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27.01.2012

Hessisches Landesarbeitsgericht: Beschluss vom 14.07.2011 – 9 TaBV 192/10


Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 3. November 2010 - 2 BV 14/10 - teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Begriffe "Umsatzwachstum" und "EBIT-Marge" in der Betriebsvereinbarung vom 19. März 2009 sich auf den Konzern der A AG mit Einschluss der B AG beziehen und deshalb die im Geschäftsbericht 2009 enthaltenen und von der Beteiligten zu 2) als Konzernobergesellschaft veröffentlichten Zahlen hinsichtlich "Umsatzwachstum" und "EBIT-Marge" der Berechnung der Zahlungen der variablen Vergütungsbestandteile an Arbeitnehmer gemäß der Betriebsvereinbarung vom 19. März 2009 zu Grunde zu legen sind.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligten zu 2) bis 4) zugelassen.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um die Auslegung einer Betriebsvereinbarung.

Der Beteiligte zu 1) ist der bei den Beteiligten zu 2), 3) und 4) gewählte Gemeinschaftsbetriebsrat am Standort C. Die Beteiligten zu 3) und 4) sind 100 %ige Tochtergesellschaften der Beteiligten zu 2). Am 19. Juli 2006 wurde u.a. von der Beteiligten zu 2) mit dem Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Einführung eines unternehmensbezogenen variablen Vergütungsbestandteils (UVV, Bl. 12 bis 16 d. A.) abgeschlossen. Nach der Gesamtvereinbarung ist die Höhe des UVV für die Jahre 2006 und 2007 von der Höhe der Ebit-Marge im Konzern abhängig. Am 16. April 2008 wurde hinsichtlich des Zielkorridors 2008 eine Ergänzungsvereinbarung zur GBV geschlossen (Bl. 110 d. A.), ebenso unter dem 19. März 2009 für das Geschäftsjahr 2009 (Bl. 17 d. A.). Auch danach war der UVV von dem Umsatzwachstum und der Ebit-Marge abhängig. Für das Jahr 2010 wurden in der Ergänzungsvereinbarung vom 19. Aug. 2010 (Bl. 38 d. A.) Akquisitionen von Unternehmen nur bis zu einer bestimmten Umsatzgröße bei der Berechnung der UVV berücksichtigt, ebenso unter dem 3. Juni 2011 für das Jahr 2011 (Bl. 107, 108 d. A.).

Die D GmbH, eine 100%ige Tochtergesellschaft der Beteiligten zu 2), akquirierte im Jahr 2009 Aktien der B und hielt am 31. Dez. 2009 91 % der Aktien. Bei der Berechnung der UVV für das Jahr 2009 wurde seitens der Beteiligten zu 2) bis 4) der Konzernumsatz und die Ebit-Marge zugrunde gelegt. Der Anteilserwerb der B wurde nicht berücksichtigt. Der Konzernumsatz und die Ebit-Marge ohne Berücksichtigung des Anteilserwerbs B ist dem Beteiligten zu 1) aus dem Geschäftsbericht bekannt. Die B und ihre Tochtergesellschaften gehören zum Konsolidierungskreis bei dem Konzernabschluss.

Der Beteiligte zu 1) ist der Auffassung gewesen, er habe nach § 80 Abs. 1 BetrVG die Aufgabe, zu überprüfen, ob die Betriebsvereinbarung UVV im Betrieb richtig angewendet wird. Eine Vielzahl von Arbeitnehmern hätte sich bei ihm darüber beschwert, der Berechnung der UVV 2009 sei eine unzutreffende Umsatzberechnung zugrunde gelegt worden. Der Umsatz der B AG sei bei der Berechnung der UVV 2009 im Rahmen des Konzernumsatzes und der Ebit-Marge im Konzern zu berücksichtigen.

Der Beteiligte zu 1) hat zuletzt beantragt,

die Beteiligten zu 2) bis 4) als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihm mitzuteilen, wie hoch der Konzernumsatz und die Ebit-Marge im Konzern gemäß der Ergänzungsvereinbarung vom 19. März 2009 und unter Berücksichtigung der Aspekte, die durch die Akquisition der Fa. B entstanden sind, ist.

Die Beteiligten zu 2) bis 4) haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 2) bis 4) sind der Ansicht gewesen, sie haben die Auskunft bereits erteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf die Sachdarstellung des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Das Arbeitsgericht Darmstadt hat den Antrag durch Beschluss vom 3. Nov. 2010 - 2 BV 14/10 - zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der begehrte Auskunftsanspruch bestehe nicht, weil die begehrten Auskünfte dem Beteiligten zu 1) bereits vorlägen. Konzernumsatz und Ebit-Marge ergäben sich aus dem Geschäftsbericht 2009. Ihm lägen auch die Zahlen unter Berücksichtigung des Anteilserwerbs der B AG vor. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die arbeitsgerichtliche Beschlussgründe verwiesen.

Gegen diesen ihm am 22. Nov. 2010 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 1) am 16. Nov. 2010 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig sowie ergänzend am 24. Nov. 2010 begründet.

Der Gemeinschaftsbetriebsrat trägt vor, es gehe ihm nicht um veröffentlichte Zahlen, sondern um eine Auskunft über Umsatz und Gewinn im Sinne der Betriebsvereinbarung zur UVV. Es sei nicht seine Aufgabe, zwischen unterschiedlichen Zahlen auszuwählen, die ihm die Konzernspitze zur Verfügung stelle.

Das Verfahren wurde wegen des weiteren hilfsweisen Beschwerdeantrages des Beteiligten zu 1), es zu unterlassen, bei der Durchführung der zitierten Betriebsvereinbarung andere Zahlen als die begehrten zugrunde zu legen, eingestellt, nachdem die Beteiligten das Verfahren insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Eingestellt wurde das Verfahren auch, soweit der Beteiligte zu 1) seinen weiteren Hilfsantrag aus dem Schriftsatz vom 18. Jan. 2011 zurückgenommen hat.

Der Beteiligte zu 1) beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 3. Nov. 2010 - 2 BV 14/10 - abzuändern und nach den erstinstanzlichen Schlussanträgen zu erkennen,

hilfsweise,

festzustellen, dass die Begriffe "Umsatzwachstum" und "EBIT-Marge" in der Betriebsvereinbarung vom 19. März 2009 sich auch auf den Konzern der Fa. A AG mit Einschluss der Fa. B AG beziehen und deshalb die im Geschäftsbetrieb 2009 enthaltenen und von der Beteiligten zu 2) veröffentlichen Zahlen hinsichtlich "Umsatzwachstum" und "EBIT-Marge" den Berechnungen der Zahlungen an Arbeitnehmer gemäß der Betriebsvereinbarung vom 19. März 2009 zugrunde zu legen sind.

Die Beteiligten zu 2) bis 4) beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 2) bis 4) meinen, der Beteiligte zu 1) kenne die maßgeblichen Zahlen. Er wolle mit diesem Verfahren die Beteiligten zu 2) bis 4) zwingen, die Betriebsvereinbarung in seinem Sinne zu interpretieren. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Juli 2010 (- 1 ABR 74/09 -) sei der Antrag ohnehin unzulässig. Im Übrigen hätten die Beteiligten zu 2) bis 4) eine ordnungsgemäße Beschlussfassung zur Durchführung dieses Verfahrens gerügt, was der Beteiligte zu 1) mit Schweigen übergangen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die Beschwerdeschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 14. Juli 2011 verwiesen.

II. Die Beschwerde ist statthaft und zulässig und hat auch in der Sache teilweise Erfolg.

1. Der Hauptantrag ist unbegründet, weil der Auskunftsanspruch gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG - wie das Arbeitsgericht zutreffend entschieden hat - erfüllt ist. Auf die arbeitsgerichtlichen Beschlussgründe wird insoweit Bezug genommen. Das eigentliche Begehren des Beteiligten zu 1) wird von seinem Hilfsantrag erfasst.

2. Der zuletzt noch bestehende Hilfsantrag (Bl. 68 d. A., ohne Unterlassungsantrag) ist zulässig.

a) Die Beteiligten zu 2) bis 4) haben zwar erst- und zweitinstanzlich eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Gemeinschaftsbetriebsrats zur Einleitung des vorliegenden Verfahrens und Beauftragung seines Verfahrensbevollmächtigten gerügt. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Dieses hat entschieden, es obliege dem Betriebsrat, die Voraussetzungen für das Zustandekommen eines ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses vorzutragen, wenn der Arbeitgeber die Wirksamkeit des Betriebsratsbeschlusses über die Einleitung des Verfahrens und Beauftragung eines Rechtsanwalts in Frage stelle. Erst wenn der Betriebsrat die Einhaltung der Voraussetzungen für einen wirksamen Beschluss des Gremiums über die Einleitung eines Gerichtsverfahrens im Einzelnen und unter Beifügung von Unterlagen darlege, sei ein sich daran anschließendes pauschales Bestreiten des Arbeitgebers mit Nichtwissen unbeachtlich. Der Arbeitgeber müsse dann konkret angeben, welche der zuvor vorgetragenen Tatsachen er bestreiten wolle (BAG Beschluss vom 29. Juli 2009 - 7 ABR 95/07 - EzA § 40 BetrVG 2001 Nr. 15; BAG Beschluss vom 19. Jan. 2005 - 7 ABR 24/04 - Juris; BAG Beschluss vom 9. Dezember 2003 - 1 ABR 44/02 - AP BetrVG 1972 § 33 Nr. 1). Der Betriebsrat müsse, falls der Arbeitgeber die Anhörung bestreite, vom Arbeitsgericht zu einer entsprechenden Darlegung aufgefordert werden. Ob eine - allerdings jederzeit widerlegbare - Vermutung dafür spräche, dass der Vorsitzende des Betriebsrats seine Erklärungen im Rahmen eines entsprechenden Beschlusses des Kollegialorgans treffe, sei zweifelhaft. Ein Bestreiten des Arbeitgebers sei jedenfalls ein genügender Anlass, die gerichtliche Aufklärungspflicht auszulösen.

b) Angesichts der Überfrachtung des Prozessstoffes und in vielen Fällen unnötigen Ausweitung des Verfahrens in den Instanzen ist die wiedergegebene Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (aaO.) abzulehnen. Auch wenn es das gute Recht einer Partei ist, eine Tatsache gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen zu bestreiten, wird jedoch mittlerweile mit dieser Möglichkeit Missbrauch betrieben, indem in jedem zweiten oder dritten Beschlussverfahren das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses mit Nichtwissen bestritten wird. Hätte das Landesarbeitsgericht vorliegend eine entsprechende Auflage gemacht, hätte der Gemeinschaftsbetriebsrat zu ca. 1 1/4 Jahre zurückliegenden Formalien vortragen müssen, insbesondere, welches Betriebsratsmitglied auf welche Weise die Einladung mit der Tagesordnung erhalten hat. Die Aushändigung der Einladung kann per Post, persönlich oder per E-Mail geschehen. Für den Fall der Verhinderung müssen Ersatzmitglieder mit Tagesordnung geladen werden. Der Verhinderungsgrund muss dokumentiert werden. Ersatzmitglieder müssen in der richtigen Reihenfolge geladen werden. Das Protokoll mit der Beschlussfassung muss inhaltlich ausladend gefasst werden, weil der Arbeitgeber in einem späteren Verfahren eine ordnungsgemäße Beschlussfassung mit Nichtwissen bestreiten könnte. Zu den Folgen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus den Gründen des Beschlusses des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 11. Okt. 2007 - 9 TaBV 51/07 - nicht veröffentl. (der Betriebsrat hatte in diesem Verfahren die Zurverfügungstellung einer Bürokraft beantragt):

"Für die Anfertigung von Einladungen für die Betriebsratssitzungen (Tagesordnung und Anlagen) und Versendung an 13 Betriebsratsmitglieder und ggf. Ersatzmitglieder ist eine dreiviertel Stunde wöchentlich angemessen. Für das Zusammenstellen von Sitzungsunterlagen (z. B. Kopien von Beschlussvorlagen, Anlagen, Übersichten, Vorschriften) reicht eine Stunde wöchentlich. Für die Fertigung der Sitzungsprotokolle für Betriebsrats- und Ausschusssitzungen und die Versendung an die Mitglieder sind drei Wochenstunden nicht zu hoch gegriffen. Die administrative Vorbereitung der Sitzungen wie die Versendung der Einladungen mit Tagesordnung, die Ladung von Ersatzmitgliedern, die Zusammenstellung von Sitzungsunterlagen, die entsprechende Dokumentation usw. ist erforderlich. In Beschlussverfahren ist inzwischen das Bestreiten des ordnungsgemäßen Zustandekommens von Betriebsratsbeschlüssen - wie auch im vorliegenden Verfahren - die Regel geworden, so dass hier seitens des Betriebsrats besondere Sorgfalt und die Unterstützung durch eine Bürokraft angezeigt ist (damit bisher insgesamt knapp acht Stunden)."

c) In der wiedergegebenen Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts hatte der Antrag des Betriebsrats im Umfang einer halbtags beschäftigten Bürokraft Erfolg. Eine Bürokraft oder Sekretärin für den Betriebsrat wird in vielen Fällen erforderlich sein, wenn der Betriebsrat eine Niederlage in der Sache vermeiden will, weil er die Beschlussfassung - z.B. den Verhinderungsgrund eines Betriebsratsmitglieds für die anstehende Sitzung - nicht hinreichend dokumentiert hat. Dies ist keine originäre Aufgabe von Betriebsratsmitgliedern. Vor diesem Hintergrund eines ausufernden Bestreitens von Betriebsratsbeschlüssen ins Blaue hinein muss die Anwendung des § 138 Abs. 4 ZPO wieder den Erfordernissen eines betriebsverfassungsrechtlichen Beschlussverfahrens gerecht werden, das Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber lösen soll. Die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts erscheint im Übrigen auch nicht stimmig, denn nach äußerlich beanstandungsfreier Darlegung der Beschlussfassung seitens des Betriebsrats kann der Arbeitgeber diese weiterhin in jedem einzelnen Punkt zulässigerweise gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen bestreiten, denn die Beschlussfassung wird weiterhin nicht Gegenstand seiner eigenen Wahrnehmung sein. Um dem Einwand eines pauschalen Bestreitens der Anhörung zu entgehen, wird der Arbeitgeber das Bestreiten mit Nichtwissen bezüglich der einzelnen Schritte aufschlüsseln müssen, aber ein an Fakten festgemachtes Bestreiten wird es dadurch immer noch nicht. Das Bestreiten des Arbeitgebers kann sich nach alldem nicht darin erschöpfen, ohne irgendwelche konkreten Anhaltspunkte ins Blaue hinein einen ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss zu bestreiten. Solche konkreten Anhaltspunkte gab es hier nicht.

3. Die Antragsbefugnis des Beteiligten zu 1) ist gegeben. Auf die Frage, ob der Gemeinschaftsbetriebsrat Rechte aus einer Gesamtbetriebsvereinbarung geltend zu machen berechtigt ist, kommt es nicht mehr an. Aus Gesamtbetriebsvereinbarungen, die der Gesamtbetriebsrat in originärer Zuständigkeit abgeschlossen hat, können die örtlichen Betriebsräte zwar grundsätzlich keine Durchführungsansprüche geltend machen und keine Feststellungsverfahren zur Klärung von Auslegungsstreitigkeiten. Ansprüche sind nur denkbar, wenn der Gesamtbetriebsrat die Gesamtbetriebsvereinbarung auf Grund einer Delegation der Regelungsbefugnis abgeschlossen hat oder wenn der Gesamtbetriebsrat dem Betriebsrat in der Gesamtbetriebsvereinbarung ausdrücklich eigene Rechte eingeräumt hat (BAG Beschluss vom 18. Mai 2010 - 1 ABR 6/09 - EzA § 77 BetrVG 2001 Nr. 30; LAG Baden-Württemberg Beschluss vom 25. Febr. 2011 - 18 TaBV 2/10 - LAGE § 77 BetrVG 2001 Nr. 11, Rechtsbeschwerde eingelegt unter dem Aktenzeichen 1 ABR 25/11; LAG Hamm Beschluss vom 5. März 2010 - 10 TaBV 67/09 - Juris). Hier haben die Beteiligten zu 2) bis 4) mit dem Gesamtbetriebsrat unter dem 1. Juli 2008 eine Absicherung in Form der Anerkennung aller bis dahin abgeschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarungen durch die örtlichen Betriebsräte geschaffen, die in der Vereinbarung vom 7. Sept. 2010 (Bl. 45, 46 d. A.) in Bezug genommen ist. Inhalt dieser Vereinbarung ist, dass die Gesamtbetriebsvereinbarungen auch als Vereinbarungen zwischen dem Betriebsrat C und den Arbeitgebern gilt und die Regelungen in derselben Weise Anwendung finden, als ob die Parteien eine entsprechende Vereinbarung ohne Beteiligung des Gesamtbetriebsrats abgeschlossen hätten.

4. Ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist zu bejahen. Es handelt sich um eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit um die Auslegung der GBV UVV. Diese entfällt nicht schon deshalb, weil durch die Auseinandersetzung über Inhalt und Reichweite einer Betriebsvereinbarung wegen deren normativen Wirkung auch individualrechtliche Rechtspositionen der unter ihren Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmer betroffen sind. Entscheidend ist, ob sich das Verfahren auf das betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis der Betriebspartner bezieht (BAG Beschluss vom 18. Mai 2005 - 3 ABR 21/04 - EzA § 77 BetrVG 2001 Nr. 11; BAG Beschluss vom 17. Juni 2003 - 3 ABR 43/02 - EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 40; BAG Beschluss 18. April 1989 - 1 ABR 3/88 - EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 35). Dies ist hier der Fall, denn im Vordergrund steht der Streit der Betriebsparteien um die Auslegung der GBV UVV, nicht individualrechtliche Ansprüche der Beschäftigten.

5. Die GBV UVV in Verbindung mit der örtlichen Betriebsvereinbarung ist dahingehend auszulegen, dass die Begriffe "Umsatzwachstum" und "EBIT-Marge" in der Betriebsvereinbarung vom 19. März 2009 sich auch auf den Konzern der Fa. A AG mit Einschluss der Fa. B AG beziehen und deshalb die im Geschäftsbetrieb 2009 enthaltenen und von der Beteiligten zu 2) veröffentlichen Zahlen hinsichtlich "Umsatzwachstum" und "EBIT-Marge" den Berechnungen der Zahlungen an Arbeitnehmer gemäß der Betriebsvereinbarung vom 19. März 2009 zugrunde zu legen sind. Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG Urteil vom 28. April 2009 - 1 AZR 18/08 - AP Nr. 47 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung; BAG Urteil vom 11. Dezember 2007 - 1 AZR 953/06 - AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 37 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 22).

Der Wortlaut der GBV UVV in Verbindung mit der Ergänzungsvereinbarung vom 19. März 2009 gibt keinen Anlass zu Einschränkungen der Begriffe Umsatzwachstum und Ebit-Marge. Der Ebit bezeichnet den Jahresüberschuss bzw. -Fehlbetrag bereinigt um Zinsen und Steuern. Nach § 3 der GBV UVV ist die Höhe des UVV abhängig von der Erreichung unternehmens- bzw. konzernbezogener Ziele. Die Feststellung der Zielerfüllung erfolgt nach § 5 jeweils nach Feststellung des Konzernjahresergebnisses. Die Ergänzungsvereinbarung vom 19. März 2009 stellt nur auf den Umsatz ab, lässt aber offen, ob dies unternehmens- oder konzernbezogen gemeint ist. Bei den Vorstandszielen hat zwar die Akquisition der B, wie die Beteiligten zu 2) bis 4) unwidersprochen vorgetragen haben, keine Berücksichtigung gefunden. In der GBV UVV wird ein Bezug zur Vorstandsvergütung jedoch nur für das Jahr 2007 hergestellt und in der Ergänzungsvereinbarung vom 16. April 2008 für das Jahr 2008, nicht jedoch in der Ergänzungsvereinbarung vom 19. März 2009 für das Jahr 2009. Der Geschäftsbericht 2009 stellt auf S. 92 die Unternehmenserwerbe dar, u.a. der B AG, die auf Seite 14 ff. im Einzelnen erläutert wird. Im Laufe des Jahres 2009 erwarb die Beteiligte zu 2) B Aktien. Am 23. Okt. 2009 verfügte sie über ihre Tochtergesellschaft D GmbH über 90,02 %, zum Jahresende 91 % der Anteile. Der Kaufpreis betrug EUR 443 Mio. Seit dem Erwerbszeitpunkt (20. Aug. 2009, Seite 92) trug die B Gruppe zum Konzernumsatz und zum Konzernüberschuss bei (Seite 95). Dementsprechend lautet der Geschäftsbericht auf Seite 93: "Die Ergebnisse der erworbenen Unternehmen sind ab dem jeweiligen Erwerbszeitpunkt in der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung enthalten." Die Ziele für das Jahr 2009 waren Umsatzwachstum und Ebit-Marge. Durch die Akquisition der B AG wuchsen der Umsatz und Ebit-Marge. Es gibt keinen sachlichen Grund, die Beschäftigten an diesem Umsatzwachstum nicht teilhaben zu lassen. Sie haben durch ihre Arbeitsleistung Umsätze und Kaufpreis für die B AG mit erwirtschaftet. Dies verkennen die Beteiligten zu 2) bis 4, die meinen, die Akquisition der B AG sei keine Leistung im Sinne einer leistungsbezogenen Vergütungsart.

Eine Kostenentscheidung ergeht nach § 2 Abs. 2 GKG nicht.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde für die Beteiligten zu 2) bis 4) ist zum Einen gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG infolge der Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Bestreiten eines Betriebsratsbeschlusses veranlasst, zum Anderen gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Die streitgegenständliche Differenz bei der UVV macht bundesweit ca. EUR 2,5 Mio. aus. Für den Beteiligten zu 1) ist die Rechtsbeschwerde nicht veranlasst.

VorschriftenBetrVG § 33, ZPO § 138 Abs. 4, BetrVG § 77 Abs. 1

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