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05.12.2003 · IWW-Abrufnummer 032743

Oberlandesgericht Düsseldorf: Beschluss vom 08.08.2003 – 1 W 45/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Datum: 08.08.2003

Oberlandesgericht Düsseldorf
1. Zivilsenat

Beschluss

Aktenzeichen: I-1 W 45/03

Tenor: 1 W 45/03

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

pp.

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. E., den Richter am Oberlandesgericht E. und die Richterin am Landgericht G. am 8. August 2003

b e s c h l o s s e n :

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 23. Juni 2003 wird der Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 3. Juni 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch nach Maßgabe der nachfolgenden Gründe an das Landgericht zurückverwiesen.

G r ü n d e :

I.

Der Antragsgegner, ein Kfz-Händler, verkaufte dem Antragsteller im 25. Oktober 2002 einen gebrauchten Opel-Corsa B zum Preis von 6.500 Euro. Auf dem Verkaufsschild (vgl. Bl. 6 d.A.) war das Fahrzeug in der Spalte "Ausstattung/Extras" u.a. als

"1. Hand" und "scheckheftgepflegt"

beschrieben.

Der Vertrag zwischen den Parteien kam zustande auf der Grundlage der verbindlichen Bestellung Bl. 7 d.A. Als Datum der Erstzulassung ist dort der 01.07.1997 vermerkt. Unstreitig wurde der Wagen bereits am 01.04.1997 erstmals zum Verkehr zugelassen. Dieses Datum steht auch auf dem vorerwähnten Verkaufsschild.

Anders als dort ist die Anzahl der Vorbesitzer im Kaufvertragsformular nicht vermerkt.

Unter "Besondere Vereinbarungen" ist u.a. handschriftlich notiert:

"Kfz-Brief eingesehen".

Der dem Antragsteller vorgelegte Fahrzeugbrief war nicht der ursprüngliche Brief. Dieser war von der Zulassungsbehörde eingezogen und vernichtet worden. Anlässlich der Wiederzulassung nach § 27 Abs. 7 StVZO waren eine neue Betriebserlaubnis erteilt und ein neuer Brief ausgefertigt worden.

Dieser Fahrzeugbrief mit nur einer einzigen Halter-Eintragung vom 12. April 2000 (Frau R. K.) wurde dem Antragsteller vom Antragsgegner bei den Kaufverhandlungen vorgelegt und ihm sodann ausgehändigt. Am 28. Oktober 2002 wurde der Antragsteller als neuer Halter eingetragen.

Mit Schreiben vom 20. November 2002 erklärte der Antragsteller die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Aus dem Inspektionsheft habe er entnommen, dass das Fahrzeug nicht nur einen, sondern vier Vorbesitzer habe. Davon habe er sich persönlich durch Kontaktaufnahme mit einigen der früheren Halter überzeugt.

Der Antragsgegner ließ dieses Schreiben unbeantwortet.

Nunmehr bittet der Antragsteller um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren. Ziel der beabsichtigten Klage ist es, den gezahlten Kaufpreis zurückzuerhalten. Ferner erstrebt der Antragsteller Ersatz für Aufwendungen (Austausch der vorderen Stoßdämpfer und vier Federbeine, Kosten der Anmeldung und Nummernschilder).

Zur Begründung führt der Antragsteller im Wesentlichen aus:

Die Beschaffenheit des Fahrzeugs entspreche nicht den vertraglichen Abmachungen. Unrichtig sei vor allem die Zusage, das Fahrzeug stamme aus erster Hand. Er sei auch nicht darüber informiert worden, dass der Wagen zunächst einem anderen Autohaus als Vorführwagen gedient habe. Außerdem sei das Fahrzeug entgegen der Beschreibung auf dem Verkaufsschild nicht durchgängig scheckheftgepflegt worden.

Demgegenüber macht der Antragsgegner geltend, ein mängelfreies Fahrzeug verkauft zu haben. Wie aus dem Kaufvertrag ersichtlich, habe der Antragsteller den Fahrzeugbrief eingesehen. Dadurch habe er feststellen können, wie viele Vorbesitzer das Fahrzeug gefahren haben. Ebenso habe der Antragsteller sich das Scheckheft vor Abschluss des Kaufvertrages zeigen lassen. Nach Kenntnis des Antragsgegners seien sämtliche Inspektionen eingetragen.

Durch Beschluss vom 3. Juni 2003 hat das Landgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Hinsichtlich der Anzahl der Vorbesitzer scheide ein Gewährleistungsanspruch aus, weil dem Antragsteller vor Abschluss des Kaufvertrages der Fahrzeugbrief vorgelegt worden sei. Aus ihm gehe die Anzahl der Vorbesitzer unmissverständlich hervor. Damit sei die Haftung des Antragsgegners zumindest nach § 442 Abs. 1 S. 1 BGB ausgeschlossen. Auch sonst lägen keine Tatsachen vor, die den Antragsteller berechtigen könnten, Rückzahlung des Kaufpreises zu verlangen. Was die Beanstandung lückenhafter Scheckheftpflege angehe, so könne der Antragsteller sich bei dem am 1. Juli 1997 (richtig: 1. April 1997) erstmals zugelassenen Fahrzeug nicht darauf berufen, die vierte Jahresinspektion sei nicht durchgeführt worden.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 23. Juni 2003, bei dem Landgericht am 25. Juni 2003 eingegangen, Beschwerde eingelegt. Beigefügt hat er eine Kopie des Fahrzeugbriefes, der ihm bei Vertragsabschluss vorgelegt worden sei.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Es hat die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und nach Maßgabe des Tenors dieses Beschlusses begründet.

Das Landgericht hat die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage zu Unrecht verneint. Allem Anschein nach ist es von einer Unschlüssigkeit des Klagebegehrens ausgegangen. Das wird von der Beschwerde mit Recht beanstandet.

Der Antragsteller hat für die geltend gemachten Ansprüche schlüssig vorgetragen. Soweit erheblicher Tatsachenstoff strittig ist, fällt die Beweisprognose für den Antragsteller günstig aus. Im Einzelnen gilt folgendes:

1.
Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ist das ab dem 1. Januar 2002 geltende Schuldrecht anwendbar. Auch wenn das Kaufvertragsformular kein Datum trägt, so ist doch ein Vertragsabschluss im Oktober 2002 unstreitig.

2.a)
Da der Antragsteller vorgerichtlich die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt hat (vgl. Schreiben vom 20. November 2002, Bl. 4/5 d.A.), er im jetzigen Verfahren aber unter dem Gesichtspunkt der "Wandlung" vorgeht, muss zunächst das Verhältnis der einzelnen Rechtsbehelfe zueinander geklärt werden. Denn auch nach neuem Recht scheiden vertragliche Ansprüche bei wirksamer Täuschungsanfechtung aus. Denn eine wirksame Anfechtung hat die Nichtigkeit der Vertragserklärung und damit den Wegfall des Kaufvertrages zur Folge. Nach ständiger Rechtsprechung, die durch das neue Schuldrecht nicht in Frage gestellt ist, ist dann kein Raum mehr für vertragliche Ansprüche. So kann ein Käufer, der seine Vertragserklärung wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten hat, keinen vertraglichen Sachmängelanspruch unter dem Gesichtspunkt des Rücktritts (früher Wandlung) geltend machen.

Die Rücknahme der Anfechtungswirkung kann nur einverständlich erfolgen, wobei ein konkludentes Verhalten genügt. Da Derartiges nicht ersichtlich ist, war zu-nächst zu prüfen, ob der Antragsteller für den Tatbestand einer arglistigen Täuschung im Sinne des § 123 BGB schlüssig vorgetragen hat. Das ist der Fall.

b)
Der Antragsteller behauptet, der Antragsgegner habe ihm den Opel-Corsa B ausdrücklich als 1. Hand-Wagen verkauft. Mit diesem Zusatz sei der Wagen angeboten worden (Verkaufsschild). Außerdem habe der Antragsgegner bei Vorlage des Fahrzeugbriefs darauf hingewiesen, dass nur ein einziger Vorbesitzer vorhanden sei. In Wirklichkeit seien es jedoch vier Vorbesitzer gewesen, was dem Beklagten bekannt gewesen sei (Beweis: Parteivernehmung). Dieser Sachvortrag rechtfertigt die Annahme einer arglistigen Täuschung im Sinne des § 123 BGB. Denn die Angabe, das Fahrzeug stamme aus "1. Hand" stellt eine unwahre Behauptung ins Blaue hinein dar. Unstreitig hat das Fahrzeug mehr als nur einen Vorbesitzer. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag des Antragstellers sind es insgesamt vier. Dass das Fahrzeug mindestens einen weiteren Vorbesitzer gehabt hat, erschließt sich mittelbar aus dem in Kopie bei den Akten befindlichen Fahrzeugbrief. Denn das Datum der Erstzulassung ist der 1. April 1997, während das Fahrzeug am 12. April 2000 auf Frau R. K. zugelassen wurde. Sie steht an erster Stelle des Briefes, bei dem es sich nicht um einen Ersatzbrief, sondern um einen neuen Brief im Sinne des § 27 Abs. 7 StVZO handelt.

Anders als bei einem echten Ersatzbrief ist in dem hier vorliegenden neuen Brief nach § 27 Abs. 7 StVZO die Anzahl der Vorhalter nicht vermerkt. Jedenfalls kann der Senat dem in Kopie vorliegenden Exemplar keine derartige Eintragung entnehmen. Das bedarf gegebenenfalls noch näherer Prüfung anhand des Originalbriefes.

Schon jetzt steht jedenfalls fest, dass die Angabe des Antragsgegners, der Wagen stamme aus erster Hand, objektiv unrichtig war. Einiges spricht auch dafür, dass der Antragsgegner diese Information ins Blaue hinein erteilt hat. Der Antragsteller behauptet sogar unter Beweisantritt, der Antragsgegner habe von der Existenz der vier Vorbesitzer gewusst. Selbst wenn sich dies nicht feststellen lassen sollte, bliebe der Antragsgegner weiterhin dem Vorwurf der arglistigen Täuschung aus-gesetzt. Denn er als Autohändler war sich im klaren darüber, dass außer der Frau R. K. mindestens ein weiterer Vorbesitzer vorhanden gewesen sein muss. Sollte er sich darauf berufen, die unter dem 12. April 2000 vorgenommene Eintragung von Frau K. als erste Haltereintragung überhaupt angesehen zu haben, könnte er damit nicht gehört werden.

c)
Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass es in diesem Zusammenhang nicht darauf ankommt, ob der Antragsteller bei sorgsamer Durchsicht und Prüfung des ihm vorgelegten Fahrzeugbriefes die Täuschung hätte entdecken können. Selbst grobe Fahrlässigkeit würde ihm bei Arglist des Antragsgegners nicht schaden.

d)
Unter der Voraussetzung, dass der Antragsteller den Kaufvertrag durch seine Anfechtungserklärung zunichte gemacht hat, kann die Rückabwicklung sowohl nach Bereicherungs- als auch nach Schadensersatzrecht erfolgen. Die Grundlagen der Schadensersatzhaftung sind §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB (Verschulden bei Vertragsabschluss), ferner § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB, § 826 BGB.

Was die Positionen im einzelnen angeht (Erstattung des Kaufpreises und Aufwendungsersatz), sieht der Senat keine Bedenken.

3.
Für den Fall, dass der Antragsteller die subjektiven Voraussetzungen des Arglisttatbestandes nicht nachweisen sollte (zur Verkäufer-Arglist in einem ähnlich gelagerten Fall vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.06.2002, 22 U 13/02, OLG-Report 2003, 246), hat die beabsichtigte Klage gleichwohl unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn bei einer unwirksamen Täuschungsanfechtung ist der Weg frei für die vertragliche Sachmängelhaftung.

Der Antragsteller begehrt zum einen die Rückabwicklung unter dem Aspekt der "Wandlung", was als Rücktritt zu verstehen ist, dem Nachfolger der Wandlung. Soweit es um den Ersatz von Aufwendungen geht, beruft der Antragsteller sich auf die §§ 437 Nr. 3, 284 BGB.

Den Erwägungen des Landgerichts, das den Fall nur unter dem Gesichtspunkt der neuen Sachmängelhaftung geprüft hat, kann der Senat nicht folgen. Im Einzelnen:

a) Anzahl der Vorbesitzer

aa)
Im angefochtenen Beschluss hat das Landgericht zunächst mit § 442 Abs. 1 S. 1 BGB argumentiert. Hiernach sind die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel gekannt hat. Das Landgericht will damit ersichtlich sagen, dass der Antragsteller positive Kenntnis von der Existenz von vier Vorbesitzern gehabt hat. Für diese Annahme fehlt jegliche Grundlage in tatsächlicher Hinsicht. Einen Fahrzeugbrief mit vier eingetragenen Vorbesitzern gibt es nicht. Auch sonst hatte der Antragsteller keinen Grund dafür, von einer solchen Zahl von Vorbesitzern auszugehen. Vielmehr war bei ihm der Irrtum erzeugt worden, das Fahrzeug habe nur einen einzigen Vorbesitzer.

bb)
Nachdem der Antragsteller nach Erlass des angefochtenen Beschlusses eine Kopie des Fahrzeugbriefes mit Eintragung nur eines Vorbesitzers (Frau K.) zu den Akten gereicht hat, hat das Landgericht seine Argumentation geändert. Nunmehr steht es auf dem Standpunkt, die von dem Antragsteller behauptete Anzahl der Vorbesitzer könne einen Sachmangel nicht begründen, da diesbezüglich keine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB vorliege.

cc)
Diese Annahme wird dem Sachvortrag des Antragstellers nicht gerecht. Denn diese hat ausdrücklich behauptet, der Antragsgegner habe ihm das Fahrzeug als

1.-Hand-Wagen angeboten und verkauft. Damit hat er für eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB hinreichend vorgetragen. Sollte das Landgericht der Ansicht sein, die Anzahl der Vorbesitzer sei kein Beschaffenheitsmerkmal, könnte der Senat dem nicht zustimmen.

Den Begriff der "Beschaffenheit" hat der Reformgesetzgeber allerdings nicht definiert. So hat er insbesondere davon abgesehen zu entscheiden, ob dieser Begriff nur Eigenschaften umfasst, die der Kaufsache unmittelbar physisch anhaften oder ob auch Umstände heranzuziehen sind, die außerhalb der Sache selbst liegen (vgl. BT-Drs. 14/6040, Seite 213). Im Schrifttum zum neuen Schuldrecht wird für ein weites Verständnis des Beschaffenheitsbegriffes plädiert (Nachweise bei Häublein, NJW 2003, 388) und für den Bereich des Verbrauchsgüterkaufs auf die europarechtlichen Vorgaben hingewiesen.

Unter der Geltung des alten Rechts bestand kein Zweifel daran, dass die Anzahl der Vorbesitzer/Vorhalter eines Kraftfahrzeugs ein Beschaffenheitsmerkmal ist. Ebenso anerkannt war, dass es sich hierbei um eine zusicherungsfähige Eigenschaft gehandelt hat (vgl. zuletzt OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2003, 3 U 45/02). Für den Bundesgerichtshof war der Unterschied zwischen einer (zusicherungsfähigen) Eigenschaft und einem Beschaffenheitsmerkmal im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB a.F. zuletzt "weitgehend nur noch terminologisch" (NJW 1991, 1223).

Nach Ansicht des Senats kann die Frage, wie viele Vorbesitzer/Vorhalter ein gebrauchtes Kraftfahrzeug hat, Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB sein. Er hat keine durchgreifenden Bedenken, die Definition des Beschaffenheitskriteriums an die bisherige Definition des Eigenschaftsbegriffs (§ 459 Abs. 2 BGB a.F.) anzulehnen. Ob sie noch darüber hinausgeht, wie mitunter befürwortet, kann hier dahingestellt bleiben. Die Anzahl der Vorbesitzer/Vorhalter ist zwar keine Eigenschaft, die einem gebrauchten Kraftfahrzeug unmittelbar physisch anhaftet. Der Umstand liegt jedoch nicht so weit außerhalb der Sache, dass es an dem spezifischen Sachbezug fehlt. Die Anzahl der Vorbesitzer ist ein wertbildender Faktor. Sie kann Aufschluss geben über die Art und Intensität der früheren Nutzung.

Ein Fahrzeug mit einer höheren Anzahl von Vorbesitzern/Vorhaltern als vertraglich zugesagt ist nicht "vertragsgemäß" im Sinne der Terminologie der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie. Dabei wird in Art. 2 Abs. 2 auf die "Eigenschaften" sowie auf die "Beschaffenheit" des Verbrauchsguts abgestellt.

Auch von der Haftungsfolge her gesehen wäre es nicht sachgerecht, eine Falschinformation über die Anzahl der Vorbesitzer/Vorhalter aus der Sachmängelhaftung auszuklammern und dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht zuzuordnen. Denn die entscheidenden Wertungskriterien, die der modernisierten Sachmängelhaftung zugrunde liegen, treffen zu, wenn der Verkäufer ein Fahrzeug als "1.-Hand-Fahrzeug" anbietet, es in Wirklichkeit aber bereits durch mehrere Hände gegangen ist.

Allerdings hat der Antragsgegner bestimmte Fahrzeugangaben dadurch unter einen Vorbehalt gestellt, dass er auf die Fahrzeugpapiere und auf den Vorbesitzer/Lieferanten als Quellen Bezug nimmt. In der Formularrubrik "Fahrzeugangaben lt. Fahrzeugpapiere" ist eine Information über die Anzahl der Vorbesitzer indes nicht enthalten. In der daneben befindlichen Rubrik "Fahrzeugangaben lt. Vorbesitzer oder Lieferant" wird die streitige Vorbesitzerfrage gleichfalls nicht thematisiert. Unter diesen Umständen kann sich der Antragsgegner nicht auf einen Vorbehalt zurückziehen. Auf dem Verkaufsschild ist "1. Hand" ohne jegliche Einschränkung notiert. Außerdem soll der Antragsgegner bei Vorlage des (neuen) Fahrzeugbriefs darauf hingewiesen haben, dass nur ein Vorbesitzer vorhanden sei. Nach der Darstellung des Antragstellers erfolgte auch dieser Hinweis ohne relativierenden Zusatz. Ein solcher Zusatz wie "laut Fahrzeugbrief" verstand sich nicht von selbst, zumal es nicht der Ursprungsbrief war, der dem Antragsteller vorgelegt wurde.

Da der Antragsteller für eine ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB somit hinreichend vorgetragen hat, kam es im Prozesskostenhilfeverfahren nur noch darauf an, ob der Antragsteller eine Verletzung der Verpflichtung des Antragsgegners zur mängelfreien Lieferung unter erfolgversprechenden Beweis gestellt hat. Das ist der Fall. Mit dem Verkaufsschild hat der Antragsteller eine Urkunde vorgelegt, durch die die Information "1. Hand" als Verkäufererklärung hinreichend belegt ist. Abgesehen davon hat er Parteivernehmung des Beklagten zum Beweis dafür angeboten, dass dieser ihm bei Vorlage des Briefes ausdrücklich erklärt habe, es sei nur ein Vorbesitzer vorhanden. Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde ist damit widerlegt.

dd)
Da es in der Vorbesitzerfrage um einen Sachmangel geht, der bereits bei Vertragsschluss vorhanden war und seiner Natur nach unbehebbar ist, kann der Antragsteller ohne vorherige Fristsetzung sogleich von dem Kaufvertrag zurücktreten (§§ 437 Nr. 2, 326 Abs. 5 BGB). Der Antragsteller hat sein Rücktrittsrecht (für den Fall unwirksamer Täuschungsanfechtung) ausgeübt. Damit steht ihm der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zu. Die gezogenen Nutzungen lässt er sich anrechnen.

Was die Kosten für den Austausch der vorderen Stoßdämpfer und der vier Federbeine angeht, so macht der Antragsteller sie nicht nach den Regeln des Rücktrittsrechts, sondern unter dem Blickwinkel des Aufwendungsersatzes nach den §§ 437 Nr. 3, 284 BGB geltend. In Betracht kommt jedoch auch ein Verwendungsersatzanspruch gemäß §§ 437 Nr. 2, 326 Abs. 5, 347 Abs. 2 S. 1 BGB. Wer im Rückabwicklungsschuldverhältnis einen Gegenstand zurückgibt, hat Anspruch auf Ersatz notwendiger Verwendungen. Andere Aufwendungen sind zu ersetzen, soweit der Gläubiger durch diese bereichert wird (vgl. § 347 Abs. 2 Satz 2 BGB).

In tatsächlicher Hinsicht geht der Senat nach dem Vorbringen des Antragstellers davon aus, dass auf eine Beanstandung des Antragstellers hin im Betrieb des Antragsgegners die vorderen Stoßdämpfer und vier Federbeine ausgetauscht worden sind, wofür der Antragsgegner 215 Euro verlangt hat. Um die richtige Anspruchsgrundlage bestimmen zu können, bedarf es näherer Angaben über den Hintergrund dieser Tauschaktion, insbesondere Detailinformationen zu den technischen Gegebenheiten. Soweit vorhanden, mag der Antragsteller die Rechnung über diese Tauschaktion vorlegen.

Im Rahmen des vorliegenden Prozesskostenhilfeverfahrens genügt die Feststellung, dass das Verlangen des Antragstellers nach Erstattung der 215 Euro aus-sichtsreich ist.

Gleiches gilt für die Kosten der Anmeldung des Fahrzeugs und für die Kosten der Nummernschilder (insgesamt 166 Euro). Neben dem Verwendungsersatz nach § 347 Abs. 2 BGB kommt auch hier ein Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen gemäß § 284 BGB in Frage. Auch insoweit besteht Erfolgsaussicht, denn die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung und damit eines Aufwendungsersatzanspruchs sind schlüssig dargetan (§§ 437 Nr. 3, 311 a Abs. 2 S. 1 BGB). In Betracht kommt auch der Bruch einer "Beschaffenheitsgarantie".

b) Sonstige Mängelrügen
Der Vorwurf des Antragstellers, er sei über die wahre Anzahl der Vorbesitzer getäuscht worden, ist nicht die einzige Beanstandung. Außerdem rügt er, das Fahrzeug sei entgegen der Zusage des Antragsgegners nicht "scheckheftgepflegt" gewesen. Konkretisierend trägt er dazu vor, die vierte Jahresinspektion sei nicht durchgeführt worden. Daraus ist zu folgern, dass alle übrigen Inspektionen ordnungsgemäß stattgefunden haben.

Obwohl die Angabe "scheckheftgepflegt" lediglich auf dem Verkaufsschild, nicht aber im schriftlichen Kaufvertrag steht, dürfte sie Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung zwischen den Parteien sein. Klauseln, die eine Einbeziehung in den Vertrag hindern könnten, kann der Senat dem Bestellschein nicht entnehmen. Sie wären auch unbeachtlich (§ 475 Abs. 1 BGB). Fraglich ist allerdings, ob der Antragsteller eine lückenlose Kette sämtlicher Inspektionen erwarten durfte. Das ist eine Frage der Auslegung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner als gewerblicher Autohändler keine gesicherten Erkenntnisse über die "Scheckheftpflege" haben kann. Zurückgreifen kann er lediglich auf die Information seines Lieferanten und, soweit vorhanden, auf das sogenannte Scheckheft, das sich üblicherweise entweder im Fahrzeug befindet oder vom Verkäufer separat übergeben wird.

Der Antragsgegner war im Besitz eines solchen Scheckheftes (Inspektionsheftes). Er hat es an den Antragsteller weitergereicht. Dieser soll es im Rahmen der Vertragsverhandlungen eingesehen und sogar "überprüft" haben. Wie der Antragsgegner behauptet, seien in diesem Scheckheft sämtliche Inspektionen eingetragen. Demgegenüber behauptet der Antragsteller unter Beweisantritt, das Schecheft erst nach Abschluss des Kaufvertrages und nach Übergabe des Fahrzeugs entdeckt zu haben. Erst jetzt habe er bemerkt, dass die vierte Jahresinspektion nicht durchgeführt worden sei.

Die Angabe "scheckheftgepflegt" ist vom Horizont des Antragstellers her auszulegen. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass der Antragsteller von einem 1. Hand-Fahrzeug ausgehen durfte. Das ist für die Auslegung der Erklärung "scheckheftgepflegt" deshalb bedeutsam, weil diese Aussage bei nur einem einzigen Vorbesitzer eher auf eine vollständige und rechtzeitige Durchführung der Inspektionen schließen lässt, als es bei einer Vielzahl von Vorbesitzern der Fall ist. Aber selbst wenn der Antragsteller in der Annahme schutzwürdig ist, es handele sich um ein 1. Hand-Fahrzeug, bleibt doch angesichts des Alters des Fahrzeugs (Erstzulassung 1. April 1997) zweifelhaft, ob er eine lückenlose Kette sämtlicher Inspektionstermine hat erwarten können. Diese Auslegungsfrage braucht der Senat nicht zu entscheiden, weil die erforderliche Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage unter einem anderen rechtlichen Blickwinkel zu bejahen ist (siehe oben). Aus diesem Grund braucht auch den übrigen Mängelrügen an dieser Stelle nicht nachgegangen zu werden.

4.
Da das Landgericht die Hilfsbedürftigkeit des Antragstellers nicht geprüft hat, sondern sich lediglich mit der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung auseinandergesetzt hat, ist auch der Senat nur mit dieser Frage befasst und hat sich zur Hilfsbedürftigkeit nicht zu äußern. Demgemäß war die Sache zur erneuten Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch an das Landgericht zurückzuverweisen.

Eine Kostenentscheidung hat zu unterbleiben. Denn Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 124 Abs. 4 ZPO).

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