenden tariflichen Urlaubsanspruch. Denn die Dauer des gesetzlichen Mindesturlaubs darf wegen § 13 Abs. 1 BUrlG durch eine tarifliche Kürzungsregelung wie § 26 Abs. 2 TVöD nicht unterschritten werden. § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG regelt, dass von den Vorschriften des § 1, 2 und 3 Abs. 1 BUrlG nicht durch Tarifvertrag abgewichen werden kann. Es bedarf vielmehr einer gesetzlichen Regelung, die hier fehlt (LAG Schleswig-Holstein 16. Dezember 2012 - 4 Sa 209/10 - Juris-Rn. 37, EzTöD 100 § 26 TVöD-AT Nr. 6).

b) Der Anspruch auf Gewährung von 24 Werktagen Erholungsurlaub für das Jahr 2011 war am 30. September 2011 noch nicht untergegangen, da das Kalenderjahr noch nicht abgelaufen war (vgl. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG). Er ist nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten, weil er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden konnte. Bei dem Abgeltungsanspruch handelt es sich um einen reinen Geldanspruch, der nicht das Merkmal der Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruchs im fiktiv fortbestehenden Arbeitsverhältnis voraussetzt (vgl. zur Aufgabe der sog. Surrogatstheorie in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus gesundheitlichen Gründen weiter an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert ist zB BAG 9. August 2011 - 9 AZR 475/10 - Rn. 34 mwN, DB 2012, 122). Es besteht keine Rechtfertigung, den Urlaubsabgeltungsanspruch rechtlich unterschiedlich zu behandeln, je nachdem, ob der Arbeitnehmer bei Beendigung weiterhin aus gesundheitlichen Gründen an der Arbeitsleistung gehindert ist oder nicht. § 7 Abs. 4 BUrlG normiert selbst ein solches Erfordernis nicht. Im Übrigen steht im vorliegenden Fall auch kein Leistungshindernis dem Abgeltungsanspruch entgegen. Die Ruhensvereinbarung endete mit Wirkung zum 30. September 2011.

3. Die Klägerin kann von der Beklagten einen Bruttobetrag in Höhe von 1.949,90 Euro verlangen. Da die Klägerin im Jahr 2011 keine Vergütung von der Beklagten bezog, ist für die Berechnung der Urlaubsabgeltung vorliegend auf die Vergütung abzustellen, die die Klägerin in den letzten dreizehn Wochen vor Beginn des Ruhenszeitraums erhielt (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG). Es kann dahingestellt bleiben, ob für die Berechnung der Urlaubsabgeltung lediglich von einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von insgesamt 2.673,09 Euro (vgl. Abrechnung für Dezember 2010) auszugehen ist. Es war ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung für insgesamt 24 Werktage entstanden. Somit errechnet sich mindestens ein Abgeltungsanspruch in Höhe von 1.949,90 Euro brutto. Da jedenfalls die auf ein Kalenderjahr bezogene Urlaubsabgeltungsforderung in einer bestimmten Höhe als einheitlicher Streitgegenstand mit den lediglich unselbständigen "Rechenposten" der offenen Urlaubstage und des hierfür anzusetzenden Entgelts zu verstehen ist, darf das erkennende Gericht grundsätzlich die einzelnen Posten der Höhe nach verschieben, sofern die Endsumme nicht überschritten wird, und dabei - vorliegend beim Ansatz der noch nicht genommenen Urlaubstage - sogar über das Geforderte hinausgehen (vgl. BAG 22. Oktober 2009 - 8 AZR 865/08 - Rn. 30 mwN, DB 2010, 452).

4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286 Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Die Revision wurde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

VorschriftenBUrlG § 1, BUrlG § 7 Abs. 4

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