Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

01.06.2011 · IWW-Abrufnummer 111825

Kammergericht Berlin: Beschluss vom 20.01.2011 – 25 W 35/10

1.
Zur Bejahung eines Idealvereins (§ 21 BGB) reicht es nicht aus, dass ein Zweck verfolgt wird, der ideeller Natur ist. Durch die Inanspruchnahme von staatlichen Subventionen oder Fördermitteln sowie der entgeltlichen Anbietung von Leistungen kann ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb entstehen.


2.
Ein planmäßiger, auf Dauer angelegter Betrieb von Filmvorführungen/Festivals gegen Entgelt ist unternehmerische Betätigung, selbst wenn nur ein kostendeckender Betrieb gewollt ist.


3.
Ob der Betrieb unter das sog. Nebenzweckprivileg fällt hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere ob diese Tätigkeit hinter die übrigen nichtwirtschaftlichen Aktivitäten des Vereins wesentlich zurücktritt.


25 W 35/10

In dem Vereinsregister
...
hat der 25. Zivilsenat des Kammergerichts
auf die Beschwerde des Beteiligten vom 24.10.2010
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 28.09.2010
durch
den Vorsitzenden Richter am Kammergericht B. Becker,
den Richter am Kammergericht Bergold und
den Richter am Landgericht Dr. Schikora
beschlossen:

Tenor:
Die Beschwerde des Beteiligten vom 24.10.2010 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 28.09.2010 wird nach einem Wert von 3.000 EUR

zurückgewiesen.

Gründe
A.

Der Beteiligte meldete im Frühjahr 2010 seine Gründung beim Amtsgericht Charlottenburg zum Vereinsregister an. Nach der Gründungssatzung soll Zweck sein, den internationalen Comedyfilm bekannt zu machen und insbesondere zu zeigen, wie sich internationale Filme persiflierend mit politischen, gesellschaftlichen oder alltäglichen Fragestellungen auseinander setzen. Dadurch soll auf Probleme und deren Lösungen aufmerksam gemacht und interkulturelle Verständigung gefördert werden. Dieser Zweck soll insbesondere verwirklicht werden durch Durchführung regelmäßiger Filmvorführungen und ein jährliches Filmfestival.

In einer Zwischenverfügung vom 07.06.2010 bat das Amtsgericht Charlottenburg um nähere Auskünfte zu den geplanten Vorhaben. Mit undatiertem Schreiben wies der Beteiligte darauf hin, dass die Vereinsmitglieder gemeinsam Comedyfilme sichten wollen, um diese anschließend unter den Aspekten von Unterhaltungswert und Qualität zu besprechen. Filme, die für besonders sehenswert gehalten würden, sollten in Zusammenarbeit mit der xxx-Kinogruppe einer breiten Öffentlichkeit in den Komischen Filmnächten und während des xxx-Festivals zugänglich gemacht werden. Die Einnahmen aus diesen Veranstaltungen sollen dem Verein ermöglichen, seinen Aktivitäten nachzugehen und die nächste Präsentation von Filmen zu anzugehen.

Mit Beschluss vom 28.09.2010 hat das Amtsgericht Charlottenburg die Anmeldung vom 09.04.2010 zurückgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, bei dem Beteiligten handele es sich nicht um einen ideellen Verein. Er biete Filmvorführungen gegen Entgelt an. Auf das Nebenzweckprivileg könne er sich nicht berufen, weil er sich gerade nur aus jenen Filvorführungen finanziere.

Gegen den am 02.10.2010 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte mit am 27.10.2010 eingegangenem Schreiben Beschwerde eingelegt. Er beruft sich darauf, dass auch vergleichbare Vereine wie etwa xxx der Hamburg im Vereinsregister eingetragen seien. Das Amtsgericht Charlottenburg hat mit Beschluss vom 29.10.2010 der Beschwerde nicht abgeholfen.

B.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

I)

Die Beschwerde ist zwar zulässig. Sie ist nach § 58 Abs.1 FamFG statthaft, gemäß §§ 63, 64 FamFG form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Der Beteiligte ist nach § 59 Abs.1 FamFG auch beschwerdebefugt.

II)

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Die Anmeldung war entsprechend § 60 BGB zurückzuweisen, weil davon auszugehen ist, dass kein Idealverein (§ 21 BGB), sondern ein wirtschaftlicher Verein (§ 22 BGB) vorliegt (vgl. OLG Hamm, Rpfleger 2008, 141/142 [OLG Hamm 06.09.2007 - 15 W 129/07] m.w.N.). Maßstab für die Beurteilung ist dabei nicht nur der Wortlaut der Satzung, sondern die tatsächlich ausgeübte bzw. beabsichtigte Tätigkeit (allg. Ansicht; vgl. nur KG, NJW-RR 2005, 339/340 [KG Berlin 26.10.2004 - 1 W 269/04], OLG Hamm, a.a.O., jeweils m.w.N.). Die Annahme eines Idealvereins ist in diesem Zusammenhang allerdings nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Verein irgend eine wirtschaftliche Betätigung vornimmt. Gemäß dem sog. Nebenzweckprivileg darf der Verein auch unternehmerische Tätigkeiten entfalten, soweit diese dem idealen Hauptzweck zu- und untergeordnet und Hilfsmittel zu dessen Erreichung sind (BGH, NJW 1983, 569/571 [BGH 29.09.1982 - I ZR 88/80]; KG, a.a.O; OLG Hamm, a.a.O., m.w.N.).

Ob aber ein wirtschaftlicher Hauptzweck verfolgt wird, ist typologisch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der §§ 21, 22 BGB zu ermitteln. Der Sinn und Zweck der §§ 21, 22 BGB ist es, aus Gründen der Sicherheit des Rechtsverkehrs, insbesondere des Gläubigerschutzes, Vereinigungen mit wirtschaftlicher Zielsetzung auf die dafür zur Verfügung stehenden handelsrechtlichen Formen zu verweisen und eine wirtschaftliche Betätigung von Idealvereinen zu verhindern, soweit diese den Rahmen des so genannten Nebenzweckprivilegs überschreitet (vgl. BGH NJW 1986, 3201 [BGH 04.06.1986 - I ZR 29/85] [3202]). Eine wirtschaftliche Betätigung i.S. des § 22 BGB liegt dabei vor, wenn der Verein am Markt gegenüber Dritten unternehmerisch tätig wird, für seine Mitglieder unternehmerische Teilfunktionen wahrnimmt oder allein gegenüber seinen Mitgliedern unternehmerisch auftritt.

Ist zweifelhaft, ob die Eintragungsvoraussetzungen nach § 21 BGB gegeben sind, hat der anmeldende Vorstand gegenüber dem Registergericht eine Pflicht zur Darlegung aller Umstände, welche die insgesamt nichtwirtschaftliche Betätigung des Vereins begründen sollen, da nur dieser Aussagen dazu treffen kann, was der Verein in Zukunft tun wird (BayObLGZ 1989, 126/131; OLG Düsseldorf, NJW 1996, 989/990; Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 12. Aufl., Rn.124).

Nach diesen Grundsätzen kann nicht ausreichend festgestellt werden, dass es sich beim Beteiligten um einen Idealverein handelt.

Zur Bejahung eines Idealvereins reicht es nicht aus, dass ein Zweck verfolgt wird, der ideeller Natur ist. Dass der hier verfolgte Zweck laut Satzung ideeller Natur ist (vgl. etwa Reichert, a.a.O., Rn.125), ist daher unerheblich. Es ist deshalb zu fragen, in welcher Art und Weise der Zweck verfolgt wird.

Der beabsichtigte planmäßige, auf Dauer angelegte entgeltliche Betrieb durch eintrittspflichtige regelmäßige Filmvorführungen und jährliche Festivals ist, wie das Amtsgericht Charlottenburg zutreffend annimmt, eine entgeltliche unternehmerische Betätigung. Auf eine Gewinnerzielungsabsicht des Vereins selbst kommt es dabei nicht an (vgl. BGH, a.a.O.; Reichert, a.a.O., Rn.143; LG Hamburg, ZIP 1986, 228). Deshalb ist es unerheblich, wenn der Eintrittspreis nur kostendeckend kalkuliert werden soll.

Die hier in Rede stehende wirtschaftliche Betätigung fällt nicht unter das sog. Nebenzweckprivileg. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit dem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck des Vereins funktional untergeordnet ist (vgl. KG, Beschluss vom 08.04.2008, 1 W 338/07; OLG Hamm, Rpfleger 2008, 141/142). Die entgeltliche Durchführung von Filmvorführungen ist hier nicht untergeordneter Zweck. Vielmehr wird der Vereinszweck der Bekanntmachung des Comedyfilms und die Förderung der interkulturellen Verständigung ausschließlich durch das entgeltliche Zeigen der Filme verwirklicht. Die vereinsinterne Diskussion und das Sichten ist hier die Hilfstätigkeit für die Auswahl der anschließend entgeltlich gezeigten Filme.

Ob es zutrifft, dass für einen Verein, der nach seiner Satzung (hier § 3) ausschließlich steuerbegünstigte (gemeinnützige) Zwecke i.S.v. §§ 51 ff. AO verfolgt, bei entsprechender Anerkennung durch die Finanzverwaltung regelmäßig anzunehmen ist, dass das Nebenzweckprivileg nicht überschritten wird (KG, NZG 2005, 360, 361 [KG Berlin 26.10.2004 - 1 W 295/04]), bedarf hier keiner Klärung. Eine solche Anerkennung ist noch nicht erfolgt.

Der Beteiligte kann sich auch nicht mit Erfolg unter Hinweis auf Art.3 Abs.1 GG darauf berufen, dass entsprechende Vereine anderswo im Register eingetragen sind. Zum Einen ist hier nicht nachprüfbar, ob es sich tatsächlich um einen gleichgelagerten Fall handelt, zum Anderen bezieht sich das Gebot der Gleichbehandlung auf den gleichen staatlichen Träger innerhalb seines Kompetenzbereichs (vgl. nur BVerfGE 93, 319/351 [BVerfG 07.11.1995 - 2 BvR 413/88]; Heun in Dreier, GG, 2. Aufl., Art.3 Rn.48 m.w.N.) und schließlich gibt es nicht die sog. Gleichbehandlung im Unrecht (vgl. nur BVerwGE 34, 278/283 [BVerwG 10.12.1969 - BVerwG VIII C 104.69]; Heun in Dreier, a.a.O., Rn.60 m.w.N.).

C.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 131 Abs.4, 30 Abs.2 KostO.

RechtsgebietBGBVorschriften§ 21 BGB § 22 BGB

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr