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02.11.2006 · IWW-Abrufnummer 063168

Finanzgericht Köln: Urteil vom 14.03.2006 – 9 K 4735/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Köln, 9 K 4735/05

Datum: 14.03.2006
Gericht: Finanzgericht Köln
Spruchkörper: 9. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 9 K 4735/05


T e n o r: Die Klage wird abgewiesen.


Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.


T A T B E S T A N D

Streitig ist, ob eine Grundstücksschenkung unter Vorbehalt eines lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauchsrechts zugunsten der Schenkerin deshalb nicht gemäß § 14 ErbStG als Vorerwerb im Rahmen der nachfolgenden Erbschaftsteuerveranlagung zu berücksichtigen ist, weil der Grundstückserwerber und spätere Alleinerbe (Kläger) das Nießbrauchsrecht der Schenkerin (Erblasserin) vor deren Tod gegen Zahlung einer dem (behaupteten) Verkehrswert entsprechenden Abfindung abgelöst hat.

Der Kläger ist ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts der Stadt L vom 20. Dezember 1999 testamentarischer Alleinerbe seiner am 22. Mai 1999 verstorbenen Mutter Frau 0 (Erblasserin). Diese hatte dem Kläger mit notariellem Vertrag vom 30. August 1993 (Urk.-Nr. ... des in der Stadt L amtsansässigen Notars Herr X), auf dessen weiteren Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, unter Vorbehalt eines lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauchsrechts das in der Stadt L belegene Grundstück C-Str. ohne Vereinbarung einer Gegenleistung zu Alleineigentum übertragen. Am 25. August 1997 hatte die Erblasserin mit dem Kläger und seiner Ehefrau, Frau O 2, unter der laufenden Urk.-Nr. .... desselben Notars einen weiteren Vertrag abgeschlossen, in dem sich die Erblasserin bereit erklärt hatte, das zu ihren Gunsten eingetragene Nießbrauchsrecht gegen Abfindungszahlung seitens des Klägers und seiner Ehefrau in Höhe von insgesamt 750.000 DM, die sie zur Tilgung von Verbindlichkeiten verwenden wollte, im Grundbuch löschen zu lassen. Dabei sollten der Kläger und seine Ehefrau einen Teilbetrag von 585.000 DM bis zum 30. September 1997 auf ein Notaranderkonto überweisen; den Rest der Abfindung sollten sie durch Übernahme grundpfandrechtlich gesicherter Darlehensverbindlichkeiten leisten, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch mit ca. 165.000 DM valutierten. Wegen der darüber hinaus getroffenen Vereinbarungen wird auf den Inhalt der Vertragsurkunde vom 25. August 1997 verwiesen.

Nachdem der Kläger im Februar 2000 seine Erbschaftsteuererklärung beim Beklagten eingereicht hatte, setzte dieser ausgehend von einem mit 2.985.022 DM bezifferten Erwerbswert mit Bescheid vom 5. Oktober 2004 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) Erbschaftsteuer i.H. von 487.350 DM (=249.178 Euro) gegen den Kläger fest. In die Ermittlung des Nachlasswerts bezog er dabei unter anderem den auf 1.252.500 DM geschätzten Bedarfswert des Grundstücks C-Str. ein. Vorerwerbe wurden erklärungsgemäß nicht berücksichtigt.

Mit seinem hiergegen gerichteten Einspruch begehrte der Kläger unter Hinweis auf die als Anlage übersandten Notarverträge vom 30. August 1993 und 25. August 1997 unter anderem, das Objekt C-Str., das bereits 1993 in sein zivil rechtliches Eigentum übergegangen sei und seit Anfang 1998 auch in seinem wirtschaftlichen Eigentum stehe, weder bei der Ermittlung des Nachlasswertes noch als Vorschenkung nach § 14 ErbStG in die Berechnung der Erbschaftsteuer einzubeziehen. Hierzu vertrat er die Auffassung, ein schenkungsteuerpflichtiger Vorerwerb liege hinsichtlich der Übertragung des Objekts C-Str. nicht vor, weil der zur Ablösung des Nießbrauchsrechts gezahlte Betrag von insgesamt 750.000 DM mit dem Verkehrswert des Objekts identisch, der Erwerb des Grundstücks mithin nicht unentgeltlich erfolgt sei.

Mit Teilabhilfebescheid vom 14. Januar 2005 ermäßigte der Beklagte die Erbschaftsteuer des Klägers auf 91.550 DM (= 46.808 Euro). Dabei erfasste er das Grundstück C-Str. antragsgemäß nicht mehr als Teil des Nachlasses, wohl aber mit seinem um 40 v.H. erhöhten Einheitswert (250.500 DM x 140 v.H. = 350.700 DM) als Vorschenkung, die er dem auf 792.612 DM verminderten Erbanteil des Klägers nach Maßgabe des § 14 ErbStG hinzurechnete. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob er auf (§ 164 Abs. 3 AO).

Den aufrechterhaltenen Einspruch des Klägers, der gegen die Berücksichtigung des Grundstückserwerbs C-Str. als Vorschenkung weiterhin einwandte, die entgeltliche Ablösung des Nießbrauchsrechts in 1997 sei wirtschaftlich als Rückabwicklung der unentgeltlichen Grundstücksschenkung aus dem Jahre 1993 anzusehen, wies der Beklagte mit Rechtsbehelfsentscheidung vom 8. November 2005, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, als unbegründet zurück. Dabei vertrat er die Auffassung, bei dem später vereinbarten entgeltlichen Nießbrauchsverzicht handele es sich um eine dem ursprünglichen Erwerb nachfolgende - rechtlich selbständig zu beurteilende - Vermögensdisposition, die weder auf die Zuwendung des Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt zurückwirke noch zu einer Durchbrechung des im Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts geltenden Stichtagsprinzips führe. Die entgeltliche Ablösung des Nutzungsrechts sei auch nicht als Rückabwicklung der Grundstücksschenkung anzusehen, da sich der Vertragsgegenstand nicht entspreche und der Erblasserin (=Schenkerin) auch kein Rückübertragungsanspruch bezüglich des Grundstücks zugestanden habe. Der entgeltliche Nießbrauchsverzicht habe lediglich zur Folge, dass die mit dem Grundstückserwerb einhergehende Belastung erlösche und für den Vorerwerb, soweit eine Steuerstundung nach § 25 ErbStG gewährt worden sei, der bis dahin gestundete Betrag sofort fällig werde.

Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger sein Begehren, die Übertragung des Grundstücks C-Str. nicht gemäß § 14 ErbStG als Vorerwerb in die Erbschaftsteuerfestsetzung einzubeziehen, weiter. Zur Begründung trägt sein Prozessbevollmächtigter im Wesentlichen vor:
Indem der Beklagte den Grundstückserwerb des Klägers vom 30. August 1993 als Vorschenkung im Rahmen der streitgegenständlichen Erbschaftsteuerveranlagung angesetzt habe, ohne dabei die am 25. August 1997 vereinbarte entgeltliche Ablösung des Nießbrauchsrechts erwerbsmindernd zu berücksichtigen, habe er sowohl gegen den Gesetzeszweck sowie die ihm Rechnung tragenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG - Beschluss vom 15. Mai 1984 1 BvR 464/81 u.a., BStBl. II 1984, 608) und des Bundesfinanzhofs (BFH - Urteil vom 12. Juli 1979 II R 41/77, BStBI. II 1979,740) als auch gegen die eigene Auffassung der Finanzverwaltung im Erlass vom 18. April 1978 (S 3837-1-VA 2, Der Betrieb - DB1978, 866) verstoßen.

Die Erbschaft- und Schenkungsteuer sei nach ihrer Zielsetzung in erster Linie auf Kriterien der Leistungsfähigkeit ausgerichtet und basiere grundsätzlich auf dem Netto- oder Bereicherungsprinzip. Das Gesetz orientiere sich dabei zwar generell an den jeweiligen zivilrechtlichen Gegebenheiten; die Vorschrift des § 25 ErbStG wende sich hiervon jedoch ab. Obwohl nämlich bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt zivilrechtlich eine Bereicherung des Erwerbers nur in Höhe des erworbenen Nettowerts eintrete, verzichte der Gesetzgeber unter den Voraussetzungen des § 25 ErbStG bewusst auf eine erwerbsmindernde Berücksichtigung vorbehaltener Nutzungsrechte. Er habe sich vielmehr aus wirtschaftlichen Erwägungen dafür entschieden, dem Leistungsfähigkeits- bzw. Bereicherungsprinzip durch zinslose Stundung der Steuer Geltung zu verschaffen, ohne dieses Prinzip jedoch aufzugeben. Aus diesem Grunde sei es geboten, sich dem Regelungsgehalt des § 25 ErbStG auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu nähern.

Nach § 25 ErbStG ende die Stundung mit dem Wegfall des vorbehaltenen Nutzungsrechts. Gemeint sein könne damit jedoch nur dessen nach dem Schenkungsvertrag vorgesehenes Ende. Eine weitergehende Auslegung, wie sie der Beklagte offenbar vornehme, werde dem Regelungszweck des Gesetzes nicht gerecht und sei auch nicht verfassungskonform. Dementsprechend habe die Finanzverwaltung selbst den Verzicht auf die gestundete Steuer für den Fall angeordnet, dass das Nutzungsrecht durch nachträglichen unentgeltlichen Verzicht des Berechtigten vorzeitig erlösche. Der unentgeltliche Nutzungsrechtsverzicht stelle dann einen neuen Besteuerungstatbestand dar. Für den Verzicht auf die Steuer, die auf den Wert entfalle, hinsichtlich dessen der Erwerber aus dem Ersterwerb endgültig nicht bereichert sei, könne es aber nicht darauf ankommen, ob der Verzicht auf das Nutzungsrecht entgeltlich oder unentgeltlich erfolge. Der Verzicht auf die Steuer sei vielmehr allein durch die Überlegung gerechtfertigt, dass es insoweit an einer Bereicherung des Erwerbers mangele.

Dieses Ergebnis lasse sich auch aus der zu § 14 ErbStG ergangenen BFH-Rechtsprechung in BStBI. II 1979, 740 ableiten. Im vorliegenden Fall übersteige der Wert des Nießbrauchsrechts den Steuerwert des Grundstücks (= indizierten Einheitswert), mit dem Entgelt für den Nutzungsrechtsverzicht sei sodann der volle Verkehrswert des (unbelasteten) Grundstücks abgegolten worden. Es leuchte unmittelbar ein, dass die Vertragsparteien damit wirtschaftlich nichts anderes hätten erreichen können und wollen, als die ursprüngliche Grundstücksschenkung vollständig rückgängig zu machen. Ob dieser Wille durch die gewählte zivilrechtliche Gestaltung zum Ausdruck komme, sei für die Besteuerung ohne Belang, da in der Person des Erwerbers tatsächlich keine Bereicherung eingetreten sei.
Nach dem BFH-Urteil vom 17. März 2005 (II R 3/01; BStBI. II 2004,429) sei nicht die Besteuerung des nachfolgenden Verzichts zu korrigieren, sondern die aus dem Abzugsverbot des § 25 ErbStG resultierende Besteuerung, da es gerade diesbezüglich an der Bereicherung mangele. Die geforderte Anrechnung sei danach reine Erhebungstechnik. Es sei nicht einzusehen, warum das Bereicherungsprinzip des § 10 ErbStG dann außer Acht zu lassen sei, wenn die Bereicherung durch entgeltlichen Verzicht unmöglich werde.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
bei der Erbschaftsteuerfestsetzung nach seiner Mutter Frau 0 den Erwerb des Grundstücks C-Str. nicht als Vorschenkung in die Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG einzubeziehen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt er vollinhaltlich Bezug auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 8. November 2005.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 9. März 2006 (Kläger) bzw. vom 10. März 2006 (Beklagter) einvernehmlich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E

I. Die Klage, über die der erkennende Senat wegen des übereinstimmenden Verzichts der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Der geänderte Erbschaftsteuerbescheid vom 14. Januar 2005 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 8. November 2005 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Insbesondere hat der Beklagte den Erwerb des Grundstücks C-Str. zu Recht als Vorschenkung im Rahmen der angefochtenen Erbschaftsteuerfestsetzung berücksichtigt (§ 14 ErbStG).

1. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden. Der Wert des früheren Erwerbs und das Ausmaß der durch ihn bewirkten Bereicherung des Erwerbers richten sich dabei gemäß § 11 ErbStG grundsätzlich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 ErbStG). Bei Schenkungen unter Lebenden (§ 7 ErbStG) ist dies gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG der Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung.

Vorliegend hat der Kläger im Abstand von knapp sechs Jahren und mithin innerhalb des vorbezeichneten Zehnjahreszeitraums von seiner Mutter - der Erblasserin - mehrere "Vermögensvorteile" LS. des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG erworben, nämlich zunächst durch Schenkung unter Lebenden (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) das mit notariellem Vertrag vom 30. August 1993 übertragene Grundstück C-Str. und danach als Alleinerbe seiner am 22. Mai 1999 verstorbenen Mutter die zu ihrem Aktivnachlass gehörenden Vermögensgegenstände (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB).

2. Mit dem (Vor-)Erwerb des Grundstücks C-Str. hat der Kläger ungeachtet der Tatsache, dass sich seine Mutter - die Schenkerin - ein lebenslanges, unentgeltliches Nießbrauchsrecht an dem übertragenen Vermögensgegenstand vorbehalten hat, den Steuertatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG verwirklicht.

a) Nach dieser Vorschrift gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Freigebig ist eine Zuwendung, wenn sie unentgeltlich erfolgt, also weder ein Rechtsanspruch auf Übertragung des zugewendeten Gegenstands besteht noch diese rechtlich abhängig ist von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung des Erwerbers. Dabei kommen als rechtliche Abhängigkeit, welche die Unentgeltlichkeit ausschließt und die Entgeltlichkeit begründet, Verknüpfungen sowohl nach Art eines gegenseitigen Vertrags als auch durch Setzung einer Bedingung oder eines entsprechenden Rechtszwecks in Betracht (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Urteil vom 2. März 1994 II R 59/92, BFHE 173,432, BStBI. II 1994,366 unter Hinweis auf die höchstrichterliche Zivilrechtsprechung im Urteil vom 27. November 1991 IV ZR 164/90, NJW 1992, 564). Unter Zugrundelegung dieser Beurteilungskriterien erfolgte die Zuwendung des Objekts C-Str. freigebig. Dem Kläger stand unstreitig weder ein Rechtsanspruch auf Übertragung dieses Grundstücks zu noch war er - wie sich aus Gliederungsziffer 11. der notariell beurkundeten Vereinbarungen eindeutig ergibt - verpflichtet, irgendeine Gegenleistung für die Übereignung des Grundstücks zu erbringen. Soweit sich seine Mutter - die Schenkerin - auf Lebenszeit den unentgeltlichen Nießbrauch (§§ 1030 ff BGB) an dem übertragenen Gegenstand vorbehalten hat, schließt diese Belastung die Unentgeltlichkeit der Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht aus noch mindert sie das Ausmaß der Bereicherung und mithin den Wert des steuerpflichtigen Erwerbs (§ 10 Abs. 1 ErbStG). Die den Erwerb der Vermögenssubstanz belastende Duldungspflicht des Erwerbers findet wegen des in § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG angeordneten Abzugsverbots schenkungsteuerrechtlich vielmehr nur insoweit Berücksichtigung, als die Steuer, die auf den Kapitalwert dieser Belastung entfällt, bis zu deren Erlöschen zinslos zu stunden ist (§ 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG).

b) Die hier zu beurteilende Zuwendung der Mutter des Klägers erfüllt auch den subjektiven Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH genügt zur Verwirklichung des subjektiven Tatbestands der freigebigen Zuwendung der einseitige Wille des Zuwendenden zur Unentgeltlichkeit, von dessen Vorliegen regelmäßig auszugehen ist, wenn sich der Zuwendende der Unentgeltlichkeit der Vermögenshingabe bewusst ist, diese also in Kenntnis seiner fehlenden Leistungspflicht und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung oder einem Gemeinschaftszweck vornimmt (vgl. BFH-Urteile vom 1. Juli 1992 II R 70/88, BFHE 168,380, BStBI. II 1992, 921, 923, und vom 1. Juli 1992 II R 12/90, BFHE 168,390, BStBI. II 1992, 925, 927, sowie BFH in BFHE, BStBI. II 1994, 366, 369, m.w.N.).

Im Streitfall sprechen die objektiven Umstände dafür, dass die Mutter des Klägers diesem das Grundstück CStr. mit dem Willen übertragen hat, eine unentgeltliche Vermögensverschiebung zu ihren Lasten vorzunehmen. Anhaltspunkte dafür, dass ihr die Unentgeltlichkeit des Vermögenstransfers nicht bewusst gewesen ist oder sie hinsichtlich der Freigebigkeit einem rechtserheblichen Irrtum unterlag, sind weder vorgetragen worden noch aus den aktenkundigen Umständen ersichtlich.

c) Die somit nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG tatbestandsmäßige Grundstücksübertragung führte dazu, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung (§§ 11, 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG), hier also mit Abschluss des die Auflassung (§§ 925, 873 BGB) und Eintragungsbewilligung enthaltenden Notarvertrags vom 30. August 1993, in Höhe des indizierten (= um 40 v.H. erhöhten) Einheitswerts bereichert worden ist (§ 10 ErbStG).

Dem Eintritt dieser Bereicherung steht nicht entgegen, dass der Kläger einige Jahre später - mit notariellem Vertrag vom 25. August 1997 - das lebenslange Nießbrauchsrecht seiner Mutter vorzeitig gegen Zahlung eines Entgelts abgelöst hat, das - wie er behauptet - dem Verkehrswert des Grundstücks entspricht.

aa) Der entgeltliche Nießbrauchsverzicht der Schenkerin in 1997 ist, worauf der Beklagte in der Einspruchsentscheidung zutreffend hingewiesen hat, ein zivil- und steuerrechtlich selbständiges Rechtsgeschäft, das wegen des im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht grundsätzlich geltenden Stichtagsprinzips (§ 11 ErbStG) nicht geeignet ist, die mit dem Vollzug der Grundstücksübertragung in 1993 eingetretenen schenkungsteuerrechtlichen Folgen rückwirkend zu ändern oder zu beseitigen.

bb) Eine andere Beurteilung wäre nur geboten, wenn vorliegend die Voraussetzungen des § 29 ErbStG erfüllt wären. Dies ist jedoch in mehrfacher Hinsicht nicht der Fall.

Nach der vorliegend allein in Erwägung zu ziehenden Nr. 1 des § 29 Abs. 1 ErbStG erlischt die Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit ein Geschenk wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden musste. Im Streitfall scheitert die Anwendung dieser Vorschrift zum einen daran, dass die Eigentums- und Besitzverhältnisse an dem geschenkten Grundstück seit seiner Übertragung auf den Kläger im Jahre 1993 unverändert geblieben sind. Zum anderen fehlt(e) es unstreitig an einem - vertraglich vereinbarten oder gesetzlich normierten - Anspruch der Erblasserin auf Rückübertragung des dem Kläger übereigneten Grundstücks.

Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Einspruchsverfahren die Auffassung geäußert hat, die vorzeitige entgeltliche Ablösung des Nießbrauchsrechts sei der Rückforderung des Zuwendungsgegenstands "wirtschaftlich" gleich zu erachten, vermag der Senat dieser Argumentation schon deshalb nicht zu folgen, weil bei der Auslegung und Anwendung des § 29 ErbStG - wie allgemein bei der schenkung-steuerrechtlichen Beurteilung von Vermögensverschiebungen - wegen der grundsätzlichen Anknüpfung des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts an das Zivilrecht für "wirtschaftliche" Überlegungen, von Ausnahmen abgesehen, kein Raum bleibt.

Dieser Erkenntnis steht der zur Rechtfertigung der "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" vom Prozessbevollmächtigten des Klägers herangezogene Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15. Mai 1984 (1 BvR 464/81 u.a., BStBI. II 1984, 608) nicht entgegen. In dieser Entscheidung hat das BVerfG verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Abzugsverbot des § 25 ErbStG mit der Begründung zurückgewiesen, der Gesetzgeber habe mit der Normierung einer Stundungsregelung "dem wirtschaftlichen Lebenssachverhalt" Rechnung getragen und dem Verfassungsgebot entsprochen, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Hierzu hat es in den Entscheidungsgründen unter anderem ausgeführt, Steuergesetze, die die Steuerpflicht an bestimmte "wirtschaftliche Lebenssachverhalte" knüpfen, müssten der Vielfalt "wirtschaftlicher Gestaltungsmöglichkeiten" Rechnung tragen können. Der Gesetzgeber, der den "wirtschaftlichen Vorgang" des Substanzübergangs besteuern wolle, könne grundsätzlich nicht daran gehindert sein, dieses Anliegen durchzusetzen und entsprechende - verfassungskonforme - Regelungen zu treffen.

Die den Beschlussgründen danach zu entnehmende - allgemein anerkannte und auch vom Senat geteilte Feststellung, dass wirtschaftliche Erwägungen auch im Regelungsbereich des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes nicht ausgeschlossen sind, verhilft der Klage jedoch nicht zum Erfolg. Denn gerade der vom BVerfG im Hinblick auf das Netto- bzw. Bereicherungsprinzip ausdrücklich gebilligte Regelungsmechanismus des § 25 ErbStG, der anstelle des Abzugs der Belastung lediglich eine Stundung der auf ihren Kapitalwert entfallenden Steuer zulässt (§ 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG), führt dazu, dass das den Grundstückserwerb des Klägers belastende Nießbrauchsrecht seiner Mutter wie auch dessen nachfolgende entgeltliche - Ablösung nicht in der vom Kläger gewünschten Weise berücksichtigt werden.

Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt rechtserheblich von denjenigen Gestaltungen, über die der BFH unter Änderung seiner Rechtsprechung in den Urteilen vom 7. Oktober 1998 (II R 64/96, BFHE 187, 53, BStBI. II 1999, 25), vom 21. Mai 2001 (II R 48/99, BFH/NV 2001, 1407) und vom 17. März 2004 (II R 3/01, BFHE 204, 311, BStBl. II 2004, 429) befunden hat.

Die dort zu beurteilenden Konstellationen zeichneten sich im Kern dadurch aus, dass dem Erwerber jeweils innerhalb des für die Anwendung des § 14 ErbStG maßgebenden Zehnjahreszeitraums von derselben Person mehrere Vermögensvorteile - nämlich entweder zunächst das Recht zur Nutzung eines Vermögensgegenstands und danach das Eigentum an diesem Gegenstand (die Vermögenssubstanz) oder zeitlich umgekehrt - angefallen sind, die beide einen Erwerbstatbestand LS. des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes erfüllen. Um in den Fällen, in denen der nießbrauchsberechtigte Schenker nach Schenkung des nießbrauchsbelasteten Gegenstands vorzeitig unentgeltlich auf sein Nutzungsrecht verzichtet, einen Verstoß gegen das Bereicherungsprinzip zu vermeiden, hat der BFH es in seinem Urteil vom 17. März 2004 (II R 3/01, BFHE 204, 311, BStBI. II 2004, 429) als sachgerecht angesehen, die (tatbestandsmäßige) Doppelerfassung des Nießbrauchsrechts - sowohl bei der Nichtberücksichtigung als Abzugsposten nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG als auch beim späteren Verzicht des Nutzungsberechtigten auf der Ebene der Bereicherung (§ 10 ErbStG) zu beseitigen, indem bei der Besteuerung des späteren Nießbrauchsverzichts der bei der Besteuerung des vorherigen Substanzübergangs tatsächlich unberücksichtigt gebliebene Steuerwert des Nießbrauchsrechts von der Bemessungsgrundlage für den Nutzungsrechtsverzicht abgezogen wird.

Diese Rechtsprechung kann auf den vorliegenden Sachverhalt, bei dem der dem Substanzübergang (Grundstücksschenkung) nachfolgende Nießbrauchsverzicht entgeltlich erfolgt ist, jedoch nicht übertragen werden, weil hier mangels Schenkungsteuerbarkeit des späteren Rechtsverzichts eine Doppelerfassung im vorbeschriebenen Sinne nicht möglich ist.

Die Tatsache, dass die Belastung des Zuwendungsgegenstands mit einem Nießbrauchsvorbehalt bei dessen entgeltlicher Ablösung durch den Erwerber schenkungsteuerrechtlieh unberücksichtigt bleibt, obwohl dieser sich den vorzeitigen Nutzungsrechtsverzicht erkaufen, also im Gegensatz zu dem durch einen unentgeltlichen Nießbrauchsverzicht begünstigten Erwerber zur Erlangung des unbelasteten Sacheigentums sogar eine Gegenleistung erbringen muss, mag unter dem Blickwinkel des Bereicherungsprinzips unbefriedigend erscheinen. Sie ist jedoch als Ergebnis einer folgerichtigen Anwendung der Vorschriften des ErbStG, insbesondere des in § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG normierten Abzugsverbots hinzunehmen, dessen Verfassungskonformität das BVerfG in seinem Beschluss vom 15. Mai 1984 (1 BvR 464/81, u.a., BStBl. II 1984, 608) ausdrücklich bestätigt hat.

Ob dadurch entstehende Härten im Einzelfall durch Ergreifung von Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163, 227 AO vermieden werden können, kann der Senat dahinstehen lassen, da hierüber im vorliegenden - allein die Steuerfestsetzung betreffenden - Verfahren nicht zu entscheiden ist. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Schreiben vom 16. Januar 2006 selbst auf diese Möglichkeit hingewiesen hat, bleibt es ihm unbenommen, entsprechende Anträge beim Beklagten zu stellen und im Falle ihrer Ablehnung nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens Verpflichtungsklage zu erheben.

II. Da weitere Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids weder vorgetragen worden noch diesbezügliche Anhaltspunkte aus den Akten ersichtlich sind, war die Klage mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.

III. Der Senat hat die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen, ob und aufweiche Weise dem Bereicherungsprinzip in den Fällen Rechnung zu tragen ist, in denen einer unentgeltlichen Übertragung der - nießbrauchsbelasteten - Vermögenssubstanz der vorzeitige entgeltliche Verzicht auf das Nutzungsrecht nachfolgt.

RechtsgebieteBGB, ErbStGVorschriften§ 1030 ff. BGB, § 1030 BGB, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, § 10 Abs. 1 ErbStG, § 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG, § 25 Abs. 1 ErbStG, § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG

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