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19.01.2006 · IWW-Abrufnummer 060132

Landgericht Kassel: Beschluss vom 05.07.2005 – 1 T 108/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Kassel

1 T 108/05
423 C 3409/05 Amtsgericht Kassel

Beschluss

In dem Beschwerdeverfahren XXX

hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Kassel durch Richter am Landgericht Lohmann als Beschwerdeeinzelrichter am 05.07.2005

beschlossen:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 27.06.2005 - 423 C 3409/05 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

Die Parteien haben - ohne miteinander verheiratet zu sein - zusammen ein Kind, den am 16.05.2002 geborenen Sohn Lukas XXX. Die Parteien leben getrennt.

Mit Schriftsatz vom 24.06.2005, bei dem Amtsgericht Kassel eingegangen am selben Tage, hat die Antragstellerin um Bewilligung von Prozesskostenhilfe angetragen mit "Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betreffend Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz" und dem Zusatz im Kopf des Schriftsatzes "Gewaltschutz 11 EA". Sie begehrt den Erlass einer Schutzanordnung wie folgt:

?1.
Der Antragsgegner hat es zu unterlassen, mit der Antragstellerin in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln. Im Einzelnen wird dem Antragsgegner untersagt, bei der Antragsgegnerin anzurufen, sie anzusprechen oder ihr SMS zu schicken.

2.
Ferner wird dem Antragsgegner untersagt, die Wohnung der Antragstellerin im Hause XXX zu betreten und sich dem Haus auf eine Entfernung von 50 m zu nähern.

3.
Sollte es zu einer zufälligen Begegnung kommen, so hat der Antragsgegner sofort einen Abstand von 50 m herzustellen und einzuhalten.

4.
Dem Antragsteller wird für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 ?; ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu zwei Jahren angedroht."

Zur Begründung hat sie sich auf neun Telefonanrufe in der Zeit am 29.04., 30.04., 14.05. und 07.06.2005 sowie einen Vorfall am 11.06.2005 berufen, als nach dem für diesen Tag vereinbarten begleiteten Umgangskontakt zwischen dem Sohn der Parteien und dem Antragsgegner es zu einem Zusammentreffen an einer Bushaltestelle gekommen ist. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Antragsschrift vom 24.6.2005 nebst Anlagen Bezug genommen (Bl. 1 bis 13 d.A.).

Ebenfalls mit Schriftsatz vom 24.06.2005 hat die Antragstellerin bei dem Amtsgericht Kassel zum Verfahren 423 C 3410/05 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe angetragen und zur Begründung auf einen "Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz", im Kopf des Schriftsatzes versehen mit dem Zusatz "Gewaltschutz " Hauptsache" verwiesen, der dem Wortlaut nach identisch ist mit oben zu Ziffern 1 bis 4 wiedergegebenen Antrag im Verfahren 423 C 3409/05 Amtsgericht Kassel. Dieses Verfahren ist nunmehr anhängig vor der Beschwerdekammer des Landgerichts Kassel zum Aktenzeichen 1 T 109/05. Diesem Verfahren liegen ebenfalls die angeführten Vorfälle (neun Telefonate und Vorfall vom 11.06.2005) zugrunde.

Bereits zuvor ist es zwischen den Parteien zu verschiedenen "Umgangsregelungen" gekommen. So haben die Parteien zunächst vor dem Amtsgericht Kassel- Familiengericht - im Verfahren 542 F 3435/04 UG am 11.03.2005 zu Protokoll des Amtsgerichts eine Zwischenvereinbarung getroffen, wonach für die Zeit begleiteten Umganges des Antragsgegner mit dem Sohn der Parteien, der über die Initiative begleiteter Umgang in den Räumlichkeiten der Kindertagesstätte XXX stattfinden soll, vereinbart wurde:

"Die Kindsmutter, Frau XXX verpflichtet sich, Herrn XXX initiativ darüber zu informieren, wenn sich etwas Besonderes für XXX ereignet, insbesondere wenn er krank wird.

Herr XXX verpflichtet sich, in dieser Zeit andere Kontakte als die bei IBU zu der Kindsmutter, insbesondere Telefonate oder Besuche an oder in ihrem Haus zu meiden und insoweit nicht mehr zu inizieren. Wir sind uns einig, dass XXX bei der Mutter lebt."

Darüber hinaus hat die Antragstellerin gegen den Antragsgegner bereits mit Beschluss vom 15.03.2005 eine einstweilige Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz bei dem Amtsgericht Kassel in dem Verfahren 415 C 1399/05 erwirkt. Auf den Antrag des hiesigen Antragsgegners war sodann über den Erlass der einstweiligen Anordnung mündlich zu verhandeln. In der mündlichen Verhandlung schlossen sodann die Parteien bereits folgenden weiteren Vergleich:

?Der Antragsgegner verpflichtet sich, es zu unterlassen, mit der Antragstellerin in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln. Im Einzelnen wird dem Antragsgegner untersagt, bei der Antragstellerin anzurufen, sie anzusprechen und ihr SMS zu schicken. Ferner verpflichtet sich der Antragsgegner es zu unterlassen, die Wohnung der Antragstellerin im Hause XXX zu betreten und sich dem Hause auf eine Entfernung von 50 m zu nähern.

Sollte es zu einer zufälligen Begegnung kommen, so hat der Antragsgegner sofort einen Abstand von 50 m herzustellen und einzuhalten.

Ausgenommen von dem Verbot sind zwingend notwendige Kontaktaufnahmen im Rahmen eines geregelten Umgangsverfahrens.

Für den Fall der Zuwiderhandlung verpflichtet sich der Antragsgegner 500,00 ? zugunsten der IBU (Initiative begleiteter Umgang e.V. Kassel) zu zahlen unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs.

Die Parteien vereinbaren, dass eine telefonische Kontaktaufnahme durch die Frau XXX einmal wöchentlich erfolgt. In diesem Rahmen darf der Herr XXX mit seinem Sohn XXX sprechen. Ebenso ist es im Rahmen dieses Gesprächs möglich, über sonstige Punkte zu sprechen, die besprochen werden müssen. Die Anrufe haben nicht zur Unzeit zu erfolgen.

Die Behauptungen im einstweiligen Verfügungsverfahren und im Hauptsacheverfahren werden vor dem Hintergrund der gütlichen Einigung nicht weiter aufrecht erhalten."

Im Zusammenhang mit dem zuletzt angeführten Vergleich hat die Antragsgegnerin zwischenzeitlich bei dem Amtsgericht Kassel auf Prozesskostenhilfe angetragen, da sie beabsichtigt, Klage gegen den Antragsteller wegen der auch in vorliegenden Verfahren angeführten Vorfälle (neun Telefonate und Vorfall vom 11.06.2005) zu erheben, mit dem sie die Verurteilung des Antragsgegners zu Zahlung in Höhe von 7.500,00 ? an das Institut IBU Kassel begehrt.

Mit Beschluss vom 27.06.2005 hat das Amtsgericht Kassel - 423 C 3409/05 - den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 24.06.2005 samt des dort gestellten Prozesskostenhilfeantrages auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Antragstellerin mit dem Vergleich vom 22.04.2005 im Verfahren 415 C 1399/05 bereits über einen Titel verfüge, mit dem sie gegen die hier gerügten Belästigungen durch den Antragsgegner vorgehen können. Die gleichzeitig eingegangen Zahlungspflicht sei dabei ausreichendes Druckmittel, so dass derzeit für den Antrag kein Rechtschutzbedürfnis bestehe.

Ebenfalls mit Beschluss vom 27.06.2005 hat das Amtsgericht Kassel im Verfahren 423 C 3410/05 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Hauptsacheverfahren zurückgewiesen. Die beabsichtigte Klage biete keine Aussicht auf Erfolg. Zur Begründung hat es auch insoweit auf den Vergleich im Verfahren 415 C 1399/05 verwiesen. Ein weiterer Titel daneben sei nicht erforderlich, jedenfalls so lange nicht feststehe, dass eine Vollstreckung aus dem genannten Vergleich nicht zum gewünschten Erfolg führe.

Jeweils mit Schriftsatz vom 29.06.2005, bei dem Amtsgericht jeweils eingegangen am 30.06.2005, hat die Antragsstellerin sowohl gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kassel im vorliegenden Verfahren (423 C 3409/05 Amtsgericht Kassel = 1 T 108/05 Landgericht Kassel) wie auch den Beschluss des Amtsgerichts Kassel im Verfahren 423 C 3410/05 = 1 T 109/05 Landgericht Kassel sofortige Beschwerde eingelegt, nachdem ihr die beiden Beschlüsse vom 27.06.2005 jeweils am 29.06.2005 zugestellt worden waren.

Zur Begründung hat die Antragsgegnerin jeweils gleich lautend unter Hinweis auf die Entscheidung OLG Frankfurt/Main, WRP 1997, 51 darauf verwiesen, dass vorliegend das Rechtschutzbedürfnis zu bejahen sei. Das bei Abschluss des Vergleichs vom 22.04.2005 in den Antragsgegner von der Antragstellerin investierte Vertrauen sei nicht gerechtfertigt gewesen, wie die neuen Vorfälle zeigen würden. Zudem habe der gegnerische Prozessbevollmächtigte die Zahlung von Vertragsstrafen verweigert.

Die bisherige Titulierung im Rahmen eines Parteivergleichs mit Vertragsstrafe sei offenbar nicht ausreichend und geeignet, den Beklagten bzw. Antragsgegner dazu zu bringen, sich an die Vorschriften zu halten.

Das Amtsgericht hat jeweils mit Verfügung vom 30.06.2005 den Beschwerden nicht abgeholfen, da der Vergleich bereits der Antragsgegnerin das gewähre, was sie nunmehr begehre. Eine abgewandelte Verletzungshandlung des Antragsgegners sei nicht ersichtlich. Entsprechende Mitteilung hat das Amtsgericht der Antragstellerin übersandt.

Die sofortige Beschwerde ist, soweit sie sich zum einen gegen die Zurückweisung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung richtet gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 922 Abs. 1, 936 ZPO, soweit sie sich gegen die Versagung. von Prozesskostenhilfe wendet gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 127 Abs. 2, 3 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere jeweils fristgerecht eingelegt worden. In der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg.

Mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren zurückgewiesen. Für den Erlass der begehrten Anordnung fehlt der Antragstellerin das erforderliche Rechtsschutzinteresse, somit zugleich die erforderliche Aussicht auf Erfolg für die Bewilligung der begehrten Prozesshilfe. Wie das Amtsgericht bereits zutreffend ausgeführt und aus dem oben nochmals wiedergegebenen Vergleichstext vom 22.04.2005 im Vergleich mit dem Inhalt der nunmehr begehrten Unterlassungsanordnung dies eindeutig ergibt, ist dieser nicht nur vom Schutzumfang her, sondern auch vom Text der begehrten (Unterlassungs)Anordnungen her gleichlautend. Die Antragstellerin ist somit bereits ausreichend geschützt, allein der Umstand, dass der Antragsgegner sich dementsprechend zu den jeweiligen Vorfällen nach dem Vorbringen der Antragstellerin nicht verhalten hat, begründet kein weitergehendes Rechtschutzinteresse. Der Verweis auf die Entscheidung des Oberlandesgericht Frankfurt, Beschluss vom 12.11.1996 - 6 W 145/96 -, veröffentlicht in WRP 1997,51 f geht fehl, weil, worauf das Amtsgericht bereits hingewiesen hat, mit den nunmehr geltend gemachten Vorfällen keine abgewandelten Verletzungshandlungen dargetan werden, aus denen erkennbar werden könnte, dass der Antragsgegner versucht, die einstweilige Anordnung durch "ausnutzen von Lücken" zu umgehen, sondern vielmehr allein ein Verstoß des Antragsgegner gegen den insoweit auch nicht auslegungsbedürftigen, weil insoweit nicht unklaren Inhalt der Unterlassungspflichten gemäß dem Vergleich vom 22.04.2005. In soweit liegt schon kein vergleichbarer Sachverhalt vor. Dass der Antragsgegner nach dem Vorbringen der Antragstellerin sich über diese dort eindeutig normierten Verbote hinweggesetzt hat, begründet kein weitergehendes Rechtsschutzinteresse, sondern stellt sich als ein Problem der Vollstreckung der eingegangenen Unterlassungsverpflichtung dar. Dem Antragsgegner wird durch die nunmehr weitere Klage der Antragstellerin, mit der sie die "Vollstreckung" der vertraglich für jeden Fall der Zuwiderhandlung des Antragsgegners vereinbarten Zahlungen betreibt, auch verdeutlicht, dass die Antragstellerin weitere Verstöße nicht duldet und in ausreichendem Maße die Folgen etwaiger weiterer Verstöße - soweit sie denn nachweislich vorliegen - kundgetan. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners Zahlung nach dem Vorbringen der Antragstellerin bereits zurückgewiesen hat, folgt daraus nichts anderes, zumal schon der Grund für die Zurückweisung weder dargetan noch glaubhaft gemacht ist.

Die sofortige Beschwerde war danach, soweit die Zurückweisung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betroffen war, mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Der Wert war insoweit auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.000,00 ? festzusetzen.

Im Übrigen bedurfte es einer Kostenentscheidung nicht. Durch die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe ist eine Festgebühr von 50,00 ? nach Nr. 1811 des Kostenverzeichnisses zum GKG in der seit dem 01.07.2004 geltenden Fassung entstanden. Außergerichtliche Kosten werden auch im Beschwerdeverfahren insoweit nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

RechtsgebietFamilienrechtVorschriften§§ 1 ff. GewSchG; § 253 ZPO

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