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05.08.2011 · IWW-Abrufnummer 112675

Sozialgericht Marburg: Beschluss vom 03.05.2011 – S 12 KA 305/11 ER

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


S 12 KA 305/11 ER
Tenor:
1.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, unter Abänderung des Beschlusses des Zulassungsausschusses für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom 19.04.2011 festzustellen, dass die Berufsausübungsgemeinschaft des Antragstellers und des Beigeladenen zu 9) für den Vertragsarztsitz AAH., zum 04.05.2011 endet.
2.
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 27.04.2011 abgewiesen.
3.
Der Antragsgegner und der Beigeladene zu 9) haben jeweils zur Hälfte die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
4.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens um den Zeitpunkt der Beendigung der zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen zu 9) bestehenden Gemeinschaftspraxis.

Der Antragsteller und der Beigeladene zu 9) sind als Internisten mit der Schwerpunkt- bzw. Teilgebietsbezeichnung Kardiologie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in AAH. zugelassen. Sie betreiben seit Mitte des Jahres 2006 eine Berufsausübungsgemeinschaft.

Mit Telefax vom 14.03.2011 beantragte der Antragsteller die Feststellung, dass die gemeinsame Berufsausübung zwischen ihm und dem Beigeladenen zu 9) mit Wirkung zum 31.03.2011 beendet sei, weil die gemeinsame Berufsausübung zu diesem Zeitpunkt ende. Die Feststellung solle in der Sitzung des Zulassungsausschusses am 22.03.2011 erfolgen.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen setzte einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 19.04.2011 fest, an der der Antragsteller und der Beigeladene zu 9) teilnahmen. Der Antragsteller führte zu seinem Antrag weiter aus, es sei im Quartal IV/10 zu erheblichen Spannungen im Rahmen der Zusammenarbeit, insbesondere was die Durchführung von Studien, den Ausbau von Kooperationen und die Personalführung betreffe, gekommen. Aus diesem Grund habe er mit Schreiben vom 14.01.2011 den bestehenden Gesellschaftsvertrag aus wichtigem Grund, versehen mit einer Auslauffrist zum 31.03.2011, gekündigt. Der Grund für die Auslauffrist sei gewesen, dass man in der Folgezeit vernünftig und angemessen die Kooperation beenden wollte. Die Situation sei jedoch eskaliert und er habe mit Schreiben vom 28.02.2011 eine fristlose Kündigung ausgesprochen. Seitdem spitze sich die Situation weiter zu, es müsse die Beendigung der Berufsausübungsgemeinschaft am 14.03.2011 ausgesprochen werden. Für die Beendigung komme es allein auf seine Erklärung an. Der Zulassungsausschuss habe keinen eigenen Beurteilungs- und/oder Ermessensspielraum. Er habe den Antrag rechtzeitig vor dem Sitzungstermin am 22.03.2011 gestellt und über eine Woche vor dem Sitzungstermin an den Zulassungsausschuss übermittelt. Zur Anhörung des Beigeladenen zu 9) hätte eine kurzfristige Ladung ohne weiteres ausgereicht. Auf eine Anhörung komme es jedoch nicht an, da eine einseitige Erklärung ausreichend sei. Im Gesetz gebe es keinerlei Grund, dass eine entsprechende statusbegründende Entscheidung nur zum Quartalsbeginn getroffen werden könne. Eine anderslautende Spruchpraxis wäre mithin rechtswidrig. Hilfsweise stelle er den Antrag, dass die gemeinsame Berufsausübung mit Wirkung zum 19.04.2011 beendet sei.

Der Beigeladene zu 9) trug vor, die bestehende Gemeinschaftspraxis stehe vor der Auflösung. Beide Partner hätten fristlos gekündigt. Seiner Ansicht nach sei aber die durch den Antragsteller ausgesprochene fristlose Kündigung unwirksam. Es bestehe Konsens, dass die Gemeinschaftspraxis aufgelöst werde. Der Antragsteller habe jedoch noch keine neuen Praxisräume gefunden, so dass er am bisherigen Standort verbleiben müsse. Er sehe keinen rechten Sinn in einer Zwischenlösung in Form einer Praxisgemeinschaft oder zweier getrennter Praxen in den derzeitigen Räumen. Eine solche Zwischenlösung wäre mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden, würde aber an den bestehenden Problemen nichts Wesentliches ändern. Die Gemeinschaftspraxis solle daher bis zur räumlichen Trennung fortgesetzt werden.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen stellte mit Beschluss vom 19.04.2011 fest, dass die Berufsausübungsgemeinschaft des Antragstellers und des Beigeladenen zu 9) für den Vertragsarztsitz AAH., zum 30.06.2011 ende. Zur Begründung führte er aus, im Hinblick auf die gemeinsame Berufsausübung sei auf den Willen der Beteiligten abzustellen, wobei für die Beendigung der gemeinsamen Berufsausübung eine einseitige, dem Zulassungsausschuss zugegangene Willenserklärung ausreiche. Ihm verbleibe dann nur die Feststellung des Endes der Berufsausübungsgemeinschaft. Nach vorliegender Erklärung des Antragstellers habe er das Ende der Berufsausübungsgemeinschaft feststellen müssen. Aufgrund des statusrelevanten Charakters der Entscheidung sei die Rückwirkung der Beendigung allerdings nicht möglich. Nachdem das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 19.08.1992 - 6 R KA 36/90 - ausgeführt habe, dass die Datierung des Endes der gemeinsamen Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit auf das Quartalsende nicht zu beanstanden sei, habe er das Ende zum 30.06.2011 festgestellt.

Hiergegen legte der Antragsteller am 19.04.2011 Widerspruch ein. Er trug vor, der Zulassungsausschuss habe ohne Rechtsgrundlage eine Berufsausübungsgemeinschaft verlängert, die nicht mehr bestehe. Dem Zulassungsausschuss komme kein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zu.

Am 27.04.2011 hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Unter Wiederholung seines Vorbringens im Verwaltungsverfahren trägt er ergänzend vor, zwischenzeitlich sei es zu gravierenden zivilrechtlichen Auseinandersetzungen gekommen. Ein kollegiales Schlichtungsverfahren bei der Landesärztekammer Hessen hinsichtlich der Modalitäten der Beendigung und Auseinandersetzung der Berufsausübungsgemeinschaft sei gescheitert, da der weitere Gesellschafter entgegen der Vereinbarung im ersten Schlichtungsgespräch die Praxismitarbeiterin Frau F. ohne seine Zustimmung und abredewidrig außerordentlich gekündigt und ein Hausverbot erteilt habe, so dass nunmehr hinsichtlich der zivilrechtlichen Streitigkeiten die Konstituierung des Schiedsgerichtes eingeleitet worden sei. Zusätzlich sei ein einstweiliges Verfügungsverfahren im Zusammenhang mit der Mitnutzung von Praxisgeräten des Antragstellers vor dem Landgericht X. anhängig, Az.: xxxxx. Die Abrechnungsmodalitäten seien inzwischen unklar, es bestehe auch die Gefahr einer Rufschädigung der Praxis aufgrund der Streitigkeiten der Gesellschafter. Es liege ein Anordnungsgrund vor, es müssten wieder klare Abrechnungs- und Vertragsverhältnisse hergestellt werden. Auch müsse Klarheit gegenüber den Patienten bestehen. Es sei seine wirtschaftliche Existenz bedroht, da Patienten drohten abzuwandern. Die Fortführung der Gemeinschaftspraxis sei auch faktisch nicht mehr möglich aufgrund des Streits und die Weiterbeschäftigung der Angestellten. Der Antragsteller hat eine Eidesstattliche Versicherung zur Gerichtsakte gereicht.

Der Antragsteller beantragt,

im Wege der einstweiligen Anordnung wegen besonderer Dringlichkeit den Antragsgegner zu verpflichten, die Beendigung der gemeinsamen Berufsausübung zwischen ihm und dem Beigeladenen zu 9) mit Wirkung zum 31.03.2011 festzustellen.

Die Kammer hat am 02.05.2011 Herrn Rechtsanwalt H. als Vorsitzenden des Antragsgegners für diesen telefonisch angehört. Dieser hat erklärt, für den Antragsgegner keinen Antrag stellen zu wollen.

Der Beigeladene zu 9) hat bereits zuvor am 19.04.2011 eine Schutzschrift, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 12 KA 272/11 geführt wurde, eingereicht. Darin trägt er vor, der Antragsteller und er seien räumlich nicht getrennt, sondern arbeiteten nach wie vor in den bisherigen gemeinsamen Praxisräumen. Schon deshalb sei eine Notwendigkeit für eine sofortige Abrechnungstrennung nicht erkennbar. Es bestehe keine Veranlassung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Für den Fall, dass der Antragsteller eine einstweilige Anordnung einreiche mit dem Ziel, einen früheren Zeitpunkt zur Beendigung der Gemeinschaftspraxis zu erreichen, stelle er den Antrag,

den Antrag zurückzuweisen,

hilfsweise,

nicht ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

Er hat ferner vorgetragen, ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sei nicht zu erkennen. Ergehe die einstweilige Anordnung, entstehe ein erheblicher Aufwand, wenn die strittige Entscheidung dann bestätigt werden würde.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 27.04.2011 die Beiladung ausgesprochen.

Die übrigen Beigeladenen haben sich zum Verfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.

Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag einen Erlass einer einstweiligen Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S. 1 u. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Es müssen ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden (§ 920 Zivilprozessordnung i.V.m. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG).

Nach Aktenlage besteht ein Anordnungsanspruch.

Der Beschluss des Zulassungsausschusses vom 19.04.2011 ist offensichtlich rechtswidrig, soweit er das Ende der Berufsausübungsgemeinschaft erst auf den 30.06.2011 datiert hat.

Die gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit ist nur zulässig unter Vertragsärzten. Sie bedarf der vorherigen Genehmigung durch den Zulassungsausschuss (§ 33 Abs. 2 S. 1 und 2 Ärzte-ZV). Die Ärzte-Zulassungsverordnung regelt insoweit nicht die Voraussetzungen des Bestehens und Nichtbestehens einer Gemeinschaftspraxis. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat jedoch klargestellt, dass für das Bestehen einer Gemeinschaftspraxis drei Anforderungen erfüllt sein müssen: Es muss überhaupt eine gemeinsame Ausübung ärztlicher Tätigkeit vorliegen; die zusammenarbeitenden Ärzte müssen Vertragsärzte sein; die gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit muss vom Zulassungsausschuss genehmigt worden sein Nur solange alle drei Voraussetzungen weiterhin vorliegen, besteht die Gemeinschaftspraxis fort. Mit dem Wegfall auch nur einer der Voraussetzungen wird der bisher praktizierten besonderen Ausübungsform vertragsärztlicher Tätigkeit die Grundlage entzogen und finden die mit ihr verbundenen Berechtigungen (insbesondere die Möglichkeit der Patientenbehandlung und Leistungsabrechnung unter einheitlichem Namen sowie die Einschränkung des Gebots der persönlichen Leistungserbringung) ihr Ende (vgl. BSG, Urt. v. 19.08.1992 6 RKA 36/90 - SozR 3-2200 § 368c Nr. 1 = NJW 1993, 1547 = NZS 1993, 274 = USK 92204, zitiert nach [...] Rdnr. 22).

Die gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit setzt insofern eine tatsächliche gemeinsame Tätigkeit bzw. den Willen hierzu voraus. Fehlt auch nur der Wille eines der an der Gemeinschaftspraxis beteiligten Vertragsärzte, so kann die vertragsärztliche Gemeinschaftspraxis in dieser Form nicht genehmigt bzw. fortgeführt werden. Hieraus folgt, dass eine einfache Erklärung eines oder mehrerer Mitglieder der Gemeinschaftspraxis gegenüber den Zulassungsgremien ausreichend ist, die Gemeinschaftspraxis in dieser Form nicht mehr fortführen zu wollen. Dies ist unabhängig von vertraglichen Grundlagen bzw. vertraglichen Verpflichtungen, die gegebenenfalls Schadensersatzansprüche auslösen. Nach Auffassung der Kammer kommt den Zulassungsgremien in diesen Fällen nur eine notarielle Funktion zu, diesen ihr gegenüber kundgetanenen Willen einzelner Mitglieder einer Praxisgemeinschaft Rechnung zu tragen, wobei dahingestellt bleiben kann, inwieweit Nachprüfungsbefugnisse der Zulassungsgremien bestehen, ob die tatsächliche Tätigkeit mit der erklärten Absicht auch übereinstimmt. Letzteres ist hier zwischen den Beteiligten nicht streitig und auch nicht ersichtlich.

Der Beigeladenen zu 9) hat unmissverständlich erklärt, dass die Gemeinschaftspraxis beendet ist. Bereits im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten 18.04.2011 geht auch er vom Konsens der Auflösung aus, ohne insoweit einen genauen Zeitpunkt anzugeben. Damit hat er das Zerwürfnis mit dem Antragsteller bestätigt. Soweit er auf das Fortdauern der Gemeinschaftspraxis besteht, führt er letztlich nur pragmatische Überlegungen an, die möglicherweise auf einer entsprechenden Einschätzung der zivilrechtlichen Vereinbarungen beruhen. Entscheidend ist aber, dass der Beigeladene zu 9) damit nicht widersprochen hat, dass wenigstens seitens des Antragstellers von einem Ende der Gemeinschaftspraxis auszugehen ist.

Insoweit verbleibt dem Zulassungsausschuss nur noch die Feststellung, dass die Praxisgemeinschaft in der alten Form beendet wurde. Insofern haben die Zulassungsgremien, wie das Bundessozialgericht weiter ausführt, das Ende der Gemeinschaftspraxis formell festzustellen (vgl. a.a.O., Rdnr. 23; siehe auch LSG Bayern, Urt. v. 24.11.2000 - L 12 KA 45/98 -, [...], Urteilsausdruck Seite 7; SG Marburg, Beschl. v. 14.07.2005 - S 12 KA 74/05 ER - [...]).

Auf dieser Grundlage hat der Zulassungsausschuss auch zutreffend das Ende der Gemeinschaftspraxis festgestellt. Der Beschluss ist aber insoweit rechtswidrig, als er das Ende erst zum 30.06.2011 festgestellt hat.

Maßgeblich für den Beendigungszeitpunkt ist die Erklärung der Mitglieder der Gemeinschaftspraxis, wobei, wie die Kammer bereits ausgeführt hat, allein auf den Willen desjenigen Mitglieds abzustellen ist, der die Feststellung des Endes der Gemeinschaftspraxis herbeiführen will. Auf die zivilrechtliche Vertragslage zwischen den Mitgliedern der Gemeinschaftspraxis als einer BGB-Gesellschaft kommt es nicht an. Insofern ist es nicht Aufgabe der Zulassungsgremien oder Sozialgerichte, auf die Vertragslage abzustellen bzw. die Vertragslage zu klären. Maßgeblich für die öffentlich-rechtliche Anerkennung einer Gemeinschaftspraxis ist der gemeinsame Wille der Vertragspartner, der insofern auch einer vertraglichen Absicherung bedarf. Für den Fall der Beendigung der Gemeinschaftspraxis kann es insoweit aber allein auf den fehlenden weiterbestehenden gemeinsamen Willen ankommen, so dass eine Gemeinschaftspraxis hinsichtlich ihrer vertragsarztrechtlichen Bindungen jederzeit von einem der Mitglieder beendet werden kann. In diesem Sinne ist die "notarielle" Funktion der Zulassungsgremien zu verstehen. Fehlt es nur bei einem der Mitglieder einer Gemeinschaftspraxis an dem Willen zur Fortführung einer Gemeinschaftspraxis, so kann er zulassungsrechtlich eine andere Ausübungsform wählen. Hiervon zu unterscheiden sind die vertraglichen Vereinbarungen. Gerade dadurch wird die Vertragsfreiheit der beteiligten Ärzte gewährleistet. Diese haben sich untereinander auseinanderzusetzen, ggf. mit Hilfe der Zivilgerichte (so bereits SG Marburg, a.a.O.).

Die "notarielle" Funktion der Zulassungsgremien beschränkt sich aber auf den Prüfumfang. Sie haben lediglich festzustellen, ob bei einem der Beteiligten einer Gemeinschaftspraxis der Wille weggefallen ist, weiterhin in dieser Rechtsform tätig zu sein. Ihnen ist es aber verwehrt, diese Feststellung rückwirkend zu treffen. Insofern kommt der Spruchtätigkeit der Zulassungsgremien auch hinsichtlich der Beendigung einer Gemeinschaftspraxis eine konstitutive Funktion zu. Dies beruht auf dem zulassungsrechtlichen Grundsatz, dass statusbegründende oder statusähnliche Verwaltungsakte nicht rückwirkend ausgesprochen werden können (vgl. zuletzt Bundessozialgericht, Urt. v. 11.03.2009 - B 6 KA 15/08 R - SozR4-2500 § 96 Nr. 1 = GesR 2009, 534 = ZMGR 2009, 303 = KHR 2009, 172 = USK 2009-38 = Breith 2010, 21 = MedR 2010, 128, [...] Rdnr. 15 ff. m.w.N.).

Im Hinblick auf die konstitutive Wirkung der zulassungsrechtlichen Spruchpraxis steht es aber nicht im Belieben der Zulassungsgremien, wann sie einen entsprechenden Antrag bescheiden. Die Fristen für die Erhebung einer Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) können hierfür nicht Maßstab sein. Zu beachten ist insofern die grundrechtliche Gewährleistung des Art. 12 Abs. 1 GG. Die Zulassungsgremien haben daher einen entsprechenden Antrag zeitnah umzusetzen. Nach Aktenlage ist hier nicht ersichtlich, weshalb dem Wunsch des Antragstellers, bereits in der Sitzung am 22.03.2011 über den Antrag zu entscheiden, nicht nachgekommen wurde. Insofern entspricht es auch der Verwaltungspraxis des Zulassungsausschusses, grundsätzlich kurzfristig zu terminieren. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die spätere Terminierung wegen Anhörung des Beigeladenen zu 9) erfolgt ist und erfolgen durfte. Darauf kommt es nicht an, da der Zulassungsausschuss dann am 19.04.2011 entschieden hat. Für ein weiteres Hinausschieben des Zulassungsendes bestand jedoch keine Rechtsgrundlage.

Der Gesetzgeber selbst hat im SGB V keine Fristen für das Ende von Gemeinschaftspraxen festgesetzt. Auch in der Ärzte-ZV werden solche Fristen nicht vorgesehen. Lediglich für den Verzicht ordnet § 28 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV an, dass der Verzicht auf die Zulassung erst mit dem Ende des auf den Zugang der Verzichtserklärung des Vertragsarztes beim Zulassungsausschuss folgenden Kalendervierteljahres wirksam wird. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass der Vertragsarzt insgesamt aus der vertragsärztlichen Versorgung bei einem Verzicht ausscheidet und unter Sicherstellungsaspekten hierfür eine Übergangsfrist vom Verordnungsgeber eingeräumt wird. Aber auch die Zulassungsverordnung sieht vor, dass diese Frist verkürzt werden kann, wenn der Vertragsarzt nachweist, dass für ihn die weitere Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit für die gesamte Dauer oder einen Teil der Frist unzumutbar ist (§ 28 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV). Nur dann, wenn die Zulassung aus anderen Gründen endet, so ist der Zeitpunkt ihres Endes durch Beschluss des Zulassungsausschusses festzustellen (§ 28 Abs. 1 Satz 3 Ärzte-ZV). Letzteres dient der Rechtsklarheit und räumt dem Zulassungsausschuss keinen Beurteilungsspielraum ein, da das Ende der Zulassung aus den in der Vorschrift genannten gesetzlichen Regelungen folgt.

Eine andere Rechtsauslegung ergibt sich für die Kammer auch nicht aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19.08.1992 (a.a.O., Rdnr. 30). Das Bundessozialgericht beanstandet in dieser Entscheidung hier nicht die Datierung des Endes der gemeinsamen Ausübung kassenärztlicher Tätigkeit auf das Quartalsende. Dies stelle auf den üblichen Rhythmus der Abrechnung in kassenärztlichen Praxen ab und fülle hierdurch die in zeitlicher Beziehung bestimmte Anweisung des § 28 Abs. 1 Satz 3 Ärzte-ZV unter einem sachlich angebrachten, weil auf einen spezifischen Vorteil der Gemeinschaftspraxis (gleich Gemeinsamkeit der Abrechnung) abstellenden Gesichtspunkt aus. Im zugrunde liegenden Fall hatte die Ehefrau des Klägers, die mit ihm in Gemeinschaftspraxis tätig war, Ende Januar mitgeteilt, sie wolle zum nächstmöglichen Termin die Gemeinschaftspraxis mit ihrem Ehemann auflösen. Insofern hatte sich die Antragstellerin in jenem Verfahren nicht auf einen bestimmten Termin festgelegt. Hieraus kann aber nach Auffassung der Kammer nicht der Schluss gezogen werden, dass ein Mitglied einer Gemeinschaftspraxis in jedem Fall sich daran festhalten lassen muss, dass eine solche erst zum Quartalsende beendet werden kann. Jedenfalls dann, wenn das Mitglied einer Gemeinschaftspraxis unmissverständlich darlegt, dass ihm nicht zuzumuten ist, bis zum Quartalsende abzuwarten, ist die Beendigung früher festzustellen. Im Hinblick darauf, dass es sich hierbei um eine Berufsausübungsregelung handelt, ist nach Auffassung der Kammer hierfür eine eindeutige rechtliche Ermächtigungsgrundlage notwendig. Ein dahingehender Rechtsgrundsatz ist weder der Ärzte-ZV zu entnehmen noch ist eine gewohnheitsrechtliche Übung zu erkennen. Der Kammer ist es vielmehr aus anderen Verfahren bekannt, dass Gemeinschaftspraxen auch innerhalb eines Quartals begründet und beendet werden. Hinzu kommt, dass es der Zulassungsausschuss hier verfahrensrechtlich in der Hand gehabt hat, auch unter Beachtung der Anhörung des Beigeladenen zu 9) die Beendigung bereits zum Ablauf des Quartals I/11 festzustellen.

Aber selbst wenn von einem solchen Quartalsprinzip auszugehen sein sollte, hätte es einer Ermessensentscheidung des Zulassungsausschusses hinsichtlich einer Abweichung hiervon bedurft. Auch bei Zulassungsverzicht kann die Frist verkürzt werden, wenn der Vertragsarzt nachweist, dass für ihn die weitere Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit für die gesamte Dauer oder einen Teil der Frist unzumutbar ist (§ 28 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV). Der Antragsteller hat aber dargelegt, dass zwischen ihm und dem Beigeladenen zu 9) ein tiefes Zerwürfnis vorliegt, so dass auch aus diesem Grund dem Zulassungsausschuss kein Ermessensspielraum mehrt verblieben wäre.

Von daher hat der Antragsteller einen Anspruch auf Beendigung der Gemeinschaftspraxis ab dem Zeitpunkt des Beschlusses der Kammer.

Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Im Hinblick auf die offensichtliche Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Zulassungsausschusses ist ihm nicht zuzumuten, diese rechtswidrige Entscheidung weiter hinzunehmen. Im Übrigen hat er dargelegt, dass die Gemeinschaftspraxis streitig aufgelöst wurde und das Verhältnis mit seinem früheren Partner insoweit sehr zerstritten ist, dass ihm ein weiteres Festhalten an der Gemeinschaftspraxis nicht zuzumuten ist.

Der Antrag war aber im Übrigen abzuweisen.

Eine darüber hinausgehende rückwirkende Feststellung kommt nicht in Betracht, da es sich um einen dem Status als Gemeinschaftspraxis betreffenden Verwaltungsakt handelt und eine Rückwirkung bei solchen Verwaltungsakten grundsätzlich ausgeschlossen ist (vgl. BSG, Urt. v. 11.03.2009, a.a.O.).

Nach allem war dem Antrag im tenorierten Umfang stattzugeben. Dem hilfsweise gestellten Antrag des Beigeladenen zu 9) in seiner Schutzschrift auf mündliche Verhandlung war nicht stattzugeben. Eine solche sieht das Sozialgerichtsgesetz im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kammer wertet das Unterliegen so gering, dass es bei der Kostenngrundentscheidung nicht zu berücksichtigen war.

Der Beigeladene zu 9) war an der Kostentragung zu beteiligen.

Die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt (§ 197a SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO). Von dieser Möglichkeit ist Gebrauch zu machen, wenn der Beigeladene erfolgreich Anträge gestellt hat, wenn er allein oder mit anderen Beteiligten gesiegt hat oder das Verfahren wesentlich gefördert hat (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2004, § 197a, Rdnr. 29). Zu berücksichtigen ist, ob der Beigeladene sich während des Verfahrens geäußert und auch Anträge gestellt hat (vgl. BSG, Urt. v. 14.11.2002 - B 13 RJ 19/01 R - SozR 3-5795 § 10d Nr. 1, zitiert nach [...] Rdnr. 44). Soweit der Beigeladene aber Anträge stellt und unterliegt, hat er ebf. Kosten zu tragen. Hieraus folgte die Kostenteilung zwischen Antragsgegner und Beigeladenen zu 9).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den gesetzlichen Vorgaben.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). Dieser Wert war hier wegen des einstweiligen Anordnungsverfahrens nicht zu quoteln, da die Entscheidung der Kammer bei statusbegründenden Angelegenheiten volle Wirksamkeit jedenfalls bis zu eine Beschwerde- oder Hauptsacheentscheidung erlangt.

RechtsgebietÄrzte-ZVVorschriften§ 33 Abs. 2 S. 1, 2 Ärzte-ZV

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