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01.02.2012

Finanzgericht Münster: Urteil vom 15.12.2011 – 11 K 344/08 AO

1) Eine Rechtshandlung eines Schuldners, die seine Gläubiger benachteiligt, ist gemäß § 1 AnfG anfechtbar. Entscheidend ist, ob der Schuldner durch sein Handeln dazu beigetragen hat, dass ein Vermögensgegenstand einem Dritten zugewandt worden ist. Die Wirksamkeit der Rechtshandlung ist unerheblich.

2) Eine solche Rechtshandlung liegt etwa dann vor, wenn der Schuldner Dritte anweist, die ihm zustehenden Forderungsbeträge auf ein Fremdkonto zu überweisen.

3) Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Rechtshandlung trägt der Anfechtende.

4) Der Benachteiligungsvorsatz für die Anfechtung gemäß § 3 Abs. 1 AnfG ist in aller Regel anzunehmen, wenn dem Schuldner bekannt ist, dass er zahlungsunfähig ist oder dass Zahlungsunfähigkeit droht.

5) Sind dem Anfechtungsgegner die Hilfstatsachen des § 3 Abs. 1 Satz 2 AnfG bekannt, wird seine Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Vollstreckungsschuldners vermutet.

6) Hat es der Anfechtungsgegner hingenommen, dass auf seinem Konto mehrere Vermögenssphären vermischt werden, und lässt es sich infolgedessen nicht mit hinreichender Sicherheit klären, welche Gelder wofür verwendet wurden, bleibt der Einwand des Anfechtungsgegners, ihm sei nichts zu Gute gekommen, unbeachtet.


Im Namen des Volkes

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 15.12.2011 für Recht erkannt:

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Duldungsbescheides.

Die Eltern des am 22.11.1977 geborenen Klägers schulden dem Land Nordrhein-Westfalen Steuern und steuerliche Nebenleistungen betreffend die Jahre 1979 bis 2004 i.H.v. insgesamt 100.852,58 EUR (Stand 03.04.2007). Vollstreckungen in das Vermögen der Eltern blieben erfolglos. Der Vater des Klägers gab u.a. am 12.03.1997, 30.11.1999, 13.08.2003 und 15.07.2004 eidesstattliche Versicherungen ab und die Mutter des Klägers am 13.08.2003. Der Vater des Klägers ist gewerblich tätig und die Mutter des Klägers nichtselbständig tätig.

Zur Abwicklung sowohl des gewerblichen als auch des privaten Geldverkehrs nutzten die Eltern des Klägers zumindest seit 2003 das Konto 0000001 bei der G. Bank, das der Kläger am 04.09.1996 eröffnet hatte und für das er seinem Vater am 04.05.2004 Kontovollmacht erteilt hat. Auch der Arbeitslohn des Klägers wurde auf dieses Konto eingezahlt.

Mit Anfechtungs- und Duldungsbescheid vom 22.01.2007 hat der Beklagte die einzelnen Zahlungen, die für die Eltern des Klägers auf dessen o.g. Konto in dem Zeitraum 02.01.2003 bis 29.09.2006 eingegangen waren und sich in der Summe auf 151.503,09 EUR belaufen, unter Berufung auf §§ 3 Abs. 1, 4 AnfG angefochten. In dem Bescheid sind die Steuerschulden der Eltern nach Veranlagungszeitraum, Steuerart und Höhe im Einzelnen aufgeführt. Außerdem war dem Bescheid eine Anlage beigefügt, in der die angefochtenen Einzahlungen mit Eingangsdatum, Betrag und Veranlassungszusammenhang einzeln aufgelistet sind.

Der Beklagte begründete den Anfechtungsanspruch wie folgt:

Die Gläubigerbenachteiligung liege darin, dass der Finanzbehörde durch die Einzahlungen auf das Konto des Klägers der Vollstreckungszugriff auf diese Geldbeträge entzogen worden sei. Die Eltern des Klägers seien schon seit Jahren Vollstreckungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen. Dass die gewählte Konstellation (Abwicklung des gesamten Geldverkehrs mit eigener Vollmacht über ein fremdes Konto) zugleich einen Schutz vor möglichen Vollstreckungsmaßnahmen darstelle, sei den Eltern des Klägers zu jeder Zeit bewusst gewesen und sie hätten die hierdurch entstandene Gläubigerbenachteiligung bewusst in Kauf genommen.

Da der Kläger das gleiche Konto als Gehaltskonto genutzt habe und er somit jederzeit über die Vorgänge auf dem Konto informiert gewesen sei, sei ihm Art und Umfang der über dieses Konto getätigten Geldgeschäfte der Eltern bekannt gewesen. Als im elterlichen Haushalt lebender Sohn seien ihm aufgrund der persönlichen Beziehung auch die kritische wirtschaftliche Lage sowie die Schulden der Eltern bekannt gewesen. Mit den seinen Eltern zustehenden Einzahlungen habe der Kläger eine Sicherung oder Befriedigung erlangt, die ihm nie zugestanden habe. Die hierin liegende inkongruente Deckung sei ein erhebliches Beweisanzeichen sowohl für die Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners.

Wie und in welcher Höhe der Kläger über den erlangten Vermögenszuwachs (Gutschriften auf seinem Konto) verfügt habe bzw. wie sich das einmal vorhandene Guthaben auf dem Konto entwickelt habe, sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Verweis auf BFH, Beschluss vom 17.01.2000 – VII B 282/99) ohne Bedeutung. Denn die Art und Weise der späteren Verwendung der übertragenen Geldmittel könne nicht ungeschehen machen, dass den Gläubigern der Eltern des Klägers der Vollstreckungszugriff auf die diesen ursprünglich zustehende Forderungen vereitelt worden sei.

Zudem würden hinsichtlich der Geldeingänge, die innerhalb der Vierjahresfrist des § 4 AnfG eingegangen seien, auch die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 4 AnfG vorliegen. Die Eltern des Klägers hätten an ihren Sohn unentgeltliche Leistungen erbracht, bei denen es sich nicht um gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke handele.

Der Kläger legte hiergegen Einspruch ein, mit dem er bestritt, von den Steuerschulden seiner Eltern bzw. einer Benachteiligung des Finanzamts gewusst zu haben. Er trug vor, dass ihm damals, als er der Nutzung des Kontos durch seine Eltern zugestimmt habe, lediglich bekannt gewesen sei, dass die eigenen Konten seiner Eltern „wegen Ableistung des EV und überhöhter Schuldensalden bei deren Bank gekündigt worden seien” (Zitat aus dem Einspruchsschreiben vom 20.02.2007, Bl. 54 der Gerichtsakte – GA –). Zudem seien die Gehaltseinzahlungen etc. ohnehin nicht pfändbar gewesen.

Der Beklagte half dem Einspruch des Klägers mit Bescheid vom 03.04.2007 dahingehend ab, dass die Einzahlungen, die mit unpfändbaren Forderungen in Zusammenhang standen (Arbeitslohn Mutter, Rente Vater, Kindergeld), nicht länger angefochten wurden. Die Liste der angefochtenen Einzahlungen umfasse nun den Zeitraum 14.01.2003 bis 29.09.2006 und belief sich in der Summe auf 73.917,82 EUR. Der Kläger wurde im Änderungsbescheid zur Leistung von Wertersatz in dieser Höhe aufgefordert. Im Übrigen wurde der Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 07.01.2008 zurückgewiesen.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Duldungsbescheids.

Er trägt vor, dass ihm bezüglich der eidesstattlichen Versicherungen, die seine Eltern im Jahr 2003 abgegeben hätten, nicht bekannt gewesen sei, dass es weitere Gläubiger gegeben habe. Vielmehr sei er – was ihm auch seine Eltern auch so bestätigt hätten – der Annahme gewesen, dass die geleisteten eidesstattlichen Versicherungen den Schuldensaldo der G. Bank betroffen habe. Die G. Bank sei jedoch davon unterrichtet gewesen, dass der Vater des Klägers im Wege der Kontovollmacht das streitgegenständliche Konto nutze, nachdem sein eigenes Konto von der Bank gekündigt worden sei. Von einer Benachteiligung könne insoweit gar keine Rede sein, zumal seine Eltern mit der Bank Vereinbarungen über eine gesonderte Rückführung des Schuldensaldos getroffen hätten. Von weiteren Gläubigern habe er – der Kläger – nichts gewusst, weshalb ihm auch nicht bekannt gewesen sei, dass solche Gläubiger geschädigt würden.

Er, der Kläger, sei zudem davon ausgegangen, dass auf das Konto nur das Gehalt seiner Mutter eingezahlt werde und diese Beträge nicht pfändbar seien.

Anders als vom Finanzamt dargestellt habe er – der Kläger – auch keine Kenntnis von den einzelnen Geldeingängen auf dem Konto gehabt. Die Kontoauszüge seien ausschließlich von seinem Vater abgeholt und verwaltet worden. Er – der Kläger – habe seinem Vater dazu seine Bankkarte ausgehändigt. Es sei zwar richtig, dass auch sein eigenes Gehalt auf das Konto eingezahlt worden sei (netto rd. 520 EUR/Monat). Von dem Gehalt habe er – der Kläger – jedoch nur 100 EUR im Monat für sich verwendet, die ihm seine Eltern ausgehändigt hätten. Den Rest des Gehalts hätten seine Eltern benutzt, um seine – des Klägers – allgemeinen Lebenshaltungskosten (Kostenanteil für Essen, Miete, Versicherung, Kleidung etc.) zu bezahlen.

Der Kläger beantragt,

den Duldungsbescheid vom 22.01.2007, geändert am 03.04.2007, sowie die Einspruchsentscheidung vom 07.01.2008 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

den Duldungsbescheid lediglich dahingehend abzuändern, dass die in der gerichtlichen Verfügung vom 31.10.2011 genannten Rechtshandlungen i.H.v. insgesamt 10.350 EUR nicht länger angefochten sind, und die Klage im Übrigen abzuweisen.

In der gerichtlichen Verfügung vom 31.10.2011 hatte die Berichterstatterin 15 Einzahlungen in der Gesamtsumme von 10.350 EUR benannt, hinsichtlich derer es aus verschiedenen Gründen fraglich sei, ob es sich tatsächlich um Rechtshandlungen der Eltern des Klägers handele. Der Beklagte schloss sich den Ausführungen der Berichterstatterin mit Schriftsatz vom 23.11.2011 an.

Hinsichtlich der verbleibenden angefochtenen Rechtshandlungen hält er daran fest, dass die Voraussetzungen für Anfechtungen nach § 3 Abs. 1 AnfG und § 4 AnfG erfüllt seien. Die Einwendungen des Klägers – insbesondere zur Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht seiner Eltern – seien nicht überzeugend. Der Kläger habe im Einspruchsschreiben vom 20.02.2007 selbst ausgeführt, dass ihm in dem Zeitpunkt, als er der Nutzung des Kontos durch seine Eltern zugestimmt habe, bekannt gewesen sei, dass die eigenen Konten seiner Eltern „wegen Ableistung des EV” und überhöhter Schuldensalden bei deren Bank gekündigt worden seien. Folglich habe der Kläger gewusst, dass sich seine Eltern in kritischen finanziellen Verhältnissen befanden. Da er wusste, dass seinen Eltern die Zahlungsunfähigkeit drohte, sei seine Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz seiner Eltern nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AnfG zu vermuten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die vorgelegte Anfechtungsakte sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet.

Der Duldungsbescheid vom 03.04.2007 ist rechtswidrig, soweit mit ihm die in der gerichtlichen Verfügung vom 31.10.2011 benannten 15 Einzahlungen in der Gesamtsumme von 10.350 EUR angefochten wurden. Im Übrigen ist er rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Nach § 191 Abs. 1 AO kann derjenige, der kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Dazu zählen auch die Fälle, in denen einem Gläubiger zur Befriedigung seiner Forderungen das zur Verfügung gestellt werden muss, was durch anfechtbare Rechtshandlungen aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist. Gleiches gilt, wenn der Anfechtungsgegner den in anfechtbarer Weise aus dem Schuldnervermögen ausgeschiedenen Gegenstand nicht in Natur zurückgewähren kann und wenn er deshalb verpflichtet ist, Wertersatz zu leisten (§ 11 Abs. 1 AnfG).

Die Entscheidung über die Inanspruchnahme nach § 191 Abs. 1 AO ist zweigliedrig (st. Rspr. des BFH, vgl. u.a. Urteil vom 13.06.1997 – VII R 96/96, BFH/NV 1998, 4). Das Finanzamt hat zunächst zu prüfen, ob in der Person oder den Personen, die es durch Duldungsbescheid in Anspruch nehmen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anfechtung erfüllt sind. Hierbei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung. Daran schließt sich die nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung – vgl. § 5 AO – des Finanzamts an, ob und ggf. wen es als Duldungsverpflichteten in Anspruch nehmen will. Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 FGO auf Ermessensfehler (Ermessensfehlgebrauch bzw. Ermessensüberschreitung) überprüfbar (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 11.03.2004 – VII R 52/02, BStBl. II 2004, 579 unter II 1a m.w.N.).

Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für eine Anfechtung wie folgt vor.

1. Der Beklagte ist anfechtungsberechtigter Gläubiger i.S.d. § 2 AnfG. Die gegenüber den Eltern des Klägers festgesetzten Steuerschulden sind fällig und vollstreckbar und die Vollstreckung in das Vermögen der Eltern ist erfolglos geblieben.

2. Das Anfechtungsgesetz gilt gem. § 1 AnfG für Rechtshandlungen eines Schuldners, die seine Gläubiger benachteiligen. Rechtshandlung im Sinne des Anfechtungsgesetzes ist jedes – rechtliche oder tatsächliche – Handeln oder Unterlassen des Schuldners, das „rechtliche” Folgen hat. Dabei kommt es auf die Wirksamkeit der Rechtshandlung nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob der Schuldner durch sein Handeln (jedenfalls) dazu beigetragen hat, dass ein Vermögensgegenstand einem Dritten zugewandt worden ist (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 13.09.2001 – 8 U 108/00, ZInsO 2001, 1102; Huber, AnfG § 1 Rn 5 ff.).

Bei Einzahlungen auf einem fremden Konto handelt es sich um Rechtshandlungen des Anfechtungsschuldners, wenn er diese veranlasst hat und er mit der Einzahlung einen Vermögensgegenstand verliert, etwa Bargeld oder eine Forderung. Erfasst werden nicht nur die Fälle, in denen der Anfechtungsschuldner Bargeld einzahlt, Schecks einreicht oder eigene Überweisungen auf das Fremdkonto vornimmt, sondern auch die Fälle, in denen er seine Schuldner (Dritten) anweist, die ihm zustehenden Forderungsbeträge auf das Fremdkonto zu überweisen. Denn im Falle einer Zahlungsanweisung wird mit der Einzahlung durch den Dritten dessen Schuld gegenüber dem Anweisenden – hier: dem Anfechtungsschuldner – zum Erlöschen gebracht (§ 362 BGB). Der entsprechende Gegenwert wird dem Kontoinhaber zugewendet, denn dieser erlangt mit der Gutschrift auf seinem Konto einen Zahlungsanspruch gegenüber der Bank, aufgrund dessen er in der Lage ist, über die Geldbeträge zu verfügen.

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass Rechtshandlungen des Anfechtungsschuldners vorliegen, trägt der Anfechtende. Dem Anfechtungsgegner obliegt es im Rahmen seiner sekundären Beweislast lediglich, substantiierte Einwendungen zu erheben. Werden solche Einwendungen erhoben, muss der Anfechtende darlegen und notfalls beweisen, dass es sich tatsächlich um Rechtshandlungen des Anfechtungsschuldners handelt. Bezogen auf den Streitfall bedeutet das, dass der Bekl. nachweisen muss, dass die angefochtenen Einzahlungen auf dem Konto des Kl. tatsächlich dessen Eltern zuzurechnen sind. Auf etwaige Beweiserleichterungen kann der Bekl. sich dabei nicht berufen. Insbesondere führt der Umstand, dass die zur Erfüllung der Darlegungslast benötigten Kenntnisse und Unterlagen letztlich in der Sphäre des Anfechtungsgegners liegen, nicht zu einer Beweislastumkehr.

Hinsichtlich der in der gerichtlichen Verfügung vom 31.10.2011 benannten 15 Einzahlungen in der Gesamtsumme von 10.350 EUR vermochte der Senat nicht festzustellen, dass es sich um Rechtshandlungen der Eltern gehandelt habe. Der Beklagte hält an der Anfechtung dieser Einzahlungen auch nicht länger fest.

3. Dafür, dass die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen des § 4 AnfG, welcher eine unentgeltliche Leistung des Schuldners verlangt, erfüllt sind, ist nichts ersichtlich. Denn eine unentgeltliche Leistung setzt voraus, dass es auf Seiten des Schuldners zu einer Vermögensminderung und auf Seiten des Anfechtungsgegners zu einer entsprechenden Vermögensvermehrung gekommen ist. Sowohl die Vermögensminderung als auch die Vermögensmehrung sind jedoch zu verneinen, wenn zeitgleich zum Geldeingang auf dem Konto des Anfechtungsgegners ein Herausgabeanspruch des Schuldners entsteht, d.h. wenn der Vermögenswert dem Kontoinhaber gerade nicht dauerhaft zugewandt werden soll. Ob dieser Herausgabeanspruch aus einem Auftragsverhältnis, Verwahrvertrag oder Treuhandverhältnis resultiert – so bei einvernehmlicher Nutzung des Kontos – oder aus einer Leistung ohne Rechtsgrund – so bei Überweisung des Geldes auf das Konto ohne Wissen und Willen des Kontoinhabers – spielt hierbei letztlich keine Rolle.

Im Streitfall ist nichts dafür ersichtlich, dass die Eltern des Klägers in den Zeitpunkten, als sie Einzahlungen auf dessen Konto vornahmen, den Willen hatten, dem Kläger hierdurch Vermögenswerte dauerhaft zuzuwenden. Vielmehr war es nach dem Vortrag des Klägers so, dass die Eltern das ihnen zur Verfügung gestellte Konto wie ein eigenes Konto nutzen sollten. Sowohl der Kläger als auch dessen Eltern hatten dann die Vorstellung, dass die Eltern – jedenfalls im Innenverhältnis – die alleinige Verfügungsgewalt über die von ihnen eingezahlten Gelder behalten sollten und diese – wozu es nach den vorliegenden Kontoauszügen auch tatsächlich gekommen ist – zur Begleichung eigener Verbindlichkeiten nutzen sollten. Der Kläger durfte die von seinen Eltern auf seinem Konto eingezahlten Geldmittel folglich nicht behalten und nach eigenem Belieben verwenden, sondern er war gegenüber seinen Eltern zur Herausgabe der Geldmittel verpflichtet.

4. Es sind jedoch die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 AnfG gegeben. Nach dieser Vorschrift ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor der Anfechtung mit dem Vorsatz vornimmt, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 AnfG wird diese Kenntnis vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

a) Der Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge – sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils – erkannt und gebilligt hat. Ist dem Schuldner bekannt, dass er zahlungsunfähig ist oder dass Zahlungsunfähigkeit droht, handelt er in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz. Dies ergibt sich mittelbar aus § 3 Abs. 1 Satz 2 AnfG. Da für den anderen Teil die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners vermutet wird, wenn er wusste, dass dessen Zahlungsunfähigkeit drohte, können für den Vorsatz des Schuldners selbst keine strengeren Anforderungen gelten (vgl. BGH, Urteil vom 30.06.2011 – IX ZR 134/10, DB 2011, 1688 m.w.N. zu § 133 InsO).

Unter Beachtung dieser Rechtsgrundsätze ist als bewiesen anzusehen, dass die Eltern des Klägers mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelten. Denn diesen war bekannt, dass sie zahlungsunfähig waren. Dies ergibt sich daraus, dass beide Elternteile am 13.08.2003 eine eidesstattliche Versicherung abgegeben haben (der Vater darüber hinaus auch 1997, 1999 und 2004). Zu beachten ist auch, dass der Vater des Klägers in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 15.07.2004 (Kopie auf Bl. 23 GA) den Umstand, dass er das streitgegenständliche Konto nutzt und sich darauf ihm zustehende Gelder befinden, nicht erwähnt hat (insbesondere nicht in Tz. 14 „Konten” oder Tz. 22 „Sonstige Forderungen”). Dies spricht dafür, dass er das Konto vor seinen Gläubigern geheim halten wollte, was ebenfalls als Indiz für das Vorliegen einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht zu werten ist.

b) Der Senat ist bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls auch davon überzeugt, dass der Kläger von den Hilfstatsachen des § 3 Abs. 1 S. 2 AnfG Kenntnis hatte.

Dass er davon wusste, dass seinen Eltern die Zahlungsunfähigkeit drohte, ergibt sich schon aus seinem eigenen Vortrag. Der Kläger hat eingeräumt, von den eidesstattlichen Versicherungen, die seine Eltern im Jahr 2003 abgegeben haben, gewusst zu haben. Dass nur derjenige eidesstattliche Versicherungen abzugeben hat, der ganz erhebliche finanzielle Probleme hat, kann als Allgemeinwissen vorausgesetzt werden. Der Kläger hatte mithin Kenntnis von Umständen, die ein unmittelbares Indiz für die (zumindest drohende) Zahlungsunfähigkeit der Eltern waren.

Weitere Voraussetzung des § 3 Abs. 1 Satz 2 AnfG ist, dass der Anfechtungsgegner „wusste, dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte”. Der Kläger bestreitet, dass er eine solche Kenntnis gehabt habe. Als Begründung führt er an, dass er zum einen davon ausgegangen sei, dass ohnehin nur unpfändbare Beträge auf das Konto eingezahlt würden und eine Gläubigerbenachteiligung schon aus diesem Grund von vornherein ausgeschlossen sei. Zum anderen habe er nur von Schulden gegenüber der G. Bank gewusst und von einer Benachteiligung dieses Gläubigers bzw. einer entsprechenden Absicht könne doch gar keine Rede sein, wenn die Nutzung eines Fremdkontos mit Einverständnis der Bank erfolge und mit dieser gesonderte Absprachen zur Rückführung der Schulden getroffen worden seien.

Der Senat hält die vorgenannten Behauptungen für bloße Schutzbehauptungen. Sofern der Kläger – wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen – tatsächlich davon ausgegangen sein sollte, dass lediglich das Gehalt seiner Mutter auf seinem Konto eingezahlt werde, leuchtet es bereits nicht ein, warum er dann seinem Vater – nicht aber seiner Mutter – Kontovollmacht erteilt hat. Auch war dem Kläger bekannt, dass sein gewerblich tätiger Vater kein eigenes Konto mehr hatte, weshalb sich die Frage aufdrängt, über welches Konto der Vater nach den damaligen Vorstellungen des Klägers seine Geschäfte aus dem Gewerbebetrieb abwickeln sollte. Es lag auf der Hand, dass hierfür nur das streitgegenständliche Konto in Betracht kam. Die Einnahmen aus Gewerbebetrieb unterlagen jedoch keinem Pfändungsschutz und der Kläger hat auch nicht dargelegt, dass bzw. aus welchen Gründen er ohne Verschulden rechtsirrtümlich von einer Unpfändbarkeit ausgegangen sei.

Dass der Kläger tatsächlich irrtümlich und ohne Verschulden davon ausgegangen ist, es sei alles in Ordnung, weil die G. Bank als angeblich einziger dem Kläger bekannter Gläubiger der Kontonutzung zugestimmt habe, hat er ebenfalls nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Es fehlt bereits an dem Nachweis, dass es die behaupteten Absprachen mit der Bank überhaupt gegeben hat. Die Kontovollmacht reicht insoweit als Nachweis nicht aus, denn hierbei handelt es sich nicht um eine zweiseitige vertragliche Vereinbarung, sondern lediglich um eine einseitige Willenserklärung des Kontoinhabers (hier des Klägers). Zudem berechtigt eine Kontovollmacht den Bevollmächtigten nur dazu, als Vertreter des Kontoinhabers aufzutreten, also in seinem Namen zu handeln. Zu Handlungen in eigenem Namen – insbesondere dazu, das Konto ab sofort wie ein eigenes zu führen – berechtigt eine Kontovollmacht dagegen nicht. Es erscheint auch höchst unwahrscheinlich, dass die G. Bank – wie vom Kläger behauptet – ihre Zustimmung dazu erteilt hat, dass die Eltern des Klägers dessen Konto wie ein eigenes Konto nutzen dürfen und sollen. Wäre die Bank bereit gewesen, den Kontoverkehr der Eltern des Klägers trotz der Kündigung von deren bisherigen Girokonto auch weiterhin abzuwickeln, wäre zu erwarten gewesen, dass sie den Eltern des Klägers ein neues eigenes Konto einrichtet, das – um weiteren Schulden vorzubeugen – auf reiner Guthabenbasis hätte geführt werden können. Der Umweg über das Konto des Klägers war – was auch für Laien deutlich erkennbar war – weder rechtlich noch wirtschaftlich geboten.

Sind dem Anfechtungsgegner die Hilfstatsachen des § 3 Abs. 1 Satz 2 AnfG bekannt, wird seine Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Vollstreckungsschuldners kraft Gesetzes vermutet. Es ist dann an ihm, das Gegenteil nachzuweisen. Dies ist dem Kläger nicht gelungen.

5. Die Rechtsfolgen der Anfechtung sind in § 11 AnfG geregelt. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG muss dem Gläubiger das, was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, zur Verfügung gestellt werden. Anknüpfungspunkt für die Anfechtung ist daher nicht das, was der Anfechtungsgegner erlangt hat (hier: Auszahlungsanspruch gegenüber der Bank), sondern das, was der Schuldner aus seinem Vermögen weggegeben hat. Dies waren im Streitfall die durch Einzahlung auf das Konto erloschenen Forderungen der Eltern gegen ihre Schuldner. Diese Forderungen können jedoch nicht zurückgewährt werden, sodass der Kläger Wertersatz zu leisten hat. Dieser besteht darin, dass er verpflichtet ist, bis zur Höhe der erloschenen Forderungen Zahlungen auf die Steuerschulden zu leisten, die mit dem Duldungsanspruch verbunden sind.

Auf Entreicherung kann sich der Kläger nicht berufen. Dieses Recht steht nach § 11 Abs. 2 AnfG nur dem gutgläubigen Empfänger einer unentgeltlichen Leistung zu. In allen übrigen Fällen gelten über § 11 Abs. 1 Satz 2 AnfG die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, entsprechend. Dies bedeutet u.a., dass der Anfechtungsgegner sich nicht nach § 818 Abs. 3 BGB auf Entreicherung berufen kann, sondern nach §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB nach den allgemeinen Vorschriften des Schuldrechts haftet. Im Streitfall geht es weder um die Anfechtung einer unentgeltlichen Leistung noch war der Kläger – wie die Ausführungen unter 5) zeigen – gutgläubig, so dass der Einwand der Entreicherung von vornherein ausgeschlossen ist.

7. Von der Frage der Entreicherung ist die Frage zu unterscheiden, welche Rolle es spielt, dass die Eltern des Klägers im Einklang mit den Absprachen im Innenverhältnis über die von ihnen eingezahlten Gelder eigenhändig verfügt haben und der Kläger insoweit seiner Pflicht zur Herausgabe der Gelder nachgekommen ist.

Der BFH misst dem Umstand, dass dem Kontoinhaber nach den Vereinbarungen im Innenverhältnis kein eigenes Verfügungsrecht über die auf seinem Konto verwahrten Gelder zustehen soll und er gegenüber dem Vollstreckungsschuldner zur Herausgabe verpflichtet ist, – soweit erkennbar – keine besondere Bedeutung zu. In dem Verfahren VII B 282/99 (Beschluss vom 17.01.2000, BFH/NV 2000, 857), in dem es um die Einziehung von Forderungen über das Konto der Lebensgefährtin des Vollstreckungsschuldners ging, führte der BFH aus, dass es nicht darauf ankomme, ob die eingegangenen Gelder der Kontoinhaberin zu Gute gekommen seien. Denn die Art und Weise der späteren Verwendung der übertragenen Geldmittel könne nicht ungeschehen machen, dass den Gläubigern der Vollstreckungszugriff auf die dem Vollstreckungsschuldner ursprünglich zustehenden Forderungen durch dessen Verhalten vereitelt worden sei.

Die zivilrechtliche Rechtsprechung lässt es dagegen zu, den Wertersatzanspruch in bestimmten Fällen der Nutzung von Fremdgeldkonten auf die Beträge zu begrenzen, die sich noch auf dem Konto befinden bzw. die dem Kontoinhaber zu Gute gekommen sind. Bejaht wird dies ausdrücklich bei Treuhandkonten (z.B. BGH, Urteil vom 09.12.1993 – IX ZR 100/93, NJW 1994, 726; OLG Celle 18.05.2006 – 13 U 120/03, DB 2006, 1784). Um ein solches handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Konto allerdings nicht, da der Kläger das Konto auch für eigene Einzahlungen nutzt und deshalb seine Vermögenssphäre mit der Vermögenssphäre der Eltern vermischt wird. Jedoch lassen die in der zivilrechtlichen Rechtsprechung vorgebrachten Argumente eine Reduzierung des Wertersatzanspruches auch in Mischkontofällen wie dem Streitfall als möglich erscheinen.

Im Streitfall scheitert eine solche Reduzierung des Wertersatzanspruchs jedoch bereits daran, dass der Kläger nicht nachgewiesen hat, dass ihm von den anfechtbar eingegangenen Geldbeträgen nichts zu Gute gekommen ist. Es hätte eines substantiierten Vortrags zu jeder einzelnen angefochtenen Einzahlung und zu deren Verwendung bedurft. Die bloße Behauptung des Kontoinhabers, es sei ihm nichts zu Gute gekommen, reicht ebenso wenig aus wie ein bloßer Verweis auf die Kontoauszüge. Denn jedenfalls in den Fällen, in denen kein Treuhandkonto vorliegt, kann es nach der Auffassung des Senats nicht die Aufgabe des Anfechtungsgegners bzw. des Gerichts sein, die Kontoauszüge eigenständig nach etwaigen, für den Kläger entlastenden Abbuchungen zu durchsuchen, sondern entsprechend der allgemeinen Beweislastregeln muss es dem Anfechtungsgegner obliegen, die Umstände nachzuweisen, die den dem Grunde nach entstandenen Wertersatzanspruch der Höhe nach zu seinen Gunsten einschränken (a.A. für Treuhandkonten BGH, Urteil vom 09.12.1993 – IX ZR 100/93, NJW 1994, 726). Hat es der Kontoinhaber hingenommen, dass auf seinem Konto mehrere Vermögenssphären vermischt werden, und lässt es sich infolgedessen nicht mit hinreichender Sicherheit klären, welche Gelder wofür verwendet wurden, so geht dies zu seinen Lasten.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die Revision wurde zur Fortbildung des Rechts zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

VorschriftenAO § 5, FGO § 102, AnfG § 1, AnfG § 3, AnfG § 4, AnfG § 11, AO § 191

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