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11.05.2011

Hessisches Landesarbeitsgericht: Urteil vom 05.11.2010 – 10 Sa 109/10

1.In der Berufungsinstanz kann ohne Anschlussberufung von der Auskunfts- zur Leistungsklage übergegangen werden, soweit die Voraussetzungen von § 264 ZPO vorliegen (Anschluss an BAG 10.12.2002 - 1 AZR 96/02 - NZA 2003, 734, 736).

2. Für aus Portugal für maximal 12 Monate entsandte gewerbliche Arbeitnehmer, die über eine Bescheinigung gemäß VO (EWG) Nr. 1408/71 verfügen, sind keine Sozialkassenbeiträge gemäß § 18 VTV-Bau aus Entgeltfortzahlung gemäß § 3 EFZG zu entrichten, wenn diese Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt sind, da diese Arbeitnehmer während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit keine Leistungen ihres Arbeitgebers, sondern Leistungen der stattlichen portugiesischen Pflichtversicherung erhalten. Auch an gesetzlichen Feiertagen in Deutschland entsteht hinsichtlich dieser Arbeitnehmer keine Beitragspflicht.


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 29. Oktober 2009 - 4 Ca 3844/08 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz über einen Auskunftsanspruch insbesondere hinsichtlich der Höhe der monatlichen beitragspflichtigen Bruttolöhne sowie darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger Mindestbeiträge für aus Portugal nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer für Zeiten zu entrichten, an denen die Arbeit wegen eines gesetzlichen Feiertages oder wegen der unverschuldeten Erkrankung der Arbeitnehmer ausfiel.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütungen zu sichern. Zu diesem Zweck haben die den Bautarifverträgen unterfallenden Arbeitgeber monatliche Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Bruttolohnsumme der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer an den Kläger zu zahlen. Den Beitragseinzug regelte im Anspruchszeitraum der allgemeinverbindliche Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 20. Dezember 1999 in seiner jeweiligen Fassung. Der Kläger hat die Beklagte erstinstanzlich auf Erteilung der tarifvertraglich vorgesehenen Auskünfte und in der Berufungsinstanz Klage erweiternd auf Zahlung restlicher Mindestbeiträge in Anspruch genommen.

Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung portugiesischen Rechts, die arbeitszeitlich überwiegend Rohbauarbeiten ausführt. Sie nimmt mit den nach Deutschland entsandten Arbeitnehmern seit 1996 am Sozialkassenverfahren teil. Hinsichtlich der in den Jahren 2007 und 2008 entsandten baugewerblichen Arbeitnehmer gab die Beklagte u. a. für die Zeiträume Oktober 2007 bis Dezember 2007 sowie für die Monate April, Mai und Oktober 2008 Monatsmeldungen gegenüber dem Kläger ab. In diesen Monatsmeldungen waren u. a. die an die einzelnen Arbeitnehmer gezahlten Bruttolöhne aufgeführt. Zugleich gab die Beklagte in den Monatsmeldungen "Tage ohne Lohn" an, in denen sie die deutschen Feiertage und die Arbeitsunfähigkeitstage ihrer Arbeitnehmer vermerkte. Wegen des Inhalts der von der Beklagten abgegebenen Monatsmeldungen wird auf Blatt 61 bis 82 d. A. Bezug genommen. Die Beklagte zahlte an den "Tagen ohne Lohn" an ihre Arbeitnehmer keine Vergütung. Im Falle der Arbeitsunfähigkeit trat die staatliche portugiesische Pflichtversicherung A. ein. Diese erbringt ab dem dritten Krankheitstag bzw. im Falle eines Krankenhausaufenthalts ab dem ersten Krankheitstag Leistungen an die Arbeitnehmer. Die Leistungen werden über ein Umlageverfahren finanziert, in welches die Arbeitnehmer 11% und die Arbeitgeber 23,75 % des Bruttoarbeitsentgelts einzahlen. Die in Deutschland geltenden arbeitsfreien Feiertage wurden von der Beklagten als Ausgleich für die Einhaltung der zulässigen Höchstarbeitszeiten nach dem Arbeitszeitgesetz genutzt.

In der Folgezeit stritten die Parteien darüber, ob wegen der angegebenen "Tage ohne Lohn", für die kein Beitrag von der Beklagten an den Kläger abgeführt wurde, der Beklagten Erstattungsleistungen zustünden. Insoweit schlossen die Parteien einen Teil-Vergleich, wegen dessen Inhalt auf Blatt 137 d. A. Bezug genommen wird.

Für die Zeiträume Oktober 2007 bis Dezember 2007 und April 2008, Mai 2008 sowie Oktober 2008 errechnete der Kläger auf der Basis von Mindestbeiträgen für die "Tage ohne Lohn" einen Beitrag in Höhe von EUR 2.519,15, der zwischen den Parteien rechnerisch nicht streitig ist.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Meldungen der Beklagten nicht ordnungsgemäß im Tarifsinne seien. Die Meldungen der Beklagten seien fehlerhaft, da die Beklagte an alle Arbeitnehmer, die während der Entsendung arbeitsunfähig erkrankten oder deren Arbeit wegen eines Feiertages ausfiele, Lohn zahlen müsse. Diesen Lohn müsse die Beklagte dem Kläger melden. §§ 2 und 3 Entgeltfortzahlungsgesetz seien Eingriffsnormen im Sinne von Art. 34 EGBGB.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auf dem hierfür vorgeschriebenen Formular Auskunft zu erteilen über

a) die Höhe der monatlichen beitragspflichtigen Bruttolöhne in Euro mit der Maßgabe, dass der aus Portugal entsandte Arbeitnehmer Anspruch auf Lohnfortzahlung nach §§ 2, 3 Entgeltfortzahlungsgesetz hat, wenn die Arbeit infolge eines deutschen gesetzlichen Feiertags ausfällt oder er infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist,

b) die Beschäftigungstage, soweit kein voller Beschäftigungsmonat,

c) gewährte Urlaubstage und gewährte Urlaubsvergütung, soweit darauf bereits ein tariflicher Anspruch bestand,

jedes einzelnen von ihr in den Monaten Oktober bis Dezember 2007 und April, Mai und Oktober 2008 in die Bundesrepublik Deutschland entsandten gewerblichen Arbeitnehmers.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass sie den Auskunftsanspruch für den streitgegenständlichen Zeitraum durch die Angabe "Tage ohne Lohn" erfüllt habe. An den Feier- und Krankheitstagen sei sie nach dem anzuwendenden portugiesischen Arbeits- und Sozialrecht nicht zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Die gesetzlichen Feiertage in Deutschland würden regelmäßig zum Freizeitausgleich genutzt. Im Übrigen sei der Kläger nicht berechtigt, die Meldungen auf inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen. Solches Prüfungsrecht führe dazu, dass der Kläger die Auszahlung fälliger Erstattungsansprüche blockieren könne.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 29. Oktober 2009 - 4 Ca 3844/08 - der Klage stattgegeben. Es hat unter anderem ausgeführt, die Klage sei zulässig, da dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis für die Auskunftsklage zustünde. Zwar könne der Kläger den aus seiner Sicht richtigen Bruttolohn aus den Angaben der Beklagten errechnen. Dazu sei er jedoch unter Berücksichtigung der Vielzahl der Beitragsmeldungen nicht verpflichtet. Zur Überprüfung der Meldungen sei der Kläger berechtigt, da der Arbeitgeber eine vollständige Meldung abgeben müsse. Die Klage sei auch begründet. Der Beklagte habe seine Meldepflicht nicht erfüllt, da die Monatsmeldungen falsch seien. Wie vom Bundesarbeitsgericht entschieden, stelle § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz eine Eingriffsnorm im Sinne von Art. 34 EGBGB dar. Gleiches gelte auch für § 2 Entgeltfortzahlungsgesetz.

Dieses Urteil ist der Beklagten am 22. Dezember 2009 zugestellt worden. Die Berufung ist am 19. Januar 2010 und die Berufungsbegründung nach rechtzeitiger Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22. März 2010 am selben Tag bei Gericht eingegangen und dem Kläger am 12. April 2010 zugestellt worden.

Die Beklagte wendet sich gegen das erstinstanzliche Urteil und ist weiterhin der Ansicht, dass sie an den Krankheits- und den Feiertagen keinen Sozialkassenbeitrag schulde, da portugiesisches Recht anwendbar sei. Das wäre auch die überwiegende Meinung in der Kommentarliteratur und ergäbe sich aus der VO (EWG) 1408/71. Es sei kein Grund ersichtlich, warum der Gesetzgeber in das Arbeitnehmerentsendegesetz § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz versehentlich nicht aufgenommen haben sollte.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 29. Oktober 2009 - 4 Ca 3844/08 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

sowie mit am 26. Oktober 2010 bei Gericht eingegangener, der Beklagten am 02. November 2010 zugestellter Klageerweiterung,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.519,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz per annum seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist der Ansicht, die §§ 2 und 3 Entgeltfortzahlungsgesetz seien Eingriffsnormen im Sinne von Art. 34 EGBGB, wie vom Bundesarbeitsgericht zu § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz entschieden worden sei. Diese Vorschriften hätten in das Arbeitnehmerentsendegesetz nicht aufgenommen werden müssen, da sie gemäß Art. 34 EGBGB ohnehin zwingend gälten. Es läge ein Verstoß gegen Art. 3 GG sowie gegen Art. 7 VO (EWG) 1612/68 vor, wenn die aus Portugal entsandten Arbeitnehmer auf die um 70 % niedrigere Lohnfortzahlung in Portugal verwiesen würden. Das Arbeitnehmerentsendegesetz ziele auf gleiche Arbeitsbedingungen und Schutz vor "Billigkonkurrenz". Dementsprechend habe der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 15. Juli 2008 auch festgestellt, dass europäisches koordinierendes Sozialrecht Rechts erweiternd wirken soll. Durch die VO (EWG) 1408/71 solle lediglich verhindert werden, dass Arbeitgeber Beiträge an mehrere Sozialversicherungsträger zahlen müssten. Die Auskunft sei wie beantragt gemäß § 6 Abs. 1 VTV zu erteilen, da es sich um einen einheitlichen Anspruch handele, der nicht erfüllt sei, wenn ein Element falsch angegeben sei. Die Mindestbeiträge stünden dem Kläger zu, da die Beklagte an ihre entsandten gewerblichen Arbeitnehmer an gesetzlichen Feiertagen und an Tagen unverschuldeter Krankheit Entgelt gemäß §§ 2 und 3 Entgeltfortzahlungsgesetz leisten müsste.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den Inhalt der Berufungsschriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft. Die Beklagte hat sie auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519 ZPO.

Die Berufung der Beklagten ist begründet, denn die Beklagte schuldet dem Kläger keine weiteren Auskünfte und keine (Mindest-) Beiträge für die "Tage ohne Lohn" gemäß §§ 6, 18, 21, 22 VTV i.V.m. § 1 Abs. 3 AEntG.

Die Klageanträge zu 1. b) und c) sind als unzulässig abzuweisen, da insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Die Beklagte hat für den streitgegenständlichen Zeitraum die Auskünfte hinsichtlich der Beschäftigungstage, der gewährten Urlaubstage und der gewährten Urlaubsvergütung in den Monatsmeldungen (Bl. 61 ff d. A.) erteilt. Zwar bestimmt § 21 Abs. 3 Satz 3 VTV, dass erst mit der vollständigen und richtigen Erteilung der Auskünfte gemäß Abs. 1 und 2 der Arbeitgeber seine Verpflichtung zur Beitragsmeldung erfüllt. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass Teilauskünfte nicht zu berücksichtigen sind und der Auskunftsanspruch nur einheitlich geltend gemacht werden kann.

Der Klageantrag zu 1. a) ist auslegungsbedürftig. Dem Kläger kommt es ersichtlich zunächst darauf an zu erfahren, welche Bruttovergütung von der Beklagten an den "Tagen ohne Lohn" gezahlt worden wäre, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen von §§ 2 Abs. 1, 3 EFZG vorlägen. Der Kläger ist im Rahmen seines Auskunftsbegehrens entgegen der Ansicht der Beklagten nicht darauf beschränkt, von einem Arbeitgeber erteilte Auskünfte lediglich unter formalen Aspekten zu überprüfen. Stellt der Kläger etwa fest, dass nach den Angaben eines Arbeitgebers der Mindestlohn unterschritten wurde, so kann der Kläger unter Hinweis darauf insoweit weiterhin die Erteilung zutreffender Auskünfte verlangen, § 21 Abs. 3 Satz 3 VTV. Nichts anderes gilt, soweit der Kläger die Ansicht vertritt, dass an den "Tagen ohne Lohn" Entgeltfortzahlungspflicht bestand und diese Ansicht zutreffend wäre.

Der Klageantrag zu 1. a) ist auch hinsichtlich des genannten Personenkreises "der aus Portugal entsandten Arbeitnehmer" auslegungsbedürftig, da die Bruttolöhne nur hinsichtlich der gewerblichen Arbeitnehmer relevant sind und sich zudem die Rechtslage hinsichtlich der Beitragspflicht je nachdem, für welche Zeiträume die Arbeitnehmer entsandt wurden, unterschiedlich darstellen kann. Im Hinblick auf den unstreitigen Sachverhalt, wonach die entsandten Arbeitnehmer an den "Tagen ohne Lohn" im Falle der unverschuldeten Erkrankung Leistungen von der portugiesischen Sozialversicherung erhielten, geht das Gericht davon aus, dass es sich bei den entsandten Arbeitnehmern um gewerbliche Arbeitnehmer handelt, die im Klagezeitraum über eine Bescheinigung des portugiesischen Sozialversicherungsträgers nach der VO (EWG) Nr. 1408/71 verfügten, und sich das Auskunftsbegehren des Klägers auf diese Arbeitnehmer beschränkt.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht zu.

Der für die Entstehung des Beitragsanspruchs darlegungs- und beweispflichtige Kläger behauptet nicht, dass zwischen der Beklagten und ihren entsandten Arbeitnehmern die Anwendung deutschen Rechts vereinbart wurde und aus diesem Grunde den Arbeitnehmern der Beklagten im Falle der Erkrankung bzw. des Arbeitszeitausfalls wegen eines gesetzlichen Feiertags ein Entgeltfortzahlungsanspruch aus §§ 2 Abs. 1, 3 Entgeltfortzahlungsgesetz zustehen könnte. Vielmehr ist unstreitig, dass die arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer Kranken- bzw. Verletztengeld nach portugiesischem Recht ggf. nach Ablauf einer Karenzzeit von drei Tagen von der A. erhalten haben und dass die gesetzliche Feiertage als Ausgleich für die Einhaltung der zulässigen Höchstarbeitszeiten eingesetzt wurden. Da die Beklagte während dieser Zeiten an die Arbeitnehmern keine Vergütung zahlte und nach portugiesischem Recht nicht zahlen musste, ist ein Beitragsanspruch nach § 18 VTV nicht entstanden.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 34 VTV, wonach für die Durchführung der Verfahren nach diesem Tarifvertrag deutsches Recht gilt. Aus dieser Vorschrift kann nicht geschlossen werden, dass der ausländische Arbeitgeber, der Arbeitnehmer nach Deutschland entsendet, an seine Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung nach deutschem Recht zu zahlen hat. Welchen Pflichten der ausländische Arbeitgeber unterliegt, ergibt sich aus § 7 AEntG a. F. bzw. § 2 AEntG n. F.. Das Entgeltfortzahlungsgesetz ist dort nicht aufgeführt.

Ein Beitragsanspruch des Beklagten ist auch nicht etwa deshalb entstanden, weil die Klägerin gemäß Art. 34 EGBGB verpflichtet war, ihren nach Deutschland entsandten Arbeitnehmern im Falle der Erkrankung und an gestzlichen Feiertagen Vergütung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz zu leisten. Art. 34 EGBGB, der bis zum 17. Dezember 2009 in Kraft war, besagt, dass unabhängig von dem für einen Schuldvertrag geltenden Vertragsstatut in jedem Fall die vertraglich nicht abdingbaren Vorschriften des deutschen Rechts anzuwenden sind, die den Sachverhalt ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anzuwendende Recht international zwingend regeln. Art. 34 EGBGB regelt einen Ausschnitt aus dem Problemkreis der Sonderanknüpfung zwingender Vorschriften wirtschafts- oder sozialpolitischen Gehalts, die sogenannten Eingriffsnormen. Eine Eingriffsnorm im Bereich des Arbeitsrechts kann dann vorliegen, wenn die Vorschrift nicht nur auf den Schutz von Individualinteressen der Arbeitnehmer gerichtet ist, sondern mit ihr wenigstens auch öffentliche Gemeinwohlinteressen verfolgt werden (BAG 12. Dezember 2001 - 5 AZR 255/00 - NZA 2002, 734).

Vor diesem Hintergrund gilt Folgendes:

Mit der ganz überwiegenden Kommentarliteratur wird davon ausgegangen, dass die Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes im Verhältnis des ausländischen Arbeitgebers zur B. nicht zu den zwingenden Normen im Sinn des Art. 34 EGBGB zählen, da der Gesetzgeber in § 7 AEntG a. F. bzw. § 2 AEntG n. F. abschließend aufgeführt hat, was der ausländische Arbeitgeber zwingend beachten muss (Koberski/Asshoff/Hold/Roggendorff Arbeitnehmerentsendegesetz 2002 § 1 a Randnummer 19; Wiedemann u. a. Tarifvertragsgesetz 2007 Anhang 1 zu § 5 Randnummer 16, § 7 Randnummer 1). § 7 AEntG a. F. wird als eine Vorschrift bezeichnet, die den Begriff der arbeitsrechtlich international zwingenden Normen im Sinn des Art. 34 EGBGB "authentisch" definiert (Erfurter Kommentar/Schlachter 8. Aufl. 2008 § 8 AEntG Randnummer 4/5), wobei vorliegend dahinstehen mag, ob diese "authentische Definition" generell oder lediglich im Verhältnis des ausländischen Arbeitgebers zur B. gilt. Mit der Literatur ist davon auszugehen, dass der Regelungsansatz des Arbeitnehmerentsendegesetzes und der Arbeitnehmerentsenderichtlinie darin liegt, hinsichtlich eines "harten Kerns" von Arbeitsbedingungen das Arbeitsortprinzip einzuführen. Rechtstechnisch wurde das in der Weise durchgeführt, dass bestimmte, im Gesetz genannte Vorschriften zu international zwingenden Eingriffsnormen erklärt wurden (Thüsing AEntG 2010 vor § 1 Randnummer 11).

Die Frage der Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen richtet sich im Übrigen unabhängig vom Arbeitnehmerentsendegesetz nach dem Arbeitsvertragstatut, wobei der Regelung in § 2 Entgeltfortzahlungsgesetz keine zwingende Wirkung im Sinne von Art 34 EGBGB beigemessen wird (AR-Blattei SD (Heilmann) Stichwort: Auslandsarbeit Rn. 290 m.w.N.).

Etwas anderes ergibt sich für die Zeit ab dem 17. Dezember 2009 nicht aus Art. 8, 9 VO (EG) 593/2008. In Art. 8 Abs. 1 dieser VO ist unter anderem geregelt, dass Individualarbeitsverträge dem von den Parteien nach Art. 3 gewählten Recht unterliegen und dass die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen darf, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach den Absätzen 2, 3 und 4 des vorliegenden Artikels mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Gemäß Art. 9 Abs. 1 ist eine Eingriffsnorm eine zwingende Vorschrift, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation angesehen wird, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verordnung auf den Vertrag anzuwenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbereich fallen. Art. 9 Abs. 1 VO (EG) 593/2008 ersetzt Art. 34 EGBGB. Die neue Vorschrift ändert nichts daran, dass der Gesetzgeber im Arbeitnehmerentsendegesetz für den Bereich der Arbeitnehmerentsendung eine authentische Definition des Begriffs der Eingriffsnorm vorgenommen hat und das Entgeltfortzahlungsgesetz dort nicht aufgeführt ist.

Doch selbst wenn man das anders sehen wollte, und davon ausginge, dass jedenfalls § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz auch im Verhältnis zum ausländischen Arbeitgeber eine Eingriffsnorm darstellen kann, ergäbe sich im Ergebnis nichts anderes. Das Bundesarbeitsgericht (BAG 12.12.2001 - 5 AZR 255/00 - aaO.) hat gefordert, dass das konkret zu betrachtende Anstellungsverhältnis den nötigen Inlandsbezug aufweisen müsse, welcher in dem vom BAG entschiedenen Fall darin zu sehen war, dass die dortige Klägerin als Deutsche in Deutschland lebte, von dort aus ihre Einsätze antrat und dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterlag. Ein solcher Inlandsbezug besteht zwischen der Beklagten und ihren nach Deutschland entsandten Arbeitnehmern nicht, weshalb auch aus diesem Grunde § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz nicht zwingend anzuwenden ist.

Aus Art. 7 Abs. 1 VO (EWG) 1612/68 folgt nichts anderes. Allerdings ist dort bestimmt, dass ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden darf als die inländischen Arbeitnehmer. Im Hinblick auf die Systeme der sozialen Sicherheit ist diese Verordnung weiterentwickelt und präzisiert worden durch die VO (EWG) 1408/71, welche gemäß Art. 249 Abs. 2 EGV unmittelbar anzuwendendes Recht darstellt und Vorrang vor den entsprechenden nationalen Vorschriften der Mitgliedstaaten genießt (BGH 15.07.2008 - VI ZR 105/07 - BGHZ 177, 237). Gemäß Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen. Gemäß Art. 4 Abs. 1 a VO (EWG) 1408/71 gilt diese Verordnung für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die unter anderem Leistungen bei Krankheit betreffen. Zum System der sozialen Sicherheit gehört demnach auch die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. In Art. 13 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung ist unter anderem geregelt, dass vorbehaltlich anderweitiger Regelungen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates unterliegen. Soweit nicht die Art. 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, unterliegt eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaates im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates hat. Von dieser allgemeinen Regelung wird in Art. 14 Ziff. 1. der Verordnung eine Ausnahme gemacht. Danach unterliegt eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaates von einem Unternehmen, dem sie gewöhnlich angehört, im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt wird und die von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsandt wird, weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit 12 Monate nicht überschreitet und sie nicht eine andere Person ablöst, für welche die Entsendungszeit abgelaufen ist. Sofern eine solche Arbeit, deren Ausführung aus nicht vorhersehbaren Gründen die ursprünglich vorgesehene Dauer überschreitet, über 12 Monate hinaus geht, so gelten die Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaates bis zur Beendigung dieser Arbeit weiter, sofern die zuständige Behörde des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet der Betreffende entsandt wurde, oder die von dieser Behörde bezeichnete Stelle dazu ihre Genehmigung erteilt.

Daraus folgt, dass hinsichtlich der nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer im Falle der Krankheit weiterhin portugiesisches Recht anzuwenden ist. Entsprechend der Auslegung des Klageantrags zu 1. a) ist davon auszugehen, dass hinsichtlich der entsandten Arbeitnehmer eine Bescheinigung gemäß Art. 11 VO (EWG) 574/72 vorlag. Danach hat der Träger, den die zuständige Behörde desjenigen Mitgliedstaats bezeichnet, dessen Rechtsvorschriften weiterhin anzuwenden sind, auf Antrag des Arbeitnehmers oder seines Arbeitgebers unter anderem im Fall des Art. 14 Abs. 1 VO (EWG) 1408/71 eine Bescheinigung darüber auszustellen, dass und bis zu welchem Zeitpunkt diese Rechtsvorschriften weiterhin für den Arbeitnehmer gelten. Diese Bescheinigung, die von der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaates ausgestellt wird, bindet die Träger der sozialen Sicherheit anderer Mitgliedstaaten (EuGH 10.02.2000 - Rs.C-202/97 - NZA RR 2000, 201). Ab dem 01. Mai 2010 gilt hinsichtlich der auszustellenden Dokumente gemäß Art. 5 VO (EG) 987/2009 vom 16. September 2009 im Ergebnis nichts anderes. Verfügt ein Arbeitnehmer der Beklagten über diese Bescheinigung, ist im Falle der Erkrankung des Arbeitnehmers portugiesisches Recht und nicht das Entgeltfortzahlungsgesetz anzuwenden.

Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, 15.07.2008 - VI ZR 105/07 - BGHZ 177, 237) folgt entgegen der Ansicht des Klägers nichts anderes. Dort ist lediglich entschieden worden, dass die Anwendung der Regelungen der EWG-VO 1408/71 regelmäßig nicht zum Verlust von Leistungsansprüchen führen kann, die nach dem nationalen Recht eines der Mitgliedstaaten ohne Rückgriff auf die Gemeinschaftsvorschriften bereits erworben worden sind, da europäisches koordinierendes Sozialrecht grundsätzlich nicht Rechts verkürzend, sondern nur Rechts erweiternd wirken soll. Wie oben dargelegt, haben die nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer der Beklagten keine Ansprüche aus dem deutschen Entgeltfortzahlungsgesetz erworben.

Der Antrag des Klägers auf Zahlung von Mindestbeiträgen für die "Tage ohne Lohn" in Höhe von Euro 2.519,15 ist zulässig, aber nicht begründet. Das Gericht kann über diesen in der Berufungsinstanz erstmals gestellten Antrag des Klägers entscheiden, ohne dass eine Anschlussberufung vorliegt. Eine Berufungsanschlussschrift ist entbehrlich, wenn die Voraussetzungen des § 264 ZPO vorliegen (BAG 10. 12. 2002 - 1 AZR 96/02 - NZA 2003, 734, 736). Als eine Änderung der Klage ist es gemäß § 264 Ziffer 2 ZPO nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache quantitativ oder qualitativ modifiziert wird (Zöller/Greger ZPO 26. Auf. 2007 § 264 ZPO Rn. 3). Für die "Tage ohne Lohn" ist der Kläger zur Mindestbeitragsklage übergegangen, was eine qualitative Änderung des Klageantrags bei gleich bleibendem Klagegrund darstellt (Zöller/Greger ZPO aaO., § 264 ZPO Rn. 3 b). Dieser Neufassung des Antrags stehen schutzwürdige Interessen der Beklagten, die sich auf den erweiternden Klageantrag widerspruchslos eingelassen hat, nicht entgegen (vgl. dazu Schumann/Kramer Die Berufung in Zivilsachen, 7. Aufl. 2007 Rn. 368 ff; Münch Die Klageänderung im Berufungsverfahren MDR 2004, 781, 784).

Dem Kläger steht ein Zahlungsanspruch aus den §§ 18, 22 VTV nicht zu, da - wie oben ausgeführt - an den "Tagen ohne Lohn" keine Bruttovergütung zu zahlen war, auf die Beiträge zu entrichten waren.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden unter Berücksichtigung der Kostenvereinbarung im Teilvergleich vom 28. Mai 2009 gemäß § 92 ZPO gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger, da er unterlegen ist, § 91 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.

VorschriftenAEntG § 1, TVG Tarifverträge: Bau § 1, EWGV 1408/71

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