23.10.2006 · IWW-Abrufnummer 062136
Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 15.11.2005 – I-4 U 12/05
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Düsseldorf
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 15.12.2004 - 11 0247/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betra-ges abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gem. § 540 I Nr.1 ZPO Bezug genommen.
In Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens behauptet die Klägerin, der Zeuge M. habe in einem beleuchteten Abteil gesessen. Weitere Änderungen oder Ergänzungen des beiderseitigen Tatsachenvortrags sind in der Berufung nicht erfolgt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 15.12.2004 - 11 0247/03 - zu verurteilen, an sie 38.612,76 ? nebst Verzugszinsen hieraus i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 18.04.2003 zu zahlen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Entschädigung in Gestalt einer neuen Herrenarmbanduhr der Marke C., Modell "P." mit Brillianten zu leisten sowie Verzugszinsen i.H.v. 5 % aus 38.612,78 ? seit dem 18.04.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das von der Klägerin selbst behauptete Verhalten des Zeugen M. in objektiver und subjektiver Hinsicht den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit rechtfertigt.
Ein Herbeiführen des Versicherungsfalles i.S.v. § 61 WG liegt nach der Rechtsprechung des BGH vor, wenn der Versicherungsnehmer durch sein Verhalten - Tun oder Unterlassen - den als vertragsgemäß vorausgesetzten Standard an Sicherheit gegenüber der Diebstahlsgefahr deutlich unterschritten hat. Dabei geht der BGH weiterhin davon aus, dass z.B. die Gefahr eines Diebstahls aus einem Pkw erfahrungsgemäß deutlich erhöht ist, wenn im Innenraum eines Pkw stehlenswert erscheinende Gegenstände von außen sichtbar liegen. Denn das veranlasse den potentiellen Täter leichter, in das Wageninnere einzudringen und diese Gegenstände zu entwenden, so dass bei einem solchen Zurücklassen von Gegenständen durch den Versicherungsnehmer unter Umständen, die nach Örtlichkeit, Tageszeit und ähnlichem einen Diebstahl nahelegen, regelmäßig von einem Unterschreiten des vereinbarten Sicherheitsstandards auszugehen sei (vgl. BGH NJW-RR 1989, 213 (214)).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist auch hier ein deutliches Unterschreiten des vorausgesetzten Sicherheitsstandards durch den Zeugen M. festzustellen. Bei der von ihm getragenen Uhr handelte es sich um einen auf den ersten Blick als stehlenswert erscheinenden Gegenstand. Die Uhr war in ihrer Erscheinung auffällig und erkennbar wertvoll. Dadurch, dass sie unbedeckt und nach dem Vorbringen der Klägerin vom Zeugen M. an dem Arm getragen wurde, der dem Gang zugewandt war, musste sie jedem, der das Zugabteil passierte und hinein blickte, ins Auge fallen. Dass es im Abteil dunkel war, so dass die Uhr hierdurch den Blicken Dritter entzogen war, hat die Klägerin nicht behauptet. Ohne den Vortrag, der Zeuge M. habe das Licht im Abteil gelöscht oder ein bereits verdunkeltes Abteil betreten, war aber bereits in erster Instanz von einem beleuchteten Abteil auszugehen, da eine solche Beleuchtung in Zügen der D. B. das Übliche ist. Ins Auge fallen musste einem das Abteil des Zeugen M. passierenden Dritten auch, dass sich der allein im Abteil befindliche Zeuge M. ersichtlich längerfristig dem Schlaf hingegeben hatte. Er hatte sich hierzu eine Art Liegestatt errichtet und, wie er in der Verhandlungsniederschrift vom 09.07.2002 selber angegeben hat (Bl.84 Mitte GA und Bl.87 unten GA), das Jackett ausgezogen und als "Kopfkissen" benutzt. Dieses Verhalten ist dem oben genannten Zurücklassen eines wertvollen Gegenstandes vergleichbar. Der Zeuge hatte sich erkennbar der Möglichkeit begeben, einen drohenden Diebstahl rechtzeitig zu bemerken und hierauf zu reagieren. Das eine solche offensichtliche Wehrlosigkeit den Täter wesentlich leichter veranlasste, den Diebstahlsentschluss zu fassen, als wenn er Widerstand des Zeugen M. hätte erwarten müssen, liegt auf der Hand.
Dieses Fehlverhalten ist auch subjektiv unentschuldbar. Der Zeuge hat das Nächstliegende außer acht gelassen, was jedem in der gegebenen Situation einleuchtet. Dass eine nächtliche Zugfahrt allein in einem Abteil nicht ungefährlich ist, ist allgemein bekannt. Der Zeuge M. wusste, dass er einen Gegenstand von erheblichem Wert am Arm trägt. In dieser Situation hat er unverständlicher Weise nichts getan, um seinen Schlaf nicht auf den ersten Blick erkennbar zu machen und die Uhr während seines Schlafes zu sichern. Im Gegenteil hat er nach eigenem Bekunden in der Verhandlungsniederschrift vom 09.07.2002 sogar das vorher demgemäß getragene - Jacket erst ausgezogen, um es sich kissenartig unter den Kopf zu legen. Zuvor war der Arm also - trotz der behaupteten hohen Temperaturen - bedeckt gewesen, wodurch auch die Uhr nicht so auffällig ins Blickfeld gerückt war wie auf einem nackten Arm. Auch einfache Möglichkeiten, die Uhr den Blicken der den Gang passierenden Dritten mehr zu entziehen, hat er nicht genutzt, etwa dadurch, dass er sich so hinsetzte, dass der Arm mit Uhr zum Fenster statt zum Gang zeigte, oder dadurch, dass er die Uhr zum Schlaf an den dem Gang abgewandten Arm legte. Schließlich hätte er tun liehst alles vermeiden müssen, was in dieser Situation einen über bloßes Einnicken hinausgehenden tiefen Schlaf begünstigte, also das Herstellen einer Liegefläche und das bequeme Betten des Kopfes. Nur durch einen solchen tiefen Schlaf ist es erklärlich, dass der Zeuge weder das Sich-Nähern eines Dritten noch das Öffnen des Schnappverschlusses des Uhrarmbandes noch das Abstreifen der Uhr bemerkt haben will.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision, § 543 Abs. 2 ZPO, sind nicht gegeben.
Berufungsstreitwert: 38.612,76 ?.
K. Dr. R. S.