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  • 17.10.2017 · IWW-Abrufnummer 197215

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 12.09.2017 – 15 K 3562/14 U

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster

    15 K 3562/14 U

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    1

    Tatbestand

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    Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob die vom Kläger erbrachten verkehrstherapeutischen Leistungen umsatzsteuerfrei sind.

    3

    Der Kläger war in den Jahren 2010 bis 2012 als Psychotherapeut tätig. Er führte im Rahmen seiner psychotherapeutischen Leistungen u.a. verkehrspsychologische Behandlungen durch. Der Kläger verfügt seit dem 00.00.1992 über eine Heilpraktikererlaubnis auf dem Gebiet der Psychotherapie und ist seit dem 00.00.1999 als approbierter psychologischer Psychotherapeut anerkannt.

    4

    Beginnend im November 2013 führte der Beklagte eine Außenprüfung beim Kläger durch. Ausweislich des Berichts über die Außenprüfung vom 19.3.2014, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, traf der Prüfer im Wesentlichen die folgenden Feststellungen: Der Kläger habe in den Streitjahren in geringem Umfang verkehrspsychotherapeutische Leistungen erbracht. Dieses Leistungsangebot sei von Personen in Anspruch genommen worden, denen aufgrund von Verkehrsdelikten (z.B. Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss, Tempo- und/oder Abstandsverstöße etc.) ihre Fahrerlaubnis entzogen worden sei, und die sich zur Wiedererlangung der Fahrerlaubnis einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) im Sinne des § 2 Abs. 8 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) hätten unterziehen müssen. Nach eigener Aussage des Klägers behandele dieser sowohl Personen, die nach Verlust ihrer Fahrerlaubnis vor der erstmaligen MPU stehen würden, als auch Personen, denen im Rahmen der erstmaligen MPU die Befähigung zur erneuten Teilnahme am Straßenverkehr weiterhin abgesprochen würde. Die verkehrspsychotherapeutischen Leistungen seien keine Heilbehandlungen im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. a) des Umsatzsteuergesetzes (UStG), sondern eine Hilfe im Bereich der persönlichen Lebensführung. Unter Verweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung könne eine Tätigkeit, deren Hauptziel nicht der Schutz der Gesundheit sei, nicht gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. Buchst. a) UStG steuerfrei sein (Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 30.1.2008 Xl R 53/06, Sammlung amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFHE – 221, 399, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2008, 647). Was das Hauptziel einer bestimmten Leistung sei, sei im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu würdigen. Entscheidend sei nach finanzgerichtlicher Rechtsprechung hierbei, welches Leistungselement unter Berücksichtigung des Willens der Vertragsparteien den wirtschaftlichen Gehalt der Leistung ausmache (Finanzgericht – FG – Münster, Urteil vom 9.8.2011 15 K 812/10 U, Sammlung der Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2012, 466). Im vorliegenden Fall bestehe die primäre Motivation der Klienten des Klägers diesen aufzusuchen darin, ihre Fahrerlaubnis wiederzuerlangen. Nach dem Vortrag des Klägers trete diese Motivation bei seinen Klienten aber nach kurzer Zeit in den Hintergrund und werde durch die Motivation, einen Zustand der geistigen Gesundheit zurückzuerlangen ersetzt oder zumindest deutlich überlagert. Diese Ansicht werde nicht geteilt. Die ursprüngliche Motivation (Rückerlangung der Fahrerlaubnis) sei nicht nur eine oberflächliche Ausgangsmotivation, die nach kurzer Zeit in den Hintergrund rücke, sondern sei die bis zum Abschluss der Behandlung bestehende Primärmotivation (Hauptziel). Für die Steuerpflichtigkeit der verkehrstherapeutischen Leistungen spreche auch die Tatsache, dass die Kosten der Therapie weder von den gesetzlichen noch von den privaten Krankenkassen übernommen würden. Auch die Form der „Kundenakquise“ spreche gegen eine Heilbehandlung. So würden, so die eigene Aussage des Klägers, die Klienten nicht durch Überweisung von anderen Psychotherapeuten oder Ärzten in seine Praxis gelangen, sondern durch Empfehlungen der Straßenverkehrsämter, durch Werbeflyer oder über seine, der Klägers, Internetseite „www.[...].de“. Insbesondere die Homepage verstärke durch Aussagen wie „[sinngemäß: der schnelle Weg zurück zum Führerschein]" und „[sinngemäß: unverbindliche Beratung bzgl. Erfolgsaussichten der MPU]“ und „[sinngemäß: frühere Information bedeutet bessere Erfolgsaussichten]“ die Annahme, dass der zentrale wirtschaftliche Gehalt der angebotenen Leistung in der Wiedererlangung der Fahrerlaubnis bestehe. Gegenüber den Klienten werde damit geworben, durch die Verkehrspsychotherapie die MPU zu bestehen und damit die Fahrerlaubnis zurückzuerlangen. Mit dieser Zielsetzung würden sich die Klienten in die psychotherapeutische Behandlung begeben. Die im Rahmen der Verkehrstherapie erzielten Umsätze seien daher steuerpflichtig.

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    Der Beklagte setzte die Umsatzsteuer 2010 bis 2012 mit Bescheiden vom 6.5.2014 entsprechend den Prüfungsfeststellungen betreffend die in diesem Verfahren strittige Frage um 863,78 € in 2010, um 854,21 € in 2011 und um 1.283,70 € in 2012 höher fest. Dagegen legte der Kläger Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 30.9.2014 als unbegründet zurückwies.

    6

    Dagegen hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass er, der Kläger, als approbierter psychologischer Psychotherapeut unter den persönlichen Anwendungsbereich von § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG falle. Außerdem würde es sich bei den verkehrstherapeutischen Leistungen um Heilbehandlungen handeln. Der Beklagte verwechsle den medizinischen Zweck mit dem Ziel der Patienten. Die Situation sei mit der eines Alkoholabhängigen vergleichbar. Auch dieser beabsichtige regelmäßig vielmehr, eine gestörte Beziehung zum Partner bzw. Partnerin zu verbessern oder den drohenden Verlust des Arbeitsplatzes zu verhindern. Der medizinische Zweck sei jedoch, die Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln und zu heilen. Die Ziele des Patienten und die Zwecke der Behandlung würden daher auseinanderfallen. Da derartige Behandlungen von Alkoholikern nicht der Umsatzsteuer unterliegen würden, müsse dies gleichfalls für die verkehrstherapeutischen Leistungen gelten.

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    Des Weiteren sei der Ansatz des Therapeuten niemals die Wiedererlangung des Führerscheins seines Klienten, sondern die Heilung seiner Krankheit. Dies müsse bei einer Gesamtbetrachtung berücksichtigt werden. Die Auffassung des Beklagten, nach dem ausschließlich auf die Motive des Patienten abzustellen sei, genüge einer Gesamtbetrachtung nicht.

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    Außerdem habe der Kläger seine Approbation gerade aufgrund von nachgewiesenen Verkehrstherapien erhalten. Die Approbation als Verwaltungsakt entfalte Bindungswirkung gegenüber anderen Behörden. Die Bezirksregierung habe mit ihrem Verwaltungsakt die Verkehrstherapie des Klägers eindeutig und ausdrücklich als Heilbehandlung anerkannt. Wären es keine Heilbehandlungen, hätte sie die Approbation verweigern müssen. Einem Bürger könne nicht zugemutet werden, dass er gegenüber unterschiedlichen Behörden unterschiedlichen Einschätzungen unterliege. Dies führe zu kafkaesken Verwerfungen. Eine von einer Behörde einmal getroffene Sachverhaltsfeststellung dürfe daher nicht von einer anderen Behörde erneut überprüft oder gar anders eingeschätzt werden. Dies müsse dazu führen, dass die verkehrstherapeutischen Tätigkeiten des Klägers als Heilbehandlungen anzuerkennen seien.

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    Der Kläger sei als approbierter psychologischer Psychotherapeut auch befugt, seelische Krankheiten selber zu diagnostizieren. Auf eine ärztliche Überweisung komme es daher nicht an. Die Therapien, die vom Kläger angeboten würden, müssten bereits deshalb Heilbehandlungen sein, da nur solche in Anlage 15 Nr. 1 Buchst. f) zu § 11 Abs. 5 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) in der Fassung mit Wirkung bis zum 30.4.2014 (jetzt: Anlage 4a) genannt seien. Vom Gesetzgeber werde z.B. bei alkoholbedingter Auffälligkeit im Straßenverkehr nicht lediglich Abstinenz gefordert, sondern eine medizinisch-psychologische Begutachtung, die diese Alkoholproblematik grundlegend aufarbeite. Insbesondere bei Abhängigkeitserkrankungen sei es zwingend notwendig, dass sich der Patient einer Heilbehandlung in Form einer Therapie unterziehe. Anlage 15 Nr. 1 Buchst. f) zu § 11 Abs. 5 FeV in der Fassung mit Wirkung bis zum 30.4.2014 fordere daher, dass sich die Untersuchung darauf erstrecken müsse, dass die Abhängigkeit nicht mehr bestehe. Auch die Straßenverkehrsbehörden würden in ihren Informationsmaterialien bezüglich der MPU darauf hinweisen, dass insbesondere im Fall von Alkohol- oder Drogenauffälligkeiten eine grundlegende Behandlung notwendig sei. Daher seien diese Behandlungen Heilbehandlungen im Sinne von § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG.

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    Eine Heilbehandlung verliere auch nicht ihren Charakter dadurch, dass eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen verwehrt werde. Unter Verweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung sei die Kostenübernahmefähigkeit kein taugliches Abgrenzungskriterium und könne daher auch kein wichtiges Indiz für die Bewertung als Heilbehandlung darstellen (vgl. BFH-Urteil vom 30.1.2008 XI R 53/06, BFHE 221, 399, BStBl. II 2008, 647). Außerdem würden auch sehr viele Therapien und Gesundheitsvorsorgeuntersuchungen, wie z.B. die individuellen Gesundheitsleistungen (IGel), nicht von den Krankenkassen bezahlt und trotzdem Heilbehandlungsleistungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG sein. Entgegen der Darstellung des Beklagten würden sogar gesetzliche Krankenkassen im Einzelfall Behandlungen von verkehrsauffälligen Kraftfahrern übernehmen. Exemplarisch seien zwei Beispiele aus den Jahren 2002 und 2016 anzuführen. Im ersten Fall sei es um einen Taxifahrer gegangen, der alkoholisiert in einer Kneipe einen anderen mit 20 Messerstichen gefährlich verletzt habe und dem nach der Haftstrafe die Fahrerlaubnis entzogen worden sei. Im zweiten Fall würde es sich um einen Kraftfahrer handeln, dem wegen zu vieler Verkehrsdelikte (hauptsächlich Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit) die Fahrerlaubnis entzogen worden sei.

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    Letztlich könne auch die Art der Patientenakquise den Leistungen nicht den Charakter einer Heilbehandlung nehmen. Die Bewerbung von Heilmitteln und ärztlichen Leistungen sei durch das Heilmittelwerbegesetz reguliert. Dass eine bestimmte Zielgruppe angesprochen werde, ändere nicht den Charakter der Leistung. Daher seien die Therapien, die der Kläger zur Wiederherstellung der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs anbiete als Heilbehandlungen und somit als von der Umsatzsteuer befreit anzuerkennen.

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    Der Beklagte habe mit Schreiben vom 9.7.2014 selbst anerkannt, dass er, der Kläger, die von ihm durchgeführte Verkehrstherapie auf der
    Grundlage eines psychotherapeutischen Konzepts erbringe und vollwertige psychotherapeutische Arbeit leiste. Damit bestätige der Beklagte, dass er, der Kläger, Heilbehandlungen durchführe. Außerdem habe das FG Köln mit Urteil vom 5.6.1997 2 K 5912/94 (nicht veröffentlicht) geprüft, ob es sich bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit um Kurse belehrender Art oder um psychotherapeutische Maßnahmen handeln würde. Das FG Köln sei zu dem Schluss gekommen, dass die vom Kläger durchgeführten Kurse für alkoholauffällige Kraftfahrer sämtlich im Bereich der Psychotherapie angesiedelt seien. Außerdem könne, wie die Rechtsprechung des BFH zeige (vgl. BFH-Urteil vom 30.1.2008 XI R 53/06, BFHE 221, 399, BStBl. II 2008, 647 und BFH-Beschluss vom 6.6.2008 XI B 11/08, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2008, 1547), eine Heilbehandlung von einer Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens nur danach abgegrenzt werden, ob eine ärztliche Indikation oder eine ärztliche Verordnung vorliege. Da der Kläger selbst zur Diagnose befugt sei, könne es sich bei seinen Leistungen nur um Heilbehandlungsleistungen handeln. Aus der der Klagebegründung beigefügten anonymisierten Aufstellung der Verkehrspatienten aus den Jahren 2010 bis 2012, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, gehe eindeutig hervor, dass für jeden einzelnen Patienten die Notwendigkeit des Angebots einer Heilbehandlung bestanden habe.

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    Vergleiche mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) betreffend Schönheitsoperationen oder der Erstellung von Gutachten in Gerichtsverfahren (vgl. EuGH-Urteil vom 21.3.2013 C-91/12, PFC Clinic, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 2013, 458 und EuGH-Urteil vom 20.11.2003 C-212/01, Unterpertinger, HFR 2004, 280) würden sich verbieten, da jene Sachverhalte nicht mit dem konkreten Fall vergleichbar seien.

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    Des Weiteren könne vorbeugender Gesundheitsschutz als Grund für die Steuerbefreiung herangezogen werden. Nicht angepasste Geschwindigkeit und Fahren unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen seien die häufigste Unfallursache. Tausende Tote und hunderttausende Verletzte würden jedes Jahr auf das Konto von Menschen gehen, die solche Verkehrsdelikte begehen würden. Jede Maßnahme, die die Verkehrssicherheit erhöhen würde, diene daher auch dem vorbeugenden Gesundheitsschutz. Genauso wie ein Raucherentwöhnungsseminar eine Heilbehandlung sei, müsse daher auch eine Verkehrstherapie Heilbehandlung sein.

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    Der Kläger beantragt,

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    unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide des Beklagten für 2010 bis 2012 vom 6.5.2014 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 30.9.2014 die Umsatzsteuer für 2010 um 863,78 €, die Umsatzsteuer für 2011 um 854,21 € und die Umsatzsteuer für 2012 um 1.283,70 € niedriger festzusetzen,

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    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

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    Der Beklagte beantragt,

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    die Klage abzuweisen.

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    Im Rahmen seiner Gegenäußerung führt er ergänzend zur Einspruchsentscheidung aus, dass das Hauptziel der vom Kläger ausgeführten verkehrstherapeutischen Leistungen nicht die Behandlung von Krankheiten bzw. Gesundheitsstörungen gewesen sei. Außerdem sei bislang nicht festgestellt, dass bei den Klienten, die eine Verkehrstherapie in Anspruch genommen hätten, eine ärztlich diagnostizierte Krankheit oder Gesundheitsstörung vorgelegen habe. Die Therapie erfolge auch nicht aufgrund einer ärztlichen Verordnung. Die Werbung des Klägers sei auf Wiedererlangung der Fahrerlaubnis und Punkteabbau ausgerichtet. Vom Vorliegen von Krankheiten und Gesundheitsstörungen sei keine Rede.

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    Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die vom Beklagten beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

    22

    Entscheidungsgründe:

    23

    I. Die Klage ist unbegründet.

    24

    Die Bescheide des Beklagten über die Festsetzung der Umsatzsteuer für 2010 bis 2012 vom 6.5.2014 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30.9.2014 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat die verkehrstherapeutischen Leistungen des Klägers zu Recht nicht als Heilbehandlungsleistungen i. S. des § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG angesehen.

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    Gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. a) Satz 1 UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden, steuerfrei. Diese Vorschrift beruht gemeinschaftsrechtlich auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. c) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem – Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL). Danach befreien die Mitgliedstaaten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden, von der Umsatzsteuer. Die Steuerbefreiungstatbestände des Art. 132 MwStSystRL sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH als Ausnahmen von dem Grundsatz, dass jede Dienstleistung gegen Entgelt der Mehrwertsteuer unterliegt, eng auszulegen. Die restriktive Auslegung muss jedoch mit den Zielen in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden. Zweck der Bestimmung ist es, die Kosten ärztlicher Heilbehandlung zu senken (z.B. EuGH-Urteil vom 10.9.2002 C-141/00, Kügler, HFR 2002, 1146).

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    Heilbehandlungen i. S. des Art 132 Abs. 1 Buchst. c) MwStSystRL sind nur Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen im Bereich der Humanmedizin vorgenommen werden. Medizinische Leistungen, die nicht in der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung bestehen, fallen nicht in den Anwendungsbereich. Keine Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sind daher „ärztliche Leistungen“, „Behandlungen“ oder „medizinische Eingriffe“, die zu anderen als medizinischen Zwecken erfolgen (EuGH-Urteile vom 10.9.2002 C-141/00, Kügler, HFR 2002, 1146 und vom 20.11.2003 C-212/01, Unterpertinger, HFR 2004, 280). Auch nach der Rechtsprechung des BFH kommt es entscheidend auf die Zielsetzung der Maßnahmen an. Leistungen sind Heilbehandlungen, wenn sie direkt an der Krankheit und deren Ursachen ansetzen und nicht nur darauf abzielen, die Auswirkungen der Erkrankung auf die Lebensgestaltung aufzufangen oder abzumildern oder das allgemeine Wohlbefinden zu steigern (BFH-Urteil vom 1.2.2007 V R 64/05, BFH/NV 2007, 1203 und BFH-Beschluss vom 6.6.2008 XI B 11/08, BFH/NV 2008, 1547). Wird eine ärztliche Leistung in einem Zusammenhang erbracht, der die Feststellung zulässt, dass ihr Hauptziel nicht der Schutz der Gesundheit ist, sind § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG und Art. 132 Abs. 1 Buchst. c) MwStSystRL auf diese Leistung nicht anzuwenden (BFH-Beschluss vom 31.7.2007 V B 98/06, BFHE 217, 94, BStBl. II 2007, 412).

    27

    Nach Maßgabe dieser Grundsätze handelt es sich bei Leistungen des Klägers nicht um Heilbehandlungen (so betreffend Verkehrstherapien bereits FG Hamburg, Urteil vom 24.2.2009 6 K 122/07, EFG 2009, 1161 und FG Münster, Urteil vom 9.8.2011 15 K 812/10 U, EFG 2012, 466). Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Kläger bei der von ihm durchgeführten Verkehrstherapie auf der Grundlage eines psychotherapeutischen Konzepts arbeitet und vollwertige psychotherapeutische Arbeit leistet. Der Senat ist aber der Auffassung, dass das Hauptziel der Verkehrstherapie nicht die Behandlung von Krankheiten bzw. Gesundheitsstörungen ist.

    28

    Die Motivation, die die Klienten des Klägers dazu bewegt, sich an diesen zu wenden und psychotherapeutische Leistungen in Anspruch zu nehmen, ist vorrangig die Wiedererlangung bzw. das Erhalten der Fahrerlaubnis. Der Senat ist davon überzeugt, dass es sich hierbei nicht nur um eine oberflächliche Ausgangsmotivation handelt, die nach der ersten Therapiestunde bereits in den Hintergrund rückt. Nach eigener Aussage des Klägers gelangen die Klienten nicht durch Überweisung von anderen Psychotherapeuten oder Ärzten zu seiner Praxis, sondern durch Empfehlungen der Straßenverkehrsämter, durch Werbeflyer oder über seine, der Klägers, Internetseite „www.[...].de“. Insbesondere die Homepage belegt durch Aussagen wie „[sinngemäß: der schnelle Weg zurück zum Führerschein]" und „[sinngemäß: unverbindliche Beratung bzgl. Erfolgsaussichten der MPU]“ und „[sinngemäß: frühere Information bedeutet bessere Erfolgsaussichten]“, dass der durch die Klienten verfolgte Hauptzweck die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis ist. In seiner Werbung ist von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen und deren Behandlung keine Rede. Die Werbung ist vielmehr nur auf die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis bzw. dem Bestehen der MPU ausgerichtet. Nach Auffassung des Senats geht es den Klienten des Klägers und damit letztlich auch dem Kläger selbst vor allem darum, die Grundlage für eine positive Prognose hinsichtlich der „Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen" zu schaffen und den Klienten die Fahrerlaubnis auf Dauer wieder zu beschaffen bzw. auf Dauer zu erhalten. Denn ansonsten ließe es sich auch nicht erklären, warum die Klienten gerade den Kläger aufsuchen und die Kosten für die Therapie selbst bezahlen würden, wenn die Kosten für eine ärztlich verordnete Therapie in Ansehung einer festgestellten psychischen Erkrankung bei einem anderen Therapeuten (mithin keinem Verkehrstherapeuten) von den Krankenkassen getragen würden.

    29

    Soweit der Kläger auf die Anlage 15 Nr. 1 Buchst. f) zu § 11 Abs. 5 FeV in der Fassung mit Wirkung bis zum 30.4.2014 verweist und meint, wenn die Fahrerlaubnisbehörden verlangen, dass sich beim jeweiligen Betroffenen ein grundlegender Wandel in seiner Einstellung zum Führen von Kraftfahrzeugen unter Einfluss von Alkohol oder Betäubungsmitteln / Arzneimitteln vollzogen haben muss, dann müsse es sich bei seinen Leistungen um Heilbehandlungen i. S. des § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG handeln, ist diese Ansicht unzutreffend. Durch diese normierte Vorgabe wird vielmehr deutlich, dass die verkehrstherapeutische Behandlung nur durchgeführt wird, um der Behörde eine rechtliche Entscheidung über die Eignung des jeweils Betroffenen zum Führen des Kraftfahrzeugs zu ermöglichen. Damit steht aber gerade ein anderer Hauptzweck als die Heilung einer Krankheit des Betroffenen im Vordergrund.

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    Auch den Klienten geht es vor allem darum, die Grundlage für eine positive Prognose hinsichtlich ihrer „Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen“ zu schaffen. Für diese Leistung zahlen sie das vereinbarte Entgelt, und eben diese Leistung wird vom Kläger angeboten und erbracht. Der erkennende Senat wertet dies der wesentlichen Zielsetzung bzw. dem wirtschaftlichen Gehalt nach als eine - einheitliche – „nichtmedizinische Hilfe“ im Bereich der allgemeinen Lebensführung. Der Kläger hat insoweit auch nicht vorgetragen, geschweige denn nachgewiesen, dass auch nur ein einziger seiner behandelten Klienten an der Therapie interessiert war, ohne den Führerschein wiedererlangen zu wollen. Soweit der Kläger betreffend zwei Einzelfällen vorträgt, dass eine Erstattung der Kosten durch die Krankenkassen erfolgt sei und es sich deshalb um Heilbehandlungen handeln müsse, ist darauf hinzuweisen, dass die Einzelfälle nicht in den Streitjahren lagen und betreffend die Streitjahre der Beklagte nur Behandlungen aufgegriffen hat, in denen eine Kostenerstattung gerade nicht erfolgt ist.

    31

    Soweit der Kläger vorträgt, dass seine Leistung einen vorbeugenden Gesundheitsschutz für die Betroffenen und alle anderen Verkehrsteilnehmer darstellen würde und daher nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG umsatzsteuerfrei sein müsse, kann dem nicht gefolgt werden. Nur unmittelbar dem Gesundheitsschutz konkreter Personen dienende Leistungen können berücksichtigt werden. Ansonsten müssten auch die Verkehrssicherheit erhöhende Maßnahmen an einem Kfz als dem vorbeugenden Gesundheitsschutz dienende Behandlungen anerkannt werden. Die Einbeziehung von mittelbar dem Gesundheitsschutz dienender Maßnahmen würde den Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift uferlos werden lassen.

    32

    Auch die Ansicht des Klägers, er habe seine Approbation erhalten, weil die Verkehrstherapien als Heilbehandlungen anerkannt seien, begründet die Klage nicht. Die Approbation als Verwaltungsakt entfaltet nämlich keine Bindungswirkung gegenüber dem Beklagten, die Leistungen des Klägers als Heilbehandlungen anzuerkennen. Dies ist schon deshalb nicht möglich, da jeder Fall einzeln zu beurteilen ist und bei der Approbation allenfalls Behandlungsleistungen bis zum 00.00.1999 durch die zuständige Behörde beurteilt werden konnten. Bei der Erteilung der Approbation werden durch die zuständige Behörde allerdings auch gar nicht die Voraussetzungen von § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG geprüft, sondern gemäß § 2 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeutengesetz – PsychThG –), ob der Antragsteller die vorgeschriebene Ausbildung abgeleistet und die staatliche Prüfung bestanden hat, sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt, nicht in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs ungeeignet ist und über die für die Ausübung der Berufstätigkeit erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Außerdem ist zu konstatieren, dass die „heilkundliche Psychotherapie“ i. S. des Psychotherapeutengesetzes, deren Ausübung einer Approbation bedarf, nicht dem Heilbehandlungsbegriff des § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG entspricht. In Anbetracht der unterschiedlichen Gesetzeszwecke fordert dies auch nicht das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung.

    33

    Da es sich wegen des mit der Inanspruchnahme der Dienstleistung verfolgten Zwecks bereits nicht um eine Heilbehandlung handelt, bedarf es keiner Entscheidung, ob der Kläger die hinreichende Qualifikation zur Diagnose und Behandlung von Krankheiten hatte und die Klienten aufgrund einer ärztlichen Diagnose nachweislich krank waren und einer Behandlung bedurften.

    34

    II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO vorliegen.

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