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01.02.2012

Finanzgericht Köln: Urteil vom 17.10.2011 – 7 K 783/08

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Vorabgewinnausschüttung bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Vorabgewinnausschüttung dem beherrschenden Gesellschafter zufließt.


Im Namen des Volkes

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Senat in der Besetzung: Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 17.10.2011 für Recht erkannt:

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger eine Vorabgewinnausschüttung der A GmbH (im Folgenden A GmbH) für das Geschäftsjahr 2004 bereits im Streitjahr 2004 oder erst 2005 zugeflossen ist.

Im Streitjahr war der Kläger mit 80,98 % am Stammkapital der A GmbH beteiligt. Weitere Gesellschafter waren seine Kinder B (12,87 %) und C (6,15%). Die A GmbH war ihrerseits mit 97,50 % an der D GmbH (im Folgenden D GmbH) beteiligt. Die übrigen 2,5 % an der D GmbH wurden von B gehalten.

Die Gesellschafter der A GmbH beschlossen am 05.11.2004 eine Vorabausschüttung für das laufende Geschäftsjahr 2004 i.H.v. 4.140.000 EUR, die am 21.01.2005 zur Auszahlung fällig sein sollte. Der Beschluss über die Vorabausschüttung wurde in der Gesellschafterversammlung getroffen, in der auch der Jahresabschluss 2003 festgestellt wurde. Der Bilanzgewinn für 2003 i.H.v. 722.549,99 EUR wurde dabei auf neue Rechnung vorgetragen. Für 2003 war zuvor eine Vorabausschüttung i.H.v. 1.923.187,39 EUR an die Gesellschafter gewährt worden.

Die Vorabausschüttung wurde, wie in dem Beschluss vom 05.11.2004 bestimmt, am 21.01.2005 an die Gesellschafter ausgezahlt. Auf den Kläger entfiel entsprechend seiner Beteiligungsquote ein Teilbetrag i.H.v. 3.352.572 EUR. Der Auszahlungsbetrag belief sich nach Abzug der Kapitalertragsteuer i.H.v. 670.514 EUR und des Solidaritätszuschlags i.H.v. 36.878,29 EUR auf 2.645.179,08 EUR. Die A GmbH meldete die Kapitalertragsteuer ordnungsgemäß zum Februar 2005 an.

Die Gesellschafter der D GmbH hatten bereits am 27.09.2004 eine Vorabausschüttung für das laufende Geschäftsjahr 2004 i.H.v. 5 Mio. EUR beschlossen. Nach dem Ausschüttungsbeschluss war auch diese Ausschüttung am 21.01.2005 zur Auszahlung fällig. Die D GmbH wies in ihrer Bilanz zum 31.12.2003 einen Kassenbestand i.H.v. 21.355.534 EUR und zum 31.12.2004 einen Kassenbestand i.H.v. 30.867.577 EUR aus. Der Gewinnvortrag zum 31.12.2003 betrug 16.766.381 EUR und der Gewinnvortrag zum 31.12.2004 lag bei 20.247.385,85 EUR. Das Eigenkapital der D GmbH betrug zum 31.12.2003 28.023.500 EUR und zum 31.12.2004 33.208.106 EUR. Wegen der weiteren Einzelheiten in Bezug auf die Vermögenssituation bei der D GmbH im Jahr 2004 wird auf die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung zum 31.12.2004 (Bl. 72, 73 der FG-Akte) verwiesen. Zwischen den Beteiligten ist im Hinblick auf diese Finanzdaten unstreitig, dass die D GmbH zu jeder Zeit in der Lage gewesen wäre, die beschlossene Vorabausschüttung an die A GmbH sofort auszubezahlen.

Die A GmbH wies in ihrer Bilanz zum 31.12.2004 einen Kassenbestand i.H.v. 299.401,89 EUR und zum 31.12.2003 einen Kassenbestand i.H.v. 23.501,35 EUR aus. Im Übrigen enthielt die Bilanz der A GmbH zum 31.12.2004 als Finanzanlage Anteile an verbundenen Unternehmen i.H.v. 2.605.009,65 EUR, Forderungen gegenüber verbundenen Unternehmen i.H.v. 3.846.375 EUR (Anspruch auf Vorabausschüttung gegenüber der D GmbH nach Abzug der Kapitalertragsteuer inklusive Solidaritätszuschlag) und sonstige Vermögensgegenstände i.H.v. 1.408.849,13 EUR. Die sonstigen Vermögensgegenstände waren mit einem Wert von 704.048,64 EUR bewertet und die Finanzanlage, d.h. die Anteile an verbundenen Unternehmen, betrugen wie im Streitjahr 2004 2.605.009,65 EUR. Die Passivseite der Bilanz der A GmbH wies gezeichnetes Kapital i.H.v. 2 Mio. EUR, eine Kapitalrücklage i.H.v. 605.009,65 EUR (zum 31.12.2004 und zum 31.12.2003 jeweils identisch) und einen Bilanzgewinn i.H.v. 1.372.784,02 EUR zum 31.12.2004 und i.H.v. 722.549,99 EUR zum 31.12.2003 aus. Wegen der weiteren Einzelheiten der Vermögenssituation der A GmbH zum 31.12.2004 bzw. 31.12.2003 wird auf die Bilanzen und die Gewinn- und Verlustrechnungen verwiesen (Bl. 70, 71 der FG-Akte).

Die Gesellschaftsverträge der D GmbH und der A GmbH enthalten zur Fälligkeit von Ausschüttungen keine Regelungen. Wegen des Inhalts der Gesellschaftsverträge wird im Übrigen auf die Verträge verwiesen, die sich in den Gerichtsakten befinden (Bl. 74-98 der FG-Akte).

Mit Bescheid vom 31.07.2006 hatte der Beklagte die Einkommensteuer des Klägers für das Streitjahr 2004 festgesetzt. Die Vorabgewinnausschüttung für das Jahr 2004 war nicht erfasst, da der Kläger diese in seiner Steuererklärung für das Jahr 2005 angegeben hatte. Der Bescheid vom 31.07.2006 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 2001 bis 2004 (Prüfungsbericht vom 19.06.2007) kam der Betriebsprüfer unter anderem zu dem Ergebnis, dass die Vorabgewinnausschüttung für 2004 dem Kläger bereits im Jahr 2004 zugeflossen sei (Tz. 2.1 des Bp-Berichts). Er vertrat die Auffassung, dass der Anspruch des Klägers auf Auszahlung der Vorabausschüttung bereits mit dem Ausschüttungsbeschluss der Gesellschafterversammlung entstehe und sofort fällig werde. Bei einem beherrschenden Gesellschafter könne nur dann ein späterer Zuflusszeitpunkt angenommen werden, wenn die Satzung bindende Regelungen über eine spätere Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs enthalte, was im Streitfall unstreitig nicht gegeben sei (Hinweis auf BFH-Urteile vom 17.11.1998 VIII R 24/98, BStBl II 1999, 223; vom 30.4.1974 VIII R 123/73, BStBl II 1974, 541). Der beherrschende Gesellschafter einer zahlungsfähigen GmbH könne wirtschaftlich bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über seinen Gewinnanteil verfügen. Das Hinausschieben der Fälligkeit sei bereits als Verfügung über den Gewinnanteil zu beurteilen. Der sofortige Zufluss sei zwar auch davon abhängig, dass die Gesellschaft zahlungsfähig sei. Dabei sei aber zu beachten, dass die Möglichkeit einer Kreditaufnahme im Allgemeinen geeignet sei, den Mangel an Zahlungsmitteln zu beheben. Eine vorübergehende Illiquidität führe nicht dazu, dass die vorgenannten Grundsätze nicht anzuwenden seien.

Der Beklagte folgte der Betriebsprüfung und erließ am 24.10.2007 einen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2004, in dem er dem Kläger unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens in Bezug auf die Vorabausschüttung Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. 1.676.286 EUR hinzurechnete.

Der Einspruch des Klägers, mit dem er geltend machte, die Vorabgewinnausschüttung sei ihm erst bei Fälligkeit im Jahr 2005 zugeflossen, blieb erfolglos (TeilEinspruchsentscheidung vom 08.02.2008).

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger weiterhin geltend, dass der Beklagte die Vorabgewinnausschüttung zu Unrecht bereits im Jahr 2004 erfasst habe.

Entscheidend sei insoweit, dass die A GmbH wirtschaftlich nicht in der Lage gewesen sei, die Gewinnausschüttung i.H.v. 4.140.000 EUR am Tag der Beschlussfassung oder zu irgendeinem anderen Zeitpunkt im Jahr 2004 an ihre Gesellschafter auszuzahlen. Der Bilanz zum 31.12.2004 sei zu entnehmen, dass die liquiden Mittel zum Abschlusstag lediglich rd. 300.000 EUR betragen hätten. Es werde zwar nicht bestritten, dass die A GmbH nicht zahlungsunfähig gewesen sei. Diese Aussage beziehe sich allerdings allein auf die Fähigkeit, die fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen. Wäre die Ausschüttungsverbindlichkeit, wie vom Beklagten angenommen, bereits im Jahr 2004 fällig gewesen, hätte dies tatsächlich die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zur Folge gehabt, da diese weder über ausreichende Liquidität noch über Kreditlinien in entsprechender Höhe verfügt habe. Die notwendige Liquidität habe die Gesellschaft ihrerseits erst durch die Ausschüttung der D GmbH i.H.v. 3.846.275 EUR (nach Abzug von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag) erhalten, die ebenfalls am 21.01.2005 gezahlt worden sei.

Soweit der Beklagte darauf hinweise, dass die Gesellschaft zur Bedienung der Gewinnausschüttung die Möglichkeit einer Kreditaufnahme gehabt habe, sei dies ebenso spekulativ wie abseits der wirtschaftlichen Realität. Ob diese Möglichkeit tatsächlich bestanden habe, lasse sich aus heutiger Sicht nicht mehr beantworten. Dies habe jedoch in keinem Fall eine sinnvolle Option dargestellt, da der hiermit verbundene Verwaltungsaufwand, die Kosten und die Zinsen durch den geringfügigen Effekt, nämlich das Vorziehen der Ausschüttung um wenige Wochen, keinesfalls gerechtfertigt gewesen wäre.

Im Übrigen habe die vom Beklagten angeführte Rechtsprechung des BFH ihre sachliche Rechtfertigung verloren. Das Urteil vom 30.04.1974 betreffe ein Streitjahr, in dem das Körperschaftsteuerrecht in Deutschland ein gänzlich anderes gewesen sei, als zum Zeitpunkt des hier zu entscheidenden Falls. Das Urteil sei maßgeblich von der Befürchtung geleitet gewesen, der Gesellschafter könne durch das Hinausschieben des Zeitpunkts der Gewinnausschüttung missbräuchliche Steuervorteile bewirken. Zu dieser Befürchtung biete aber das geltende Körperschaftsteuerrecht keinerlei Veranlassung mehr. Ein steuerlicher Vorteil lasse sich durch das Hinausschieben der Gewinnausschüttung nicht erzielen. Es bestünden also gewichtige Gründe für die Annahme, dass der BFH eine derartige Rechtsprechung niemals begründet hätte, hätte das Körperschaftsteuerrecht immer schon in der heutigen Form bestanden. Hierauf habe auch der I. BFH-Senat in seinem Urteil vom 09.12.1987 (I R 260/83, BStBl II 1988, 460) hingewiesen. Auch das Finanzgericht Düsseldorf habe mit Urteil vom 10.02.1998 (12 K 4927/94, EFG 1998, 870) auf dieser Grundlage in erster Instanz einer Klage stattgegeben. Dass der VIII. BFH-Senat dieser Argumentation im Revisionsverfahren VIII R 24/98 (Urteil vom 17.11.1998, BStBl II 1999, 223) nicht gefolgt sei, sei im Schrifttum auf breite Kritik gestoßen (Hinweis unter anderem auf Wassermeyer in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 20 EStG, Rz. B 60; Trzaskalik in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 11 EStG, Rz. B 51; Harenberg in HHR, § 20 EStG, Anm. 72; Wolff-Diepenbrock in Lippmann/Bitz/Prust, § 11 EStG, Rz. 153, Paus FR 1999, 752). Die vom Beklagten angeführte BFH-Rechtsprechung bedeute außerdem eine ungerechtfertigte Benachteiligung des beherrschenden Gesellschafters gegenüber den nichtbeherrschenden und führe zu einem unzulässigen Durchgriff durch die GmbH.

Selbst wenn man unterstelle, dass der beherrschende Gesellschafter den Fälligkeitstermin von Dividenden beeinflussen könne, so gelte dies doch auch für den Zeitpunkt der Beschlussfassung und vor allem für den übrigen Inhalt des Gewinnverwendungsbeschlusses. Würde man konsequent darauf abstellen, welche wirtschaftlichen Verfügungsmöglichkeiten dem beherrschenden Gesellschafter zur Verfügung stünden, müsste man in vielen Fällen zu anderen Zahlungszeitpunkten und zu anderen Beträgen hinsichtlich der Gewinnausschüttung der GmbH kommen.

Wenn der BFH ausführe, dass das Hinausschieben der Fälligkeit unter diesen Umständen bereits als Verfügung über den Gewinnanteil zu beurteilen sei, so treffe dies auf den vorliegenden Fall nicht zu. Denn im Streitfall sei keineswegs die Fälligkeit nachträglich auf einen späteren Zeitpunkt verlegt worden. Vielmehr sei der Auszahlungszeitpunkt unmittelbar mit der Höhe der Ausschüttung verknüpft worden, so dass beide Tatbestände überhaupt nicht unabhängig voneinander betrachtet werden könnten. Von einem Hinausschieben könne daher keine Rede sein.

Im Übrigen betreffe die vom Beklagten angeführte höchstrichterliche Rechtsprechung ausschließlich den Zufluss offener Gewinnausschüttungen für abgelaufene Geschäftsjahre. Die offene Gewinnausschüttung sei gesetzlich in § 29 Abs. 1 und 2 GmbHG geregelt. Als Gläubigerrecht des einzelnen Gesellschafters entstehe der Gewinnanspruch frühestens mit dem Feststellungsbeschluss, werde aber regelmäßig erst mit dem Verwendungsbeschluss fällig. Eine spätere Leistungszeit könnten die Gesellschafter nur auf Grundlage einer entsprechenden statuarischen Ermächtigung mit Mehrheit oder durch einstimmigen Beschluss bestimmen. Der Gewinnanspruch des einzelnen Gesellschafters sei somit ein selbständiges, klagbares und abtretbares Gläubigerrecht. In Übereinstimmung mit dieser zivilrechtlichen Ausgangslage stelle die zitierte BFH-Rechtsprechung fest, dass der Anspruch des Gesellschafters auf Auszahlung des Gewinns mit dem Gewinnverwendungsbeschluss entstehe und sofort fällig werde. Für den beherrschenden Gesellschafter ergebe sich für den Fall der Bestimmung einer späteren Leistungszeit nach der Rechtsprechung des BFH die steuerliche Beurteilung, dass dieser durch das Hinausschieben der Fälligkeit über seinen Gewinnanteil verfügt habe.

Der hier zu beurteilende Sachverhalt betreffe hingegen eine Gewinnvorabausschüttung. Diese sei zivilrechtlich mit den Gewinnausschüttungen nicht vergleichbar. Die vom Beklagten angeführte Rechtsprechung sei daher für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Im Falle einer Gewinnvorabausschüttung müsse es daher bei dem Zuflussprinzip verbleiben. Ein wirksamer Gewinnvorabausschüttungsbeschluss setze voraus, dass die Gesellschaft zum Jahresende mindestens ein der Summe aller Vorschüsse entsprechendes Jahresergebnis erzielen werde und die Vorabausschüttung nicht das nach § 30 GmbHG geschützte Stammkapital verletze. Erforderlich sei eine Prognoseentscheidung der Gesellschafter über den zu erwarteten Gewinn, die den Beschränkungen der §§ 30, 31 GmbHG unterläge. Würde durch den Vollzug des Beschlusses das Stammkapital angegriffen oder eine bestehende Unterbilanz oder Überschuldung vertieft, dürfe eine Auszahlung nicht erfolgen und eine erfolgte Auszahlung müsse aufgrund der Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 31 GmbHG rückgängig gemacht werden. Ein Gewinnvorabausschüttungsbeschluss stehe damit unter der Bedingung, dass keine verbotswidrige Auszahlung vorliege. Aufgrund des Vorschusscharakters sei die Vorabausschüttung ferner dadurch auflösend bedingt, dass nach Ablauf des Wirtschaftsjahres tatsächlich ein entsprechend hoher ausschüttungsfähiger Gewinn vorhanden sei. Die Rechtsstellung des bedingt berechtigten Gesellschafters könne damit nicht mit dem Vollrecht des Gewinnanspruchs verglichen werden. Es handele sich dogmatisch bei dem Gewinnvorabausschüttungsrecht des Gesellschafters um ein Anwartschaftsrecht als ein Erwerbsrecht eigener Art.

Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Einordnung bleibe festzustellen, dass die A GmbH weder zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Vorauszahlung auf den Gewinnanspruch noch zum Bilanzstichtag 31.12.2004 über ausreichend finanzielle Mittel verfügt habe, um die Ansprüche auf Vorabgewinnausschüttung bedienen zu können. Zudem habe das Jahresergebnis der Gesellschaft noch nicht hinreichend festgestanden, weil es noch durch in der Zukunft liegende Ereignisse hätte beeinflusst werden können. Der Anspruch des Klägers sei daher latent mit einem Rückzahlungsanspruch belastet gewesen. Die erforderliche Liquidität zur Auszahlung habe die A GmbH erst durch die Ausschüttung der D GmbH am 21.01.2005 erhalten. Eine Ausschüttung an den Kläger habe nunmehr auch ohne die latente Gefahr der Rückerstattung vorgenommen werden können. Sofern somit die Vorabausschüttung zum 21.01.2005 habe erfolgen sollen, sei nach der maßgeblichen Interessenlage die Bestimmung der späteren Leistungszeit nicht als bloße Fälligkeitsregelung auszulegen, sondern vielmehr als Gegenstand eines Bedingungseintritts. Aus dieser zivilrechtlichen Ausgangslage lasse sich folgern, dass der Ansatz des BFH, wonach das Hinausschieben der Fälligkeit als Verfügung über einen Gewinnanteil zu beurteilen sei, keineswegs auf die Gewinnvorabausschüttung Anwendung finden könne.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 24.10.2007 unter Aufhebung der hierzu ergangenen Teil-Einspruchsentscheidung vom 08.02.2008 dahingehend abzuändern, dass die Vorabgewinnausschüttung der A GmbH nicht mehr in 2004 erfasst wird und dementsprechend die Einkünfte aus Kapitalvermögen um 1.676.286 EUR herabgesetzt werden,

im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 08.02.2008. Darüber hinaus macht er geltend, dass zwischen einem Vorabausschüttungsbeschluss und einer „normalen” Gewinnausschüttung rechtlich kein entscheidender Unterschied bestünde. Die zitierte BFH-Rechtsprechung sei daher auch auf den Streitfall anwendbar.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2004 vom 24.10.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Vorabgewinnausschüttung der A GmbH dem Kläger im Zeitpunkt der Beschlussfassung zugeflossen ist. Er hat diese Gewinnanteile (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zutreffend im Streitjahr 2004 steuerlich erfasst.

Vorabausschüttungen sind als Vorauszahlungen auf den zu erwartenden, aber noch nicht endgültig feststehenden Gewinn Gewinnausschüttungen (§ 29 GmbHG; vgl. BFH-Urteil vom 17.2.1993 I R 21/92, BFH/NV 1994, 83; und vom 27.01.1977 I R 39/75, BStBl II 1977, 491) und somit Gewinnanteile i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Als Einnahmen i. S. des § 8 Abs. 1 EStG sind sie nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind Einnahmen dem Steuerpflichtigen zugeflossen, sobald er darüber wirtschaftlich verfügen kann (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 22. 07. 1997 VIII R 57/95, BStBl II 1997, 755, 758; BFH-Beschluss vom 9. 06. 1997 GrS 1/94, BStBl II 1998, 307).

Hiervon ausgehend hat der BFH bei Beträgen, die eine zahlungsfähige GmbH ihrem beherrschenden Gesellschafter unbestritten schuldet, als Zeitpunkt des Zuflusses nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zwar grundsätzlich den Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung des Gesellschafters angesehen, weil der beherrschende Gesellschafter es aufgrund seiner Stellung in der Hand habe, sich fällige Beträge auch auszahlen zu lassen. Dies gilt allerdings nur, wenn die GmbH leistungsfähig ist. Die unmittelbare Zugriffsmöglichkeit des beherrschenden Gesellschafters auf die Zahlungsmittel der GmbH ist nämlich bedeutungslos, wenn die erforderlichen Zahlungsmittel fehlen (vgl. BFH-Urteile vom 3.02.2011 VI R 66/09, BFH/NV 2011, 1057; vom 14. 02. 1984 VIII R 221/80, BStBl II 1984, 480, und vom 19. 07. 1994 VIII R 58/92, BStBl II 1995, 362, jeweils m.w.N.; BFH-Beschluss in BStBl II 1998, 307).

Soweit beim beherrschenden Gesellschafter, wie im Streitfall, der Zufluss von Gewinnanteilen in Frage steht, wird in der Regel ein noch früherer Zuflusszeitpunkt angenommen. In diesem Fall soll selbst dann der Tag der Beschlussfassung maßgeblich für den Zufluss sein, wenn in dem Beschluss über die Ausschüttung ein späterer Fälligkeitszeitpunkt bestimmt war (BFH-Urteile vom 17.11.1998 VIII R 24/98, BStBl II 1999, 223; vom 30.4.1974 VIII R 123/73, BStBl II 1974, 541).

Dies hat der BFH zuletzt darauf gestützt, dass der Anspruch des Gesellschafters einer GmbH auf Auszahlung des Gewinns mit dem Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Gewinns entstehe (vgl. Hinweis auf BGH-Urteil vom 14. 09.1998 II ZR 172/97, DB 1998, 2212) und mit dem Gewinnverteilungsbeschluss sofort fällig werde, wenn nicht die Satzung der GmbH Vorschriften über Gewinnabhebungen oder Auszahlungen zu einem späteren Zeitpunkt enthalte (BFH-Urteile vom 17.11.1998 VIII R 24/98, BStBl II 1999, 223; vom 21.10.1981 I R 230/78, BStBl II 1982, 139; vom 30.4.1974 VIII R 123/73, BStBl II 1974, 541; vom 3.02.2011 VI R 66/09, BFH/NV 2011, 1057). Diese Rechtslage rechtfertige es, bei einem beherrschenden Gesellschafter einen späteren Zuflusszeitpunkt der Gewinnanteile nur dann anzunehmen, wenn die Satzung bindende Regelungen über eine spätere Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs enthalte (vgl. auch BFH-Urteil vom 3.02.2011 VI R 66/09, BFH/NV 2011, 1057). Denn wenn in der Satzung jegliche Regelungen fehlten oder diese nur eine Ermächtigung zur freien Bestimmung des Fälligkeitszeitpunktes durch die Gesellschafterversammlung enthalte, dann habe der beherrschende Gesellschafter einer zahlungsfähigen GmbH es in der Hand, den Fälligkeitszeitpunkt des Auszahlungsanspruchs zu bestimmen. Er könne damit wirtschaftlich bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über seinen Gewinnanteil verfügen. Das Hinausschieben der Fälligkeit sei unter diesen Umständen bereits als Verfügung über den Gewinnanteil zu beurteilen (vgl. auch BFH-Urteil vom 21.10.1981 I R 230/78, BStBl II 1982, 139). Deshalb seien die Gewinnanteile dem beherrschenden Gesellschafter in einem solchen Fall im Zeitpunkt der Beschlussfassung i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen.

Dass dadurch beim beherrschenden Gesellschafter u. U. der Zeitpunkt, in dem die auf die Kapitaleinkünfte entfallende Einkommensteuer entstehe, vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalertragsteuer liege, sei insoweit unerheblich. Der Gesetzgeber habe ausschließlich für den Bereich der Kapitalertragsteuer in § 44 Abs. 2 Satz 1 EStG die Fiktion aufgestellt, dass die Kapitalerträge an dem Tag zufließen, der im Beschluss als Tag der Auszahlung bestimmt sei. Diese Fiktion gelte auch für den beherrschenden Gesellschafter. Der Anrechnung der Kapitalertragsteuer stehe das nicht entgegen. Denn § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG setzt für die Anrechnung lediglich voraus, dass die Einkünfte, auf die die anzurechnende Steuer entfällt, auch bei der Veranlagung erfasst worden sind. Die Vorschrift verlange nicht, dass die Kapitalertragsteuer auch im Laufe desjenigen Veranlagungszeitraums entstanden oder entrichtet worden sein muss, mit dessen Ablauf gemäß § 36 Abs. 1 EStG die Einkommensteuer entstanden ist.

Unter Anwendung dieser Grundsätze, denen sich der erkennende Senat anschließt, hat der Beklagte die Vorabausschüttung der A GmbH zutreffend bereits im Streitjahr als Kapitaleinkünfte gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfasst. Die Gewinnanteile sind dem Kläger mit dem Beschluss über die Ausschüttung i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG bereits im November 2004 zugeflossen.

Der Kläger war unstreitig beherrschender Gesellschafter der A GmbH. Die Satzung der A GmbH enthielt keine Regelung über die Fälligkeit des Gewinnausschüttungsanspruchs. Eine Zahlungsunfähigkeit der A GmbH im Zeitpunkt der Beschlussfassung lag unstreitig nicht vor.

Dass die A GmbH im November 2004, als die Vorabausschüttung beschlossen wurde, lediglich über Barvermögen i. H. v. 300.000 EUR verfügte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Dabei kann unter den Besonderheiten des Streitfalles offen bleiben, ob bei einem beherrschenden Gesellschafter grundsätzlich auch dann ein Zufluss von Gewinnanteilen zum Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses anzunehmen ist, wenn die Kapitalgesellschaft über keine ausreichenden liquiden Mittel zur Finanzierung der Ausschüttung verfügt und der Ausschüttungsanspruch (zunächst) nur durch eine Kreditaufnahme zu erfüllen wäre. Bei der Entscheidung des Streitfalles ist nämlich zu berücksichtigen, dass die A GmbH als beherrschende Gesellschafterin der D GmbH im November 2004 bereits einen Vorabausschüttungsanspruch i.H.v. 5.000.000 EUR hatte, der nach den zuvor genannten Grundsätzen trotz anderweitiger Fälligkeitsbestimmung mit Beschlussfassung am 27.09.2004 auch fällig war. Angesichts eines Kassenbestandes von über 20.000.000 EUR ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass dieser Anspruch von der D GmbH auch jederzeit ohne weiteres zu erfüllen gewesen wäre. Dem Kläger wäre es als beherrschendem Gesellschafter der A GmbH auch unproblematisch möglich gewesen, die Auszahlung der Vorabausschüttung durch die D GmbH an ihre beherrschende Gesellschafterin, die A GmbH, zeitnah im Jahr 2004 zu veranlassen. Auch in diesem Verhältnis liegt in der Bestimmung eines späteren Fälligkeitstages bereits eine Verfügung über den Gewinnanteil in dem vom BFH beschriebenen Sinn.

Eine andere Beurteilung ergibt sich im Streitfall auch nicht deshalb, weil der in Frage stehende Beschluss eine Vorabausschüttung betrifft und keine Gewinnausschüttung nach Feststellung des Jahresabschlusses (§ 29 GmbHG). Zumindest dann, wenn, wie im Streitfall, hinreichend Vermögen für die Durchführung der Vorabausschüttung vorhanden ist und keinerlei Anhaltspunkte vorliegen dass der tatsächlich erzielte Gewinn hinter dem prognostizierten Gewinn erheblich zurückbleibt, hält der Senat insoweit eine Differenzierung nicht für erforderlich oder gerechtfertigt.

Vorabausschüttungen sind Zahlungen an die Gesellschafter im Hinblick auf den erwarteten, aber noch nicht endgültig festgestellten Gewinn eines Wirtschaftsjahres. Zahlungen dieser Art werden bei einer GmbH grundsätzlich auch dann als zulässig angesehen, wenn sie während des Geschäftsjahres beschlossen und geleistet werden (BFH-Urteile vom 17.02.1993 I R 21/92, BFH/NV 1994, 83, und vom 27.01.1977 I R 39/75, BStBl II 1977, 491, jeweils m.w.N.). Der diesen Zahlungen zugrunde liegende Vorabausschüttungsbeschluss ist ein Gewinnverteilungsbeschluss. Er schafft die Rechtsgrundlage für die Vorabausschüttungen, die als vorweggenommene Gewinnzahlungen lediglich an den Vorbehalt geknüpft sind, dass nach Ablauf des Wirtschaftsjahres tatsächlich ein entsprechend hoher ausschüttungsfähiger Gewinn vorhanden ist. Insofern unterscheiden sich Vorabausschüttungen von anderen Ausschüttungen während des Jahres, die als Kapitalrückzahlungen an die Gesellschafter bei einer GmbH zwar zulässig, die aber keine Gewinnausschüttungen sind. Weist die Handelsbilanz keinen Gewinn in Höhe der Vorabausschüttungen aus, kann die Gesellschaft die ausgeschütteten Beträge wegen ungerechtfertigter Bereicherung zwar zurückfordern (§ 812 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Vorabausschüttung steht jedoch nicht auch unter dem Vorbehalt eines weiteren Gewinnverteilungsbeschlusses nach Feststellung des Jahresabschlusses. § 46 Nr. 1 GmbHG verlangt für die Verteilung des sich aus dem festgestellten Jahresabschluss ergebenden Reingewinns einen besonderen Verteilungsbeschluss. Dieser Beschluss wird zwar in der Regel nach Feststellung der Bilanz gefasst; das schließt aber eine andere Verteilung nicht aus. Die Vorabausschüttung ist eine solche andere Verteilung. Der ihr zugrunde liegende Beschluss legt verbindlich fest, dass der in der noch zu erstellenden Jahresbilanz der Gesellschaft ausgewiesene Reingewinn in Höhe der Vorabausschüttung den Gesellschaftern zufließen soll. Es bedarf dazu keines weiteren (wiederholenden) Beschlusses (vgl. BFH-Urteil vom 27.01.1977 I R 39/75, BStBl II 1977, 491, m.w.N.).

Bei dem Vorabausschüttungsbeschluss handelt es sich somit (ebenfalls) um einen Gewinnverteilungsbeschluss i. S. des GmbHG, mit der Konsequenz, dass der Anspruch auf Auszahlung sofort mit Beschlussfassung fällig wird, wenn nicht die Satzung der GmbH Vorschriften über Gewinnabhebungen oder Auszahlungen zu einem späteren Zeitpunkt enthalte. Die Tatsache, dass die Vorabausschüttung später ggf. wieder zurückzugewähren ist, wenn nicht tatsächlich ein entsprechend hoher ausschüttungsfähiger Gewinn erzielt wird, steht der Annahme eines Zuflusses i.S. des § 11 Abs. 1 EStG nicht entgegen (BFH-Urteil vom 17.02.1993 I R 21/92, BFH/NV 1994, 83).

Die vom Kläger und auch in Teilen der Literatur in Bezug auf den entsprechend definierten Zuflusszeitpunkt gerügte Schlechterstellung des beherrschenden Gesellschafters (vgl. u.a. Trzaskalik in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 11 Rz. B 51) vermag der Senat nicht zu erkennen. Hierin liegt insbesondere keine Ungleichbehandlung gegenüber Minderheitsgesellschaftern i. S. des Art. 3 Abs. 1 GG. Ein beherrschender Gesellschafter hat es nämlich, anders als ein Minderheitsgesellschafter, regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist (BFH-Urteil vom 17.02.1993 I R 21/92, BFH/NV 1994, 83). Ebenso kann er bestimmen, wann Ausschüttungsbeschlüsse getroffen und die Ansprüche damit fällig werden. So lag es auch im Streitfall. Es war dem Kläger als beherrschender Gesellschafter der A GmbH unbenommen, den Vorabausschüttungsbeschluss erst im Jahr 2005 vornehmen zu lassen und damit in den Anwendungsbereich des ab 2005 abgesenkten einkommensteuerrechtlichen Spitzensteuersatzes zu kommen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revisionszulassung folgt aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.

VorschriftenEStG § 8, EStG § 11 Abs 1, GmbHG § 29, EStG § 20 Abs 1 Nr 1

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