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· Fachbeitrag · Behandlung

Parodontitis stoppen ‒ neue PAR-Richtlinie verbessert die Behandlung

von Beate Schulz-Brewing, ZMF, Kiel

| Die Karies ist in Deutschland weiterhin rückläufig. Trotzdem erleiden immer noch zunehmend viele Menschen Zahnverlust durch unerkannte und unbehandelte Zahnbetterkrankungen. Das Problem ist seit Langem bekannt und führte dazu, dass ein neues „PAR-Versorgungskonzept“ erarbeitet wurde. Das Konzept wurde im Herbst 2017 vorgestellt und bietet neue Ansätze, um die PAR-Behandlung von GKV-Versicherten zu verbessern. Es folgen einige Tipps zum Thema „Parodontitis stoppen“ vor dem Hintergrund des neuen Konzepts. |

Volkskrankheit Parodontitis

Aus Untersuchungen weiß man, dass 50 Prozent der jungen Erwachsenen erkrankt sind. Bedingt durch den demografischen Wandel wird es immer mehr Senioren geben, die unter entzündlichen Zahnbetterkrankungen mit Zahnverlust leiden. Bei der Parodontitis handelt es sich weiterhin um eine „Volkskrankheit“, die lebenslang behandelt werden muss.

 

Das Problem: Der entzündliche Abbau des Kieferknochens wird aufgrund des oft schmerzfreien und schleichenden Verlaufs nicht wahrgenommen. Auch die Begleiterscheinungen wie Zahnfleischbluten, Zahnlockerungen, freiliegende Zahnhälse und Mundgeruch werden von vielen ignoriert und nicht konsequent behandelt.

 

PRAXISHINWEIS | Jeder betroffene Patient muss intensiv über seine Erkrankung aufgeklärt werden und akzeptieren, dass er aktiv mitwirken muss. Denn ohne eine intensive häusliche Mitarbeit und ohne regelmäßige Professionelle Zahnreinigungen ist ein Aufhalten des Zahnbettabbaus nicht möglich. Auch müssen betroffene Patienten ggf. über eigenes schädliches Verhalten (Rauchen, falsche Ernährung etc.) aufgeklärt werden. Eine wirkungsvolle Parodontaltherapie sollte deshalb unbedingt aus mehreren Bausteinen bestehen.

 

Das neue PAR-Versorgungskonzept

Den hohen Anforderungen und dem hohen Zeitbedarf kommt jetzt das neue PAR-Versorgungskonzept für die Behandlung von Parodontalerkrankungen bei den GKV-Versicherten entgegen, das im Herbst letzten Jahres von der Zahnärzteschaft verabschiedet wurde. Es erweitert, ergänzt und stützt das bisherige Konzept durch neue Elemente:

 

  • 1. Das Konzept räumt die Möglichkeit zusätzlicher ärztlicher Gespräche in der Planungs- und operativen Phase ein.
  • 2. Der Patient wird während der gesamten Behandlung und darüber hinaus mit einer „Unterstützenden Parodontal-Therapie“ (UPT) begleitet.
  • 3. Es wird ein Bonussystem geben ‒ ähnlich, wie es beim Zahnersatz schon lange eingeführt ist. So soll auch die regelmäßigen Teilnahme an Prophylaxe-Maßnahmen belohnt werden.
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Einen Teil der empfohlenen Therapieschritte enthält der BEMA in seinen Leistungsbeschreibungen. Einige neue Leistungen aus dem Behandlungskonzept sind zurzeit im BEMA nicht abgebildet und somit im Sachleistungskatalog der GKV nicht enthalten. Sie müssen derzeit gemäß den GKV-Regelungen privat vereinbart und nach der GOZ bzw. GOÄ berechnet werden. Dazu zählen z. B. das „Ärztliche Gespräch“ sowie die UPT.

Parodontitis und die Allgemeingesundheit

Warum nun sind diese Maßnahmen so dringend erforderlich und zu begrüßen? Das Wissen über die Entstehung und die Folgen einer parodontalen Erkrankung hat sich in den letzten Jahrzehnten erweitert und gefestigt. Bei einer Parodontitis handelt es sich um eine ernsthafte chronische Erkrankung, die für den gesamten Organismus problematisch werden kann. Die Ursachen für den Zahnbettschwund sind zwar vielseitig und individuell. Es gilt aber inzwischen als gesichert, dass es einen Zusammenhang zwischen der individuellen Mundgesundheit und der Allgemeingesundheit gibt. So bestehen Wechselwirkungen mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes, rheumatischen Erkrankungen und Herzerkrankungen. Auch Schlaganfälle und Schwangerschaftskomplikationen sind bei Patienten mit einer fortgeschrittenen Parodontitis häufiger zu beobachten. Es gelangen Bakterien und Entzündungsstoffe in den Blutkreislauf, die im gesamten Körper Komplikationen entstehen lassen.

Aufklärung ‒ Rauchen ist keine Bagatelle

Neben persönlichen Dispositionen und pathogenen Belägen wie Plaques, Zahnstein und Konkrementen stellt das Rauchen eine Gefahr für die Mundgesundheit dar. Rauchen fördert die Lockerung der Zähne. Tabakrauch enthält die unterschiedlichsten Gifte und krebserzeugenden Substanzen. Das Nikotin führt zu einer Verengung der Blutgefäße und somit zu einer verminderten Durchblutung des Gewebes und hemmt die Abwehrmechanismen.

Ungünstige Ernährung ansprechen

Aber auch eine ungünstige Ernährung muss angesprochen werden. Eine zuckerhaltige, nicht basische Ernährung kann den Krankheitsverlauf fördern. Durch Befragung und das sorgfältige Erheben einer Anamnese kommt man diesen Ursachen auf die Spur. Das Thema „Ernährungslenkung“ wird auch in Zahnarztpraxen immer wichtiger und bietet ein zusätzliches Tätigkeitsfeld für motivierte gut ausgebildete Mitarbeiterinnen.

SBI und PSI ‒ messen und handeln

Zur Feststellung des Schweregrades einer Parodontitis stehen den Fachleuten mehrere Indices zur Verfügung. Dazu gehören Klassiker wie der Sulcus-Blutungs-Index (SBI) und ganz besonders der seit 15 Jahren gebräuchliche PSI-Index, der von den Kassen alle zwei Jahre bezahlt wird und eine gute Diagnostik bietet. Die Ergebnisse sind dem Patienten gut vermittelbar ‒ man kann sehr gut mit ihnen arbeiten und sie zur Motivation nutzen. Es gilt Folgendes:

 

  • Bei einem PSI-Wert von 1 bis 2 sollte unbedingt im Abstand von jeweils sechs Monaten eine PZR durchgeführt werden, um das Fortschreiten der Gingivitis zu verhindern.
  • Liegt ein PSI-Wert von 3 bis 4 vor, ist eine systematische chirurgische Parodontitisbehandlung mit sorgfältiger Nachsorge ‒ UPT und PZR ‒ angezeigt.

UPT und PZR ‒ nur sinnvoll, wenn der Patient mitmacht

Zusätzlich zur etablierten PZR geht die UPT noch darüber hinaus. Sie ergänzt die Therapie durch eine strukturierte Nachsorge und begleitet den Patienten lebenslang. Während der UPT wird der Patient immer wieder dazu angehalten und angeleitet, seine Zähne regelmäßig und richtig zu pflegen. Um eine Parodontitis zu verhindern, sind insbesondere Zahnfleischsaum und Zahnzwischenräume zu säubern. Rückfälle in die immer wieder angewandte „Schrubb-Technik“, die zu Rezessionen und Abrasionen führt, werden verhindert und die Handhabung einer tägliche Zahnzwischenraumpflege mit den richtigen Hilfsmitteln ‒ am besten mit Zahnzwischenraumbürsten ‒ wird gefördert.

Stiefkind Zahnzwischenraumpflege

Die Zahnzwischenraumpflege ist schon bei Kleinkindern und Jugendlichen als kariesprophylaktische Maßnahme unverzichtbar und sollte während jeder IP-Sitzung gezeigt und geschult werden. Bei den Erwachsenen ist häufig die Bereitschaft, Zahnseide zu benutzen, kaum vorhanden oder wird schlichtweg abgelehnt. In den Zahnzwischenräumen sammeln sich jedoch viele Beläge und Speisereste, die man am gründlichsten mit Zahnzwischenraumbürsten (z. B. von Tepe) entfernt, um tiefgehende Entzündungsprozesse zu verhindern.

 

PRAXISHINWEIS | Der Umgang mit den Zahnzwischenraumbürsten muss geschult werden. Die Prophylaxeassistentin sucht die unterschiedlichen Bürstengrößen aus und passt sie den Zwischenräumen an. So wird für den Patienten das Arbeiten mit den Bürsten nach kurzer Zeit Routine. Leidet der Patient unter zurückgezogenem Zahnfleisch und unter Taschen- und Nischenbildung, so ist das Benutzen von Zahnzwischenraumbürsten obligat und täglich durchzuführen.

 

Neue Klassifizierung parodontaler Erkrankungen in Sicht

Das neue erweiterte PAR-Konzept bietet eine deutlich bessere Grundlage für das zahnärztliche Team, in Zukunft Zahnbetterkrankungen noch effektiver zu bekämpfen. Ziel muss es sein, die weit verbreiteten Zahnbetterkrankungen zu erkennen, zu behandeln und insgesamt zurückzudrängen. Die noch in Arbeit befindliche neue Klassifizierung aller parodontalen Erkrankungen wird internationale Gültigkeit haben und somit eine Zusammenarbeit aller Fachleute im Kampf gegen Zahnbetterkrankungen erleichtern und ermöglichen.

Quelle: Ausgabe 03 / 2018 | Seite 2 | ID 45143344