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11.05.2012

Landesarbeitsgericht: Beschluss vom 24.10.2011 – 7 TaBV 27/11


Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.06.2011, Az.: 4 BV 46/10, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten (im Beschwerdeverfahren nur noch) um die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zu der vom Arbeitgeber geplanten Versetzung eines Arbeitnehmers sowie um die Feststellung der Dringlichkeit der vorläufigen Durchführung der Maßnahme.

Die Beteiligte zu 1) ist ein Unternehmen der Automobilzuliefererindustrie. Sie unterhält zwei Betriebe, in B-Stadt einen Betrieb für Forschung und Entwicklung mit etwa 170 Arbeitnehmern sowie in A-Stadt einen Produktionsbetrieb mit ca. 270 Arbeitnehmern. In beiden Betrieben ist jeweils ein Betriebsrat gewählt worden; zudem besteht ein Gesamtbetriebsrat. Der Beteiligte zu 2) ist der Betriebsrat des Betriebes B-Stadt .

Nachdem der für das Betriebsgrundstück der Beklagten in B-Stadt abgeschlossene Mietvertrag zum 31.12.2010 endete, beschloss die Unternehmensleitung der Beteiligten zu 1) bereits zuvor, den Betrieb bis zum 31.12.2010 an den Standort A-Stadt zu verlegen. Der Betrieb sollte als eigenständiger zweiter Betrieb in A-Stadt neben dem dort bereits bestehenden Produktionsbetrieb auf dem firmeneigenen Gelände angesiedelt und im Übrigen unverändert fortgeführt werden.

Nachdem der Mitarbeiter L. den einvernehmlichen Wechsel nach A-Stadt abgelehnt hatte, wies die Beteiligte zu 1) ihm schriftlich den Arbeitsplatz A-Stadt mit Wirkung vom 13.12.2010 zeitlich befristet zu. Daraufhin unterrichtete die Beteiligte zu 1) die Beteiligte zu 2) mit Schreiben vom 06.12.2010 zu, der insoweit beabsichtigten Versetzung und informierte darüber, dass die vorläufige Durchführung der Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei. Dem widersprach der Beteiligte zu 2) mit Schreiben vom 09.12.2010; er bestritt das Vorliegen sachlicher Gründe für eine dringende Erforderlichkeit der vorläufigen Maßnahme.

Mit Schriftsatz vom 13.12.2010 hat die Beteiligte zu 1) sodann beantragt, die Zustimmung des Betriebsrates zu ersetzen und die Feststellung, dass die vorläufige Versetzung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist.

Durch Urteil vom 15.06.2011 - 4 Ca 2258/10 - ist das Arbeitsgericht Koblenz zu dem Ergebnis gelangt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen Herrn L. und der Beteiligten zu 1) aufgrund außerordentlicher Änderungskündigung vom 28.01.2011 unter Einhaltung einer Auslauffrist am 30.09.2011 sein Ende gefunden hat. Die dagegen erhobene Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz durch Urteil vom 26.09.2011 (5 Sa 442/11) zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

Die Beteiligte zu 1) hat vorgetragen,

die Beteiligung des Betriebsrates sei ordnungsgemäß erfolgt; die vorläufige Durchführung der Maßnahme sei auch aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen.

Zur weiteren Darstellung des streitigen Vorbringens der Beteiligten zu 1) im erstinstanzlichen Rechtszug wird auf Seite 5, 6 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 110, 111 d. A.) Bezug genommen.

Die Beteiligte zu 1) hat, soweit für das Beschwerdeverfahren von Belang, beantragt:

Die Zustimmung des Beteiligten zu 2. zur Versetzung der Arbeitnehmer der Beteiligten zu 1.

... 41. L. ...

von ihrem bisherigen Arbeitsplatz am Standort B-Stadt an den Standort A-Stadt wird jeweils ersetzt.

Es wird festgestellt, dass die am 13.12.2010 durchgeführte vorläufige Versetzung der Arbeitnehmer der Beteiligten zu 1.

... 41. L. ...

von ihrem bisherigen Arbeitsplatz am Standort B-Stadt an den Standort A-Stadt jeweils aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

Der Beteiligte zu 2) hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 2) hat vorgetragen,

er sei nicht im erforderlichen Umfang unterrichtet worden, weil der in Aussicht genommene Arbeitsplatz nicht für jeden einzelnen Mitarbeiter mitgeteilt worden sei.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat daraufhin durch Beschluss vom 15.06.2011 - 4 BV 46/10 - die Anträge zurückgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts der Entscheidungsgründe wird auf Blatt 107 bis 122 der Akte Bezug genommen.

Gegen den ihr am 28.06.2011 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 1) durch am 20.07.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Sie hat die Beschwerde durch am 25.07.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beteiligte zu 1) wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die Voraussetzungen für eine Versetzung des Herrn L. an den Standort A-Stadt seien gegeben; die vorläufige Versetzung an den Standort A-Stadt sei zudem aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen.

Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beschwerdeführerin wird auf den Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 25.07.2011 (Bl. 191 - 208 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 209 - 251 d. A.) sowie auf den Schriftsatz vom 14.09.2011 (Bl. 311 - 317 d. A.) Bezug genommen.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

Die Zustimmung des Beteiligten zu 2. zur Versetzung des Arbeitnehmers der Beteiligten zu 1. L. auf seinem bisherigen Arbeitsplatz von dem Standort B-Stadt an den Standort A-Stadt wird ersetzt.

Es wird festgestellt, dass die am 13.12.2010 durchgeführte vorläufige Versetzung des Arbeitnehmers der Beteiligten zu 1. L. auf seinem bisherigen Arbeitsplatz von dem Standort B-Stadt an dem Standort A-Stadt aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Beschwerdegegner verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, der Arbeitnehmer L. werde aufgrund der Kündigung der Beklagten nicht über den 31.03.2011 hinaus weiterbeschäftigt; folglich sei die Beschwerde, bezogen auf ihn, unzulässig. Des Weiteren folge die Unzulässigkeit der Beschwerde auch daraus, dass die Versetzung ausweislich des Anhörungsschreibens an den Beschwerdegegner sowie ausweislich der individualarbeitsrechtlichen Versetzungsanordnung vom 09.12.2010 lediglich als befristete Versetzung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist der Kündigung vom 28.09.2010 zum 31.03.2011 Wirksamkeit entfaltet habe. Im Übrigen seien die gesetzlichen Voraussetzungen für die Rechtswirksamkeit einer Versetzung ebenso wenig gegeben wie die für eine vorläufige Durchführung.

Zur weiteren Darstellung der Auffassung des Beschwerdegegners wird auf den Beschwerdeerwiderungsschriftsatz vom 29.08.2011 (Bl. 288 - 292 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 293 - 310 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten, die Gegenstand der mündlichen Anhörung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 24.10.2011.

II. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist gemäß § 87 Abs. 2, § 84 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Beschwerde ist auch gemäß §§ 87 Abs. 2, 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Denn die Anträge der Beteiligten zu 1) und Beschwerdeführerin nach Maßgabe der §§ 99 ff., 95 Abs. 3 BetrVG erweisen sich jedenfalls zum Zeitpunkt der mündlichen Anhörung vor der Kammer des Landesarbeitsgerichts als unzulässig.

Streitgegenstand eines Zustimmungsersetzungsverfahrens gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG bzw. 100 Abs. 2 BetrVG zu einer Einstellung oder einer Versetzung ist die Frage, ob die beabsichtigte personelle Maßnahme angesichts der Zustimmungsverweigerungsgründe des Betriebsrates gegenwärtig und in Zukunft zulässig ist. Verfahrensgegenstand ist dagegen nicht, ob die Maßnahme im Zeitpunkt der Antragstellung zulässig war. Maßgeblich ist vielmehr die Beurteilung der Rechtslage im Zeitpunkt des letzten Anhörungstermins. Dementsprechend besteht ein Rechtsschutzinteresse für einen Zustimmungsersetzungsantrag nur so lange, wie der Arbeitgeber die Durchführung der personellen Maßnahme weiter beabsichtigt. Verfolgt der Arbeitgeber dagegen eine personelle Maßnahme wegen des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Betrieb nicht mehr, führt dies zur Erledigung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG. Ein kollektivrechtliches Rechtsschutzbedürfnis der Beteiligten zu 1 im Rahmen des § 99 Abs. 4 bzw. § 100 Abs. 2 BetrVG lässt sich auch nicht aus dem Interesse einzelner Arbeitnehmer am Ausgang des Zustimmungsersetzungsverfahren im Hinblick auf mögliche Annahmeverzugslohnansprüche ableiten. Noch weniger kommt es auf ein "Rechtsschutzinteresse" (bzw. "Rechtsgutachteninteresse") des Betriebsrates als Antragsgegner an.

Da das Landesarbeitsgericht in der dargestellten Entscheidung im Berufungsverfahren, bezogen auf den Arbeitnehmer L., davon ausgegangen ist, dass das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich sein Ende gefunden hat, ist nicht erkennbar, welche Veranlassung die Beteiligte zu 1 gehabt hätte haben können, an ihrer personellen Maßnahme trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses festzuhalten. Hinzu kommt, dass der Mitarbeiter L. bereits zuvor nicht über den 31.03.2011 hinaus weiterbeschäftigt worden war. Des Weiteren war die Maßnahme ausweislich des an den Beteiligten zu 2 gerichteten Anhörungsschreibens sowie ausweislich der Individualarbeitsrechtlichen Versetzungsanordnung vom 09.12.2010 lediglich als befristete Versetzung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist der Kündigung vom 28.09.2010 zum 31.03.2011 angeordnet worden. Insoweit hätte es konkreter Anhaltspunkte dafür bedurft, dass die Beteiligte zu 1 über den 31.03.2011 hinaus an der streitgegenständlichen personellen Maßnahme festgehalten hätte. Daran fehlt es vollständig. Auch spricht viel dafür, dass sich die streitgegenständliche Maßnahme aufgrund des eindeutigen Wortlautes des an den Mitarbeiter L. gerichteten Schreibens ohnehin durch Zeitablauf erledigt hatte. Anhaltspunkte dafür, dass für die Zeit danach eine weitere Versetzung erklärt worden wäre, bestehen nicht. Eine Entscheidung der Kammer zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung lief folglich auf die Erstellung eines - unzulässigen Rechtsgutachtens - für die Vergangenheit hinaus.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde war angesichts der gesetzlichen Kriterien der §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

VorschriftenBetrVG § 111, BetrVG § 40

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