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  • 26.06.2012

    Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 12.01.2012 – 6 K 1917/07

    1. Die Beurteilung der medizinischen Indikation eines ästhetisch-plastischen Eingriffs durch den behandelnden Arzt ist für das Gericht nicht bindend. In Zweifelsfällen muss vielmehr ein Sachverständigengutachten darüber eingeholt werden.

    2. Ein Sachverständigengutachten über die medizinische Indikation eines ästhetisch-plastischen Eingriffs auf der Basis anonymisierter Patientenunterlagen ist für die Feststellung der Voraussetzungen der Steuerbefreiung nicht ausreichend. Das Gericht ist an der Einholung eines Sachverständigengutachtens gehindert, solange keine Einverständniserklärung des betroffenen Patienten vorliegt.


    Tatbestand

    Streitig ist die Umsatzsteuerfreiheit von ästhetisch-plastischen Operationen.

    Die Klägerin betreibt eine Klinik, in der durch approbierte Ärzte vorwiegend ästhetisch-chirurgische Maßnahmen wie Fettabsaugungen, Gesichts-, Hals- und Augenlid-Straffungen, sowie Brustvergrößerungen, -verkleinerungen, und -straffungen durchgeführt werden.

    Ihre Umsätze aus diesen Operationen erklärte die Klägerin als nach § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfreie Umsätze.

    Mit dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid vom 25.09.2003 behandelte der Beklagte die streitigen Umsätze als steuerpflichtig zum Regelsteuersatz. Den dagegen gerichteten Einspruch begründete die Klägerin zum einen damit, dass die Eingriffe medizinisch indiziert und deshalb steuerfrei seien, und zum anderen, dass es sich bei dem erklärten Betrag um einen Brutto-Betrag handele, aus dem die MwSt heraus zu rechnen sei. Zudem seien noch Vorsteuern zu berücksichtigen. Der Beklagte erließ im Einspruchsverfahren einen geänderten Umsatzsteuerbescheid, mit dem er den Hilfsanträgen der Klägerin stattgab, also die Umsatzsteuer aus dem als steuerfreien Umsatz erklärten Betrag heraus rechnete und die geltend gemachten Vorsteuern berücksichtigte. Im Übrigen wurde der Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 06.06.2007 zurückgewiesen.

    Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, der Beklagte gehe zu Unrecht von steuerpflichtigen Schönheitsoperationen aus; vielmehr handele es sich bei den streitgegenständlichen Leistungen um nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreie Heilbehandlungen.

    Die Anwendung des § 4 Nr. 14 UStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung sei nicht durch § 4 Nr. 16 ausgeschlossen. § 4 Nr. 14 UStG knüpfe an den Beruf an und nicht - wie Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst c) der 6. EG-Richtlinie - an den Ort der Leistungserbringung. Die Klägerin könne sich auf das für sie günstigere nationale Recht berufen. Sie erfülle in beruflicher Hinsicht die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 UStG, da die die Leistungen ausführenden Personen über die ärztliche Berufsqualifikation verfügten; auf die Rechtsform komme es nicht an. Zudem betreibe die Klägerin kein Krankenhaus im Sinne des § 4 Nr. 16 UStG.

    Falls das Gericht gleichwohl die Anwendbarkeit des § 4 Nr. 16 UStG bejahen sollte, werde beantragt, das Verfahren im Hinblick auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren V R 5/08 ruhen zu lassen.

    Die Klägerin betreibe ein Institut für biomedizinische Gesundheit, ganzheitsmedizinische Anwendungen, Vitalisierungsprogramme und Naturheilverfahren. Dabei habe sie im Streitjahr - ausschließlich durch approbierte Ärzte - u.a. Fettabsaugungen, Liftings, Augenlidkorrekturen, Brustveränderungen und laserchirurgische Eingriffe durchgeführt.

    Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin liege im Bereich der Fettabsaugung (über 43%). Das Soft-Lifting mache 26 - 28% aus, die Augenlid-Operationen 15 - 16% und die Brustveränderungen 8%.

    Bei dem Unternehmen der Klägerin handele es sich nicht um eine Schönheitsklinik. Im Gegensatz zu anderen Anbietern führe sie keine rein kosmetisch indizierten Eingriffe durch; vielmehr seien sämtliche Eingriffe medizinisch indiziert. Eine rein kosmetische Motivation akzeptiere die Klägerin nicht als Eingriffsgrundlage; sie führe keine Veränderungen allein aufgrund kosmetischer Wunschvorstellungen durch.

    Dies gelte auch für die Brustkorrekturen. Alle Patientinnen hätten sich in einem Zustand einer Gesundheitsstörung wie z.B. einer psychischen Notsituation befunden, was teilweise in Depressionen, Tablettenmissbrauch, krankhaften Organmanifestationen oder Bulimie zutage getreten sei.

    Die Umsätze der Klägerin würden somit die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien zur Umsatzsteuerbefreiung ärztlicher Leistungen erfüllen.

    Nach § 4 Nr. 14 UStG würden die Umsätze aus einer Tätigkeit als Arzt befreit. Zwar sei die Vorschrift gemeinschaftsrechtskonform einschränkend dahin auszulegen, dass mit dem Begriff „Tätigkeit als Arzt” Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c) der 6. EG-Richtlinie zu verstehen seien. Derartige Heilbehandlungen umfassten nach der Definition des BFH Tätigkeiten, die zum Zweck der Diagnose, der Behandlung und - soweit möglich - der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen für bestimmte Patienten ausgeführt werden. Auch vorbeugende Maßnahmen seien von der Steuerbefreiung umfasst.

    Soweit der Antragsgegner zusätzliche Erfordernisse aufstelle, wie die Überweisung von anderen Ärzten, die Befürwortung durch einen psychiatrischen Facharzt, die Zusage der Krankenkasse oder das Gutachten eines medizinischen Dienstes, stehe dies mit der Rechtsprechung nicht in Einklang.

    Vor dem Hintergrund, dass die Steuerbefreiungsvorschriften des § 4 UStG richtlinienkonform ausgelegt werden müssten, sei die Entlastung der deutschen Sozialversicherungsträger kein tauglicher Prüfungsmaßstab. Zweck der Steuerbefreiung sei vielmehr, die Kosten für Heilbehandlungen zu senken. Entgegen dem Beschluss vom 28.12.2007 - 6 V 1085/07 sei der Tatsache, dass die Kosten vom Sozialversicherungsträger nicht übernommen würden, auch keine Indizwirkung beizumessen (BFH Urteil vom 30.01.2008 - XI R 53/06, BStBl II 2008, 647). Zwar sei die Übernahme der Kosten durch den Sozialversicherungsträger ein Indiz für eine medizinische Indikation (z.B. Urteil des FG Münster vom 08.12.2009 - 5 K 3452/07 U, Juris), der Umkehrschluss sei jedoch nicht zulässig, wie sich auch aus dem Urteil des FG Münster vom 08.10.2009 - 5 K 3452/07 U ergebe. Ebenso wie die Fehlsichtigkeit seien auch Adipositas, Ptosis und psychische Erkrankungen anerkannte Krankheiten nach ICD-10. Die Leistungen der Klägerin - insbesondere Fettabsaugungen, Nasenkorrekturen, Brustverkleinerungen und Laserbehandlungen der Haut - dienten der Behandlung dieser Krankheiten, was ausreichend sei. Dies sei belegt durch die vorgelegten Sachverständigengutachten. Zudem habe das FG Münster (a.a.O.) entschieden, dass für den Fall der Behandlung einer Fehlsichtigkeit der Nachweis einer medizinischen Indikation im Einzelfall nicht erforderlich sei; dies gelte für alle nach ICD-10 anerkannten Krankheiten.

    Die Klägerin habe durch Sachverständigengutachten nachgewiesen, dass sie hinsichtlich sämtlicher Umsätze die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung - nämlich die Behandlung von Gesundheitsstörungen - erfülle.

    Zu den Fettabsaugungen sei darauf hinzuweisen, dass nach der Definition der WHO bereits ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 25 Übergewicht vorliege, das zu erhöhten Krankheitsrisiken (Bluthochdruck, Diabetes, Infarkt, Bandscheibenvorfall) führe. Sämtliche von der Klägerin behandelten Patienten seien als fettleibig zu bezeichnen. Zudem besage der BMI allein nichts über die disproportionale Verteilung des Fettgewebes.

    Sämtliche Brustkorrekturen seien bei Patientinnen durchgeführt worden, die sich in einer psychischen Notsituation (Tablettenmissbrauch, krankhafte Organmanifestation) befunden hätten.

    Jedoch auch ohne offensichtliche physische oder psychische Störungen sei eine medizinische Indikation gegeben. Dies folge allein daraus, dass die Bereitschaft eines Patienten, einen operativen Eingriff vornehmen zu lassen, bereits eine schwer wiegende Beeinträchtigung seines Wohlbefindens belege. Eine Studie der Universität Bochum (Anlage 3 zur Klagebegründung, Bl. 48 Prozessakte - PrA -) belege, dass die Neigung zu Depressionen signifikant geringer sei, nach Fettabsaugungen als nach Gewichtsreduktion durch Diät. Der Senat habe diese Studie in seinem Beschluss vom 28.12.2007 - 6 V 1085/07 ignoriert.

    Der Internet-Auftritt der Klägerin sei nicht geeignet, die von der Klägerin nachgewiesenen medizinischen Indikationen zu widerlegen. Es handele sich um eine verkürzte werbliche Darstellung, die nicht für die steuerliche Beurteilung heran gezogen werden könne. Der Internet-Auftritt spiegele nicht die tatsächlich von der Klägerin erbrachten Leistungen wider; die Wortwahl solle vielmehr Menschen ermutigen, gegen ihre Gesundheitsstörungen und psychischen Belastungen vorzugehen. Die mit der Operation einher gehende optische Verbesserung diene als Werbeeffekt, ändere aber nichts an der medizinischen Indikation.

    Rein kosmetisch indizierte Eingriffe würden von der Klägerin nicht vorgenommen; Kunden mit rein kosmetischer Motivation würden nicht akzeptiert. Rein kosmetisch indizierte Behandlungen wie Faltenunterspritzung oder Botox-Behandlungen würden nicht durchgeführt.

    Die von der Klägerin eingeholten Gutachten Dr. H und Dr. B, die sie zum Gegenstand ihres Vortrages mache, belegten eindeutig die medizinische Indikation; die Maßnahmen dienten danach ausschließlich der Behandlung von Gesundheitsstörungen und der Vorbeugung von Krankheiten.

    Aufgrund der vorgelegten Lichtbilder und Patientenunterlagen hätten die Gutachter, die Gesundheitsstörungen ohne weiteres beurteilen können. Die Gutachter selbst hätten diese als ausreichende Beurteilungsgrundlagen angesehen. Zudem seien Patientenbefragungen und Stichproben durchgeführt worden.

    Dr. H habe sein Gutachten ergänzt (Bl. 82 - 87 PrA und Bl. 178 - 192 PrA). Im Ergänzungsgutachten seien die Ergebnisse der von ihm vorgenommenen Einzelauswertungen (Bl. 193 - 217 PrA) zusammengefasst. Das Ergänzungsgutachten habe sein Ergebnis, dass sämtliche begutachteten Behandlungen medizinisch indiziert seien, bestätigt. Durch das Ergänzungsgutachten seien die Einzelnachweise erbracht.

    Soweit die Befunde häufig gleich lautend seien, liege dies an der Spezialisierung der Klägerin; es sei daher nicht sachgerecht, von lediglich formelhaften Wendungen zu sprechen.

    Das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 06.12.2004 Az. 2 K 2588/04 für die Jahre 1991, 1993, 1995 bis 1999 sei für das Streitjahr ohne Aussagekraft, denn es habe sich entscheidend darauf gestützt, dass die Klägerin die medizinischen Indikationen nicht schlüssig dargelegt habe. Genau dies sei für das Streitjahr durch die vorgelegten Sachverständigengutachten geschehen. Deshalb sei auch der Beschluss des BFH vom 22.02.2006, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde abgewiesen worden sei (Az. V B 30/05) ohne Aussagekraft.

    Zudem komme es im Laufe der Jahre zu neuen medizinischen Erkenntnissen, die Auswirkungen auf die Beurteilung, ob eine Heilbehandlung vorliege, hätten. Beispielhaft könne auf die Studie der Universität Bochum verwiesen werden, wonach die Liposuction deutlich positivere Auswirkungen auf Depressionen habe als die reine Gewichtsabnahme.

    Entscheidend für die Annahme einer Heilbehandlung sei allein die Diagnose einer Krankheit oder Gesundheitsstörung und eine darauf bezogene ärztliche Behandlung oder eine vorbeugende Maßnahme. Vor dem Hintergrund der therapeutischen Zielrichtung der Befreiungsvorschrift sei eine weite Auslegung geboten.

    Die von der Klägerin angebotenen Maßnahmen würden generell der Gesundheitsvorsorge dienen und seien bereits unter dem Aspekt der Vorbeugung daher als Heilbehandlung zu qualifizieren.

    Die Diskriminierung der Methoden der Klägerin gegenüber der Behandlung durch Psychotherapeuten würde gegen den Grundsatz der Neutralität und das Recht des Patienten auf freie Wahl der Behandlungsmethode verstoßen. Die Notwendigkeit der gewählten Maßnahme sei kein Kriterium.

    Ungeachtet dessen sei auch das Kriterium der Notwendigkeit in den streitigen Fällen erfüllt. Die operativen Behandlungen hätten der Vermeidung von Folgeerkrankungen und Funktionsstörungen, bzw. der Vermeidung von deren Verschlimmerung gedient. Soweit der Senat in seinem Beschluss vom 28.12.2007 - 6 V 1085/07 darauf abstelle, dass die Beseitigung von Folgen der natürlichen Alterung keine Behandlung eines krankhaften Zustandes sei, müsse darauf hingewiesen werden, dass in anderen Bereichen die Behandlung von Alterserscheinungen steuerfrei sei (z.B. Altersweitsichtigkeit).

    Die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 28.12.2007 - 6 V 1085/07 zur zivilrechtlichen Grundlage einer plastischen Operation seien falsch und ungeeignet, eine medizinische Indikation zu verneinen. Ein Arzt schulde niemals die Heilung des Patienten, weshalb stets ein Dienstvertrag vorliege und nicht ein Werkvertrag.

    Das Urteil des FG Münster vom 08.10.2009 - 5 K 3452/07 U, das die Behandlung von Fehlsichtigkeit mittels Laser betreffe, stütze die Rechtsauffassung der Klägerin. Das FG Münster habe ausgeführt, dass - da es sich bei der Fehlsichtigkeit stets um eine Gesundheitsstörung handele, die Feststellung einer medizinischen Indikation im Einzelfall nicht erforderlich sei. So verhalte es sich auch im Streitfall.

    Da die Rechtslage im Streitjahr nicht eindeutig gewesen sei, könne die Klägerin sich zudem auf Vertrauensschutz berufen. Das EuGH-Urteil vom 14.09.2000 Rs. C-384/98 habe nur ärztliche Gutachten betroffen. Die Finanzverwaltung habe erstmals im Jahr 2002 hierauf reagiert. Erste finanzgerichtliche Rechtsprechung hierzu habe es erstmals im Jahr 2003 gegeben. Unter diesen Umständen müsse der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt werden, die Nachweise der medizinischen Indikation nachträglich zu erbringen, wobei die Auswertung der vorhandenen Unterlagen genügen müsse.

    Hilfsweise sei der Rechtsstreit auszusetzen und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen. Zwar habe der EuGH bereits entschieden, dass „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin” gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c) der 6. EG-Richtlinie einen therapeutischen Zweck haben müssen, jedoch keine besonders enge Auslegung verlangt. Auch vorbeugende Maßnahmen fielen unter die Befreiung. Dennoch komme es in den Mitgliedsstaaten zu einer unterschiedlichen Auslegung der Begriffe. Nach dem Recht beispielsweise der Niederlande, Belgiens und Österreichs falle grundsätzlich auch die kosmetische Chirurgie unter die Befreiung. Diese gegenüber der Rechtsprechung in Deutschland abweichende Beurteilung führe zu einer Ungleichbehandlung, die die Klägerin benachteilige und gegen den Grundsatz der Neutralität verstoße. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c) der 6. EG-Richtlinie sei so auszulegen, dass plastische Operationen bereits dann unter die Steuerbefreiung fallen müssten, wenn ihnen psychische Beeinträchtigungen zugrunde lägen. Den im Beschluss vom 28.12.2007 - 6 V 1085/07 geforderten Nachweis der Notwendigkeit der plastischen Operation verlange der EuGH zu Recht nicht; die Auswahl der Art der Behandlung sei allein Sache des Arztes und des Patienten. Entscheidend für die medizinische Indikation dürfe deshalb allein die Beurteilung des behandelnden Arztes sein. Da das Gericht nicht den notwendigen Sachverstand habe, dürfe es nur in offensichtlichen Fällen von dessen Beurteilung abweichen, bzw. dann, wenn ein anderer Sachverständiger ihn widerlege.

    Die Notwendigkeit einer Vorlage an den EuGH ergebe sich auch aus dem Urteil des EuGH vom 03.12.2009 Rs. C-433/08, DStR 2009, 2593. Aus dem Gebot der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts und dem Gleichheitssatz folge die einheitliche Auslegung autonomer gemeinschaftsrechtlicher Begriffe. Wie sich aus der Sachbehandlung insbesondere in den Niederlanden ergebe, würden die Begriffe nicht einheitlich ausgelegt.

    Die Urteile des EuGH vom 10.06.2010 Rs. C-86/09 Future Health Technologies Ltd. und C-262/08 Copy Gene A/S würden die Rechtsauffassung der Klägerin stützen. Der EuGH habe bestätigt, dass vom Begriff der ärztlichen Heilbehandlung alle Leistungen erfasst würden, die einem therapeutischen Zweck dienend zur Diagnose, Behandlung und soweit möglich Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen sowie zum Zweck der Vorbeugung erbracht würden. Gerade der Begriff der Vorbeugung sei weit auszulegen.

    Weiter hilfsweise werde beantragt, Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

    Hierauf komme es letztlich jedoch überhaupt nicht an, denn nach dem Beschluss des BFH vom 01.07.2010 - V B 62/09 habe die Feststellung, ob bei chirurgisch-plastischen Operationen steuerpflichtige oder --wegen medizinischer Indikation-- steuerfreie Leistungen vorliegen, der behandelnde Arzt unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung zu treffen.

    Ergänzend wird auf die Klagebegründung vom 17.09.2007 nebst Anlagen (Bl. 22 - 67 Prozessakte - PrA -) und die Schriftsätze vom 18.10.2007 (Bl. 76 - 87 PrA), vom 03.01.2008 nebst Ergänzungsgutachten des Dr. H (Bl. 80 - 87 PrA), vom 27.02.2009 (Bl. 89 - 140 PrA), vom 15.05.2009 (Bl. 151 - 218 PrA), vom 22.05.2009 (220 - 261 PrA), vom 22.05.2009 nebst Anlage (Bl. 262 PrA), vom 16.09.2009 (Bl. 286 - 300 PrA), vom 30.11.2009 (Bl. 314 - 322 PrA), vom 29.01.2010 (Bl. 347 - 353 PrA), vom 07.03.2011 (Bl. 730 - 739 PrA) und vom 11.04.2011 (Bl.745 - 749 PrA) Bezug genommen.

    Die Klägerin beantragt,

    den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2002 vom 25. September 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Juni 2007 dahin zu ändern, dass die Veranlagung wie erklärt durchgeführt wird,

    hilfsweise,

    das Verfahren auszusetzen und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1. Fallen ärztliche Leistungen der ästhetisch-plastischen Chirurgie in der Regel unter die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c) der 6. EG-Richtlinie, bzw. nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. c) der MwStSystRL?

    2. Sollte die Antwort auf die erste Vorlagefrage negativ ausfallen: Ab wann und unter welchen konkreten Umständen liegen bei ärztlichen Leistungen der ästhetisch-plastischen Chirurgie „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin im Sinne der Steuerbefreiung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c) der 6. EG-Richtlinie, bzw. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c) MwStSystRL vor und welche Anforderungen sind insoweit an den Nachweis des therapeutischen Zwecks, insbesondere bei psychischen Störungen und Belastungen der Patienten, zu stellen?

    3. Ist die aus Sicht des behandelnden Arztes medizinisch-wissenschaftliche vertretbare Feststellung, dass die von ihm durchgeführte Behandlungsmaßnahme, wie z.B. eine chirurgisch-plastische Operation, der Vorbeugung, den Schutz, der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit gedient hat, der Beurteilung über eine steuerfreie „Heilbehandlung auf dem Gebiet der Humanmedizin” zugrunde zu legen und dürfen deshalb nur in offenkundigen Fällen hieran Zweifel erhoben werden?

    4. Wer trägt sodann die Feststellungslast (Beweislast) für das Vorliegen bzw. das Nichtvorliegen einer „Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin”, d.h. trägt der behandelnde Arzt die Feststellungslast (Beweislast) für das Vorliegen einer solchen Heilbehandlung oder hat die Finanzverwaltung, die den Vortrag und die medizinischen Feststellungen des behandelnden Arztes zum Vorliegen einer Heilbehandlung bezweifelt, nachzuweisen, dass die Voraussetzungen einer Heilbehandlung entgegen dem Vortrag des behandelnden Arztes nicht vorliegen?

    hilfsweise, das Verfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen bzw. zum Ruhen zu bringen bis zur Entscheidung der EU-Kommission über die Petition Nr. 0876/2011 der Deutschen Gesellschaft der Plastische, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen sowie der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen durch Herrn Prof. Dr. Dennis von Heimburg

    hilfsweise, das Verfahren auszusetzen im Hinblick auf den beim Beklagten gestellten Antrag gemäß § 163 AO und das hierzu beim BFH anhängige Verfahren V R 17/09

    weiter hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er trägt ergänzend zur Begründung seiner Einspruchsentscheidung vor, auch für das Streitjahr habe die Klägerin nicht nachgewiesen, dass sämtliche Einzelfälle medizinisch indiziert seien. Vor dem Hintergrund des Internet-Auftritts der Klägerin und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die in Rede stehenden Behandlungen überwiegend aus rein kosmetischen Gründen durchgeführt würden, komme diesen Nachweisen besondere Bedeutung zu. Die Gutachten hätten die medizinischen Indikationen lediglich pauschal ohne konkreten Bezug auf die Einzelfälle festgestellt und seien damit als Nachweise nicht ausreichend.

    Allein Fotodokumentationen seien nicht geeignet, die medizinische Indikation von Fettabsaugungen zu belegen, denn diese könnten nicht widerlegen, dass der Eingriff - angeregt durch den Internet-Auftritt der Klägerin - nur aus kosmetischen Gründen vorgenommen worden sei. Auch die teils sehr knappen Dokumentationen seien nicht ausreichend, um in allen diesen Fällen eine medizinische Indikation zu belegen. Hinzu komme, dass die Kosten durch die Kassen nicht übernommen würden, was ein Indiz gegen eine medizinische Indikation sei.

    Auch die nunmehr vorgelegten Gutachten würden sich auf pauschale, nicht einzelfallbezogene Angaben beschränken; die Grundsätze des Urteils vom 06.12.2004 seien somit anwendbar.

    Die von Prof. Dr. H im Nachhinein gestellten Diagnosen könnten nicht anerkannt werden, zumal der Gutachter selbst bei der Klägerin als Chirurg tätig gewesen sei. Auch bei rein kosmetischen Operationen sei eine Anamnese zu erstellen, denn auch hier bestünden gesundheitliche Risiken. Zudem stehe die Werbung der Klägerin in krassem Gegensatz zu den Ergebnissen des Gutachtens.

    Die von der Klägerin formulierte erste Vorlagefrage sei geklärt; das Hauptziel einer Behandlung müsse therapeutischer Natur sein. Auch könnten bestimmte Maßnahmen nicht generell unter die Befreiung fallen, sondern es komme auf die Einzelfallbetrachtung an. Diese Grundsätze seien auf die ästhetisch-plastische Chirurgie übertragbar.

    Auch die zweite Vorlagefrage sei vom EuGH bereits beantwortet. Es müsse stets im Einzelfall eine medizinische Indikation vorliegen. Soweit es der Klägerin darum gehe, dass diesbezüglich die Beurteilung des behandelnden Arztes zu akzeptieren sei, würden die allgemeinen Beweisregeln im Prozessrecht gelten. Ggf. müsse vom Gericht ein Sachverständiger mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt werden. Unabhängig davon, zu welchem Ergebnis dieser gerichtlich bestellte Gutachter komme, bedürfe es dann keiner Vorlage an den EuGH mehr.

    Nach der Rechtsprechung des EuGH müsse der Schutz der Gesundheit, deren Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung das Hauptziel der ärztlichen Behandlung sein. Hieran fehle es bei Schönheitsoperationen.

    Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen. Der Beklagte habe für das Streitjahr keinen Vertrauensschutztatbestand geschaffen. Nach dem Urteil des EuGH vom 14.09.2000 Rs. C-384/98 sei die Rechtslage eindeutig gewesen. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin sei vom Beklagten bereits mit Schreiben vom 12.04.2001 auf die Steuerpflicht ihrer Umsätze hingewiesen worden. Eine Nachweisführung ab 2002 sei ihr zumutbar gewesen.

    In Rheinland-Pfalz seien keine Erlasse zu dieser Thematik ergangen, so dass das Schreiben des BMF vom 27.05.2003 nicht greife.

    Ergänzend wird auf die Schriftsätze vom 08.10.2007 (Bl. 69 - 74 PrA), vom 02.04.2009 (Bl. 146 - 149 PrA), vom 16.06.2009 (Bl. 264 -267 PrA), vom 21.10.2009 (Bl. 303 - 306 PrA) und vom 11.02.2010 (Bl. 356 - 358 PrA) Bezug genommen.

    Die Klägerin hat den streitigen Umsätzen zugrunde liegende Patientendokumentationen mit vollem Namen der Patienten vorgelegt (Ordner „X GmbH & Co KG 2002”).

    Die Klägerin hat außerdem Einzelgutachten des Prof. Dr. H zu sämtlichen als steuerfrei erklärten Umsätzen vorgelegt (Ordner „Einzelfallprüfungsprotokolle Prof. Dr. H 2002”).

    Das Gericht hat ein Sachverständigengutachten eingeholt. Das Gutachten wurde erstellt von der beim Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung - MDK - beschäftigten Sachverständigen Frau Dr. M (Bl. 395 - 407 PrA). Grundlage des Gutachtens waren drei nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Fälle, die die Berichterstatterin anonymisiert hat, wobei Operationen im Gesicht wegen der fehlenden Möglichkeit, diese so zu anonymisieren, dass eine Identifizierung nicht mehr möglich ist, ausgeschieden wurden.

    Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 07.07.2010 darauf hingewiesen, dass eine nachträgliche Begutachtung von Einzelfällen nur mit Einwilligung der betroffenen Patienten in Betracht kommt.

    Die Klägerin hat zu dem Gutachten Stellung genommen:

    Das von Frau Dr. M erstattete Gutachten sei in vielen Punkten angreifbar, unzutreffend, unzureichend, widersprüchlich und entspreche insgesamt nicht dem Stand der Wissenschaft. Somit sei es für das Verfahren ungeeignet und ungenügend und zu verwerfen.

    Darüber hinaus sei die Qualifikation der Frau Dr. M zu Begutachtung der maßgeblichen Behandlungsmaßnahmen der ästhetisch-plastischen Chirurgie zu verneinen, weil sie keine hinreichende fachliche Kompetenz und praktische Erfahrung als Ärztin auf diesem Gebiet besitze. Dem entsprechend fehlten in dem Gutachten, obwohl geboten, die diesbezüglichen Ausführungen und Nachweise.

    Hierzu verweisen die Prozessbevollmächtigten auf die Stellungnahme der Klägerin (Anlage 1 zum Schriftsatz vom 06.10.2010, Bl. 433 - 488 PrA) sowie die Stellungnahme des Prof. Dr. H zum Gutachten der Frau Dr. M (Anlage 2 zum Schriftsatz vom 06.201.2010, Bl. 489 - 516 PrA).

    Zusammenfassend sei festzustellen:

    Die Gutachterin gehe von einem umsatzsteuerlich falschen Begriff der medizinischen Indikation aus, weil sie die sozialversicherungsrechtliche Erstattungsfähigkeit für maßgeblich halte.

    Durchgehend fehlten die erforderlichen Quellennachweise zu ihren teils fehlerhaften Feststellungen. Beispielhaft könne hierzu auf die Ausführungen zu den Softliftings und zum BMI in den Stellungnahmen der Klägerin und des Prof. Dr. H verwiesen werden. Die Ausführungen der Gutachterin zum BMI stünden bereits im Widerspruch zu den Veröffentlichungen der gesetzlichen Krankenkassen, die - im Einklang mit der WHO - bereits ab einem BMI von 25 eine Behandlungsbedürftigkeit annähmen.

    Trotz seiner Fehlerhaftigkeit bestätige das Gutachten im Wesentlichen den Vortrag der Klägerin.

    Es komme zu dem Ergebnis, dass Behandlungsmaßnahmen der ästhetisch-plastischen Chirurgie nicht nur in Ausnahmefällen medizinisch indiziert seien. Nach den von der Gutachterin zitierten Veröffentlichungen sei von einer sozialversicherungsrechtlichen Erstattungsfähigkeit zu mindestens 25% auszugehen. Anhand der Dokumentationen sei eine nachträgliche Feststellung der medizinischen Indikation möglich.

    Die Klägerin beantrage die erneute Einholung eines Sachverständigengutachtens durch einen geeigneten Gutachter; solche habe sie benannt. Die Gutachterin Dr. M sei aufgrund ihrer Voreingenommenheit, die aus ihren Aufgaben für die gesetzliche Krankenversicherung herrühre, befangen.

    Aufgrund des umfassenden Vortrags der Klägerin und der Belegung durch Sachverständigengutachten sei eine Umkehr der Darlegungslast eingetreten. Der Beklagte müsse die medizinische Indikation in jedem Einzelfall substantiiert widerlegen. Die Klägerin bitte um richterlichen Hinweis, bei welchen Patienten eine medizinische Indikation nach Auffassung des Gerichts zweifelhaft sei, damit sie sich ggf. um die Einholung von Einverständniserklärungen dieser Personen für eine Begutachtung bemühen könne. Alternativ biete sie an, diese vom Gericht benannten Fälle selbst zu neutralisieren.

    Das Gericht hat die Gutachterin Frau Dr. M in der mündlichen Verhandlung als Sachverständige gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.01.2011 Bezug genommen.

    Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung den Abschlussbericht „Forschungsprojekt Schönheitsoperationen: Daten Probleme, Rechtsfragen” vom 31.01.2007, sowie die Studie von Funk und Heine (Med Sach 105 Heft 2/2009, S. 68 ff.) und die Bundestagsdrucksache 16/6779 vom 24.10.2007 übergeben.

    Die Klägerin hat im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 27.01.2011 ergänzend vorgetragen:

    Mit Beschluss vom 01.07.2010 - V B 62/09 habe der BFH entschieden, dass die Feststellung, ob bei chirurgisch-plastischen Operationen steuerpflichtige oder - wegen medizinischer Indikation - steuerfrei Leistungen vorliegen, der behandelnde Arzt unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung zu treffen habe.

    Demzufolge komme es für die Umsatzsteuerbefreiung darauf an, dass der behandelnde Arzt eine therapeutische Zielsetzung im Sinne einer der menschlichen Gesundheit dienenden Maßnahme bejahe. Nach der bereits dargelegten Rechtsprechung des EuGH sei die therapeutische Zweckbestimmtheit nicht in einem besonders engen Sinne zu verstehen, sondern weit auszulegen (vgl. hierzu auch Tehler in UVR 2011, S. 43 ff.).

    Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Tatsache, dass es sich bei der menschlichen Heilbehandlung um einen sich ständig weiter entwickelnden Bereich handele, sei der Begriff der Gesundheit nicht statisch, sondern dynamisch in der Weise auszulegen, dass es aus der Sicht des Arztes um eine medizinisch-wissenschaftlich vertretbare Behandlung zur Vorbeugung, Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit handeln müsse.

    Nur soweit offenkundige Zweifel an der Beurteilung durch den behandelnden Arzt bestünden, bedürfe es einer weiteren Sachaufklärung, wobei es Sache des Finanzamts sei, in jedem Einzelfall darzulegen und ggf. zu beweisen, dass die vom Arzt getroffene Beurteilung nicht vertretbar sei. Denn bei einer berufstypischen Behandlung müsse grundsätzlich von der Steuerfreiheit der ärztlichen Leistung ausgegangen werden, so dass das Finanzamt die objektive Beweislast dafür trage, dass die Leistungen steuerpflichtig sind.

    Entsprechend sei die Handhabung - neben Österreich und den Niederlanden - auch in den europäischen Mitgliedsstaaten England, Frankreich, Italien und Polen. Die gegenteilige - früher vom BFH vertretene - Auffassung, dass der Arzt die Feststellungslast trage, stehe im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht.

    Ausweislich der bereits vorgelegten Patientenunterlagen mit Einzelbegutachtung habe der behandelnde Arzt in diesen Fällen die medizinische Indikation dargelegt.

    Die Klägerin habe in den Streitjahren keine chirurgisch-plastischen Operationen zu anderen als therapeutischen Hauptzwecken durchgeführt. Es hätten also keine Maßnahmen stattgefunden, deren Hauptzweck kosmetische Eingriffe zur Verschönerung des äußeren Erscheinungsbildes gewesen seien.

    Dies werde durch das Zeugnis des Chefarztes der Klägerin, Herrn Dr. X, unter Beweis gestellt.

    Außerdem würden die Fälle, in denen die Klägerin eine Behandlung abgelehnt habe, dokumentiert durch die dem Schriftsatz vom 07.03.2011 beigefügten Anlagen. Es handele sich um 7 Fälle aus dem Jahr 2002 sowie um insgesamt 34 weitere Fälle aus den Jahren 2003 bis 2006. Aus diesen Fällen sei ersichtlich, dass bei fehlender disproportionaler Fettverteilung keine Fettabsaugung durchgeführt werde und dass auch keine Brustvergrößerungen, Augenlidstraffungen, Nasenkorrekturen, Hals- und Wangenliftings, Bauchstraffungen und „Sixpack”-Behandlungen aus rein kosmetischen Gründen erbracht würden. Es handele sich nicht um eine abschließende Auflistung der Fälle, da nicht alle abgelehnten Fälle dokumentiert worden seien. Eine Vielzahl von Anfragen sei durch die „ärztliche Chefassistentin” der Klägerin Frau U. S. telefonisch abgelehnt worden, da offenkundig die Kriterien für eine Maßnahme mit therapeutischer Zielsetzung nicht erfüllt gewesen seien.

    Die Aufteilung der Umsätze belege, dass die Klägerin keine typische Schönheitsklinik betreibe; im Jahr 2003 z.B. habe der Anteil der Brustaugmentationen nur 6,51% betragen, wohingegen der Anteil der Fettabsaugungen bei 43,87% gelegen habe.

    Die Beurteilung der medizinischen Indikationen seien in allen Einzelfällen von Herrn Dr. X vorgenommen worden.

    Ergänzend wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 07.03.2011 (Bl. 730 - 739 PrA) und die dazu eingereichten Anlagen, sowie auf den Schriftsatz vom 11.04.2011 (Bl. PrA) Bezug genommen.

    Der Beklagte hat auf den ergänzenden Vortrag der Klägerin erwidert:

    Der BFH habe mit Urteil vom 07.10.2010 - V R 17/09 bestätigt, dass die Auffassung, Leistungen von Schönheitschirurgen seien ohne Rücksicht auf ihre medizinische Indikation steuerfrei, mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar sei. Der Steuerpflichtige müsse deshalb den Nachweis der medizinischen Indikation führen. Dieser Nachweis könne nicht allein aufgrund der Beurteilung durch den behandelnden Arzt geführt werden.

    Die Sachverständige habe die Vorlage von Fotodokumentationen und weiteren Patientenunterlagen (Aufklärungsbogen, OP-Indikation, körperlicher Untersuchungsbefund, ggf. Funktionstests, Krankengeschichte) zur Beurteilung, ob eine behandlungsbedürftige Gesundheitsstörung vorliege, für erforderlich erachtet. Im Hinblick darauf seien die nunmehr vorgelegten Aufzeichnungen des Herrn Dr. X zur Dokumentation der nicht medizinisch indizierten und nicht behandelten Fälle nicht ausreichend. Im Übrigen sei der Klägerin aufgegeben worden, darzulegen, ob der jeweils behandelnde Arzt in der Klinik der Klägerin unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung die erforderlichen Feststellungen getroffen habe. Diesen Anforderungen entsprächen die nunmehr vorgelegten Unterlagen nicht. Zudem erscheine die Neutralität bei der Beurteilung durch Herrn Dr. X nicht gewährleistet.

    Es werde ein ergänzendes Sachverständigengutachten durch Frau Dr. M dazu beantragt, ob in den drei exemplarisch vorgelegten Fällen eine medizinische Indikation vorliege.

    Im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 14.04.2011 trägt die Klägerin vor:

    Zwar komme es bei der Prüfung der Umsatzsteuerfreiheit grundsätzlich auf jeden einzelnen Umsatz an. Die damit gebotene Einzelfallüberprüfung sei jedoch anhand von anonymisierten Patientenunterlagen möglich. Die Klägerin habe den Nachweis der medizinischen Indikation in jeden Einzelfall bereits erbracht. Sie habe diese durch die Gutachten des Dr. H belegt. Zudem habe sie nachgewiesen, dass der behandelnde Arzt Herr Dr. X in jedem Einzelfall die medizinische Indikation geprüft und nur dann bejaht habe, wenn der Eingriff der Behandlung, Vorbeugung und/oder Beseitigung einer Krankheit oder Gesundheitsstörung gedient habe. Die Beurteilungen durch Herrn Dr. X seien zutreffend, zumindest jedoch medizinisch vertretbar.

    In einer Reihe von Fällen sei eine Heilbehandlungsmaßnahme sogar unstreitig. So sei z.B. die Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Streitjahre zu dem Ergebnis gelangt, dass in einigen Fällen eine medizinische Indikation der Behandlungen auch dem medizinischen Laien ins Auge springe (vgl. Stellungnahme vom 15.2.2006, Bl. 34/UStSopr-Abschluss PA).

    Da die Einzelfallprüfung aufgrund anonymisierter Patientenunterlagen - wie sich aus der Aussage der Gutachterin Dr. M im Termin vom 27.01.2011 ergeben habe - möglich sei, sei das Verlangen der Zustimmung der Patienten unzulässig. In jedem Fall sei das Verlangen jedoch unverhältnismäßig.

    Auch im Rahmen des § 76 FGO gelte, dass jedes Verlangen zur Mitwirkung des Steuerpflichtigen bei der Sachaufklärung im Einzelfall geeignet, erforderlich und zumutbar (verhältnismäßig ieS) sein müsse (vgl. BFH VIII R 78/05 vom 28.10.2009, BStBl. II2010,455; III R 66/91 vom 15.09.1992, BFH/NV 1993,76; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 76 FGO Tz. 69 ff. (Oktober 2006), jeweils mwN). Nicht geeignet sei ein Mitwirkungsverlangen, wenn damit das Ziel der Sachverhaltsaufklärung nicht erreicht werden könne, weil es z.B. nicht erfüllbar sei. Dies sei hier bereits deshalb der Fall, weil es aufgrund der seit dem Streitjahr 2002 verstrichenen Zeit der Klägerin unzumutbar sei, sämtliche Patientenzustimmungen einzuholen. Eine nennenswerte Zahl der Patienten sei nicht mehr erreichbar, z.B. weil sie bereits verstorben oder unbekannt verzogen seien oder durch Heirat ihren Namen geändert hätten. Darüber hinaus sei das Mitwirkungsverlangen, für jeden Einzelfall eine Patienteneinverständniserklärung zur Begutachtung vorzulegen, auch deshalb unzumutbar, als nach den bisherigen Erfahrungen der Klägerin - und auch der allgemeinen Lebenserfahrung - feststehe, dass nicht sämtliche Patienten ihre Zustimmung hierzu erteilen würden.

    Nicht erforderlich seien Mittel, die das erforderliche Maß überschreiten, weil auch ein weniger eingreifendes Mittel zur Sachaufklärung ausgereicht hätte (Grundsatz des geringst möglichen Eingriffs). Ausweislich der bisherigen Beweisaufnahme und der Sachverständigenaussage der Frau Dr. M bedürfe es einer Patientenzustimmung (grundsätzlich) nicht. Anonymisierte Patientenunterlagen reichten demnach als weniger eingreifende Mittel im Streitfall zur Sachaufklärung aus.

    Unzumutbar, weil unverhältnismäßig i.e.S., sei die Mitwirkung, wenn sie für den Betroffenen Nachteile auslösen würden, die außer Verhältnis zu dem erwartenden Erfolg der Sachaufklärung stünden oder weil das Mitwirkungsverlangen den Betroffenen in seiner Eigensphäre überfordere z.B. durch Verletzung der Intimsphäre und Persönlichkeitsrechten. So liege der Fall hier: Das Herantreten an sämtliche Patienten der Streitjahre berge die erhebliche Gefahr eines massiven Reputationsverlusts der Klägerin mit der Folge, dass ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet sei. Das Herantreten an sämtliche Patienten für eine Begutachtung durch Dritte würde das vertrauensvolle, zur Verschwiegenheit verpflichtete und grundrechtlich geschützte Arzt-Patienten-Verhältnis empfindlich stören. Eine solche „Störung” in einem sehr sensiblen Intimbereich würde die Gewissheit der Patienten in die Verschwiegenheit des Arzt-Patienten-Verhältnisses, konkret gefährden. Nach der Rechtsprechung seien Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte aus Berufsverschwiegenheitspflichten nach §§ 102 Abs. 1 Nr. 3,104 Abs. 1 AO zu beachten. Im Grundsatz könne daher nur die Vorlage von Unterlagen in neutralisierter Form verlangt werden (vgl. BFH VIII R 78/05. aaO, mwN).

    Dem folge z.B. auch das Niedersächsische Finanzgericht in einem weiteren, parallel gelagerten Verfahren zur ästhetisch-plastischen Chirurgie (Aktenzeichen 16 K 10148/07). Dort sei lediglich auf Grundlage anonymisierter Patientenunterlagen ohne das Erfordernis einer Einverständniserklärung der hiervon betroffenen Patienten ein Sachverständigengutachten für die Einzelfallbegutachtung vom zuständigen Senat in Auftrag gegeben worden (Beweisbeschluss vom 28.01.2011). Das Niedersächsische FG habe somit entschieden, dass der Nachweis des therapeutischen Hauptzwecks ärztlicher Leistungen der ästhetisch-plastischen Chirurgie durch die Begutachtung anonymisierter Patientenunterlagen möglich und rechtlich zulässig sei. Diese Form der Beweiserhebung bedürfe nicht der Einwilligung der betroffenen Patienten.

    Aus dem BFH-Beschluss V B 62/09 vom 01.07.2010, UR 2011,13, ergebe sich eindeutig, dass die streitgegenständlichen Umsätze schon deshalb zu befreien seien, da jedenfalls - unstreitig - durch den behandelnden Arzt der Klägerin eine medizinische Indikation bejaht worden sei. Die Richtlinie gebe ausdrücklich eine einfache Anwendung der Steuerbefreiung des Art. 13 Abs. A Abs. 1 Buchst, c der 6. EG-Richtlinie vor. Eine EuGH-Vorlage sei erforderlich, falls die Richtlinie in den Mitgliedstaaten nicht einheitlich ausgelegt und angewendet werde. Das alleinige Abstellen auf die durch den behandelnden Arzt vorgenommene medizinische Indikation sei im vorliegenden Fall auch deshalb geboten, weil eine nachträgliche Einholung von Patientenzustimmungen nicht (mehr) geeignet, erforderlich und der Klägerin auch nicht (mehr) zumutbar sei. Vor allem aber: Die Zustimmung, intime persönliche Bilder und Daten durch Dritte im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens überprüfen zu lassen, obliege allein den Patienten. Es könne daher nicht ernsthaft allein auf dessen Einverständniserklärung ankommen, damit die Klägerin die Umsatzsteuerbefreiung ärztlicher Leistungen in Anspruch nehmen könne. Der jeweils behandelnde Arzt wäre ansonsten bei jeder Behandlungsmaßnahme de facto gezwungen, die Zustimmung des Patienten einzufordern oder im Falle der fehlenden Zustimmung Umsatzsteuer auf die Behandlungsmaßnahmen zu erheben. Letzteres solle aber durch die Umsatzsteuerbefreiung gerade vermieden werden, weil der Zweck der Befreiungsvorschrift nach der EuGH-Rechtsprechung gerade darin liege, die Behandlungskosten zugunsten der Patienten unter Wahrung ihrer vollen, grundrechtlich verbürgten Patientenrechte zu senken. All dies zeige, dass die Gewichtung des BFH-Beschlusses zutreffend sei: Ob eine Behandlungsmaßnahme medizinisch-wissenschaftlich vertretbar und eine medizinische Indikation gegeben sei, obliege der Entscheidung des behandelnden Arztes. Im Zweifel sei die Umsatzsteuerbefreiung materiell-rechtlich darauf ausgelegt, dem Patienten die Behandlung ohne Kosten erhöhende Umsatzsteuer zukommen zu lassen. Nur in den Fällen, in denen offenkundig ein anderer als ein therapeutischer Zweck im Vordergrund stehe, sei die Umsatzsteuerbefreiung zu versagen.

    Das Verlangen von Einverständniserklärungen der Patienten sei darüber hinaus auch deshalb rechtswidrig, weil es faktisch unzumutbar, bzw. unmöglich sei. So hätten die bis Ende August 2011 erfolgten Bemühungen der Klägerin gezeigt, dass die Einholung der Einverständniserklärungen praktisch unmöglich sei. Viele Patienten seien wegen Wegzugs, Namensänderung etc. nicht mehr erreichbar. Soweit ein Kontakt habe hergestellt werden können, hätten die Patienten das Ansinnen zurückgewiesen. Zum Teil hätten die Patienten höchst verärgert reagiert. Herr Prof. Dr. X und Frau U. S. könnten dies bestätigen.

    Mit Schriftsatz vom 11.01.2012 legt die Klägerin des Weiteren ein Gutachten des Prof. Dr. iur Wolfram Reiß vor.

    Ergänzend wird auf die Schriftsätze vom 02.05.2011 (Bl. 761 - 773 PrA), vom 30.08.2011 (Bl. 7960 - 8015 PrA), vom 27.09.2011 (Bl. 803 - 854), vom 19.12.2011 (Bl. 875/876 PrA) und vom 11.01.2012 nebst Anlagen (Bl. 878 - 948 PrA) Bezug genommen.

    Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 02.11.2011 anonymisierte Patientenunterlagen für sämtliche Fälle nebst Abrechnungen vorgelegt.

    Der von der Klägerin mit der Erstellung der Einzelgutachten beauftragte Prof. Dr. H hat mit Schriftsatz vom 25.01.2012 (Bl. 962 PrA) dem Gericht mitgeteilt, dass er wegen Nichtbezahlung seiner Honorarrechnung durch die Klägerin seine Autorenrechte geltend mache und das Gericht um Berücksichtigung derselben bitte.

    Gründe

    Die Klage ist nicht begründet.

    Die Umsätze der Klägerin sind nicht gem. § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei.

    1.

    Die Steuerbefreiung der streitigen Umsätze richtet sich im Streitfall nach § 4 Nr. 14 UStG, da es um Umsätze eines Arztes geht, der eine Klinik betreibt (BFH Urteil vom 18.08.2011 - V R 27/10).

    Nach § 4 Nr. 14 UStG in der für die Streitjahre gültigen Fassung sind u. a. die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt von der Umsatzsteuer befreit.

    Die nationale Vorschrift des § 4 Nr. 14 UStG beruht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG (so auch die Regierungsbegründung zu § 4 Nr. 14 UStG). Die Bestimmung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c lautet:

    „(1) Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedsstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:



    c) die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedsstaat definierten ärztlichen oder arztähnlichen Berufe erbracht werden.”

    1.1.

    Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c) der 6. EGRL ist nach der Rechtsprechung des EuGH dahin gehend auszulegen, dass medizinische Leistungen, die nicht in der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung bestehen, nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen; befreit sind nur diejenigen Leistungen, deren Zweck der Schutz der menschlichen Gesundheit ist; die befreiten Leistungen müssen der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung dienen (EuGH-Urteile vom 14. September 2000 - Rs. C-384/98 - in Slg. 2000, I-6795, UR 2000, 432; vom 6. November 2003 Rs. C-45/01, Christoph-Dornier-Stiftung für Klinische Psychologie, UR 2003, 584 Randnr. 48; vom 20. November 2003 Rs. C-212/01, Margarete Unterpertinger, UR 2004, 70; vom 20. November 2003 Rs. C-307/01, Peter d'Ambrumenil, UR 2004, 75). Dieser Auffassung hat sich auch der BFH in seiner Entscheidung vom 15. Juli 2004 (V R 27/03, BStBl II 2004, 862) angeschlossen.

    Demnach fallen - u.a. - nicht unter die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG:

    anthropologisch-erbbiologische Untersuchungen im Rahmen eines Vaterschaftsprozesses (EuGH in Slg. 2000, I-6795, UR 2000, 432),

    die Erstellung eines Gutachtens zum Gesundheitszustand einer Person im Rahmen eines Verfahrens wegen Gewährung einer Invaliditätspension (EuGH-Urteil in UR 2004, 70),

    die Erstellung von ärztlichen Gutachten im Anschluss an solche Untersuchungen sowie die Erstellung von Gutachten auf der Grundlage von Arztberichten ohne Durchführung ärztlicher Untersuchungen (EuGH-Urteil in UR 2004, 75)

    die Entnahme, Beförderung und Analyse von Nabelschnurblut sowie die Lagerung der in diesem Blut enthaltenen Stammzellen, wenn die ärztliche Heilbehandlung, mit der diese Tätigkeiten nur eventuell verbunden sind, weder stattgefunden noch begonnen hat, noch geplant ist (EuGH-Urteil vom 16.06.2010 Rs. C-262/08 Copy-Gene).

    Heilbehandlungen i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG sind Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung (EuGH-Urteil Kügler in UR 2002, 513 RandNr. 40), Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden. Die befreiten Leistungen müssen der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung dienen (EuGH-Urteile in UR 2003, 585 RandNr. 48; vom 20. November 2003 Rs. C-212/01, Margarete Unterpertinger, UR 2004, 70; vom 20. November 2003 Rs. C-307/01, Peter d'Ambrumenil, UR 2004, 75; BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 27/03, BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862). Auch wenn das für die Steuerbefreiung maßgebliche Erfordernis der therapeutischen Zweckbestimmung unter Berücksichtigung des Zwecks der Steuerbefreiung, die Kosten ärztlicher Heilbehandlungen zu senken, nicht in einem besonders engen Sinne zu verstehen ist, fallen danach nicht unter die Befreiung solche Tätigkeiten, die nicht Teil eines konkreten, individuellen, der Diagnose, Behandlung, Vorbeugung und Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienenden Leistungskonzeptes sind.

    1.2.

    Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe i.S. des § 20 SGB V, die keinen unmittelbaren Krankheitsbezug haben, weil sie lediglich „den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen” sollen (§ 20 Abs. 1 Satz 2 SGB V), sind dagegen grundsätzlich keine nach § 4 Nr. 14 UStG befreiten Heilbehandlungen (BFH Urteile vom 07.07.2005 - V R 23/04, BStBl II 2005, 904, vom 30.04.2009 - V R 6/07, BStBl II 2009, 679, vom 26.08.2010 - V R 5/08 und vom 18.08.2011 - V R 27/10).

    Da der nationale Gesetzgeber mit § 4 Nr. 14 UStG nur die Richtlinienvorschrift des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL umsetzen wollte, werden medizinisch nicht indizierte Eingriffe nicht in Ausübung der heilkundlichen Tätigkeit erbracht und sind nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers nicht nach § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuer befreit.

    Eine Heilbehandlung liegt regelmäßig vor, wenn der Sozialversicherungsträger im Regelfall diese Art von Behandlung finanziert (BVerfG 2 BvR 1264/90; BFH Urteil vom 13.04.2000 - V R 78/99, Urteil vom 11.11.2004 - V R 34/02).

    Diese Voraussetzung ist im Streitfall jedoch nicht erfüllt.

    Es ist aber nicht zwingend steuerschädlich, wenn die gesetzlichen Krankenkassen nicht zur Übernahme der Kosten der Therapie verpflichtet sind (BFH Urteil zu Hippotherapie vom - 30.01.2008 - XI R 53/06, BStBl II 2008, 647). Denn im Gegensatz zu den einschlägigen sozialrechtlichen Bestimmungen, bei denen es um die Frage geht, ob ein Einzelner auf Kosten der Allgemeinheit einen (Mindest)anspruch auf bestimmte Heilmittel hat, verfolgt § 4 Nr. 14 UStG einen anderen Zweck: Dieser besteht darin, ganz allgemein die Kosten der Heilbehandlung zu senken und diese Behandlungen dem Einzelnen zugänglicher zu machen (EuGH-Urteil in Slg. 2003, I-12911, BFH/NV 2004, Beilage 1, 40, Randnr. 43; BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2004 V R 54/03, BFHE 207, 558, BStBl II 2005, 106). Der EuGH hat darüber hinaus ausdrücklich hervorgehoben, dass der bloße Umstand der fehlenden (vollständigen) Kostenübernahme durch die Träger der Sozialversicherung keine unterschiedliche Behandlung der Leistungserbringer in Bezug auf die Mehrwertsteuerpflicht rechtfertigt (EuGH-Urteil in Slg. 2003, I-12911, BFH/NV 2004, Beilage 1, 40, Randnr. 75; bestätigt mit EuGH Urteil vom 10.06.2010 Rs. C-262/08 Copy Gene, UR 2010 S. 526 ff.).

    Vor diesem Hintergrund ist die Frage der Kostenerstattung durch die Sozialversicherungsträger kein geeignetes Abgrenzungskriterium zum Begriff der Heilbehandlung i.S. von § 4 Nr. 14 UStG. Der BFH hält demnach bei richtlinienkonformer Auslegung nicht mehr an der Beurteilung durch das BVerfG fest. Er geht vielmehr insoweit von einer Heilbehandlung aus, als aufgrund ärztlicher Indikation eine entsprechende ärztliche Verordnung für eine Hippotherapie vorliegt.

    Der BFH hat mit Urteil vom 15.07.2004 - V R 27/03 (BStBl II 2004, 862,BFHE 205, 471) entschieden, dass es für die Umsatzsteuerfreiheit von Schönheitsoperationen nach § 4 Nr. 14 UStG 1993 nicht ausreicht, dass die Operationen nur von einem Arzt ausgeführt werden können, vielmehr müssen sie der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung und damit dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen. Die gebotene enge Auslegung des autonomen gemeinschaftsrechtlichen Begriffs der Heilbehandlung gebietet danach, dass nur diejenigen Leistungen steuerbefreit sind, deren Zweck der Schutz der menschlichen Gesundheit ist.

    Mit Beschluss vom 18.02.2008 - V B 35/06 (BFH/NV 2008, 1001, Juris) hat der BFH bestätigt, dass - wenn eine ärztliche Leistung in einem Zusammenhang erbracht wird, der die Feststellung zulässt, dass ihr Hauptziel nicht der Schutz der Gesundheit ist - die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1999 und 2005 bzw. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie auf diese Leistung keine Anwendung findet.

    1.3.

    Bei dem Begriff der Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin handelt es sich um einen autonomen gemeinschaftsrechtlichen Begriff.

    Der Begriff der Schönheitschirurgie ist nicht eindeutig definiert.

    Die WHO definiert die Gesundheit als „Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens”.

    Eine Definition des Begriffs der Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin, bei dem es sich um einen autonomen gemeinschaftsrechtlichen Begriff handelt (siehe auch Beschluss des BFH vom 01.07.2010 - V B 62/09, UR 2011, S. 13 und Beschluss vom 24.10.2011 - XI B 54/11) und damit im Ergebnis auch des Begriffs der Gesundheit durch den EuGH ist bisher nicht ausdrücklich erfolgt.

    Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (Beschlüsse vom 18.02.2008 - V B 35/06, vom 01.07.2010 - V B 62/09 und vom 24.10.2011 - XI B 54/11) ist der WHO-Begriff für die Abgrenzung einer medizinischen Indikation zur reinen Schönheitschirurgie nicht maßgeblich.

    In der BT-Drucksache 16/6779 wird die Abgrenzung zu nicht medizinisch indizierten Behandlungen dahin gehend gewählt, dass die Maßnahme „der Verbesserung oder Veränderung von Körperformen durch operative Eingriffe ohne medizinische Notwendigkeit” dient.

    Die Vereinigung der deutschen plastischen Chirurgen versteht unter ästhetischer Chirurgie die Eingriffe, die nicht der Beseitigung einer Erkrankung, sondern der Verbesserung des äußeren Erscheinungsbildes dienen (Küntzel, „umsatzsteuerliche Behandlung von Leistungen der ästhetisch-plastischen Chirurgie” in MedR 2005, S. 346 ff.).

    Der ästhetisch-plastische Chirurg Dr. med. Witzel (Darstellung bei Küntzel, a.a.O.) äußert sich dahin, dass nach seiner Erfahrung nur ein geringer Teil der Personen, die sich einem ästhetisch-plastischen Eingriff unterziehen, die Verbesserung der Schönheit im Visier habe. Bei den meisten Patienten sei die ursächliche Motivation in der psychologischen Indikation zu finden. Medizinisch unstrittig sei, dass die Unzufriedenheit mit dem eigenen Ich und mangelnde Akzeptanz durch Dritte, hervorgerufen durch das Aussehen, auf Dauer organische Schäden auslösen könnten. Werde ein ästhetisch-plastischer Eingriff unter dieser Sicht der Dinge vorgenommen, so erwirke er damit positive Folgen für die Gesundheit und sei medizinisch indiziert. In gleicher Weise äußert sich auch Tehler, „die unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von Schönheitsoperationen in den EU-Mitgliedsstaaten”, UVR 2011, S. 43 ff.)

    Dies deckt sich im Ergebnis mit der Definition der WHO (so auch Tehler a.a.O.). Wer sich operieren lässt, ist unzufrieden mit dem eigenen Körper und hat somit eine Gesundheitsstörung. Der BFH hat dies allerdings mit Beschluss vom 22.02.2006 - V B 30/05 (BFH/NV 2006, 1168, Juris) als einen Zirkelschluss bezeichnet.

    Dass die WHO-Definition nicht maßgeblich sein kann, ergibt sich insbesondere auch aus den - nach Auffassung des Senats völlig überzogenen - Ausführungen von Tehler „Schon wenn die Anordnung von Augen, Nase und Mund vom Schönheitsideal abweichen, hat der Mensch mit Nachteilen zu rechnen, er ist aus dem normalen sozialen Leben ausgeschlossen” und den weiteren Ausführungen „In (fast) allen Fällen will der Patient doch eine medizinische Behandlung, für die er ihm wichtige Gründe hat”, deren Richtigkeit angesichts einer gesellschaftlichen Entwicklung, bei der es Mode geworden ist, Teenagern, deren Persönlichkeit noch völlig unausgereift ist, Schönheitsoperationen zu schenken und durch die extrem untergewichtige Models zum Schönheitsideal werden, bezweifelt werden muss.

    1.4.

    Letztlich muss die Abgrenzung unabhängig davon, welcher Definition man folgt, danach erfolgen, ob im Einzelfall eine medizinische Indikation für den Eingriff vorliegt (BFH Urteil vom 15.07.2004 - V R 27/03; Küntzel a.a.O.).

    Das Zugrunde-Legen des WHO-Begriffes hätte in diesem Zusammenhang lediglich zur Folge, dass eine medizinische Indikation eines ästhetisch-plastischen Eingriffs auch dann zu bejahen wäre, wenn dieser einzig dazu führen soll, dass der mit seinem Aussehen unzufriedene Patient in einen Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens versetzt wird.

    Eine solche Auslegung ist nach Auffassung des Senats, der die EU-Richtlinien selbst auslegen darf, gemeinschaftsrechtlich nicht geboten.

    Auch wenn der EuGH in seinen Urteilen vom 20.11.2003 Rs. C-307/01 und C-212/01 grundsätzlich bestätigt, dass die Steuerbefreiungen als Ausnahmen von dem Grundsatz, dass Dienstleistungen gegen Entgelt der Mehrwertsteuer unterliegen, eng auszulegen sind, macht er in diesen Entscheidungen nachfolgend die Einschränkung, dass eine besonders enge Auslegung in der Weise, dass zwingend eine zu behandelnde Krankheit vorliegen muss, nicht geboten ist, sondern dass vielmehr auch vorbeugende Maßnahmen unter den Begriff der Heilbehandlung fallen. Allerdings verlangt er in jedem Fall einen therapeutischen Zweck (Urteil vom 20.11.2003 Rs. C-212/01 Ziffer 40).

    Dem gegenüber kommen die ärztlichen Leistungen, die zu einem anderen Zweck als dem des Schutzes einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden, nach dieser Rechtsprechung für eine Steuerbefreiung nach Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie nicht in Betracht. Die Belastung dieser Leistungen mit der Mehrwertsteuer steht nämlich im Hinblick auf das Ziel dieser Leistungen nicht im Widerspruch zu dem Zweck, die Kosten ärztlicher Heilbehandlungen zu senken und den Einzelnen den Zugang zu diesen Leistungen zu erleichtern (Urteil vom 20.11.2003 Rs. C-212/01 Ziffer 41).

    Der EuGH geht in Ziffer 58 des Urteils vom 20.11.2003 Rs. C-307/01 (Ambrumenil) davon aus, dass der Begriff der Heilbehandlung auch vorbeugende Maßnahmen umfasst. Aus den nachfolgenden Ausführungen, dass es der Steuerbefreiung nicht entgegen steht, wenn sich herausstellt, dass bei dem Patienten kein krankhafter Zustand vorlag, ist jedoch zu schlussfolgern, dass die Zielsetzung der Maßnahme auf die Behandlung einer Krankheit oder die Vorbeugung einer Krankheit gerichtet sein muss. Dies folgt auch aus den Ausführungen in Ziffer 59 des Urteils, wonach Maßnahmen, die zu einem anderen Zweck als dem Schutz oder der Aufrechterhaltung der Gesundheit erbracht werden, nicht steuerbefreit sind.

    Entsprechend diesen Grundsätzen hat der EuGH für die Entnahme, Analyse und Aufbereitung von Nabelschnurblut sowie die Lagerung von Stammzellen für eine etwaige zukünftige therapeutische Verwendung mit Urteilen vom 10.06.2010 Rs. C-262/08 (Copy Gene) und Rs. C-86/09 (Future Health Technologies) entschieden, dass es sich dabei nicht um eine Krankenhausbehandlung, ärztliche Heilbehandlung oder einen damit eng verbundenen Umsatz handelt, wenn ungewiss ist, ob eine solche Behandlung jemals stattfinden wird, selbst wenn die Maßnahme nur den einen Zweck der Ermöglichung einer solchen Behandlung haben kann.

    Auch wenn der therapeutische Zweck der Prophylaxe mangels Vorliegens einer Erkrankung der betreffenden Person nicht besonders eng zu verstehen ist, so kann doch auf das Merkmal einer drohenden Krankheit nicht verzichtet werden. Dies hat zur Folge, dass die Entnahme und Aufbereitung von Nabelschnurblut zum Zweck der Kryokonservierung diese Voraussetzungen nicht erfüllt, da in den meisten Fällen keine Erkrankung jemals festgestellt werden wird.

    Aus diesen Entscheidungen ist zu folgern, dass nicht alle Leistungen, die der Vorbeugung von Krankheiten dienen, allein deshalb zwingend unter die Steuerbefreiung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b) der 6. EGRL, bzw. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL fallen.

    Die diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Grundsätze sind nach Auffassung des Gerichts übertragbar auf die Steuerbefreiung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c) der 6. EGRL, bzw. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c) MwStSystRL. Da die Anwendung der Steuerbefreiungen der Buchstaben b) und c) sich allein durch den Ort, an dem die Leistung erbracht wird - in einer Einrichtung mit sozialer Zweckbestimmung (z.B. Krankenhaus) oder außerhalb davon (z.B. in einer Arztpraxis) - unterscheidet (z.B. EuGH Urteile vom 06.11.2003 Rs. C-45/01 Dornier und vom 10.06.2010 Rs. C-262/08 Copy Gene), gilt der Grundsatz, dass die Behandlung im Zusammenhang mit einer konkreten Erkrankung oder Vorbeugung einer konkreten Erkrankung erfolgen muss, gleichermaßen.

    Mit Urteil vom 18.11.2010 Rs. C-156/09 hat der EuGH bestätigt, dass die Begriffe, mit denen die in Art. 13 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen bezeichnet sind, nach ständiger Rechtsprechung eng auszulegen sind, da diese Steuerbefreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Die Auslegung dieser Begriffe muss jedoch mit den Zielen in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht. Daher entspricht es nicht dem Sinn dieser Regel einer engen Auslegung, wenn die zur Umschreibung der in Art. 13 genannten Befreiungen verwendeten Begriffe so ausgelegt werden, dass sie den Befreiungen ihre Wirkung nehmen (vgl. u. a. Urteile vom 14. Juni 2007, Haderer, C-445/05, Slg. 2007, I-4841, Randnr. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie CopyGene, Randnr. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    Was insbesondere die Befreiung nach Art. 13 Teil A Buchst. c der Sechsten Richtlinie betrifft, geht aus der Rechtsprechung hervor, dass der Begriff der „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin” Leistungen erfasst, die zur Diagnose, Behandlung und, so weit wie möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen (Urteil CopyGene, Randnr. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zwar müssen die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin einem therapeutischen Zweck dienen, doch folgt daraus nicht zwangsläufig, dass die therapeutische Zweckbestimmtheit einer Leistung in einem besonders engen Sinne zu verstehen ist (Urteil CopyGene, Randnr. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    Dem entsprechend hat der EuGH entschieden, dass das Verfahren der Entnahme von Knorpelmaterial, um daraus Gelenkknorpelzellen herauszulösen, die vermehrt werden, um sie dem Patienten wieder zu implantieren, insgesamt einem therapeutischen Zweck dient. Diese Maßnahme fällt somit unter den Begriff der „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin” im Sinne von Art. 13 Teil A Buchst. c der Sechsten Richtlinie. Eine solche Auslegung steht im Übrigen im Einklang mit dem Zweck dieser Bestimmung, die Kosten ärztlicher Heilbehandlungen zu senken (vgl. Urteil vom 8. Juni 2006, L.u.P., C-106/05, Slg. 2006, I-5123, Randnr. 29).

    Die Rechtsprechung des BFH, wonach für es für die Beurteilung der medizinischen Indikation nicht auf den extrem weiten WHO-Begriff ankommt, steht zu dieser EuGH-Rechtsprechung nicht in Widerspruch. Dies folgt aus den völlig unterschiedlichen Zielsetzungen der WHO und des Art. 13 Teil A Buchst. c) der 6. EGRL.

    Es kommt danach also entscheidend auf die Zweckrichtung der jeweiligen Maßnahme an.

    Wenn eine Maßnahme sowohl gesundheitlichen als auch ästhetischen Zwecken dient, schließt dies die Steuerbefreiung nicht von vornherein aus.

    Dient eine Maßnahme allerdings vorwiegend anderen Zwecken als der Behandlung oder Vorbeugung einer Krankheit, bzw. Gesundheitsstörung, so ist die Steuerbefreiung zu versagen. Dies folgt aus der Formulierung im ersten Leitsatz des Urteils C-307/01, wonach die Steuerbefreiung für ärztliche Leistungen nur dann gilt, wenn diese in erster Linie dem Schutz der Gesundheit dienen, sowie aus den Ausführungen unter Ziffer 60. wonach Schutz, Wiederherstellung oder Aufrechterhaltung der Gesundheit das Hauptziel der Maßnahme sein müssen. Liegt der Hauptzweck nicht im Schutz, der Wiederherstellung oder der Aufrechterhaltung der Gesundheit, dann ist die Leistung auch dann nicht steuerbefreit, wenn sie mittelbar zu diesen Zielen beiträgt, z.B. weil bei der Erstellung eines nicht begünstigten Gutachtens eine Diagnose gestellt oder berichtigt wird (EuGH a.a.O. Nr. 61).

    Bei Umsätzen, denen Leistungen mit begünstigter und nicht begünstigter Zielrichtung zugrunde liegen, ist also Schwerpunkt der Leistung maßgeblich dafür, ob der Umsatz steuerfrei oder steuerpflichtig ist (vgl. auch BFH Beschluss vom 06.09.2011 - V B 64/11, wonach das Hauptziel der Maßnahme der Schutz der Gesundheit sein muss).

    Maßgebend für die Qualifizierung einer Leistung als „heilberufliche Tätigkeit” ist somit das jeweils mit der Leistung verfolgte Ziel. Wird eine solche Leistung in einem Zusammenhang erbracht, der die Feststellung zulässt, dass ihr Hauptziel nicht der Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit ist, findet die Befreiung keine Anwendung. Dass die betreffende Leistung von einer Person erbracht wird, die die für Heilbehandlungen erforderlichen beruflichen Voraussetzungen erfüllt, und dass die Person sich derselben Methoden wie bei Heilbehandlungen bedient, reicht ebenso wenig aus wie der Umstand, dass die mit einem anderen Hauptzweck vorgenommene Tätigkeit zugleich auch zum Schutz der Gesundheit des Betroffenen beigetragen hat (BFH-Beschluss vom 31. Juli 2007 - V B 98/06, BStBl II 2008, 35).

    Nach diesen Grundsätzen führt auch das FG Münster in seinem Urteil vom 08.10.2009 - 5 K 3452/07 U zur Korrektur von Fehlsichtigkeiten durch Laserbehandlungen aus:

    „Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Laserbehandlungen (Lasik-Operationen) nicht nach § 4 Nr. 14 UStG befreit sind.

    Die Fehlsichtigkeit findet sich als katalogisierte Krankheit unter der Klassifizierungsnummer H 54.2 und H 54.5 des ICD-10 Codes (International Classification of Diseases and Related Health Problems). Die Laserbehandlung dient der Beseitigung der Fehlsichtigkeit und führt damit operativ zur Heilung einer Krankheit.

    Anders als die Hilfsmittel „Brille” und „Kontaktlinsen” bietet diese Behandlung eine Heilung der Krankheit. Soweit durch diese Behandlung sich das Tragen der vorgenannten Hilfsmittel erübrigt, mag dies für den einzelnen Patienten u.U. auch einen ästhetischen und kosmetischen Zweck erfüllen. Dieser überlagert aber in keinem Fall den vorrangigen Zweck der dauerhaften Heilung der Fehlsichtigkeit. Ein Vergleich mit medizinisch nicht indizierten Schönheitsoperationen scheidet daher nach Auffassung des erkennenden Senates aus, da diese gerade nicht dem Zweck der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen.

    Der Umstand, dass die Kosten der Lasik-Behandlungen von den Krankenkassen nicht übernommen werden, steht dem vorgenannten Ergebnis nicht entgegen. Zwar stellt die Übernahme der Kosten einer Behandlung im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen ein gewichtiges Indiz für die medizinische Indikation der Behandlung dar. Es kann aber im Umkehrschluss aus einer Nichtaufnahme einer Behandlung in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nicht geschlossen werden, dass eine medizinische Indikation nicht vorliegt. Die Frage der Übernahme von Behandlungskosten - gerade auch bei neuen und kostenintensiven Verfahren - richtet sich nicht in jedem Fall nach der medizinischen Notwendigkeit, sondern ist auch von finanziellen Kostengesichtspunkten beherrscht. So werden medizinisch indizierte Kosten zum Teil auf die Patienten umgelegt (Praxisgebühr, Zuzahlungen bei Medikamenten, Zahnbehandlungen und Hilfsmitteln). Neue und kostenintensive Behandlungsmethoden werden oftmals erst nach geraumer Zeit und einer gerichtlichen Klärung in den Leistungskatalog aufgenommen.

    Entgegen der Auffassung des Beklagten bedurfte es vorliegend auch nicht im Einzelfall eines Nachweises der medizinischen Indikation, denn die Lasik-Operationen dienten allein der Behandlung der Fehlsichtigkeit und damit einer Krankheit.”

    Der Senat folgt diesen Ausführungen.

    Zusammenfassend ist danach Voraussetzung für die Steuerbefreiung,

    dass eine medizinische Indikation im Sinne einer behandlungsbedürftigen Gesundheitsstörung vorliegt,

    dass die durchgeführte Maßnahme der Behandlung dieser Gesundheitsstörung, bzw. der Vorbeugung einer Gesundheitsstörung dient (das folgt aus dem Erfordernis des therapeutischen Zwecks) und

    dass die Behandlung der Gesundheitsstörung, bzw. deren Vorbeugung auch der primäre Zweck der Maßnahme ist.

    2.

    Die objektive Beweislast dafür, dass das Hauptziel der Leistung der Schutz oder die Wiederherstellung der Gesundheit ist, trägt der Steuerpflichtige, der sich auf Steuerbefreiung beruft (BFH Beschluss vom 18.02.2008 - V B 35/06). Danach ist es Sache des Steuerpflichtigen, der sich auf eine Steuerbefreiung beruft, die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür darzulegen.

    Es gibt weder einen Anscheinsbeweis für oder gegen die medizinische Indikation, noch eine Vorprägung.

    Der Senat hatte nach Maßgabe der dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung die medizinische Indikation im Einzelfall festzustellen. Diese Notwendigkeit ist nicht durch den Vortrag der Klägerin, nach den Feststellungen des Herrn Dr. X sei die medizinische Indikation in allen streitbefangenen Fällen gegeben, hinfällig.

    Zwar ist es zutreffend, dass der BFH in seinem Beschluss vom 1. Juli 2010 (V B 62/09, BFH/NV 2010, 2136) zum Ausdruck gebracht hat, dass die Feststellung, ob bei chirurgisch-plastischen Operationen steuerpflichtige oder wegen medizinischer Indikation steuerfreie Leistungen vorliegen, der behandelnde Arzt unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung zu treffen hat. Die Klägerin hat diese Entscheidung - nach Ansicht des Senats zu Unrecht - in der Weise interpretiert, dass für eine Beweiserhebung damit vorliegend kein Raum mehr sei, weil die medizinische Indikation durch die Klägerin bzw. durch Herrn Dr. X auf der Grundlage anerkannter medizinischer Regeln festgestellt worden sei.

    Gegenstand des genannten BFH-Verfahrens war die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen ein Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 20. April 2009 im Verfahren 16 K 393/08, n.v.). Der Kläger hatte dort u.a. die Rechtsfrage aufgeworfen, welcher Gesundheitsbegriff der Feststellung zur Erhebung der Umsatzsteuer zugrunde zu legen ist und wer (behandelnder Arzt, Gutachter, Patient) diese Feststellung zu treffen hat. Der BFH betrachtete diese Rechtsfrage als nicht klärungsbedürftig und führte dazu unter 1.c. der Gründe aus:

    „Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH sind die Steuerbefreiungen des Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen (ständige Rechtsprechung, vgl. EuGH-Urteile Unterpertinger in Slg. 2003, I-13859, BFH/NV Beilage 2004, 111 Rdnr. 34; vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, BFH/NV Beilage 2007, 394, Rdnr. 17). Ob ein bestimmter Umsatz der Mehrwertsteuer zu unterwerfen oder von ihr zu befreien ist, kann folglich nicht davon abhängen, wie der Begriff der Gesundheit durch die Weltgesundheitsorganisation definiert wird (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Februar 2008 V B 35/06, BFH/NV 2008, 1001, unter 4.a, bb).

    Die Feststellung, ob bei chirurgisch-plastischen Operationen steuerpflichtige oder --wegen medizinischer Indikation-- steuerfreie Leistungen vorliegen, hat der behandelnde Arzt unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung zu treffen. Dabei kann im Regelfall von einer medizinischen Indikation ausgegangen werden, wenn die Kosten der Operation von den Sozialversicherungsträgern getragen werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862, unter 3.).”

    Diese Ausführungen, insbesondere die Bezugnahme auf das BFH-Urteil in BFHE 206, 471, machen nach Ansicht des erkennenden Senats deutlich, dass eine Abkehr von den bisherigen höchstrichterlichen Grundsätzen nicht intendiert gewesen ist. In dem in Bezug genommenen Urteil in BFHE 206, 471 hatte derselbe Senat des BFH entschieden, dass es für die Umsatzsteuerfreiheit von Schönheitsoperationen nach § 4 Nr. 14 UStG 1993 nicht ausreiche, dass die Operationen nur von einem Arzt ausgeführt werden könnten, vielmehr müssten sie der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung und damit dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG seien die streitigen Schönheitsoperationen medizinisch nicht indiziert gewesen.

    Der erkennende Senat legt daher die Ausführungen des BFH in BFH/NV 2010, 2136 in der Weise aus, dass vor möglicher Durchführung eines Eingriffs der behandelnde Arzt (bzw. der voruntersuchende Arzt bei entsprechender organisatorischer Aufgabenteilung) in eigener Zuständigkeit und in eigener Verantwortung die medizinische Indikation prüft und dokumentiert. Dies hat allerdings - wenn es, wie vorliegend, zum Streitfall kommt - keine Bindungswirkung für das Finanzgericht als Tatsacheninstanz. Insbesondere die Frage, ob der Arzt die medizinische Indikation „unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung” festgestellt hat (so der V. Senat in BFH/NV 2010, 2136), unterliegt der vollen Überprüfung durch das Gericht. Die Dokumentation des untersuchenden Arztes ist dabei (nur) insoweit von Belang, als diese in die nachträgliche Begutachtung einzufließen hat, sofern die Voraussetzungen für die Durchführung der Begutachtung vorliegen (dazu sogleich unter 4.).

    Der Vortrag der Klägerin, die medizinische Indikation sei durch Herrn Dr. X jeweils festgestellt worden, ist mithin im finanzgerichtlichen Verfahren Parteivortrag und entbindet den Senat nicht davon, jeden einzelnen Fall aufzuklären.

    Die Klägerin hat hiergegen am letzten Tag der mündlichen Verhandlung eingewendet, bei Behandlung anderer Ärzte (Beispiel des Prozessbevollmächtigten: Der Hautarzt entfernt ein Muttermal, das sich als gutartig herausstellt) sei die Feststellung der medizinischen Indikation durch den behandelnden Arzt bindend, weil etwa im Beispielsfall das Mal nicht mehr vorhanden sei und anhand der zuvor gefertigten Bilder postoperativ nicht mehr geklärt werden könne, ob eine medizinische Indikation vorgelegen habe oder es ausschließlich um kosmetische Belange gegangen sei. Niemand könne in einem solchen Fall die Feststellungen des Arztes zur medizinischen Indikation später in Frage stellen.

    Der Senat vermag diesen Einwänden nicht zu folgen. Zutreffend ist allerdings, dass in bestimmten medizinischen Bereichen ein Einzelfallnachweis entbehrlich ist, weil eine bestimmte Behandlungsform immer der Heilung einer Krankheit dient. Bezogen auf das vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin angeführte Beispiel der Entfernung eines Muttermals hat die Maßnahme zwar auch einen kosmetischen Aspekt; die medizinische Indikation liegt aber regelmäßig wegen der Gefahr der Entwicklung von Hautkrebs vor (so z.B. FG Münster, Urteil vom 8. Oktober 2009 5 K 3452/07 U, EFG 2010, 602 zu Lasik-Operationen).

    Solche Fälle waren aber vorliegend nicht Gegenstand des Streitverfahrens. Davon abgesehen muss auch in Fällen der Entfernung von Muttermalen im Einzelfall die medizinische Indikation geprüft werden, wenn sie nicht auf der Hand liegt.

    Die Klägerin begehrt vielmehr die Umsatzsteuerfreiheit für solche Fälle, die sich allesamt im Grenzbereich zwischen kosmetischer und medizinischer Indikation bewegen; es handelt sich in der überwiegenden Zahl der Fälle um Fettabsaugungen, daneben im wesentlichen um Soft-Liftings, Augenlid- und Brustoperationen. Dieses Wirken im vorbeschriebenen Grenzbereich ist von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch mehrfach bestätigt worden. Das wiederum bedeutet nach Ansicht des Senats, dass weder die Feststellung des operierenden Arztes zur medizinischen Indikation im gerichtlichen Verfahren eine Bindungswirkung entfaltet noch, dass ein irgendwie gearteter Anscheinsbeweis in der einen oder in der anderen Richtung besteht. Der Senat hat sich daher im Anschluss an die bisherige Rechtsprechungspraxis in vergleichbaren Fällen zur Klärung der Indikation durch Einzelbegutachtung veranlasst gesehen; eine Art „Stichprobenverfahren” mit Hochrechnungsmöglichkeit kommt damit nicht in Betracht.

    Die Rechtsprechung hat bislang in diesem Zusammenhang auch keinen Anscheinsbeweis zugelassen bzw. angenommen (vgl. nur BFH-Beschluss vom V S 7/06, BFH/NV 2007, 1696). Ein Beweis des ersten Anscheins wird weder durch die Approbation als solche noch durch die ärztliche Feststellung einer medizinischen Indikation begründet.

    3.

    3.1.

    Unter Berücksichtigung der Grundsätze der unter 1. aufgeführten Rechtsprechung ergibt sich für den Streitfall folgende Beurteilung:

    Der erste Eindruck spricht im Falle der Klägerin dagegen, dass das Hauptziel ihrer Leistungen der Schutz oder die Wiederherstellung der Gesundheit ihrer Kunden ist. Dies ergibt sich aus ihrem Internet-Auftritt (www.x-kliniken.de) und den zumindest bis 2007/2008 erfolgten regelmäßigen Werbeauftritten im Sender n-tv, von denen die Berichterstatterin sich einige angesehen hat.

    Den Internet-Auftritt im Jahr 2004 und die Werbung in n-tv hatte der 2. Senat mit zur Grundlage seines Urteils vom 14.12.2004 Az. 2 K 2588/04 gemacht (S. 13 zweiter Absatz des Urteils und entsprechende mündliche Auskunft der damaligen Berichterstatterin).

    Werbung und Internet-Auftritt sprechen speziell Personen an, die sich einen schöneren Körper wünschen, ohne an einer krankhaften Störung zu leiden. Die Werbung vermeidet es gerade, auf die Möglichkeit der Beseitigung eines krankhaften Zustandes hinzuweisen, da dies für den Zweck der Werbung kontraproduktiv wäre. Würden nämlich Personen mit psychischen Störungen angesprochen, so würde die Werbung ihren Zweck verfehlen, weil dies keiner auf sich beziehen möchte. Um erfolgreich zu sein, muss die Werbung also Personen ansprechen, die nicht krank sind.

    Zwar können somit aus der Gestaltung der Werbung durch die Klägerin für diese keine negativen Folgerungen gezogen werden; die logische Folge einer solchen Werbung ist jedoch, dass sich in erster Linie Kunden an die Klägerin wenden, die aus dem angesprochenen Kundenkreis stammen, also nicht an einer Gesundheitsstörung leiden.

    Die Klägerin spricht in ihrem Internet-Auftritt selbst von Schönheitsoperationen und bezeichnet sich selbst als Schönheitsklinik.

    Die Werbemaßnahmen lassen darauf schließen, dass primärer Zweck der angebotenen Maßnahmen nicht die Gesundheitsvorsorge und Behandlung von Krankheiten ist, sondern die Verbesserung des optischen Erscheinungsbildes („Ziel sämtlicher medizinischer Eingriffe und Behandlungsformen ist ein natürliches, vitales, nicht gekünsteltes Erscheinungsbild”, Auszug aus der Imagebroschüre, zum Download als PDF zur Verfügung gestellt).

    Auch die im Antrag auf Vorlage an den EuGH formulierte erste Vorlagefrage spricht dafür, dass die Klägerin selbst nicht von einer medizinischen Indikation sämtlicher von ihr erbrachten Leistungen auf dem Gebiet der plastischen Chirurgie ausgeht, denn bei medizinischer Indikation wäre diese Vorlagefrage nicht erforderlich. Also ist daraus zu schließen, dass auch die Klägerin selbst zwischen medizinisch indizierten Eingriffen und rein ästhetisch-plastischen Operationen differenziert.

    Die Klägerin will mit der Vorlage erreichen, dass ihre Frage in der Weise beantwortet wird, dass bei ästhetisch-plastischen Eingriffen stets eine medizinische Indikation typisierend unterstellt wird, ohne dass es einer Diagnose im Einzelfall bedarf. Hilfsweise möchte die Klägerin erreichen, dass eine medizinische Indikation zumindest vermutet wird und eine Versteuerung nur dann stattfindet, wenn diese Vermutung im Einzelfall widerlegt wird.

    Zu berücksichtigen ist auch, dass der Gegenstand des Vertrages bei ästhetisch-plastischen Operationen gerade nicht die Behandlung/Heilung einer Krankheit ist, sondern die optische Korrektur. Die Operation ist also nicht Mittel der Behandlung, sondern der essenzielle Inhalt der vertraglichen Leistung.

    Hinzu kommt, dass die vorgelegten Fälle angeblich dysproportionaler Fettverteilung bei Betrachtung durch den medizinischen Laien überwiegend dem normalen Körperbau der Frau entsprechen. Soweit aufgrund der Statur psychische Beeinträchtigungen auftreten, liegt die Annahme nahe, dass diese durch ein Schönheitsideal generiert werden, das nicht dem natürlichen Körperbau der Frau entspricht. Ist nicht bereits anatomisch ein krankheitswerter Zustand gegeben, so beruht die psychische Beeinträchtigung somit auf einer „gefühlten Anormalität”. Allein eine „gefühlte” Beeinträchtigung reicht für die Annahme einer Gesundheitsstörung auch nach der Definition der WHO nicht aus.

    Entsprechendes ergibt sich bei der Betrachtung der Fälle von Brust-Operationen und Lifting. Für den medizinischen Laien gehen die körperlichen Defizite in den meisten der vorgelegten Fälle über eine ästhetische Beeinträchtigung nicht hinaus.

    Hinzu kommt weiter, dass es sich bei den von der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen um solche im Grenzbereich zwischen medizinischer Indikation und rein kosmetischer Zielrichtung handelt, zumal die häufig in Betracht kommenden psychischen Erkrankungen/Störungen nur schwer von als nicht pathologisch einzustufenden Zuständen abzugrenzen sind.

    Soweit die Klägerin vorträgt, die Maßnahmen dienten - insbesondere in den Fällen von Übergewicht - der Vorbeugung von Folgeerkrankungen, handelt es sich im Grunde bei vielen Maßnahmen zur Gewichtsreduzierung um einen Grenzbereich zwischen nicht steuerfreien Leistungen, die lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern sollen und vorbeugenden Maßnahmen; nur letztere führen zu steuerfreien Umsätzen.

    Das Gericht ist sich darüber im Klaren, dass der Internet-Auftritt die Situation der Jahre ab 2007 widerspiegelt und auch die Werbung in n-tv des Jahres 2007 nur bedingt Rückschlüsse auf die Werbeauftritte der Klägerin in den Streitjahren 2002 und 2003 zulässt.

    Jedoch sind im Verfahren 2 K 2588/04, in dem die Umsatzsteuer der Jahre 1991 bis 1999 zu beurteilen war, im Jahr 2004 vom 2. Senat den Streitjahren entsprechende Sachverhaltsfeststellungen getroffen worden. Zudem wurden in den Gründen des Urteils vom 14.12.2004 auch die Werbeauftritte im Internet und in n-tv erwähnt. Hieraus kann geschlossen werden, dass die Werbeauftritte in den Streitjahren sich nicht wesentlich von denen ab 2007 unterschieden haben.

    Die Werbeauftritte der Klägerin führen nicht zu einem Anscheinsbeweis gegen eine medizinische Indikation. Umgekehrt ist aber die medizinische Indikation der von der Klägerin vorgenommenen Eingriffe nicht evident; vielmehr handelt es sich um einen Grenzbereich, der durch Einzelfallbegutachtung weiter aufzuklären ist.

    3.2.

    Entgegen den Ausführungen der Klägerin kann der Stellungnahme der Prüferin vom 15.02.2006 auch nicht entnommen werden, dass die medizinische Indikation in einigen Fällen unstreitig sei. Dort wird lediglich ausgeführt:

    „Es wurden darüber hinaus auch Fotos von Personen mit Hautveränderungen ausgehändigt, die in dem Klinikteil Musenhof mit Laser behandelt wurden und denen Krankheitswert beigemessen werden könnte. Die Fotos dienten der Veranschaulichung, sie waren nicht konkreten Einnahmen oder Zeiträumen zugeordnet und wurden im Prüfungszeitraum deshalb steuerlich nicht gewürdigt”

    Diesen Ausführungen kann nicht entnommen werden, dass für einzelne der streitigen Umsätze die medizinische Indikation vom Beklagten anerkannt wurde.

    3.3.

    Den Anforderungen an den Nachweis von psychischen Störungen mit Krankheitswert werden die von der Klägerin vorgelegten Nachweise für krankheitswertige psychische Störungen nicht gerecht.

    Die von der Klägerin vorgelegten Gutachten des Prof. Dr. H und des Prof. Dr. B sowie die Entgegnungen zum Gutachten der Frau Dr. M sind Parteigutachten. Solche sind lediglich als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen (BFH Urteile vom 11.11.2010 - VI R 16/09 und VI R 17/09).

    Bei dem Gutachten Dr. X ist zudem zu berücksichtigen, dass dieser bei der Klägerin als Arzt beschäftigt ist und dass er selbst die Operationen durchgeführt hat, die den streitigen Umsätzen zugrunde liegen (so der Vortrag der Klägerin mit Schriftsatz vom 02.05.2011). Zudem ist er eine der Geschäftsführerin der Klägerin nahestehende Person (Ehemann).

    Bei dem Gutachten Dr. H ist zu berücksichtigen, dass es sich um einen Kollegen handelt, der ebenfalls plastischer Gesichtschirurg ist (i.R.) und deshalb ebenfalls ein erhebliches eigenes Interesse am Ausgang des Prozesses haben könnte.

    Weiter ist zu berücksichtigen, dass er - ebenso wie in dem vom BFH mit Beschluss vom 22.02.2006 - V B 30/05 entschiedenen Fall - das Verständnis der medizinischen Indikation einer Operation dahin gehend dargelegt hat, dass wer sich einer Operation unterziehe auch „krank” sei oder dass bei denjenigen eine Gesundheitsstörung vorliege; diese grundsätzliche Einstellung hat der BFH mit Beschluss vom 22.02.2006 - zu Recht -als Zirkelschluss angesehen.

    Die Prozessbevollmächtigten werfen einerseits der Gutachterin Dr. M vor, aufgrund ihrer Vorbildung und Spezialisierung zur Beurteilung von kosmetischen Operationen nicht kompetent zu sein, gehen aber andererseits selbstverständlich davon aus, dass Dr. X selbst - ohne Facharzt auf diesem Gebiet zu sein - evtl. psychische Beeinträchtigungen seiner Patienten mit Krankheitswert beurteilen zu können.

    Das Gleiche gilt im Übrigen für den Parteigutachter Dr. H; auch dieser ist weder Psychologe noch Psychiater, noch Neurologe und stellt gleichwohl psychische Diagnosen. Es sind Zweifel daran angebracht, ob er dafür die notwendige Kompetenz besitzt.

    Das Parteigutachten Dr. B enthält lediglich allgemeine Ausführungen zu psychischen Beeinträchtigungen und Belastungen und vermag Einzelgutachten zu jedem Patienten nicht zu ersetzen.

    Dies gilt insbesondere für Brustvergrößerungen, bei denen - abgesehen von Brustfehlanlage - ausschließlich psychische Gründe eine medizinische Indikation begründen könnten.

    Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin definieren „vorzeitige Alterungsprozesse” als behandlungsbedürftig. Insoweit stellt sich bereits die Frage, welcher Alterungsprozess „vorzeitig” ist. Die Prozessbevollmächtigten erachten eine Gesundheitsstörung bereits bei massivem Leidensdruck als gegeben an, selbst wenn weitere medizinische Indikationen fehlen. Eine Definition, ab wann „massiver Leidensdruck” vorliegt, wird jedoch nicht gegeben. Die Diagnose stellt die Klägerin vielmehr selbst.

    Dies kann kein Abgrenzungskriterium für Steuerfreiheit oder Steuerpflicht von kosmetischen Operationen sein, da es sich um sehr ungenaue und kaum zuverlässig zu diagnostizierende Kriterien handelt. Für die Abgrenzung kann allein auf objektiv handhabbare Kriterien abgestellt werden.

    Die Ausführungen der Prozessbevollmächtigten zu den Lidkorrekturen sind allgemeiner Art und vermögen den Nachweis der medizinischen Indikation im Einzelfall nicht zu ersetzen. Dieser ist nur bei Vorliegen von Einverständniserklärungen der Patienten möglich; eine Begutachtung anonymisierter Unterlagen ist bereits wegen der notwendigen Fotos der Gesichtsbereiche unmöglich.

    Die von der Klägerin vorgelegten Gutachten des Dr. B und des Dr. H, sind - soweit sie allgemeine Ausführungen zur medizinischen Indikation der von der Klägerin erbrachten Leistungen enthalten - nicht geeignet, die medizinische Indikation der den streitigen Umsätzen zugrunde liegenden Leistungen konkret zu belegen.

    Dies ist allein durch Einzelfallbegutachtung möglich, denn es ist die Feststellung in jedem Einzelfall erforderlich, dass dort auch tatsächlich eine medizinische Indikation vorlag. Die Aussage des Gutachters, dass generell in solchen Fällen eine medizinische Indikation gegeben ist, genügt zum Nachweis der Steuerfreiheit jedes einzelnen Umsatzes der Klägerin nicht. Darüber hinaus muss - wie bereits ausgeführt - in jedem Einzelfall auch festgestellt werden, dass die Behandlung des festgestellten Zustandes auch der Hauptzweck der Leistung war.

    Dass der Anteil der medizinisch indizierten Operationen bei der Klägerin von dem Üblichen signifikant abweicht, ist extrem unwahrscheinlich, gerade im Hinblick auf die mit dem Internet-Auftritt angesprochene Zielgruppe.

    Dass eine Behandlung von der Schulmedizin nicht anerkannt wird, schließt die Annahme einer Heilbehandlung zwar nicht aus. In diesem Fall muss aber genau geprüft werden, ob eine medizinische Indikation vorliegt. Hinzu kommen muss, dass Zweck der Behandlung die Beseitigung dieser Gesundheitsstörung ist; wenn der Zweck gleichzeitig auch ein rein ästhetischer ist, kommt es auf den Schwerpunkt an. Hier wiederum kann von indizieller Bedeutung sein, ob die Behandlungsmethode als geeignet anzusehen ist.

    Zwar fallen auch vorbeugende Maßnahmen unter den Begriff der Heilbehandlung. Auch insoweit muss aber bei der Vorbeugung der therapeutische Zweck, der wesentliche sein und es darf nicht der ästhetische Aspekt im Vordergrund stehen (BFH Urteil vom 30.04.2009 - V R 6/07, BStBl II 2009, 679). Dies muss nachweisen, wer sich auf eine Steuerbefreiung - die Ausnahme ist - beruft (Beschluss vom 28.09.2007 - V B 7/06).

    Hierfür trägt die Klägerin, die sich auf die Steuerbefreiung beruft, die objektive Beweislast.

    Allein der Vortrag, es sei unethisch, allein auf Wunsch des Patienten einen chirurgischen Eingriff ohne medizinische Indikation vorzunehmen, genügt als Nachweis nicht. Auch dass der Patient von dem Eingriff profitiert, genügt nicht. Dies ist nämlich auch bei rein kosmetischen Operationen der Fall, die aber gerade nicht begünstigt sind. Auch in diesen Fällen liegt ein positiver Effekt für die Lebensqualität vor und ein Anstieg des subjektiven Wohlbefindens.

    Soweit die Klägerin meint, aufgrund des Rechts des Patienten auf freie Wahl der Behandlungsmethode müsse es allein auf die Beurteilung durch den behandelnden Arzt ankommen, widerspricht dies der bisherigen Rechtsprechung des BFH, die der Senat für zutreffend erachtet (zuletzt Beschluss vom 28.09.2007 - V B 7/06, anders allerdings im Beschluss vom 01.07.2010 - V B 62/09).

    Auch für die vorgelegten Einzelfall-Gutachten des Prof. Dr. H gilt, dass dieser Parteivortrag und damit zum Nachweis der medizinischen Indikation im Einzelfall nicht geeignet sind.

    Hinzukommen muss auch beim Vorliegen einer medizinischen Indikation, dass die Heilbehandlung den Hauptzweck der Maßnahme darstellt.

    Das FG Münster hat mit Urteil vom 08.10.2009 - 5 K 3452/07 U dies für den Fall der Augenlaser-Operationen bejaht vor dem Hintergrund, dass in diesen Fällen stets auch die Fehlsichtigkeit behandelt wird und dass der ästhetische Aspekt dahinter zurück tritt.

    Diese Beurteilung ist auf die von der Klägerin durchgeführten Operationen nicht zwangsläufig übertragbar.

    Zum einen ist die Fehlsichtigkeit bei Augenlaser-Operationen evident. Zum anderen ist ebenso evident, dass die Laser-Operation der Korrektur der Fehlsichtigkeit dient.

    An beiden Voraussetzungen fehlt es bei den von der Klägerin durchgeführten Maßnahmen.

    Zwar können im Einzelfall Gesundheitsstörungen vorliegen. Diese sind aber nicht für die von der Klägerin behandelten Patienten explizit festgestellt. Im Gegensatz zu den Fällen der Fehlsichtigkeit kann auf die Feststellung im Einzelfall auch nicht verzichtet werden, da das Vorliegen von Gesundheitsstörungen nicht offensichtlich ist.

    Zudem liegt es im Gegensatz zur Augenlaser-Operation nicht auf der Hand, dass die von der Klägerin durchgeführten plastischen Operationen geeignet sind zur Behandlung eventueller Störungen. Das vom Gericht eingeholte Gutachten hat dieses Ergebnis gerade nicht erbracht. Somit kann bei Liposuktionen, Brust-Operationen, Softliftings und Augenlidkorrekturen gerade nicht wie im Fall von Augenlaser-Operationen vom Vorliegen einer Störung und der Behandlung derselben darauf geschlossen werden, dass die Behandlung der Störung das Hauptziel der Maßnahme ist.

    3.4.

    Das vom Gericht eingeholte Gutachten der Frau Dr. M hat den Nachweis der medizinischen Indikation der Leistungen der Klägerin nicht erbracht.

    3.4.1.

    Zwar sagt das Gutachten zunächst aus, dass die Tatsache, dass eine Leistung von den Krankenkassen nicht übernommen wird, nicht grundsätzlich dagegen spricht, dass es sich um eine Heilbehandlung handelt (Hintergrundinformation).

    Die Gutachterin gelangt jedoch zu dem grundsätzlichen Ergebnis, dass physiologische Veränderungen als Folge von Alter, Schwangerschaft, Ernährung und Abusus von Suchtmitteln keine Gesundheitsstörungen darstellen und Eingriffe zur Veränderung dieser Erscheinungen deshalb nicht von vornherein medizinisch indiziert sind.

    3.4.2.

    Zu den einzelnen Maßnahmen ergibt sich folgendes:

    Seriöse Erhebungen darüber, inwieweit, bzw. in welchem Umfang bei Fettabsaugungen, Brustkorrekturen, Softlifting, Nasenkorrekturen, Augenlid-Operationen, Ohrenkorrekturen und der Laser-Behandlung gegen Falten, Altersflecken, Narben und Tattoos eine medizinische Indikation vorliegt, existieren zumindest im europäischen Raum nicht (Ziffer 1 des Gutachtens).

    Einen Anhaltspunkt für den Umfang der medizinisch indizierten Eingriffe dieser Art gibt allerdings die Erhebung darüber, in welchem Umfang die Sozialversicherungsträger solche Eingriffe übernommen haben. Nach der Aussage der Gutachterin war dies bei ca. 25% der beantragten Kostenübernahmen der Fall. Bezogen auf die Gesamtzahl aller Operationen dieser Art muss der Satz deutlich geringer sein, weil in vielen Fällen überhaupt keine Kostenübernahme beantragt wird.

    Soweit die Klägerin bezogen auf bestimmte Maßnahmen aus der Studie des Jahres 2007 von höheren Prozentsätzen ausgeht, hat dies keine Aussagekraft hinsichtlich der Umsätze ihrer Klinik. Die Studie kann nur auf den sozialversicherungsrechtlich erfassten Fällen beruhen, die aber gerade nicht dem Patientenkreis der Klägerin angehören.

    Unter der Prämisse, dass Eingriffe zur Korrektur von Folgen der Alterung des Körpers grundsätzlich nicht medizinisch indiziert sind, kann aus dem äußerst geringen Umfang von Kostenübernahmen durch den Sozialversicherungsträger durchaus der Schluss gezogen werden, dass derartige Eingriffe - insbesondere dürfte es dabei um Lifting gehen - nur in den seltensten Fällen Heilbehandlungen darstellen.

    Beim Softlifting - einer speziellen Form des Liftings, bei der nur die äußere Hautschicht gestrafft wird - ist nach Aussage der Gutachterin eine medizinische Indikation nicht gegeben.

    Hinsichtlich der Brustkorrekturen liegt eine Auswertung nur in Bezug auf Brustverkleinerungen vor. Im Übrigen führt die Gutachterin aus, dass eine medizinische Indikation zur Brustverkleinerung bei Brustgigantomastien mit objektivierbarem Krankheitsbild besteht und zur Brustwiederherstellung/-vergrößerung nach Krebsoperationen und bei Brustfehlanlage. Es ist evident, dass Brustverkleinerungen eher eine physiologische Störung zugrunde liegen kann als Brustvergrößerungen, denn eine zu große Brust kann tatsächlich in Einzelfällen zu körperlichen Beschwerden führen, während dies bei einer zu kleinen Brust nicht der Fall sein kann; in letzteren Fällen kann es - abgesehen von den von der Gutachterin erwähnten Fällen - nur darum gehen, das subjektive Gefühl der Frau, mit ihrer kleinen Brust nicht attraktiv genug zu sein gegen eine echte Störung des Selbstwertgefühls mit krankhaftem Charakter abzugrenzen. Bei der Auswertung des Ergebnisses der Untersuchung muss also berücksichtigt werden, dass es sich bei den Brustverkleinerungen um den weitaus geringeren Teil der Brustkorrekturen handelt. Berücksichtigt man weiter, dass nur die Fälle untersucht wurden, in denen eine Kostentragung beantragt wurde, so gelangt man auch bei diesen Operationen zu dem Ergebnis, dass eine medizinische Indikation nur in sehr wenigen Fällen vorliegt.

    Zur Liposuktion führt die Gutachterin aus, dass diese sich nicht zur allgemeinen Gewichtsreduktion eignet. Zur Behandlung von Adipositas (Fettleibigkeit), die ab einem BMI (Body-Mass-Index) ab 30 angenommen wird, ist die Liposuktion kontraindiziert. Adipositas selbst hat keinen Krankheitswert; es besteht jedoch ein erhöhtes Risiko für bestimmte Folgeerkrankungen. Die Therapie besteht in der Umstellung der Ernährung, Bewegungs- und Verhaltenstherapie sowie in schweren Fällen Magenband-, bzw. Magen-Bypass-Operationen. Dies gilt auch für die Vorbeugung von Folgeerkrankungen bei Übergewicht.

    Eine medizinische Indikation der Fettabsaugung kann jedoch vorliegen bei krankhafter Fettgewebsvermehrung, beziehungsweise bei therapierefraktärer mechanischer Behinderung oder Folgeerkrankungen.

    Gestützt wird dieses Ergebnis z.B. auch durch die Ausführungen eines Konkurrenten der Klägerin in dessen Internet-Auftritt (http://www.lexerklinik.com/index.php), der zur Liposuktion darauf hinweist, dass diese keinen Ersatz für eine Gewichtsabnahme darstellt und keine geeignete Methode zur Korrektur starken Übergewichts ist, sondern vielmehr der Entfernung störender Fettdepots an bestimmten Stellen dient. Zur Fettabsaugung bei Lipödemen - einer anlagebedingten Vermehrung und Erkrankung des Fettgewebes in der unteren Körperhälfte - wird dort weiter ausgeführt, dass diese ungeeignet ist bei stark adipösen Patienten und eine Diät nicht ersetzen kann.

    Bei Augenlid-Operationen bieten die Anforderungen der Fahrerlaubnis-Verordnung an das Gesichtsfeld einen Anhaltspunkt für das Ausmaß einer krankhaften Oberlid-Erschlaffung. Für eine medizinische Indikation muss eine relevante funktionelle Einschränkung vorliegen. Bei Dermatochalasis tritt keine Einschränkung des Gesichtsfeldes nach unten auf; eine Einschränkung von oben gibt es nur bei Hautfalten des Oberlides, die über die Wimpernreihe hinaus ragen. Eine medizinische Indikation besteht bei Oberliderschlaffung mit Gesichtsfeldeinschränkung ab 10 bei Blick nach oben sowie bei Unterliderschlaffungen mit pathologischem Ektropium (Ausstülpung des Unterlids nach außen). Operationen an Schlupflidern sind in allen anderen Fällen nicht medizinisch indiziert. Ausführungen zu dem von der Klägerin erwähnten Zweck der Verhinderung dauernden Tränenflusses fehlen in dem Gutachten. Dies lässt den Schluss zu, dass die Gutachterin dies für nicht relevant erachtet. Letztlich kann dies aber dahin stehen, denn es wurde nicht nachgewiesen, dass in einzelnen Fällen die Maßnahme der Verhinderung dauernden Tränenflusses diente.

    Soweit die Gutachterin zur Indikation von Nasen- und Ohrenkorrekturen, Entfernung von Warzen, Muttermalen, Tattoos, Narben, Falten und Altersflecken Stellung genommen hat, braucht das Gericht darauf nicht einzugehen, da im Streitjahr solche Behandlungen nicht unter den als steuerfrei erklärten Umsätzen vorgenommen wurden.

    Soweit bei den streitigen Umsätzen nur eine krankheitswertige psychische Störung, bzw. eine comorbide Störung in Betracht kommt, ist deren Feststellung im Nachhinein nach den Ausführungen der Gutachterin möglich

    beim Vorliegen von fachpsychiatrischen oder fachpsychotherapeutischen Befunden oder von konsiliarisch durch einen Psychiater erstellten Eigenbefunden

    durch den Nachweis einer kontinuierlichen Therapie wegen psychischer Störungen vor Beginn des plastischen Eingriffs durch einen Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Nervenarzt, Facharzt für psychosomatische Medizin oder psychologischen Psychotherapeuten

    den Nachweis einer psychiatrischen/psychotherapeutischen Krankenhausbehandlung oder Rehabilitation wegen einer psychischen Störung im Jahr vor dem plastischen Eingriff

    Die Feststellung der psychischen Störung muss durch eine genaue Beschreibung des Störungsbildes fachlich nachvollziehbar sein.

    Für die Fälle psychischer Störungen aufgrund gefühlter ästhetischer Beeinträchtigung stellt die Gutachterin fest, dass es Menschen mit ausgeprägten Selbstwertstörungen gibt, die eine somatoforme Störung in Form einer Dysmorphophobie entwickeln. Typisch hierfür ist, dass weitgehend normal gestaltete Körpermerkmale als vermeintlich missgestaltet wahrgenommen werden, d.h. die Selbstwahrnehmung ist massiv verzerrt. Bei solchen Störungen erachtet die Gutachterin eine Psychotherapie für angebracht. Die operative Veränderung des vermeintlich missgestalteten Körperteils sieht die Gutachterin dagegen als „Fluchtweg” an, was dahin zu verstehen sein dürfte, dass damit die Ursache der Erkrankung nicht therapiert wird.

    Dies leuchtet auch dem medizinischen Laien ohne weiteres ein, denn mit der Operation des vermeintlich missgestalteten Körpermerkmals wird die Ursache der Störung nicht beseitigt; es findet keine Behandlung der erkrankten Psyche statt, sondern es wird stattdessen ein gesunder Körperteil operiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Störung nach der Operation weiterhin vorhanden ist und auf ein anderes Körperteil projiziert wird, dürfte hoch sein.

    Die Gutachterin stellt weiter schwerere Fälle solcher Art dar, in denen die psychoneurotischen Störungen körperbezogen erlebt werden oder gar eine psychotische Verzerrung des Körpererlebens vorliegt. In der ersten Gruppe dieser schweren Störungen hält die Gutachterin eine Therapie für geboten, bei der die Probleme geklärt und bewältigt werden. Aus ihren Ausführungen geht hervor, dass die Operation in solchen Fällen nur die „Illusion der Problemlösung in einem sauberen Schnitt” bewirkt. In den Fällen der psychotischen Verzerrung des Körpererlebens erachtet sie die Operation sogar für einen schweren Kunstfehler; alleinige Therapie sei in einem solchen Fall die Behandlung der Psychose.

    Aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme ergibt sich damit, dass die von der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen ihrer Art nach nicht zur Vorbeugung von Gesundheitsstörungen geeignet sind und deshalb auch nicht insoweit einem therapeutischen Zweck dienen.

    Die Gutachterin hat klar herausgestellt, dass die Fettabsaugung bei Übergewicht kontraindiziert ist. Eine vorbeugende Fettabsaugung für die wenigen denkbaren Indikationen kommt nicht in Betracht.

    Soweit psychische Störungen in Betracht kommen, ist auch in solchen Fällen eine ästhetisch-plastische Operation nach dem Ergebnis des Gutachtens kontraindiziert. Es ist auch insoweit im Übrigen schwer vorstellbar, inwieweit eine ästhetisch-plastische Operation einer psychischen Störung vorbeugen könnte.

    Gleiches gilt auch für Lidkorrekturen, die nur dann indiziert sind, wenn eine Beeinträchtigung des Sehens gegeben ist. Auch insoweit macht eine vorbeugende Lidkorrektur wenig Sinn.

    Soweit die Prozessbevollmächtigten die durch das Gericht gestellte Frage nach Erhebungen über den Anteil medizinisch indizierter Operationen an der Gesamtheit der Schönheitsoperationen beanstandet, kann diese Fragestellung nicht der Gutachterin Dr. M angelastet werden. Soweit sie meinen, dass diese Frage nicht zielführend sei, ist es Sache des Gerichts, welche Kriterien es seiner Entscheidung zugrunde legt. Das Gericht hält die von den Prozessbevollmächtigten für angebracht erachtete Fragestellung „Gibt es bei der Gesamtzahl aller medizinisch-ästhetisch-chirurgisch indizierten Heilbehandlungen auch eventuell kosmetisch indizierte Operationen?” jedenfalls nicht für zweckmäßig. Abgesehen davon, dass schon die Bezeichnung „medizinisch-ästhetisch-chirurgisch indizierte Heilbehandlung” nicht fassbar ist und eine Beantwortung dieser Frage nach der Beurteilung durch einen medizinischen Laien kaum möglich erscheint, ist die Frage auch insofern widersprüchlich, als zunächst die Zahl der ästhetischen Operationen mit medizinischer Indikation abgefragt werden soll und sodann ein evtl. Anteil daran mit kosmetischer Indikation.

    3.4.3.

    Soweit die Klägerin die fachliche Eignung der Gutachterin in Frage stellt, folgt das Gericht diesen Einwendungen nicht.

    Angegriffen wird die Kompetenz der Gutachterin, weil sie keine praktische Erfahrung als Chirurgin habe. Dies ist unzutreffend, wie sich in der mündlichen Verhandlung vom 27.01.2011 herausgestellt hat.

    Soweit die Klägerin die Gutachterin deshalb für inkompetent erachtet, weil diese vom sozialversicherungsrechtlichen Begriff der medizinischen Indikation ausgehe, greift dieser Einwand nicht, weil es nicht Aufgabe des Gutachtens war, die umsatzsteuerliche Beurteilung vorzunehmen. Die Gutachterin hat den vom Gericht erteilten Auftrag erfüllt und die Fragen beantwortet, die die Richter nicht kraft eigener Sachkompetenz klären können.

    Das Gericht hat keine Quellennachweise im Gutachten angefordert; insoweit können fehlende Quellennachweise der Gutachterin nicht zum Vorwurf gemacht und daraus auf ihre Inkompetenz geschlossen werden.

    Die Gutachterin wird vom Gericht auch nicht deshalb für ungeeignet erachtet, weil sie beim MDK tätig ist, der wiederum im Auftrag der Krankenkassen tätig wird.

    Für die zu beurteilenden Fragen, ob in den im Streit stehenden Maßnahmen Heilbehandlungen zu sehen sind, die die Anforderungen des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c) der 6.EGRL (jetzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. c) MwStSystRL) erfüllen, stehen geeignete und objektive Gutachter nur in sehr eingeschränktem Maße überhaupt zur Verfügung.

    Das Gericht hat davon abgesehen, amtsärztliche Gutachten einzuholen, da die Amtsärzte bei den Gesundheitsämtern mit diesen Abgrenzungsfragen - wenn überhaupt - nur in ganz geringem Umfang zu tun haben. Das Gericht ging davon aus, dass die Ärzte beim MDK - einer Körperschaft des öffentlichen Rechts - am ehesten mit derartigen Abgrenzungsfragen befasst sind. Es hat deshalb vor Ergehen des Beweisbeschlusses beim MDK angefragt, ob dieser sich in der Lage sehe, die vom Gericht zu stellenden Fragen zu beantworten; der MDK hat dies bejaht und Frau Dr. M als Gutachterin vorgeschlagen.

    Dass der MDK im Auftrag der Krankenkassen tätig wird, schränkt die Objektivität der Gutachterin bei der Beantwortung der vom Gericht gestellten Fragen nicht ein. Insbesondere handelt es sich beim MDK nicht um eine Partei auf Seiten der Finanzverwaltung. Zudem sind die Ärzte des MDK bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ausschließlich ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen und insoweit nicht weisungsgebunden (§ 275 Abs. 5 SGB V). Inwieweit letztlich die sozialrechtliche Sichtweise auf die umsatzsteuerliche Beurteilung zu übertragen ist, war nicht Aufgabe des Gutachtens, sondern des Gerichts.

    Soweit die Klägerin die Gutachterin schriftsätzlich wegen Befangenheit abgelehnt hat, hat sie diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung nicht zu Protokoll gestellt. Davon abgesehen hätte diesem Antrag nicht entsprochen werden können.

    Die Ablehnung eines Sachverständigen richtet sich nach § 406 ZPO. Die Ablehnungsgründe sind die gleichen wie für Richter.

    Nach § 406 Abs. 2 ZPO war der Ablehnungsantrag binnen 2 Wochen ab Zustellung des Beweisbeschlusses zu stellen. Wird diese Frist versäumt, so muss der Antragsteller glaubhaft machen, dass er ohne Verschulden verhindert war, die Ablehnungsgründe früher geltend zu machen.

    Die Einwendungen gegen die Qualifikation der Gutachterin hat die Klägerin erstmals mit Schriftsatz vom 06.10.2010 vorgebracht, obwohl ihr die Person des vom Gericht bestellten Gutachters bereits mit dem Beweisbeschluss bekannt war und sie bereits zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit hatte, die vorgebrachten Einwendungen zu erheben. Es sollte also offenbar das Ergebnis des Gutachtens abgewartet werden. Das Ergebnis des Gutachtens stellt jedoch keinen nachträglichen Ablehnungsgrund dar.

    3.5.

    Der Einholung weiterer Gutachten bedurfte es nicht.

    Andere geeignete neutrale Gutachter sind für das Gericht nicht erkennbar.

    Die von der Klägerin vorgeschlagenen Gutachter Prof. Dr. H und Prof. Dr. B sind als Parteigutachter tätig geworden und gewährleisten deshalb nicht die gebotene Neutralität.

    Die von der Klägerin allein für kompetent erachteten plastischen Chirurgen kommen als neutrale Gutachter auch deshalb nicht in Betracht, weil bei diesen ein Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens zu vermuten ist.

    Soweit die Klägerin als weitere Gutachter Prof. Dr. R. J. vom städtischen Klinikum L und Prof. Dr. F. R. vorgeschlagen hat, hat sie keine Ausführungen dazu gemacht, weshalb diese beiden Ärzte eine Qualifikation zur Erstellung der Gutachten besitzen.

    Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt, folgende Themen zur Begutachtung zu stellen:

    Patienten nehmen OP-Risiken nur dann auf sich, wenn sie sich dadurch eine deutliche Verbesserung ihres Gesundheitszustandes versprechen. Die Risiken sind ein Indiz für den therapeutischen Zweck der von der Kl. durchgeführten Operationen und sprechen gegen einen bloßen kosmetischen Hintergrund

    zu krankheitstypischen Befunden gehören u.a. LWS-WBS-Cervical-Syndrom/Schulter-Arm-Syndrom, fehlfunktionsbedingte Knochenveränderungen (Genua valga/vara et recunvata), Hypertonie, Knie-/Hüft-/Sprunggelenksbeschwerden, Senk-/Spreizfüße

    eine Standarddiagnose ist auch „angina pectoris-Syndrom” bei Verdacht auf koronare Herzerkrankungen

    in der Robert-Koch-Klinik ist „Tuberkulose” die einzige Diagnose, Besonderheiten werden nur als Abweichung vom Routinefall beschrieben

    in den Einzelfall-Prüfungsprotokollen sind die variierenden präoperativen Befunde umfangreich dokumentiert (BMI-Feststellungen, Indikationen nach anatomischen, physiologischen, funktionellen, familiären, psychosozialen, somatischen und psychopathologischen Gesichtspunkten, weitere Feststellungen unter der Rubrik sonstiges) und beurteilt. Vorbelastungen wie z.B. Herz-Kreislauf-Störungen und -Beschwerden, Allergien, Bluthochdruck, Diabetes, Nierenerkrankungen sind dokumentiert. Aus diesen Angaben ergibt sich, dass der therapeutische Zweck bei den im Vordergrund stand.

    Die Gutachten wurden auf der Grundlage einer umfassenden Auswertung der von der Klägerin erstellten Behandlungsunterlagen, sowie weiterer Erkundigungen erstellt und entsprechen den Anforderungen an ein fachgerechtes Gutachten. Hierzu gehört auch eine gewisse Schematisierung, Gruppenbildung und Zusammenfassung von einzelnen Krankheitsbildern.

    Es gibt altersbedingte Erkrankungen, die zu operativen Eingriffen und medizinischen Behandlungen führen. Außerhalb der plastischen Operationen sind dies z.B. Hüft- und Kniegelenkarthrose.

    Im Bereich der plastischen Chirurgie sind dies Bindegewebserkrankungen und Erschlaffungen des gesamten Stützapparats, sowie am Auge; letztere führen zu eingeschränkter Sehfähigkeit und dauerndem Tränenfluss. Außerdem Erschlaffungen des Brustgewebes, die zu einer Belastung des gesamten Schulterrückenbereichs mit entsprechender schmerzhafter Symptomatik führen. Solche zum Teil altersbedingte Erkrankungen befinden sich unter den Leistungen der Klägerin.

    Bei Bindegewebsschwäche mit massiven Fettansammlungen, die teils den streitigen Umsätzen zugrunde liegen, kommt es zu ödematösen Aufschwellungen (Lipomatose). Diese sind diät- und bewegungsresistent und schmerzhaft. Die einzige geeignete Behandlungsmethode ist in diesen Fällen eine plastisch-chirurgische Maßnahme.

    Alle von der Klägerin vorgenommenen Fettabsaugungen waren medizinisch indiziert.

    Insbesondere bei jungen Frauen, die einen „schlanken” Oberkörper und massive Fettansammlungen im Bereich der Oberschenkel und Hüfte haben, besteht häufig eine diät- und bewegungsresistente Lipoödematose. Dabei kommt es im Rahmen der Fettansammlung zu Flüssigkeitsansammlungen mit erheblichen Schwellungen, Lymphstauungen und starker Schmerzsymptomatik. Solche Fälle wurden von der Klägerin behandelt.

    Insbesondere junge Patienten leiden unabhängig von einer Lipoödematose an ausgeprägter Disproportionalität derart, dass Ess-Störungen (Bulimie, Anorexie), Medikamentenbedarf in Form von Anti-Depressiva, erhebliche sozialkulturelle Probleme und Suizidgefahr die Folge sind. Aufgrund der körperlichen Stress-Situation ergeben sich körperliche Erkrankungen wie Bluthochdruck, Stoffwechselerkrankungen (Diabetes mellitus), Durchblutungsstörungen, Herzrhythmus-Störungen und koronare Herzerkrankungen

    In diesen Fällen hilft eine Liposuktion, bzw. ein Lifting zur Beseitigung der Gesundheitsstörungen. Dies ist in der medizinischen Fachwelt anerkannt.

    Ebenso verhält es sich bei Brustvergrößerungen.

    Diese Beweisthemen sind nicht einzelfallbezogen, sondern allgemeiner Natur.

    Das Gutachten von Frau Dr. M hat diese Beweisthemen beantwortet.

    Das Gutachten hat ergeben, dass die allgemeine Beantwortung der Beweisthemen nicht ausreichend sein kann zum Nachweis der Behauptung, dass ausnahmslos alle Maßnahmen der Klägerin medizinisch indiziert sind. Denn das Gutachten hatte zum Ergebnis, dass diese Maßnahmen typischerweise gerade nicht medizinisch indiziert sind. Es hat vielmehr festgestellt, dass ästhetisch-plastische Operationen auch beim Vorliegen von Gesundheitsstörungen nur in Ausnahmefällen dem therapeutischen Zweck der Behandlung dieser Gesundheitsstörungen dienen.

    Soweit die Vorschläge der Klägerin hinsichtlich der Personen der Gutachter dahin zu verstehen sind, dass diese auch Einzelgutachten erstellen sollen, ist auf das Erfordernis von Einverständniserklärung der Patienten (siehe hierzu ausführlich unter 4.) zu verweisen.

    3.6.

    Aus dem vom Gericht eingeholten Gutachten geht hervor, dass die nachträgliche Feststellung einer medizinischen Indikation für eine ästhetisch-plastische Operation grundsätzlich möglich ist unter der Voraussetzung, dass die Dokumentation alle dafür erforderlichen Angaben enthält. Dies hat die Gutachterin für die drei exemplarisch ihr vorgelegten Fälle bejaht.

    Somit ist als Ergebnis festzuhalten, dass ohne Einzelgutachten der Nachweis der medizinischen Indikation der Leistungen der Klägerin nicht als erbracht anzusehen ist.

    Dabei sind folgende Einschränkungen zu beachten:

    Die Möglichkeit der Erstellung nachträglicher Gutachten bezieht sich nach dem Gutachten nur auf körperliche und/oder organische Befunde. Hinsichtlich psychischer Erkrankungen/ Störungen hat die Gutachterin deutlich gemacht, dass es stets einer vorherigen Diagnose bedarf und dass insoweit eine nachträgliche Begutachtung ausscheidet.

    4.

    Der Senat hält im Rahmen der deshalb grundsätzlich durchzuführenden Beweisaufnahme (Einzelbegutachtung) die vorherige Vorlage der Einverständniserklärungen der jeweiligen Patienten für unerlässlich und hat der Klägerin dementsprechend eine entsprechende Auflage gemacht. Nur im Falle der vorherigen Erteilung einer Einwilligung des behandelten Patienten kann der Einzelfall einer Begutachtung unterzogen werden.

    4.1.

    Ausgangspunkt ist § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

    Nach dieser Vorschrift ist es dem Arzt und seinen berufsmäßigen Gehilfen - dazu gehört auch das in den Vertrauensbereich einbezogene interne Verwaltungspersonal (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl. 2006, Rdn. 21 zu § 203) - untersagt, ein im Rahmen der Berufsausübung bekannt gewordenes, den persönlichen Lebensbereich betreffendes Geheimnis des Patienten zu offenbaren. Dazu gehört auch der Umstand, dass sich der Patient überhaupt einer ärztlichen Behandlung - z.B. einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in einer Fachklinik für psychogene Erkrankungen -unterzieht bzw. unterzogen hat. Dabei kann eine Verbindung zwischen einer bestimmten Person und deren ärztlicher Behandlung nicht nur durch die Preisgabe des Umstandes hergestellt werden, dass eine individualisierte Person Patient war, sondern auch dadurch, dass die Identität eines zwar „physisch”, nicht aber auch in Bezug auf die ihn aus der Anonymität heraushebenden - ihn also individualisierenden - Umstände bekannten Patienten offengelegt wird (OLG Karlsruhe, Urteil vom 11. August 2006 14 U 45/04, VersR 2007, 245).

    Mit der Vorschrift soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Patienten ein Interesse daran haben, die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegenden Daten geschützt zu wissen. Dies gilt auch für die Einführung der Patientendaten und Begutachtung der Vorgenannten im Rahmen eines finanzgerichtlichen Verfahrens, und zwar selbst für den Fall, dass die Öffentlichkeit nach § 51 Abs. 2 FGO ausgeschlossen wird. Allein die Übersendung der Daten an das Gericht beinhaltet eine Offenbarung, die auch unbefugt ist, wenn und soweit keine Einwilligung oder mutmaßliche Einwilligung vorliegt und auch keine gesetzliche Offenbarungspflicht besteht (vgl. dazu nur Tröndle Fischer, StGB, § 203 StGB Rz. 36 ff. m.w.N.).

    Da Anhaltspunkte für mutmaßliche Einwilligungen im vorliegenden Fall fehlen und eine gesetzliche Offenbarungspflicht nicht besteht, kann den schützenswerten Interessen der Patienten nur durch das Erfordernis einer Einwilligung in die Einzelbegutachtung im Rahmen der Beweisaufnahme Rechnung getragen werden.

    4.2.

    Allerdings hatte der Senat sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob nicht durch Anonymisierung der Patientendaten eine solche Einwilligung in allen oder jedenfalls einzelnen Fällen dem Schutzzweck der Norm hinreichend Rechnung getragen werden kann und ob nicht durch das Einwilligungserfordernis (mehrere Jahre nach dem Eingriff) der Klinik etwas letztlich Unmögliches auferlegt wird (dazu unter 4.3.).

    Die Frage, ob eine Anonymisierung der Patientenunterlagen ausreichend ist, muss beurteilt werden anhand der Kriterien für die Steuerfreiheit der Umsätze, nämlich

    ob eine medizinische Indikation im Sinne einer behandlungsbedürftigen Gesundheitsstörung vorliegt,

    ob die von ihm durchgeführte Maßnahme der Behandlung dieser Gesund-heitsstörung, bzw. der Vorbeugung einer Gesundheitsstörung dient (das folgt aus dem Erfordernis des therapeutischen Zwecks) und

    ob die Behandlung der Gesundheitsstörung, bzw. deren Vorbeugung auch der primäre Zweck der Maßnahme ist.

    Eine Anonymisierung ist nach Ansicht des Gerichts von vornherein ausgeschlossen bei Operationen, die im Gesichtsbereich durchgeführt worden sind; eine Anonymisierung des Patienten ist hier nicht möglich. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass zwischen den Beteiligten auch darüber Streit besteht, in welchem Umfang überhaupt Anonymisierungen in Betracht kommen. Unabhängig davon ist aber auch in allen anderen Fällen die Anonymisierung kein geeignetes Mittel zur Durchführung der Begutachtung ohne Einwilligung, und zwar aus folgenden Gründen:

    Zum Einen handelt es sich bei den streitbefangenen Operationen oftmals um Eingriffe, bei denen nach dem eigenen Vortrag der Klägerin die psychische Belastung durch Anomalien ausschlaggebend für den Patienten war, sich in die Klinik zu begeben. Auch den von der Klägerin vorgelegten Bildern sind solche Fälle zu entnehmen, so etwa ungleichförmige oder kleine Brüste bei Frauen. Ob hier eine psychische Erkrankung vorliegt, kann - sofern dies post factum im Einzelfall überhaupt noch möglich sein sollte - nicht anhand von anonymisierten Unterlagen eruiert werden, da den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen keine externen, vorherigen Gutachten über das Vorliegen einer psychischen Erkrankung beigefügt waren; die Klägerin selbst hat solche Gutachten ebenfalls nicht erstellt, unabhängig davon, dass weder vorgetragen noch erkennbar ist, dass einer der bei der Klägerin tätigen Ärzte für die Erstellung derartiger Gutachten überhaupt qualifiziert ist.

    Unabhängig davon hält der Senat die Einwilligung des Patienten auch in allen anderen Fällen für unabdingbar. Die streitbefangenen Eingriffe in der Klinik der Klägerin finden in einem Grenzbereich statt, der weder durch die gesetzlichen noch durch die privaten Kassen kostenmäßig abgedeckt ist. Dies schließt zwar eine medizinische Indikation nicht von vornherein aus, bedeutet aber, dass bei der erforderlichen Einzelbetrachtung der Gutachter in jedem Fall von vornherein eine Anamnese durchführen muss - in gleicher Weise, wie auch der zuständige Arzt der Klinik vor dem Eingriff eine Anamnese durchführen muss. Kein Arzt wird ohne eine solche einen Eingriff lediglich auf der Grundlage ihm übersandter anonymisierter Patientendaten vornehmen. Das bedeutet, dass die Anamnese eine zwingende Voraussetzung für die Feststellung einer medizinischen Indikation durch den behandelnden Arzt ist. Das hat auch die Klägerseite zu keinem Zeitpunkt bestritten, vielmehr ausdrücklich bestätigt. Ein vom Senat einzusetzender medizinischer Gutachter muss dieselbe Frage - nämlich das Vorliegen einer medizinischen Indikation - wie der behandelnde Arzt klären. Wenn der Gutachter eben diese Indikation feststellen will, muss er damit in gleicher Weise eine Anamnese mit Vorstellung des Patienten und körperlicher Untersuchung vornehmen. Dies gilt umso mehr, als die Begutachtung postoperativ stattfindet und der Gutachter mithin - Jahre später - im Regelfall zur Frage der Indikation nur unter erschwerten Bedingungen Aussagen treffen kann. Der Gutachter kann und darf seine Stellungnahme zum Vorliegen einer medizinischen Indikation nicht nach anderen Maßstäben abgeben als der behandelnde Arzt. Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, diese entscheidungserhebliche Frage nach zweierlei Maß zu beurteilen.

    Des weiteren kann die notwendige Feststellung, dass eine Heilbehandlung Hauptzweck des operativen Eingriffs gewesen ist, nur durch ein Gespräch mit dem Patienten getroffen werden.

    Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der im Streitjahr geltenden Sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) umfassen nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich der BFH angeschlossen hat, nur Tätigkeiten, die „zum Zweck” der Vorbeugung, der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen für bestimmte Patienten ausgeführt werden (BFH-Beschluss vom 18. Februar 2008 V B 35/06, BFH/NV 2008, 1001). Das Hauptziel der Leistung muss im Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit bestehen (BFH-Beschluss vom 31. Juli 2007 V B 98/06, BStBl II 2008, 35; Heidner in Bunjes/Geist, UStG, 9.Aufl., § 4 Nr. 14 UStG Rz. 20 m.w.N.). Daraus folgt, dass der primäre Zweck des Eingriffs auch durch Rücksprache mit dem Patienten geklärt werden muss, wenn wie vorliegend kein Anscheinsbeweis greift. Er, der Patient, entscheidet - als Leistungsempfänger - letztlich darüber, ob ein Eingriff vorgenommen wird oder nicht und aus welchem Grund dieser vorgenommen werden soll. Er entscheidet auch über die gesamten Modalitäten, wie sich dies beispielsweise auch aus der Formulierung im Internetauftritt der Klägerin unter dem Kapitel „Preise und Kosten” ergibt. Es heißt dort: „Den genauen Preis für eine OP oder Behandlung können wir Ihnen erst nach einem ausführlichen Beratungsgespräch mit einem unserer Fachärzte nennen. Die Preisgestaltung hängt immer von Faktoren wie Umfang der Maßnahme, Materialeinsatz, Narkose und auch Ihren persönlichen Wünschen ab. Diese Aspekte müssen in dem Beratungsgespräch detailliert geklärt werden. Erst dann kann ein individueller Kostenvoranschlag für Sie erstellt werden.”

    Diese Aufklärung zum Vorliegen des Hauptzwecks hält der Senat für unerlässlich, weil - wie bereits mehrfach dargelegt - im Grenzbereich zwischen reinen Schönheitsmaßnahmen und medizinisch indizierten Eingriffen die Kosten der streitbefangenen Operationen weder durch die gesetzlichen noch durch die privaten Kassen übernommen werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass schon der Krankheitsbegriff im Einzelfall eine besondere Komplexität entfalten kann, so z.B. die auch unter Medizinern umstrittene Frage, ab welchem BMI (body mass index) eine Krankheit vorliegt. Auch das vorliegende Streitverfahren hat diese besondere Schwierigkeit der Begriffsdefinition und der Subsumtion im Einzelfall deutlich zu Tage treten lassen. Der Patient trifft zwar selbst keine Feststellung zum Vorliegen einer medizinischen Indikation. Insoweit ist er auf die ärztlichen Angaben im Anschluss an die Anamnese angewiesen. Auf der Grundlage dieser ärztlichen Angaben entscheidet er aber allein darüber, ob und wie nach seinen „persönlichen Wünschen” ein Eingriff vorgenommen wird.

    Eine postoperative Beurteilung der entscheidungserheblichen Kriterien ist vor diesem Hintergrund auf der Grundlage bloßer Anonymisierungen nicht möglich. In den von der Klägerin zu den Einzelfällen vorgelegten Dokumentationen finden sich keinerlei Angaben zu Patientengesprächen, aus denen ggfs. der Hauptzweck der Maßnahme aus Sicht der Leistungsempfänger erkennbar gewesen wäre.

    Unabhängig von den vorgenannten Erwägungen kann nur im direkten Kontakt mit dem einzelnen Patienten durch den Gutachter die notwendige Klärung herbeigeführt werden, ob vor Durchführung der Behandlung durch die Klägerin anderweitige Voruntersuchungen stattgefunden haben, etwa durch den medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), und zu welchem Ergebnis diese Voruntersuchungen geführt haben; die von der Klägerin vorgelegten Dokumentationen enthalten dazu keinerlei Angaben.

    Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung ist der medizinische, zahnmedizinische und pflegerische Beratungs- und Begutachtungsdienst der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in einem Bundesland. Der MDK hat die Aufgabe, die medizinischen und pflegerischen Fragestellungen der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen sowie deren Landesorganisationen sozialmedizinisch zu beantworten, damit von diesen eine leistungsrechtliche Entscheidung getroffen werden kann. Die Kranken- und Pflegekassen sind gesetzlich verpflichtet, den MDK bei wichtigen Leistungsentscheidungen mit Begutachtungen zu beauftragen. Eine Vorlage beim MDK durch die Krankenkasse erfolgt, wenn es nach Art, Schwere, Dauer und Häufigkeit der Erkrankung oder Behinderung erforderlich ist oder die gesetzlichen Bestimmungen des SGB, insbesondere des SGB V, SGB IX und SGB XI eine Begutachtung oder Beratung vorschreiben. Die MDK führten im Jahre 2009 über 6,3 Millionen sozialmedizinische Begutachtungen und sozialmedizinische Fallberatungen im Auftrag der gesetzlichen Krankenkassen durch.

    Jeder Patient sei er nun privat oder gesetzlich versichert, wird bestrebt sein, vor einem Eingriff, den er selbst aus medizinischen Gründen für notwendig hält, die Kostenfrage zu klären, um ggfs. eine vollständige oder zumindest teilweise Kostenübernahme zu erreichen. Er wird sich dazu an seine Krankenkasse (und z.B. bei öffentlich Bediensteten an die Beihilfe) wenden, um die Kostenübernahme zu erlangen. Er wird dazu möglicherweise schon vorher einen Arzt, etwa den Hausarzt, konsultiert haben, weil er sich beispielsweise über die medizinische Indikation nicht im Klaren ist. Im einen wie im anderen Fall wird der Patient nach Begutachtung seines Einzelfalles beschieden.

    Diese Voruntersuchungen müssen - im Grenzbereich zu reinen Schönheitsmaßnahmen und in Anbetracht der zwischenzeitlich verstrichenen Zeit - Bestandteil einer späteren Begutachtung durch einen vom Finanzgericht eingesetzten Gutachter sein. Das Finanzgericht muss zu diesem Zweck die entsprechenden Voraussetzungen schaffen, damit die Ergebnisse der Voruntersuchungen dem Gutachter zugänglich gemacht werden. Der Senat kann nicht davon absehen, im Rahmen der ihm obliegenden Sachaufklärungspflicht auf die naheliegende Möglichkeit, ggfs. fundierte, weil zeitnahe Beweismittel zu erlangen, außer Acht zu lassen.

    Die Notwendigkeit dieser Klärung kann im Übrigen nicht mit dem Argument in Zweifel gezogen werden, allein der behandelnde Arzt entscheide über das Vorliegen einer medizinischen Indikation. Der Senat hat schon an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass der behandelnde Arzt tatsächlich alleine über das Vorliegen der medizinischen Indikation entscheidet. Vorliegend geht es aber darum, die Maßstäbe festzulegen, nach denen Jahre später ein Gutachter die Richtigkeit dieser Annahme überprüft. Dazu ist es von vornherein zwingend, in jedem Fall alle denkbaren Erkenntnisquellen heranzuziehen.

    Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat noch auf Folgendes hin: Sollte sich der Patient trotz des Umstandes, dass er selbst von einer medizinischen Indikation ausgeht, ohne jegliche Voruntersuchung sofort an die Klinik der Klägerin gewandt haben, so wird schon im Internetauftritt der Klägerin klargestellt, dass er Selbstzahler ist. Im Kapitel „Preise und Kosten” heißt es dazu:

    „Bitte lassen Sie sich nicht von den teilweise sehr niedrigen Kostenangaben anderer Kliniken täuschen. Hier werden nur die Basiskosten für die Maßnahme an sich genannt, um aus werbestrategischen Gründen einen möglichst niedrigen Preis angeben zu können. Nebenkosten z. B. für Narkose, stationären Aufenthalt, Qualität der Implantate oder prä- und postoperative Betreuung finden in diesen Angaben keine Berücksichtigung. Welcher Preis wirklich auf Sie zukommt, erfahren Sie in der Regel erst bei einem Termin vor Ort. Auch den Weg ins Ausland, um Kosten zu sparen, sehen wir sehr kritisch, da Standards im operativen Sektor in der Regel nicht die deutschen Standards erreichen. Dies betrifft sowohl die Ausbildung der Ärzte wie auch die Qualität und Sicherheit einer Narkose und die Ausrüstung im OP.”

    Wenn aber der jeweilige Patient seinen Status als Selbstzahler auf diese Weise selbst unmittelbar annimmt, so ist er im Rahmen der Begutachtung darüber zu befragen, warum er - bei Annahme einer medizinischen Indikation - von vornherein die Möglichkeit einer Kostenübernahme nicht in Betracht gezogen hat. Sollte aber der Patient selbst zu keinem Zeitpunkt von einer medizinischen Indikation ausgegangen, so ist er zu den Umständen und Hintergründen durch den Gutachter zu befragen.

    Im Übrigen hielte es der Senat nicht für praktikabel, sich bei der Vielzahl der zu begutachtenden Einzelfälle - im vorliegenden Streitverfahren sowie anderen, beim Senat anhängigen Streitverfahren insgesamt mehrere hundert Fälle - ggfs. noch einem Gutachterstreit darüber ausgesetzt zu sehen, ob ein verwertbares Gutachten im Einzelfall auch ohne Einwilligung anhand einer Anonymisierung erstellt werden kann und wie und ob eine Anonymisierung überhaupt möglich ist. Dass derartige Befürchtungen nicht aus der Luft gegriffen sind, hat sich für den Senat im vorliegenden und in anderen noch nicht abgeschlossenen Verfahren bereits in aller Deutlichkeit gezeigt.

    4.3.

    Die verfahrensrechtlichen Regelungen, die auf im Gemeinschaftsrecht begründete Ansprüche angewandt werden, dürfen die Ausübung dieser Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH, Urt. v. 10.07.1997 Rs. C-261/95 - EuGHE I 1997, 4025 „Palmisani”; EuGH, Urt. v. 28.11.2000 Rs. C-88/99 - EuZW 2001, 318 = RIW 2001, 145 „Roquette Freres SA”; EuGH, Urt. v. 03.09.2009 Rs. C-2/08 - IStR 2009, 727 m. Anm. Korf „Amministrazione dell’Economia e delle Finanze, Agenzia delle Entrate ./. Fallimento Olimpiclub Srl”), Effektivitätsprinzip.

    Daneben tritt eine weitere Gruppe von Begrenzungen der nationalen Autonomie. Sie ergeben sich aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Unionsrechts. Zu ihnen rechnet das Prinzip der Verhältnismäßigkeit (EuGH, Urt. v. 17.12.1970 Rs.- C-25/70 - EuGHE 1970, 1161 „Köster, Beroth & Co.”; EuGH, Urt. v. 17.01.2008 Rs. C-37/06 u. C-58/06 - EuGHE I 2008, 69 „Viamex”).

    Der Senat verlangt mit der Anforderung der Einverständniserklärungen nichts Unmögliches. Die Anforderung von Einverständniserklärungen der Patienten ist nicht unverhältnismäßig. Schon vor Durchführung der Eingriffe war der Kläger gehalten, sich die notwendige Einverständniserklärung einzuholen. Der Kläger beruft sich nämlich auf eine umsatzsteuerliche Ausnahmevorschrift, eine Befreiung nach § 4 UStG. Hier gilt es, sofern der Sachverhalt - wie vorliegend im Grenzbereich zu reinen Schönheitsmaßnahmen - dazu Anlass gibt, größtmögliche Beweisvorsorge zu treffen. Das gilt vor allem unter Berücksichtigung der Rechtslage in den Streitjahren. Wenn der Steuerpflichtige die Beweisvorsorge unterlässt, darf die nachträgliche Unmöglichkeit der Beweisführung nicht dazu führen, dass die Steuerfreiheit als Ausnahmetatbestand gleichwohl gewährt werden muss. Dies würde das Erfordernis des Vorliegens einer Heilbehandlung vollständig aushöhlen.

    Nach der Rechtslage im Streitjahr 2002 bestand hinreichend Anlass für die Klägerin, größtmögliche Beweisvorsorge zu treffen.

    Bereits zu § 4 Nr. 14 UStG 1967, auf den der Wortlaut des § 4 Nr. 14 UStG 1993 zurückgeht, hatte der BFH entschieden, dass nicht alle vom Arzt ausgeführten Umsätze steuerfrei sind, sondern nur diejenigen, die er in Ausübung seiner heilkundlichen Tätigkeit bewirkt (BFH-Urteil vom 26. Mai 1977 V R 95/76, BFHE 123, 199, BStBl II 1977, 879). Wie weit die heilkundliche Tätigkeit geht, war aber seit jeher umstritten (dazu auch BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 27/03, BStBl II 2004, 862).

    Im Jahr 2000 hatte der Europäische Gerichtshof (Urteil vom 14. September 2000 Rs. C-384/98, UR 2000, 432) entschieden, dass medizinische Leistungen, die nicht in der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung bestehen, sondern auf der auf biologische Untersuchungen gestützten Feststellung einer anthropologisch-erbbiologischen Verwandtschaft, nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen. Nach den Grundsätzen dieser EuGH-Rechtsprechung reicht es nicht aus, dass die Operationen nur von einem Arzt ausgeführt werden können, vielmehr müssen sie der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung und damit dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen; nur dann liegt eine ärztliche Ausübung der Heilkunde vor (so auch der BFH in seiner Deutung der EuGH-Entscheidung, BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 27/03, BStBl II 2004, 862).

    Mit Urteil vom 12. November 2002 entschied dann auf nationaler Ebene das Finanzgericht Berlin (7 K 7264/02, DStRE 2003, 376; bestätigt durch BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 27/03, BStBl II 2004, 862 - Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG-Beschluss vom 4. Juli 2006 1 BvR 2241/04, n.v.) unter Verweis u.a. auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes Urteil vom 14.09.2000 (a.a.O.), dass medizinisch nicht indizierte Schönheitsoperationen der Umsatzsteuer unterliegen. In seinem bestätigenden Urteil vom 15. Juli 2004 nahm der BFH zur Begründung ebenfalls Bezug auf die vorgenannte EuGH-Entscheidung.

    Die damals bestehenden unterschiedlichen Auffassungen der Oberfinanzdirektionen über die steuerrechtliche Beurteilung der Schönheitschirurgen sollten auf einer gemeinsamen Bund-/Länderbesprechung über Umsatzsteuerfragen Ende September/Anfang Oktober 2002 vereinheitlicht werden. Dieses Ziel konnte zunächst nicht erreicht werden. Auch nach und trotz Ergehen des EuGH-Urteils vom 14. September 2000 hatten die Finanzverwaltungen verschiedener Länder - allerdings z.B. nicht des Landes Nordrhein-Westfalen und insbesondere auch nicht des Landes Rheinland-Pfalz - zunächst entschieden, ärztliche Leistungen der Schönheitschirurgen seien weiterhin von der Umsatzsteuer befreit (vgl. z.B. OFD Karlsruhe v. 25.03.2002 - S 7170, UR 2002, 383; OFD Stuttgart v. 25.03.2002 - S 7170, UR 2002, 383). Aufgrund der auf Bund-/Länderebene geführten Diskussion änderte die OFD Karlsruhe/Stuttgart dann ihre Verfügung am 09.12.2002 mit Wirkung ab dem 1. 1. 2003 ab. Im Wege einer Übergangsregelung bis zum 31.12.2002 gewährte die OFD Karlsruhe/Stuttgart den Steuerpflichtigen unter Fortbestand der bisherigen Regelung allerdings Vertrauensschutz.

    Erst ab dem 01.01.2003 liegt nach Auffassung der OFD Karlsruhe/Stuttgart eine Umsatzsteuerfreiheit nur noch dann vor, wenn die Leistungen der Schönheitschirurgen medizinisch indiziert sind (zum historischen Ablauf der unterschiedlichen Verwaltungsauffassungen vgl. Eisolt, BB 2003, 1819, 1824 f.). Die Finanzverwaltung ist damit von der weiten Auslegung der Vorschrift des § 4 Nr. 14 UStG zu Recht abgerückt, und vertritt seitdem die Auffassung, dass ästhetisch-plastische Leistungen eines Chirurgen (Schönheitsoperationen) steuerpflichtig sind, wenn nicht nach den Umständen des Einzelfalls eine medizinische Indikation vorliegt (OFD München/Nürnberg, Verfügung vom 7. April 2003, StEK, Umsatzsteuergesetz 1980, § 4 Ziff. 14, Nr. 85).

    Die EuGH-Entscheidung ist nicht nur in der nationalen Rechtsprechung, sondern auch in der nationalen Literatur als Zäsur in der Weise verstanden worden, dass damit zugleich feststeht, dass Umsätze eines Arztes aus einer medizinisch nicht indizierten Schönheitsoperation sind nicht nach § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerbefreit sind (Eisolt, BB 2003, 1819 ff.; von Boehmer/Petereit, DStR 2003, 2058 ff.; Rüsken, NWB Fach 2, 9721 ff.: „Sinneswandel”).

    Nach alledem bestand für die Klägerin - zumal im Lande Rheinland-Pfalz - im Streitjahr kein irgendwie gearteter Vertrauensschutz mit der Folge, dass die Klägerin bei Annahme einer Umsatzsteuerfreiheit zur Beweisvorsorge gehalten war. Der Senat sieht sich unter dem Gesichtspunkt mangelnden Vertrauensschutzes in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH. Im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren V B 8/06 hatte der Kläger (Facharzt für Chirurgie und plastische Chirurgie) zum dortigen Streitjahr 1997 vorgetragen, dass es von grundsätzlicher Bedeutung sei, ob nicht nur durch aktives Verwaltungshandeln, sondern auch durch Untätigkeit der Finanzverwaltung ein Vertrauenstatbestand geschaffen werden könne. Die Untätigkeit liege darin, dass die Finanzverwaltung nach dem Ergehen des EuGH-Urteils D. in BFH/NV Beilage 2001, 31, UR 2000, 432 in den BMF-Schreiben in BStBl I 2001, 157 und in BStBl I 2001, 826 lediglich zur Besteuerung von (nicht medizinisch indizierten) ärztlichen Sachverständigengutachten Stellung genommen habe, nicht jedoch zur Umsatzsteuerpflicht von Schönheitsoperationen. Auch die für den Kläger zuständige OFD Münster habe erst am 20. Juni 2002 und 5. September 2003 hierzu (verspätet) Stellung genommen. Wenn die Finanzverwaltung untätig bleibe und trotz fehlender Heilbehandlung keine Besteuerung vornehme, müsse auch die Untätigkeit der Verwaltung schützenswertes Vertrauen begründen können. Zudem habe der BFH in seinem Urteil in BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862 ausgeführt, dass „bei der Entscheidung über den Billigkeitsantrag auch die frühere Behandlung der Schönheitsoperationen durch die Finanzverwaltung eine Rolle spielen” könne. Schließlich sei auch die unterschiedliche Anwendung von Bundesrecht durch verschiedene OFD zu beanstanden.

    Der BFH ist dieser Argumentation in seinem Beschluss vom 26. September 2007 (BStBl II 2008, 405) zu Recht nicht gefolgt und hat zur Begründung u.a. ausgeführt:

    „Wie das FG ausgeführt hat, war bereits in den damaligen UStR (z.B. UStR 1997 Abschn. 88) die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 UStG grundsätzlich an die Vornahme einer Heilmaßnahme geknüpft worden. Dementsprechend wurden seit jeher ärztliche Gutachten nur im Zusammenhang mit der Heilung von Krankheiten, nicht aber z.B. zur Tauglichkeitsfeststellung oder bei Vaterschaftsgutachten oder zur Feststellung des Alkoholgehaltes im Blut in Strafprozessen als steuerfrei angesehen. Gerade auch wegen der Entscheidung des BFH zur Steuerpflicht von Schönheitsmassagen durch Masseure (BFH-Urteil vom 26. November 1970 IV 60/65, BFHE 101, 115, BStBl II 1971, 249) konnten bereits Zweifel darüber aufkommen, ob es gerechtfertigt war, Schönheitsoperationen durch Ärzte anders zu behandeln als Schönheitsmassagen durch Masseure. Von einer gesicherten Rechtsauffassung als Grundlage eines Vertrauensschutzes für die Steuerfreiheit von Schönheitsoperationen konnte hiernach nicht ausgegangen werden. Das schlichte Verwaltungsunterlassen reichte hierfür nicht aus.”

    Die mithin angezeigte Beweisvorsorge betraf auch die Einholung einer Einverständniserklärung des jeweiligen Patienten zur einer möglichen späteren Begutachtung. Der Klägerin bzw. den für sie handelnden Personen war bewusst und wurde im Klageverfahren auch nicht bestritten, dass die streitbefangenen chirurgischen Eingriffe in einem Bereich stattfinden, in dem die medizinische Indikation nicht aufgrund Anscheinsbeweises gegeben ist und daher im Einzelfall nachzuweisen ist; sie hat dementsprechend Dokumentationen angefertigt und dem Senat vorgelegt. Abgesehen davon, dass diese Dokumentationen - wie bereits dargelegt - unvollständig sind, hat sie von der nahe liegenden Einholung einer Einverständniserklärung abgesehen. Dabei kommt die umsatzsteuerliche Einordnung eines chirurgischen Eingriffs als umsatzsteuerfreie sonstige Leistung bei entsprechender In-Rechnung-Stellung nicht der Klinik bzw. dem Arzt zugute, sondern alleine dem Patienten als privatem Leistungsempfänger; eine nachträgliche Abwälzung der Umsatzsteuer wird in der Regel nicht mehr möglich sein (so auch Rüsken, NWB Fach 2, 9721, 9724).

    Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit den von ihr angebotenen Leistungen im Wettbewerb zu anderen in- und ausländischen Kliniken steht. Den einzelnen Kunden, also den Patienten, interessiert unter finanziellen Gesichtspunkten, soweit er solche Überlegungen überhaupt anstellt, allenfalls der Endpreis. Insofern ist die Einholung einer Einverständniserklärung letztlich ein naheliegendes „Geschäft” auf Gegenseitigkeit im beiderseitigen Interesse: Die Klinik kann durch Einverständniserklärung die Annahme einer medizinischen Indikation ggfs. im Rahmen einer späteren Begutachtung untermauern, der (mündige) Patient erhält eine Rechnung ohne Umsatzsteuer im Bewusstsein, dass die Klinik von einer medizinischen Indikation ausgeht.

    Die Klägerin ist diesen - sicherlich beschwerlicheren - Weg nicht gegangen in Kenntnis des Umstandes, dass bei späterer Begutachtung eine Anamnese nicht möglich sein wird. In einer Stellungnahme der Ärztekammer Berlin (www.aerztekammerberlin.de) heißt es zu den „Allgemeinen Grundlagen der Begutachtung” unter Ziffer 5 („Vollständige Erfassung der Sachverhalte”): „Für eine sachgerechte Begutachtung ist die Erfassung aller relevanten Sachverhaltsaspekte unverzichtbar. Dies bedeutet neben der vollständigen Erfassung des vorhandenen Akteninhalts, dass der Gutachter eine umfassende Anamnese und körperliche Untersuchung erstellen muss, da Vorerkrankungen und Gebrechen das gutachterliche Ergebnis beeinflussen können.”

    Angesichts der Inanspruchnahme eines umsatzsteuerlichen Befreiungstatbestandes in einem Grenzbereich konnte und durfte die Klägerin von dieser Einholung nicht absehen, wenn sie nicht den „sicheren Weg” wählen wollte.

    4.4.

    Ungeachtet dieser Ausführungen sieht der Senat für das Streitjahr den Nachweis, dass die Klägerin durch ihre behandelnden Ärzte eine Beurteilung, ob der Eingriff medizinisch indiziert ist, vornehmen lässt und - falls die medizinische Indikation verneint wird - die Behandlung ablehnt, als erbracht an (Anlage 3 zum Schriftsatz vom 07.03.2011, in den Jahren 2002 und 2003 abgelehnte Fälle).

    5.

    5.1.

    Der Klägerin wurde hinreichend Gelegenheit gegeben, die Einverständniserklärungen der Patienten beizubringen.

    Der Klägerin war seit der Bekanntgabe des Schreibens des Gerichts an Frau Dr. M vom 07.04.2010 (Bl. 370/271 PrA) an sie bekannt, dass das Gericht die Rechtsauffassung vertritt, dass eine Begutachtung der Original-Unterlagen der Patienten ohne deren Einwilligung nicht zulässig ist. In diesem Schreiben hat das Gericht nämlich erwähnt, dass es selbst stichprobenhaft drei Fälle anonymisiert hat, um diese der Gutachterin für Zwecke der Erstellung des Gutachtens zur Verfügung zu stellen. In einem weiteren Schreiben vom 07.07.2010 (Bl 408 PrA) hat das Gericht darauf hingewiesen, dass es für die Einholung von Einzelgutachten das Einverständnis der betroffenen Patienten für erforderlich erachtet.

    Da die Klägerin für die streitbefangenen Umsätze die Umsatzsteuerfreiheit begehrt und der Beklagte die Umsatzsteuerfreiheit vollumfänglich versagt hat, ergibt sich bereits hieraus der Umfang der Beweisbedürftigkeit für sämtliche von der Klägerin streitig gestellten Behandlungen. Eines weiteren Hinweises seitens des Gerichts hierauf bedurfte es nicht. Da die Klägerin bereits aufgrund der vom Gericht vorgenommenen teilweisen Anonymisierung und des Hinweises vom 07.07.2010 wissen musste, dass eine Begutachtung nur unter diesen Voraussetzungen in Betracht kommt, bedurfte es auch insoweit keines weiteren Hinweises.

    Im Übrigen muss der Prozessbevollmächtigte als Rechtsanwalt selbst die Vorschrift des § 203 StGB kennen und deshalb auch ohne entsprechenden richterlichen Hinweis wissen, dass eine Begutachtung ohne Einverständnis der Patienten nicht in Betracht kommen kann.

    Das Gericht hat der Klägerin im Anschluss an den Termin vom 14.04.2011 auf mehrfache Fristverlängerungsanträge der Klägerin hin nochmals bis zum 30.09.2011 Frist gewährt für die Vorlage der Einverständniserklärungen. Die Klägerin hat innerhalb der Frist lediglich die „anonymisierten” Patientenunterlagen vorgelegt und im Übrigen mit Beweisangeboten vorgetragen, die Einholung von Einverständniserklärungen der Patienten sei ihr nicht möglich gewesen.

    5.2.

    Auch den weiteren Beweisanträgen der Klägerin brauchte das Gericht nicht nachzugehen.

    5.2.1.

    Die Klägerin hat im Termin vom 14.04.2011 zu Protokoll die Stellung von Beweis- und Verfahrensanträgen angekündigt; der Vorsitzende hat ihr dies bis zum Erlass der angekündigten gerichtlichen Verfügung zugestanden.

    Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 02.05.2011 folgende Beweisanträge gestellt:

    Verantwortlicher behandelnder Arzt für dem sämtliche Klageverfahren zugrunde liegenden Umsätze war Herr Dr. X.

    Beweis durch Vernehmung des Herrn Dr. X als sachverständigen Zeugen, durch Anhörung des Prof. Dr. H und des Prof. Dr. B sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht, wobei als Sachverständige neben Prof. Dr. H und Prof. Dr. B des weiteren Prof. Dr. F. R. und Prof. Dr. R. J. vorgeschlagen werden .

    Das Gericht erachtet die Beweisaufnahme zu diesem Beweisthema als entbehrlich, da es von der Richtigkeit dieser - im Übrigen vom Beklagten auch nicht bestrittenen - Behauptung ausgeht.

    Herr Dr. X hat bei sämtlichen steuerfrei belassenen Umsätzen in jedem Einzelfall eine medizinische Indikation geprüft und bejaht.

    Beweis durch Vernehmung des Herrn Dr. X als sachverständigen Zeugen, durch Anhörung des Prof. Dr. H und des Prof. Dr. B sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht, wobei als Sachverständige neben Prof. Dr. H und Prof. Dr. B des weiteren Prof. Dr. F. R. und Prof. Dr. R. J. vorgeschlagen werden .

    Einer Beweisaufnahme hierüber bedurfte es nicht, da dies nach der Rechtsauffassung des Gerichts für die Steuerfreiheit der Umsätze nicht ausreichend ist.

    Eine medizinische Indikation der durchgeführten Behandlungen hat Herr Dr. X in jedem Einzelfall nur dann bejaht, wenn der Eingriff/die Behandlung der Vorbeugung, Behandlung und/oder Beseitigung einer Krankheit oder Gesundheitsstörung diente.

    Beweis durch Vernehmung des Herrn Dr. X als sachverständigen Zeugen, durch Anhörung des Prof. Dr. H und des Prof. Dr. B sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht, wobei als Sachverständige neben Prof. Dr. H und Prof. Dr. B des weiteren Prof. Dr. F. R. und Prof. Dr. R. J. vorgeschlagen werden .

    Das Gericht geht davon aus, dass Herr Dr. X diese Beurteilung ausgehend von der weitesten Definition der Gesundheitsstörung entsprechend dem WHO-Begriff vorgenommen hat. Sollte dies entgegen der Annahme des Gerichts nicht der Fall gewesen sein, so konnte eine Beweisaufnahme darüber gleichwohl unterbleiben, da die Einschätzung des behandelnden Arztes allein nach Auffassung des Gerichts die Steuerfreiheit der Umsätze nicht zu begründen vermag.

    Die Beurteilungen der medizinischen Indikation durch Herrn Dr. X waren aus medizinischer Sicht zutreffend, zumindest aber vertretbar.

    Beweis durch Vernehmung des Herrn Dr. X als sachverständigen Zeugen, durch Anhörung des Prof. Dr. H und des Prof. Dr. B sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht, wobei als Sachverständige neben Prof. Dr. H und Prof. Dr. B des weiteren Prof. Dr. F. R. und Prof. Dr. R. J. vorgeschlagen werden .

    Das Gericht hält auch eine Beurteilung anhand der weiten WHO-Definition für medizinisch vertretbar, stellt aber für die umsatzsteuerliche Beurteilung hierauf nicht ab, so dass die unter Beweis gestellte These nicht entscheidungsrelevant ist.

    Eine gutachterliche Überprüfung, ob die den streitgegenständlichen Umsätzen zugrunde liegenden Eingriffe und Behandlungen medizinisch indiziert waren, ist auch ohne Zustimmung der Patienten aus medizinischer Sicht möglich

    Beweis durch Zeugnis des Herrn Dr. X sowie der Sachverständigen Prof. Dr. H, Prof. Dr. B und Dr. M und durch Einholung einer Sachverständigenauskunft durch das Gericht

    Das Gericht geht davon aus, dass die Auskunft von Frau Dr. M im Termin vom 27.01.2011, dass eine nachträgliche Begutachtung aus medizinischer Sicht anhand der von der Klägerin erstellten Unterlagen möglich ist, zutreffend ist. Die so erstellte Begutachtung ist jedoch für den Nachweis der Voraussetzungen der Steuerbefreiung nicht ausreichend. Insbesondere bedarf es darüber hinaus der zusätzlichen Feststellung, dass - sofern eine medizinische Indikation vorliegt - dies auch Hauptzweck der Maßnahme war; diese Feststellung kann allein anhand von Unterlagen nicht getroffen werden.

    5.2.2.

    Im Termin vom 12.01.2012 hat die Klägerin folgende weitere Beweisanträge gestellt:

    1. Verantwortlicher behandelnder Arzt für dem sämtliche Klageverfahren zugrunde liegenden Umsätze war Herr Dr. X.

    Dies wird vom Beklagten nicht bestritten und als wahr unterstellt.

    2. Herr Dr. X hat bei den als umsatzsteuerbefreit behandelten Umsätzen in jedem Einzelfall eine medizinische Indikation geprüft und bejaht.

    3. Eine solche medizinische Indikation hat Herr Dr. X nur angenommen, wenn der Eingriff der Vorbeugung, Behandlung und/oder Beseitigung einer Krankheit oder Gesundheitsstörung diente.

    4. Diese Beurteilung des Herrn Dr. X war aus medizinischer Sicht zutreffend.

    Zu 2. - 4.:

    Das Gericht geht davon aus, dass Herr Dr. X dies unter Zugrundelegung der weitest möglichen medizinisch vertretbaren Definition getan hat. Darauf kommt es jedoch nicht entscheidungserheblich an, wenn - so wie der Senat dies sieht - die Annahme einer medizinischen Indikation an engere Voraussetzungen geknüpft wird, die der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegen.

    5. Die sachverständige Beurteilung, ob eine medizinische Indikation in den hier streitigen Behandlungsfällen vorlag, kann bei sämtlichen Behandlungsmaßnahmen anhand von anonymisierten Patientenunterlagen - d.h. anhand von Unterlagen, bei denen dem Sachverständigen eine Identifizierung des behandelnden Patienten unmöglich ist - erfolgen.

    6. Die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen sind zur Beurteilung einer medizinischen Indikation ausreichend.

    zu 5. und 6.:

    Die Entscheidung hierüber unterliegt der Beurteilung durch das Gericht.

    7. Die Klägerin bietet noch einmal ausdrücklich an, sämtliche vorgelegten Patientenunterlagen dem Gericht und einem etwaig beschlossenen Sachverständigen auch in nicht anonymisierter Form vorzulegen.

    Hierzu wird auf die Ausführungen unter 4. Bezug genommen.

    8. Die Klägerin biete ausdrücklich an, die Einverständniserklärungen von Patienten im Einzelnen, durch das Gericht ausgewählten, exemplarischen Einzel- oder Zweifelfällen bei den betreffenden Patienten zu erbitten und erbitte in diesem Fall einen richterlichen Hinweis.

    Hierzu hat das Gericht der Klägerin bereits mitgeteilt, dass in allen Fällen, für die die Steuerbefreiung geltend gemacht wird, eine Begutachtung zur Feststellung der medizinischen Indikation erforderlich ist und dass diese Begutachtung nach Auffassung des Gerichts eine Einverständniserklärung erfordert; hierfür wurde der Klägerin eine - mehrfach verlängerte - Frist gemäß § 79b Abs. 2 FGO gesetzt, innerhalb der die Klägerin keine einzige Einverständniserklärung vorgelegt hat. Die Klägerin wurde auf die Folgen einer Nichteinhaltung der Frist hingewiesen.

    5.2.3.

    Die Klägerin stellte im Termin vom 12.01.2012 zudem sämtliche Beweisanträge aus den Schriftsätzen vom 17. September 2007, 18. Oktober 2007, 3. Januar 2008, 27. Februar 2009, 15. Mai 2009, 22. Mai 2009, 16. September 2009, 30. November 2009, 29. Januar 2010, 18. Mai 2010, 6. Oktober 2010, 18. Januar 2011, 7. März 2011, 11. April 2011, 2. Mai 2011, 22. August 2011, 30. August 2011, 27. September 2011, 2. November 2011, 19. Dezember 2011 und vom 11. Januar 2012.

    Hierbei handelt es sich um folgende Beweisthemen:

    Sämtliche Eingriffe sind medizinisch indiziert.

    Das Beweisthema ist in dieser Form unsubstantiiert.

    Rein kosmetische Motivation akzeptiert die Klägerin nicht.

    Diese Behauptung steht bereits im Widerspruch zum Internet-Auftritt der Klägerin und reicht im Übrigen für den Nachweis der Voraussetzungen der Steuerbefreiung nicht aus.

    Auch Brustvergrößerungen und -verkleinerungen sind medizinisch indiziert.

    Alle Patientinnen, bei denen Brustoperationen vorgenommen wurden, befanden sich im Zustand einer Gesundheitsstörung.

    Maßnahmen ohne medizinische Indikation wurden bei der Klägerin nicht durchgeführt.

    Eine behandlungsbedürftige Gesundheitsstörung liegt ab einem BMI über 25 vor.

    Sämtliche Liposuction-Patienten waren im medizinischen Sinne fettleibig; durch die Liposuction wurde eine Gesundheitsstörung beseitigt.

    Die Patientinnen, bei denen Brustkorrekturen vorgenommen wurden, hatten ausnahmslos eine psychische Gesundheitsstörung.

    Die Bereitschaft eines Patienten, sich operieren zu lassen, reicht als Beleg für eine Gesundheitsstörung.

    Liposuction ist bei Fettsucht besser geeignet, Depressionen entgegen zu wirken, als Diäten.

    Die Liposuction dient der Behandlung einer Fettleibigkeit; sie ist stets medizinisch indiziert.

    Zu diesen Beweisthemen wird auf die Ausführungen unter 4. Bezug genommen.

    Anhand von Fotos der Patienten und anhand der Dokumentationen ist eine medizinische Beurteilung möglich, ob eine Gesundheitsstörung gegeben ist.

    Eine solche Begutachtung anhand der Dokumentationen reicht nach den Aus-führungen unter 4. für den Nachweis der Voraussetzungen der Steuerbefreiung nicht aus. Im Übrigen handelt es sich bei den Dokumentationen um Parteivortrag.

    Die Gutachten Dr. B und Dr. H gehen von einer anerkannten medizinischen Definition der Begriffe Krankheit und Gesundheitsstörung aus.

    Diese Behauptung kann insoweit als wahr unterstellt werden, als es sich auch bei dem WHO-Begriff um eine anerkannte, medizinische Definition handelt.

    Die Gutachten Dr. B und Dr. H bestätigen anhand der vorliegenden Fotos, Dokumentationen, Stichproben und Fragebögen, dass bei den Patienten Krankheiten oder Gesundheitsstörungen vorlagen und keine rein kosmetische Indikation.

    Die von der Klägerin durchgeführten Maßnahmen dienen generell der Vorbeugung von Krankheiten und damit der Gesundheitsvorsorge.

    Disproportionale Verteilung von Fettgewebe verursacht krankhafte psychische Störungen.

    Alle von der Klägerin vorgenommenen operativen Maßnahmen dienen der Vermeidung von Folgeerkrankungen und Funktionsstörungen, bzw. der Vermeidung von deren Verschlimmerung.

    Zu diesen Beweisthemen wird auf die Ausführungen zur Notwendigkeit von Einzelbegutachtungen (Ziff. 4.) Bezug genommen

    Mit plastischen Operationen können psychische Störungen geheilt oder verbessert werden.

    Das vom Gericht eingeholte Gutachten gelangt zum gegenteiligen Ergebnis. Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter 4. Bezug genommen.

    Mit Soft-Lifting werden altersuntypische negative biologische, hormonelle, stoffwechselbedingte Vor-Alterungen behandelt.

    Standardisierte Diagnosen sind in der Medizin häufig, gerade bei Spezialisten.

    Diese allgemein gehaltenen Beweisthemen sind nicht geeignet, die Voraussetzungen der Steuerbefreiung im konkreten Einzelfall nachzuweisen.

    Die Prüfungsprotokolle der Klägerin sind einzelfallbezogen und gehen auf individuelle Vorbelastungen ein.

    Aus den Prüfungsprotokollen und den übrigen Patientenunterlagen ergibt sich, dass der therapeutische Zweck bei allen Patienten eindeutig im Vordergrund stand.

    Hierbei handelt es sich um gutachterlichen Parteivortrag, der durch die Einholung von gerichtlichen Einzelgutachten zu belegen ist.

    Die Operationen im Bereich des Stützapparates am Auge dienten allein der Beseitigung einer eingeschränkten Sehfähigkeit und der Verhinderung dauernden Tränenflusses.

    Die Brustoperationen bei Erschlaffung des Brustgewebes dienten allein der Beseitigung der dadurch hervor gerufenen Belastung des Schulter-Rücken-Bereiches mit entsprechender schmerzhafter Symptomatik.

    Bei Bindegewebsschwächen mit massiven Fettansammlungen komme es zu ödematösen Aufschwellungen (Lipomatose), die diät- und bewegungsresistent seien und erhebliche Schmerzsensationen nach sich ziehen würden; in diesen Fällen sei einzig eine plastisch-chirurgische Behandlung angezeigt.

    Lipomatose führe insbesondere bei jungen Frauen zu Ess-Störungen (Bulimie, Anorexie).

    Auch insoweit wird auf die Ausführungen zur Notwendigkeit der Einholung von Einzelgutachten Bezug genommen.

    Litten die jeweiligen Patienten, gegenüber denen die streitigen Umsätze im Einzelnen erbracht worden sind, an einer „Krankheit” oder sonstigen „Gesundheitsstörung”?

    Hierfür sind Einzelgutachten einzuholen, die das Einverständnis der betroffenen Patienten voraussetzen.

    War die Tätigkeit der Klägerin bei der Erbringung der streitigen Umsätze im Einzelnen auf die „Diagnose” und/oder „Behandlung” dieser Krankheiten oder Gesundheitsstörungen mit dem Hauptziel ausgerichtet, eine Verbesserung der Gesundheit oder eine entsprechende vorbeugende Maßnahme herbei zu führen (Maßnahmen zum Schutz oder zur Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit)?

    Auch insoweit muss jeder Einzelfall begutachtet werden, was das bisher nicht vorhandene Einverständnis der betroffenen Personen voraussetzt.

    Dienten die streitigen Umsätze der Klägerin bei Fehlen einer bestehenden Krankheit oder sonstigen Gesundheitsstörung im Einzelnen zumindest dem Hauptziel der „Gesundheitsvorsorge” der behandelten Patienten (Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der menschlichen Gesundheit)?

    Das gerichtliche Gutachten gelangt nicht zu diesem Ergebnis; die Einholung weiterer Gutachten ist nicht geboten. Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter 4. Bezug genommen.

    Waren die von der Klägerin erbrachten Behandlungsmaßnahmen der plastischen Chirurgie i.S.d. Rechtsauffassung des erkennenden Senats in seinem Beschluss vom 28.12.2007 Az. 6 V 1085/07 im Einzelnen notwendig zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit unter Beachtung des Zwecks der Befreiungsvorschrift (Senkung der Behandlungskosten), des Grundsatzes der Neutralität (Gleichbehandlungsgebot) und dem Recht des Patienten auf freie Wahl der Behandlungsart/-methode, d.h. hatten diese Tätigkeiten das gleiche Ziel wie andere steuerbefreite Behandlungsmaßnahmen, z.B. von psychologischen Psychotherapeuten?

    Der Senat hat diesen Beweisantrag dahin verstanden, dass ein Sachverständigengutachten dazu eingeholt werden soll, ob die Behandlungsmaßnahmen generell im Hinblick auf die genannten Rechtsgrundsätze den Anforderungen an die Steuerbefreiung genügen.

    Hierbei handelt es sich um Rechtsfragen, die das Gericht zu beantworten hat.

    Inwieweit die von der Klägerin vorgeschlagenen Gutachter Prof. Dr. R. J. und Prof. Dr. F. R. für die Erstellung der Gutachten besser qualifiziert sein sollen als Frau Dr. M, hat die Klägerin im Übrigen nicht dargetan.

    Ergänzend wird auf die Ausführungen unter 4. Bezug genommen.

    Sämtliche Behandlungen waren im Einzelfall medizinisch indiziert; hierfür sei der Beweis erbracht worden durch die Ergänzungsgutachten.

    Insoweit wird auf die Notwendigkeit der Einholung von Einzelfallgutachten unter Vorlage von Einverständniserklärungen der Patienten hingewiesen.

    Da die Klägerin eine Fachklinik betreibe mit Spezialisierung auf eng umgrenzte Behandlungsbereiche, sei es zwangsläufig, dass die Diagnosen sich wiederholen.

    Dies kann als wahr unterstellt werden.

    Plastische Operationen dienten der Gesundheitsvorsorge und Vorbeugung.

    Eine Verbesserung des psychischen Zustandes reiche auch bei „nicht klinisch relevanten” Zuständen, um therapeutische Zielsetzung zu erfüllen.

    Der BMI treffe keine Aussage zu dysproportionaler Fettverteilung und Anteil Fettgewebe.

    Bei dysproportionaler Fettverteilung liege eine medizinische Indikation vor (daraus resultierende psychische Störungen); der BMI sei in diesem Fall nicht entscheidend.

    Die Klägerin habe medizinisch sachgerecht vorsichtig den BMI ermittelt, so dass dieser mitunter unter 30 lag. Nach den für das Gutachten Dr. H zugrunde liegenden Informationen und Dokumentationen sei bei allen begutachteten Patienten grundsätzlich von einem BMI über 30 auszugehen.

    Behandlungsbedürftigkeit liegt ab BMI über 25 vor; auch die Kassen würden unterscheiden nach der Lokalisation des Fettgewebes

    Zu diesen Beweisthemen wird auf die Ausführungen zur Notwendigkeit von Einzelbegutachtungen (Ziff. 4.) Bezug genommen.

    Ab einem BMI über 25 nähmen auch Kassen behandlungsbedürftiges Übergewicht an.

    Bei einem BMI über 30 seien operative Maßnahmen (Magenband, -bypass) indiziert.

    Ein BMI unter 30 stehe einer medizinischen Indikation nicht entgegen.

    Auch zu diesen Beweisthemen kann auf die Ausführungen zur Notwendigkeit von Einzelbegutachtungen (Ziff. 4.) Bezug genommen werden.

    Hierzu hat die Klägerin die Anlage 3 zum Schriftsatz v. 15.05.2009 (Bl. 218 PrA) vorgelegt. Danach ist die „Birnenform” für Frauen typisch und die „Apfelform” für Männer; es wird jedoch keine Aussage dazu getroffen, dass diese Formen der Fettverteilung dysproportional wären. Außerdem enthält sie die Aussage, dass Gewichtsabnahme bei leichtem und mittlerem Übergewicht aus medizinischer Sicht nur dann geboten ist, wenn zusätzlich Beschwerden und/oder Krankheiten diagnostiziert sind.

    Der psychische Leidensdruck habe sich in zahlreichen Fällen durch vorgelagerte konservative Behandlungsmethoden verstärkt.

    Durch konservative Behandlungsmethoden würden auch „gesunde” Körperregionen erkranken (perlorbitale Weichteilerschlaffungen, Voralterungen und altersuntypische negative biologische, hormonelle, stoffwechsel-/durchblutungsbedingte Gesundheitsfolgen).

    Plastische Operationen seien zu ca. 80% zur Vermeidung von Folgeerkrankungen und Funktionsstörungen, bzw. zur Vermeidung von deren Verschlimmerung erforderlich gewesen (arterielle Hypertonie, Diabetes, WBS-Symptomatik, Gelenkbelastungen, Haltungsschäden mit Cervicalsyndrom).

    Zu diesen Beweisthemen wird auf die Ausführungen zur Notwendigkeit von Einzelbegutachtungen (Ziff. 4.) Bezug genommen.

    Die Notwendigkeit plastischer Operationen bei Soft-Lifting ergebe sich ebenfalls aus Einzelfall-Gutachten.

    Bei diesen Gutachten handelt es sich um Parteivortrag, der des Beweises durch die Einholung weiterer Einzelfallgutachten bedarf.

    Auch alterstypische Folgen des Alterungsprozesses würden in anderen Bereichen als behandlungsbedürftig anerkannt (z.B. Altersweitsichtigkeit, Alterspigmentierung).

    Diese Behauptung ist nicht entscheidungserheblich für die konkret zu beurteilenden Leistungen der Klägerin.

    Gewichtsabnahme per Chirurgie zeige bessere Erfolge hinsichtlich späterer erneuter Gewichtszunahme und Depression als Abnehmen durch Diät (Studie Uni Bochum Bl. 48 Akte 6 K 1917/07).

    Die Einholung von weiteren Gutachten zu diesen in allgemeiner Form gehaltenen Beweisthemen wird vom Senat nicht mehr für erforderlich erachtet, nachdem ein Gutachten zu den für relevant erachteten Fragen eingeholt wurde; der Nachweis der Voraussetzungen der Steuerbefreiung kann nach dem Ergebnis des vom Gericht eingeholten Gutachtens nur noch durch Einzelfallgutachten erbracht werden.

    Da bei der Klägerin Anamnese, Diagnose und operative Maßnahme durch denselben Arzt erfolgten, sei eine umfangreiche Dokumentation für weiter be-handelnde Ärzte nicht erforderlich.

    Dies ist nicht entscheidungsrelevant.

    Eine Standarddiagnose sei auch „angina pectoris-Syndrom” bei Verdacht auf koronare Herzerkrankungen.

    In der Robert-Koch-Klinik sei „Tuberkulose” die einzige Diagnose, Besonderheiten würden nur als Abweichung vom Routinefall beschrieben.

    Die in der Klinik der Klägerin tätigen Ärzte legten im Hinblick auf die mit jeder Operation verbundenen Risiken das erforderliche Verantwortungsbewusstsein an den Tag.

    Es werde bei allen Patienten eine ausführliche Anamnese durchgeführt und es finde immer eine körperliche Untersuchung statt. Indikation und Operation würden ausführlich mit dem Patienten besprochen; dieser werde aufgeklärt.

    Selbst wenn diese Behauptungen zutreffen sollten, wird damit nicht der Nachweis der Voraussetzungen der Steuerfreiheit für die Leistungen der Klägerin geführt.

    Patienten nähmen Operationsrisiken nur dann auf sich, wenn sie sich dadurch eine deutliche Verbesserung ihres Gesundheitszustandes versprechen. Die Risiken sind ein Indiz für den therapeutischen Zweck der von der Klägerin durchgeführten Operationen und sprechen gegen einen bloßen kosmetischen Hintergrund.

    Dies reicht zum Nachweis einer medizinischen Indikation nicht aus.

    zu krankheitstypischen Befunden gehörten u.a. LWS-WBS-Cervical-Syndrom/Schulter-Arm-Syndrom, fehlfunktionsbedingte Knochenveränderungen (Genua valga/vara et recunvata), Hypertonie, Knie-/Hüft-/Sprunggelenks-beschwerden, Senk-/Spreizfüße.

    Hierzu wird auf die Ausführungen zur Notwendigkeit von Einzelbegutachtungen Bezug genommen.

    In den Einzelfall-Prüfungsprotokollen seien die variierenden präoperativen Befunde umfangreich dokumentiert (BMI-Feststellungen, Indikationen nach anatomischen, physiologischen, funktionellen, familiären, psychosozialen, somatischen und psychopathologischen Gesichtspunkten, weitere Feststellungen unter der Rubrik sonstiges) und beurteilt. Vorbelastungen wie z.B. Herz-Kreislauf-Störungen und -Beschwerden, Allergien, Bluthochdruck, Diabetes, Nierenerkrankungen seien dokumentiert.

    Aus diesen Angaben ergebe sich, dass der therapeutische Zweck bei den Behandlungen im Vordergrund gestanden habe.

    Die von der Klägerin vorgelegten Gutachten seien auf der Grundlage einer umfassenden Auswertung der von der Klägerin erstellten Behandlungsunterlagen, sowie weiterer Erkundigungen erstellt worden und entsprächen den Anforderungen an ein fachgerechtes Gutachten. Hierzu gehöre auch eine gewisse Schematisierung, Gruppenbildung und Zusammenfassung von einzelnen Krankheitsbildern

    Es gebe altersbedingte Erkrankungen, die zu operativen Eingriffen und medizinischen Behandlungen führen. Außerhalb der plastischen Operationen seien dies z.B. Hüft- und Kniegelenkarthrose.

    Im Bereich der plastischen Chirurgie seien dies Bindegewebserkrankungen und Erschlaffungen des gesamten Stützapparats sowie am Auge; letztere führen zu eingeschränkter Sehfähigkeit und dauerndem Tränenfluss. Außerdem Er-schlaffungen des Brustgewebes, die zu einer Belastung des gesamten Schulter-rückenbereichs mit entsprechender schmerzhafter Symptomatik führen. Solche zum Teil altersbedingte Erkrankungen befänden sich unter den Leistungen der Klägerin.

    Bei Bindegewebsschwäche mit massiven Fettansammlungen, die teils den streitigen Umsätzen zugrunde liegen, komme es zu ödematösen Aufschwellungen (Lipomatose). Diese seien diät- und bewegungsresistent und schmerzhaft. Die einzige geeignete Behandlungsmethode sei in diesen Fällen eine plastisch-chirurgische Maßnahme.

    Alle von der Klägerin vorgenommenen Fettabsaugungen seien medizinisch indiziert gewesen.

    Insbesondere bei jungen Frauen, die einen „schlanken” Oberkörper und massive Fettansammlungen im Bereich der Oberschenkel und Hüfte haben, bestehe häufig eine diät- und bewegungsresistente Lipoödematose. Dabei komme es im Rahmen der Fettansammlung zu Flüssigkeitsansammlungen mit erheblichen Schwellungen, Lymphstauungen und starker Schmerzsymptomatik. Solche Fälle seien von der Klägerin behandelt worden.

    Insbesondere junge Patienten litten unabhängig von einer Lipoödematose an ausgeprägter Disproportionalität derart, dass Ess-Störungen (Bulimie, Anorexie), Medikamentenbedarf in Form von Anti-Depressiva, erhebliche sozialkulturelle Probleme und Suizidgefahr die Folge seien. Aufgrund der körperlichen Stress-Situation ergäben sich körperliche Erkrankungen wie Bluthochdruck, Stoffwechselerkrankungen (Diabetes mellitus), Durchblutungsstörungen, Herzrhythmus-Störungen und koronare Herzerkrankungen.

    In diesen Fällen helfe eine Liposuktion, bzw. ein Lifting zur Beseitigung der Gesundheitsstörungen. Dies sei in der medizinischen Fachwelt anerkannt.

    Ebenso verhalte es sich bei Brustvergrößerungen.

    Die Einholung von weiteren Gutachten zu all diesen in allgemeiner Form gehaltenen Beweisthemen wird vom Senat nicht mehr für erforderlich erachtet, nachdem ein Gutachten zu den für relevant erachteten Fragen eingeholt wurde; der Nachweis der Voraussetzungen der Steuerbefreiung kann nach dem Ergebnis des vom Gericht eingeholten Gutachtens nur noch durch Einzelfallgutachten erbracht werden.

    Die Klägerin habe keinen Einfluss auf die TV-Produktion „Beauty Family” in 2009 gehabt. Sie habe nur dem Wunsch des Senders entsprochen, aufgrund der besonderen chirurgischen Ausstattung der X-Klinik operative Eingriffe für ein junges Zielpublikum filmen zu dürfen.

    Dies wird nicht für entscheidungsrelevant erachtet.

    Bei den von der Klägerin behandelten Patienten des TV-Beitrags habe jeweils eine medizinische Indikation vorgelegen

    Dies wird nicht für entscheidungsrelevant erachtet.

    Die Klägerin habe überhaupt keine Operationen durchgeführt, denen kein therapeutischer Hauptzweck zugrunde gelegen habe (Aufzählung der Maßnahmen im Einzelnen, die nicht durchgeführt wurden auf S. 7/8 des Schriftsatzes vom 07.02.2011). Da rein kosmetisch indizierte Operationen nicht durchgeführt worden seien, könnten darüber auch keine Dokumentationen vorgelegt werden.

    Soweit die Klägerin vorträgt, keine nicht medizinisch indizierten Operationen durchgeführt zu haben, erachtet der Senat die Einholung von Einzelgutachten für erforderlich. Im Übrigen wird der unter Beweis gestellte Vortrag nicht für entscheidungsrelevant erachtet.

    Bei den vorgelegten Fällen abgelehnter Operationen handele es sich nicht um eine abschließende Aufzählung, da nicht alle abgelehnten Fälle dokumentiert worden seien; bei einer Vielzahl von Anfragen sei die Durchführung der Operation telefonisch abgelehnt worden.

    Dies wird nicht für entscheidungsrelevant erachtet.

    Österreichische Kliniken würden in Deutschland mit der Umsatzsteuerfreiheit ihrer Leistungen auf dem Gebiet der ästhetisch-plastischen Chirurgie werben.

    Dies wird nicht für entscheidungsrelevant erachtet.

    Zur vorgetragenen Unmöglichkeit der Einholung von Einverständniserklärungen wurde Beweis angeboten durch Vernehmung des Herrn Dr. X und von Frau U. S. (Schriftsatz vom 30.08.2011), wobei folgende Beweisthemen benannt wurden:

    Die im Anschluss an die Verfügung gemäß § 79b Abs. 2 FGO erfolgten Bemühungen der Klägerin haben gezeigt, dass die Einholung von Einverständniserklärungen der Patienten unmöglich ist.

    Viele der betroffenen Patienten waren wegen Wegzugs, Namensänderung etc. nicht mehr erreichbar.

    Andere waren wegen Urlaubs nicht erreichbar.

    Soweit Patienten erreicht werden konnten, haben sie das Ansinnen abgelehnt und teilweise sehr emotional reagiert.

    Insoweit kann von einer Beweisaufnahme abgesehen werden, da das Gericht davon ausgeht, dass der diesbezügliche Vortrag der Klägerin, der im Übrigen vom Beklagten auch nicht bestritten wird, zutreffend ist.

    5.3.

    Die Aussetzung des Verfahrens ist nicht geboten.

    5.3.1.

    Allein wegen eines gestellten Antrages auf abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen ist eine Aussetzung des Verfahrens wegen der Steuerfestsetzung nicht geboten.

    Im Übrigen hat der BFH über das unter dem Aktenzeichen V R 17/09 anhängige Revisionsverfahren mit Urteil vom 07.10.2010 entschieden. Danach ist eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nicht im Hinblick darauf geboten, dass die Verwaltung aufgrund der von der Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c Der 6. EGRL abweichenden Formulierung in § 4 Nr. 14 UStG a.F. auch die Umsätze aus nicht medizinisch indizierten Tätigkeiten eines Arztes steuerfrei belassen hat und deshalb ein Vertrauensschutztatbestand entstanden sei.

    5.3.2.

    Eine EuGH-Vorlage erachtet das Gericht nicht für erforderlich. Einer Vorlage bedarf es nicht, wenn die Rechtsfrage vom EuGH bereits geklärt ist. Der EuGH hat geklärt, dass nur Umsätze, die auf medizinisch indizierten ärztliche Maßnahmen beruhen, steuerbefreit sind (s. Ausführungen unter 1.). Dass auch der BFH eine Vorlage an den EuGH nicht für erforderlich erachtet, folgt aus dem Beschluss vom 01.07.2010 - V B 62/09.

    Der Senat schließt - im Gegensatz zu Reiß (von der Klägerin vorgelegtes Gutachten, Bl. 888 - 948 PrA) - aus der unter 1. aufgeführten EuGH-Rechtsprechung, dass der Gesundheitsbegriff des BFH gemeinschaftsrechtskonform ist. Der EuGH betont das Erfordernis des therapeutischen Zwecks für die Steuerbefreiung. Zwar soll dieser nicht eng ausgelegt werden (obwohl es sich um eine Steuerbefreiungsvorschrift handelt), dies aber vor dem Hintergrund, dass die Befreiung die Kosten ärztlicher Heilbehandlungen senken soll. Daraus folgt, dass die weniger enge Auslegung dann nicht geboten ist, wenn es sich nicht um die Behandlung oder Vorbeugung einer Krankheit oder Gesundheitsstörung handelt. Da reine Schönheitsoperationen nicht der Behandlung oder Vorbeugung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen, gebietet auch der Zweck des Art. 13 Teil A Abs 1 Buchst. c) der 6. EGRL nicht eine weite Auslegung unter Einbeziehung dieser Maßnahmen.

    Zwar hat der EuGH sich bisher noch nicht explizit zu Schönheitsoperationen geäußert. Der BFH hat die EuGH-Rechtsprechung zu medizinischen Gutachten jedoch nach Auffassung des Senats zutreffend auf ästhetisch-plastische Maßnahmen angewendet. Insbesondere vermag der Senat der Auffassung von Reiß insoweit nicht zu folgen, als dieser Schönheitsoperationen - so wie Vorsorgemaßnahmen bei Schwangerschaft und Geburtshilfe - dem Bereich der Vorsorgemedizin zuordnet. Die Argumentation, dass dies daraus folge, dass ein Arzt den Eingriff vornehmen müsse, um gesundheitliche Risiken der Maßnahme auszuschließen, ist nach Auffassung des Senats ein Zirkelschluss, wenn nicht zuvor festgestellt wurde, dass der Eingriff selbst medizinisch notwendig oder nützlich ist. Mit dieser Begründung können Schönheitsoperationen nicht der Vorbeugung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zugeordnet werden.

    Letztlich trifft auch Reiß die Aussage, dass der Wunsch nach Verschönerung durch ästhetisch-plastische Operationen das entscheidende Kriterium für die Bejahung der Voraussetzung einer Heilbehandlung sei. Der Senat folgt dieser Auffassung nicht.

    Der Senat folgt dem BFH weiter auch insoweit, als dieser die Vorschrift des § 4 Nr. 14 UStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung für eine gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung zugänglich hält. Somit besteht für den Steuerpflichtigen kein Wahlrecht.

    Das Finanzgericht ist zu einer Vorlage an den EuGH nicht verpflichtet, sondern kann das EU-Recht auch selbst auslegen. Der Senat ist im Rahmen dieser von ihm vorgenommenen Auslegung des autonomen Begriffs der Heilbehandlung zu dem Ergebnis gelangt, dass dieser - in Übereinstimmung mit der ständigen BFH-Rechtsprechung - nicht im Sinne des Gesundheitsbegriffes der WHO zu verstehen ist.

    Eine Vorlagepflicht ergibt sich auch nicht aus den ergänzenden Anträgen gem. Schriftsatz vom 07.03.2011 (Nr. 3 und 4 der beantragten EuGH-Vorlage) und den Ausführungen im Schriftsatz vom 19.12.2011. Aus diesen Ausführungen ergibt sich die Behauptung, andere EU-Mitgliedsstaaten (Italien, Niederlande) würden den Gesundheitsbegriff nach WHO-Maßstäben interpretieren und deshalb die medizinische Indikation ästhetisch-plastischer Operationen bejahen.

    Der Senat braucht der Frage, ob dieser Vortrag zutreffend ist, nicht nachzugehen. Denn allein die Auslegung von EU-Richtlinien in anderen Staaten gebietet keine Vorlage, wenn diese für unzutreffend zu erachten ist.

    Der Senat weist darauf hin, dass die Klägerin sich im Übrigen im Schriftsatz vom 07.03.2011 zu ihrem eigenen Vortrag in Widerspruch setzt, wenn sie vorträgt, sie lehne nicht medizinisch indizierte Maßnahmen ab (Aufzählung der Maßnahmen auf Seite 7 unter Nr. 7 des Schriftsatzes vom 07.03.2011); denn es handelt sich bei den angeblich abgelehnten Maßnahmen gleichermaßen um solche, die der Patient nach seiner Vorstellung für sein vollkommenes körperliches, geistiges und soziales Wohlbefinden benötigt.

    Auch die Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf eine bei der EU-Kommission anhängige Petition ist nicht geboten, denn diesbezüglich ist noch kein Verfahren beim EuGH anhängig und es ist ungewiss, ob es überhaupt zu einem Verfahren beim EuGH kommen wird.

    6.

    Die Steuerbefreiung ist auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes - ggf. teilweise - zu gewähren.

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte keinen Vertrauensschutztatbestand geschaffen hat, denn die Umsatzsteuer-Sonderprüfung hatte im Anschluss an das EuGH-Urteil 14.09.2000 Rs. C-384/98 die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit Schreiben vom 12.04.2001 auf die Steuerpflicht ihrer Umsätze hingewiesen.

    Außerdem hat der BFH mit Urteil vom 07.10.2010 - V R 17/09 entschieden, dass es bei einer durch die Rechtsprechung nicht geklärten Rechtslage an einem Vertrauensschutztatbestand fehlt.

    7.

    Zusammen fassend beruht die Entscheidung auf folgenden Erwägungen:

    Die „Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin ...” i. S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c) der 6. EGRL muss der Schwerpunkt der Leistung sein, wenn die Steuerbefreiung greifen soll.

    Dies setzt zunächst voraus, dass die Diagnose einer Gesundheitsstörung vorliegen muss, denn nur dann kann überhaupt eine Heilbehandlung vorliegen.

    Hierzu genügen nicht allgemeine Feststellungen zu Gesundheitsstörungen in Fällen plastischer Operationen; vielmehr muss in jedem der Leistung zugrunde liegenden Fall konkret eine solche Diagnose vorliegen.

    Hinzukommen muss, dass das Hauptziel der Maßnahme die Beseitigung oder Behandlung der Gesundheitsstörung ist. Liegt daneben zumindest gleich gewichtig der Zweck in einer rein ästhetischen Maßnahme, so reicht dies nicht aus, um den Umsatz steuerfrei zu belassen.

    Für sämtliche Voraussetzungen trägt die Klägerin, die sich auf die Steuerbefreiung beruft, die objektive Beweislast, und zwar für jeden einzelnen Umsatz.

    Dieser Nachweis wird nicht bereits durch die Einschätzung des behandelnden Arztes erbracht.

    Die von der Klägerin vorgelegten Parteigutachten haben diesen Nachweis nicht erbracht.

    Soweit die Gutachten lediglich allgemeine Ausführungen zu Gesundheitsstörungen bei plastischen Operationen enthalten, erfüllen sie nicht die Voraussetzungen des Nachweises, dass diese Voraussetzungen auch in jedem einem Umsatz zugrunde liegenden Einzelfall tatsächlich vorgelegen haben.

    Die Einzelfallgutachten des Dr. H wertet das Gericht ebenfalls als Parteivortrag. Sie stellen keinen Nachweis dar. Im Übrigen ergibt sich der Nachweis der Voraussetzung der Steuerbefreiung auch nicht aus den Einzelgutachten des Dr. H, denn selbst wenn die Diagnosen tatsächlich vorliegen sollten, ist damit nicht ausgeschlossen, dass die ästhetische Maßnahme nicht zumindest gleichwertiger Zweck der Leistung war.

    Das vom Gericht eingeholte Gutachten durch Frau Dr. M führte zu dem Ergebnis, dass eine medizinische Indikation nur in Ausnahmefällen vorliegt.

    Das Gutachten führte weiter zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin durchgeführten plastischen Operationen nur in wenigen Ausnahmefällen der Heilung, bzw. Behandlung einer möglichen Gesundheitsstörung dienen.

    Dies gilt insbesondere für die von der Klägerin hauptsächlich vorgetragenen psychischen Störungen.

    Gleichermaßen hat die Gutachterin festgestellt, dass eine Liposuktion grundsätzlich nicht der Behandlung von Fettleibigkeit dient und dass es für Softlifting keine medizinische Indikation gibt.

    Unter diesen Umständen kann die Steuerbefreiung nur gewährt werden, wenn die Voraussetzungen durch Einzelbegutachtungen sämtlicher Leistungen nachgewiesen werden.

    Nach dem vom Gericht eingeholten Gutachten ist es grundsätzlich möglich, anhand der Patientendokumentationen auch im nachhinein noch eine Diagnose zu erstellen.

    Eine Begutachtung setzt im Hinblick auf § 203 StGB in jedem Fall das Einverständnis des betroffenen Patienten voraus. Der Nachweis der medizinischen Indikation kann nicht durch die Begutachtung von anonymisierten Patientenunterlagen erbracht werden, da diese Rückfragen des Gutachters ausschließen.

    Aufträge zur Einzelbegutachtung konnte das Gericht nicht erteilen. Die Klägerin hatte trotz insoweit eindeutigen Hinweises des Gerichts keine Einverständniserklärungen der betroffenen Patienten vorgelegt. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung war dem Gericht also insoweit nicht möglich.

    Damit kann der Nachweis, dass das Hauptziel dieser Maßnahmen die Beseitigung, bzw. Behandlung einer Gesundheitsstörung - im Sinne der Definition, wie sie bisher von der Rechtsprechung vorgenommen wurde - war, nicht als erbracht angesehen werden.

    Somit ist die Steuerfreiheit der streitigen Umsätze zu versagen.

    Auch Vertrauensschutzgesichtspunkte können nicht dazu führen, dass die Steuerbefreiung (teilweise) zu gewähren ist.

    8.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    9.

    Die Revision ist zuzulassen, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO).

    Grundsätzliche Bedeutung hat insbesondere die Frage, welche Anforderungen an den Nachweis der medizinischen Indikation dem Steuerpflichtigen zumutbar sind, insbesondere ob er Einverständniserklärungen seiner Patienten einholen muss, um eine evtl. spätere Begutachtung zu ermöglichen, sowie welche Konsequenzen aus einer evtl. anzunehmenden Unzumutbarkeit zu ziehen wären.

    VorschriftenUStG 2002 § 4, 6. EG-Richtlinie Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe c

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