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11.05.2011

Hessisches Landesarbeitsgericht: Urteil vom 20.09.2010 – 7 Sa 5/10


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Oktober 2009 - 14 Ca 7071/09 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine Bonuszahlung.

Die am 18. Januar 1975 geborene Klägerin ist auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 11. Juli 2007, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 7 - 10 d. A. verwiesen wird, seit dem 01. September 2007 als "Vice President" in der Investmentsparte (A) der B (im Folgenden: "Rechtsvorgängerin") beschäftigt. Ihr Arbeitsverhältnis ist inzwischen auf Grund Verschmelzung auf die Beklagte übergegangen.

Der Arbeitsvertrag enthält unter "2. Bezüge" folgende Regelung:

"Der Mitarbeiter erhält folgende Bezüge, durch die zugleich Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung abgegolten sind:

a) Gehalt

Ein Bruttomonatsgehalt von € 6.430,00

(...)

b) Variable Vergütung

Eine Gratifikation, die im Ermessen der Bank steht und jährlich im Frühjahr für das vorangegangene Kalenderjahr von der Bank neu festgelegt wird. Da mit der Gratifikation insbesondere auch die Betriebstreue des Mitarbeiters honoriert werden soll, ist Voraussetzung für die Zahlung einer Gratifikation, dass das Arbeitsverhältnis am 31.12. des vorangegangenen Kalenderjahres in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stand und auch kein Aufhebungsvertrag geschlossen war.

c) (...)"

Am 12. August 2008 wurde auf einer Vorstandssitzung der Rechtsvorgängerin die Notwendigkeit der Festlegung eines Minimum-Bonuspools in Höhe von 400 Mio. € für das Geschäftsjahr 2008 für den Bereich A erörtert, um die Mitarbeiterstabilität aufrecht zu erhalten. Am 18. August 2008 teilte das Vorstandsmitglied Dr. C den Mitarbeitern des "A-Frontoffice" die Bildung des Bonuspools mit.

Mit E-Mail vom 20. Oktober 2008 (Bl. 98 d. A.) wurde u. a. der Klägerin seitens der Rechtsvorgängerin mitgeteilt, dass die Benachrichtigung über die Vergabe der Boni am Freitag, dem 19. Dezember 2008 erfolgen werde.

Am 28. Oktober stellte die Rechtsvorgängerin einen Mitarbeiterbrief in ihr Intranet, in dem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mitgeteilt wurde, "dass der Vorstand für das Kalenderjahr 2008 ein Bonusvolumen in Höhe von 100 % des Bonusvolumens 2007 - angepasst an den Mitarbeiterbestand 2008 - pro Funktion und Division (exklusive A Frontoffice) zugesagt habe".

Am 19. Dezember 2008 erhielt die Klägerin folgenden "Bonusbrief" (Bl. 11 d. A.):

"(...)

Wir können Ihnen heute mitteilen, dass Ihr Bonus für das Jahr 2008 im Sinne von Ziffer 2 b) i. V. m. Ziffer 10/11 Ihres Arbeitsvertrages nach Maßgabe der nachstehenden Regelung vorläufig in Höhe von

EUR 50.000,00 brutto

festgesetzt wurde.

Die vorläufige Bonusfestsetzung steht unter dem Vorbehalt eines Reviews für den Fall, dass im Rahmen der Aufstellung des Jahresabschlusses 2008 weitere wesentliche negative Abweichungen in Ertrag und Ergebnis von A zum Forecast für die Monate November und Dezember 2008 festgestellt werden, d. h. die Ergebnissituation in A sich in diesem Zeitraum wesentlich verschlechtert. Dieser Review wird im Januar 2009 unter der Führung von Herrn Dr. C durchgeführt. Sollten solche weiteren wesentlichen negativen Abweichungen festgestellt werden, behält sich die Bank das Recht vor, Ihre vorläufige Bonusfestsetzung zu überprüfen und, falls erforderlich, den Betrag der vorläufigen Bonusfestsetzung zu reduzieren.

Im Februar 2009 erhalten Sie eine detaillierte Aufstellung Ihrer für das Kalenderjahr 2008 zustehenden Zahlung der endgültigen variablen Vergütung gem. Ihres Arbeitsvertrages.

Eine Auszahlung des Bonus erfolgt nur, wenn zum Auszahlungszeitpunkt des Bonus ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht. Eine Auszahlung des Bonus erfolgt im Rahmen Ihrer üblichen Gehaltszahlungen für den Monat Februar 2009.

(...)"

Mit einer englischsprachigen E-Mail vom 18. Februar 2009 (Bl. 12 d. A.) an den Verteiler "A Global Personnel" teilte die Rechtsvorgängerin u. a. mit, dass die Mitarbeiter des A Front Office, denen eine vorläufige Bonusfestsetzung mitgeteilt wurde, eine um 90 % gekürzte Zahlung erhielten. Dies wurde durch E-Mail vom selben Tag dahingehend ergänzt, dass der Bonus grundsätzlich mindestens ein Bruttomonatsgehalt betragen solle.

Entsprechend der Ankündigung in einer E-Mail vom 04. März 2009 zahlte die Rechtsvorgängerin der Klägerin einen Bonus in Höhe von 8.083,00 €.

Wegen des zu Grunde liegenden Sachverhalts im Übrigen, des Vorbringens der Parteien und ihrer Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 153 - 159 d. A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies - kurz zusammengefasst - wie folgt begründet:

Die Klägerin habe keinen Anspruch aus dem Bonusbrief vom 19. Dezember 2008, weil dieser keine auf die Ausübung des arbeitgeberseitigen Ermessens gerichtete Willenserklärung enthalte. Es handele sich lediglich um ein Mitteilungsschreiben, in dem die Rechtsvorgängerin über die zu diesem Zeitpunkt für sie maßgeblichen Erwägungen und Faktoren zur variablen Vergütung informiert und die Empfänger über die beabsichtigte weitere Vorgehensweise in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in Kenntnis gesetzt habe.

Weiterhin folge der geltend gemachte Bonusanspruch auch nicht aus einer ermessensfehlerhaften Leistungsbestimmung i. S. d. § 315 Abs. 1 und 3 BGB, da die Klägerin unter Berücksichtigung der prozessualen Darlegungs- und Beweislastverteilung keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen habe, die eine höhere Zahlung geböten.

Schließlich folge auch weder aus der Mitteilung über die Zurverfügungstellung des Bonuspools, der nicht als Gesamtzusage angesehen werden könne, noch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ein Anspruch in der geltend gemachten Höhe.

Gegen dieses Urteil vom 21. Oktober 2009, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung der Klägerin.

Die Klägerin äußert die Auffassung, die Auslegung des Bonusbriefs vom 19. Dezember 2008 durch das Arbeitsgericht sei angesichts des deutlich zu Tage getretenen Willens der Rechtsvorgängerin unzulässig. Aufgrund aller Informationen über den Bonuspool einerseits und die wirtschaftliche Situation andererseits, die der Klägerin und ihren Kollegen vor und bei der Übergabe der Bonusbriefe gegeben wurden, habe sich dessen Wortlaut so darstellen müssen, dass die Rechtsvorgängerin die von ihr genannte Bonushöhe für den Fall als maßgeblich und der Klägerin verbindlich zustehend betrachtete, dass sich ihre im Zeitpunkt der Übergabe bestehende Erwartung im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation der Bank am Ende des Geschäftsjahres als zutreffend herausstellen würde.

Auch die Beklagte sei bis zur erstinstanzlichen Entscheidung selbst davon ausgegangen, ihre Rechtsvorgängerin habe sich mit dem Bonusschreiben vom 19. Dezember 2008 rechtsverbindlich in diesem Sinne festgelegt.

Daran ändere sich auch dadurch nichts, dass die Rechtsvorgängerin die Festsetzung der Bonushöhe als "vorläufig" bezeichnete, weil sie bereits bei der Aufstellung des Mindest-Bonuspools im August 2008 davon ausging, das Geschäftsjahr 2008 nur mit einem negativen wirtschaftlichen Ergebnis abzuschließen. In Kenntnis der wirtschaftlichen Entwicklung bis zum 19. Dezember 2008 hätten die betroffenen Arbeitnehmer dennoch davon ausgehen können, dass sich die Rechtsvorgängerin sehr wohl verbindlich festlegen wollte.

Dies folge auch aus den eindeutigen Aussagen, die das Vorstandsmitglied Dr. C bei der Übergabe der Bonusbriefe im Rahmen des "Townhall-Meeting" gemacht habe. Dieser habe mitgeteilt, dass der in den überreichten Bonusschreiben genannte Vorbehalt aus seiner Sicht eine reine Formalie ohne echte praktische Relevanz sei.

Soweit das Arbeitsgericht einerseits die Leistungsbestimmung als bedingungsfeindlich bezeichnet, andererseits der Beklagten das Recht zugebilligt hat, den Bonus herabzusetzen, nehme es einen unzulässigen Zirkelschluss vor. Richtigerweise habe das Arbeitsgericht zunächst prüfen müssen, ob die Beklagte einen Vorbehalt in ihre Ermessensentscheidung überhaupt aufnehmen durfte.

Weiterhin äußert die Klägerin die Auffassung, das Arbeitsgericht habe angesichts der Bonusfestsetzung vom 19. Dezember 2008 die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast verkannt, wenn es von unzureichendem Vortrag der Klägerin zur fehlerhaften Ermessensentscheidung über die Höhe des schließlich ausgezahlten Bonus' ausging. Zum einen habe die Rechtsvorgängerin durch die Festsetzung vom 19. Dezember 2008 deutlich gemacht, dass der dort genannte Betrag dem Leistungsbeitrag der Klägerin unter Berücksichtigung der Ertragslage der Bank entspreche. Selbst wenn sich der Verlust der Investmentsparte entsprechend den Angaben der Beklagten zwischen der Übergabe des Bonusschreibens und der wirksamen Feststellung des Jahresabschlusses mehr als verdoppelt habe, so stelle sich immer noch die Frage, warum bei einer Verdoppelung des Verlustes eine Reduzierung des Bonus' auf ein Bruttomonatsgehalt billigem Ermessen entsprechen kann.

Weiterhin handele es sich bei dem im Bonusschreiben vom 19. Dezember 2008 erklärten "Vorbehalt" faktisch um einen Widerrufsvorbehalt, der wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam sei.

Schließlich fehle es an einem substanziierten Vortrag der Beklagten dazu, dass die Voraussetzungen für den erklärten "Vorbehalt" tatsächlich eingetreten seien. Wenn die Beklagte auf das Ergebnis des Jahresabschlusses verweise, so sei dies nur eines von mehreren möglichen Ergebnissen. Das negative operative Ergebnis der Investmentsparte in Höhe von 6,275 Mio. € sei von der Rechtsvorgängerin nicht festgestellt, sondern festgelegt worden. Auch vor diesem Hintergrund sei die Kürzung des Bonus' auf ein Bruttomonatsgehalt nicht zu begründen.

Die Klägerin beantragt, zu erkennen:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Oktober 2009, Aktenzeichen 14 Ca 7071/09, wird abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 41.917,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Februar 2009 zu zahlen.

Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung und verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 04. März 2010 (Bl. 215 - 226 d. A.) und die Berufungsbeantwortung vom 25. Mai 2010 (Bl. 235 - 259 d. A.) sowie den weiteren Schriftsatz der Beklagten vom 09. September 2010 (Bl. 323 - 326 d. A.) - jeweils mit den beigefügten Anlagen - verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin ist zulässig.

II. Die Berufung ist jedoch in der Sache unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Das Berufungsgericht schließt sich dem angefochtenen Urteil im Ergebnis und in der Begründung an (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Der Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze gibt Anlass zu folgenden Ergänzungen:

1. Zu Recht ist das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Bonusbrief vom 19. Dezember 2008 keine auf Ausübung des arbeitgeberseitigen Ermessens gerichtete Willenserklärung enthält. Es hat hierzu die allgemeinen Regeln zur Auslegung von Willenserklärungen ausführlich dargelegt und zutreffend angewandt.

Danach ist das Recht einer Vertragspartei, die Leistung nach § 315 Abs. 1 BGB einseitig zu bestimmen, ein Gestaltungsrecht, das durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber der anderen Vertragspartei ausgeübt wird.

Eine Willenserklärung ist die Äußerung eines auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichteten Willens: Sie bringt einen Rechtsfolgewillen zum Ausdruck. Der subjektive Tatbestand der Willenserklärung wird üblicherweise unterteilt in den das äußere Verhalten beherrschenden Handlungswillen, das Erklärungsbewusstsein und den Geschäftswillen. Zum objektiven Tatbestand gehört jede Äußerung, die den Rechtsfolgewillen nach außen erkennen lässt (Palandt/Ellenberger 68. Aufl. Einf. vor § 116 BGB Rn. 1). Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen ist der objektive Erklärungsinhalt maßgeblich. Der Tatrichter hat sie so auszulegen, wie der Erklärungsempfänger sie nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte von seinem Empfängerhorizont aus verstehen musste. Innerhalb dieses normativen Rahmens kommt es darauf an, was der Erklärende gewollt und inwieweit er seinen Willen für den Erklärungsempfänger erkennbar zum Ausdruck gebracht hat. Der Empfänger darf der Erklärung dabei nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn beilegen, sondern muss unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit prüfen, was der Erklärende gemeint hat (BGH Urteil vom 21. Mai 2008 - IV ZR 238/06 - NJW 1008, 2712 ff m. w. N.). Dies gilt nicht nur dann, wenn nicht der Inhalt einer Willenserklärung durch Auslegung nach §§ 133, 167 BGB zu ermitteln ist, sondern auch, wenn zweifelhaft ist, ob eine bestimmte Erklärung als Willenserklärung zu werten ist oder nicht (vgl. BAG Urteil vom 02. März 1973 - 3 AZR 325/72 - AP BGB § 133 Nr. 36).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Arbeitsgericht mit zutreffenden Gründen, auf deren Wiederholung verzichtet werden kann, zu dem eingangs beschriebenen Ergebnis gelangt.

Die von der Klägerin in der Berufung hiergegen vorgebrachten Argumente können aus folgenden Gründen kein anderes Ergebnis begründen:

Nicht nur der mehrfache Gebrauch des Wortes "vorläufig", sondern auch der eindeutige Vorbehalt, den Betrag "falls erforderlich ... zu reduzieren" lässt die Auffassung der Klägerin, es habe sich bei dem Schreiben vom 19. Dezember 2010 um eine eindeutige und endgültige, einer Auslegung nicht zugängliche Festsetzung der Bonushöhe im Sinne einer Leistungsbestimmung gem. § 315 BGB gehandelt, nicht zu. Vielmehr musste den Empfängern nach Erhalt und sorgfältiger Lektüre dieses Schreibens klar sein, dass trotz der Nennung eines durch Fettdruck hervorgehobenen Betrags dessen Auszahlung nicht allein an die am Ende des Schreibens genannte Bedingung eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses geknüpft ist, sondern dass gerade die zur Aufstellung des Jahresabschlusses noch durchzuführenden Ermittlungen zu einer Herabsetzung des Bonusbetrags führen kann, wobei eine bestimmte Mindesthöhe nicht genannt wurde.

Daran ändern weder die Kenntnis der Parteien über die bis zu diesem Termin gegebene wirtschaftliche Entwicklung noch die Umstände bei der Übergabe etwas.

Es mag sein, dass sich die Klägerin ebenso wie ihre Kollegen aufgrund der vorausgegangenen Erklärungen des Vorstands der Rechtsvorgängerin in der sicheren Erwartung befand, am 19. Dezember eine Bonuszusage ohne jegliche Einschränkung, Bedingung oder Vorbehalt zu bekommen. Diese Erwartung hat die Rechtsvorgängerin jedoch, wie sich aus dem Wortlaut des Schreibens ergibt, gerade nicht erfüllt. Insbesondere die Ausführungen, die das Vorstandsmitglied Dr. C der Rechtsvorgängerin bei dem so genannten Townhall-Meeting machte, können keinesfalls die unrichtige Auslegung der schriftlichen Erklärung, wie sie die Klägerin vornimmt, stützen. Dr. C ließ keinen Zweifel daran, dass er zwar gerne eine endgültige Zusage gemacht hätte, ihm dies aber auf Grund eines entsprechenden Vorstandsbeschlusses gerade nicht möglich war. Indem er unstreitig darauf hinwies, dass die Berechnung vorläufig sei und die Auszahlung davon abhängig sei, dass es nicht zu einer weiteren Verschlechterung der Situation komme, machte er vielmehr deutlich, dass der Vorstand der Rechtsvorgängerin mit dem Schreiben vom 19. Dezember 2008 keine verbindliche Leistungsbestimmung i. S. d. § 315 BGB erklären wollte und dies auch nicht getan hat.

Darüber hinaus geht auch das Berufungsgericht wie das Arbeitsgericht davon aus, dass die Leistungsbestimmung i. S. d. § 315 BGB bedingungsfeindlich ist und deshalb auch nicht mit einem - wie auch immer begründeten - Vorbehalt versehen werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 09. November 1999 - 3 AZR 432/89 - BAGE 92, 358 unter B III 3 a) der Gründe; BAG, Urteil vom 11. März 1981 - 4 AZR 1070/79 - BAGE 35, 141). Soweit Gottwald (MünchKomm BGB, 5. Aufl., § 315 Rn. 37) davon Ausnahmen aus praktischen Bedürfnissen zulassen will, bezieht er sich ausdrücklich auf solche, deren Eintritt der Erklärungsempfänger selbst herbeiführen und feststellen kann und nennt als Beispiel im Arbeitsrecht die Änderungskündigung. Es liegt auf der Hand, dass die Interessenlage der Parteien mit einem solchen Fall nicht vergleichbar ist, denn der hier formulierte Vorbehalt lag allein bei der Beklagten. Die Klägerin hatte auf den Inhalt und das Ergebnis der angekündigten Review keinerlei Einfluss.

Nach den vorausgegangenen Feststellungen kann dahingestellt bleiben, ob der geäußerte Vorbehalt im Sinne einer von der Beklagten selbst noch zu erfüllenden Bedingung die gesamte Leistungsbestimmung - unter der Voraussetzung, dass man entgegen den vorausgegangenen Feststellungen von einem entsprechenden Erklärungsinhalt ausgeht - unwirksam macht. Keinesfalls hat der bei einer Leistungsbestimmung unzulässige Vorbehalt aber zur Wirkung, dass dann die Bestimmung vorbehaltlos gilt. Vielmehr ist nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB die gesamte Erklärung nichtig, denn aus dem Wortlaut selbst, den Erklärungen des Vorstandsmitglieds Dr. C und den entsprechenden Beschlüssen des Vorstands der Rechtsvorgängerin folgt ja gerade, dass diese unter den damaligen Umständen keinesfalls willens war, eine Bonuszusage ohne den formulierten Vorbehalt abzugeben.

Daraus folgt zugleich, dass das Arbeitsgericht, das zu Recht den Bonusbrief nicht als endgültige Leistungsbestimmung i. S. d. § 315 BGB erachtet hat, keinen Zirkelschluss bezüglich des erklärten Vorbehalts vorgenommen hat und dieser auch nicht als - in den Augen der Klägerin - unzulässiger Widerrufsvorbehalt angesehen werden kann.

Damit bleibt es bei dem bereits erstinstanzlich festgestellten Ergebnis, dass die Klägerin aus § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. Nr. 2 b) seines Arbeitsvertrags und dem Schreiben vom 19. Dezember 2008 keinen Anspruch auf Zahlung des begehrten Bonus' hat.

2. Ein solcher Anspruch folgt auch nicht aus §§ 611 Abs. 1, 315 Abs. 1 und Abs. 3 BGB i. V. m Nr. 2 b) des Arbeitsvertrags.

Aus dem Vortrag der Klägerin folgt auch in der Berufungsinstanz nicht, dass die Beklagte bei der Leistungsbemessung ermessensfehlerhaft gehandelt hat und nur die Auszahlung des vollen am 19. Dezember 2008 mitgeteilten vorläufigen Betrags billigem Ermessen entspricht.

Bei der nach § 315 Abs. 3 Satz 1 gebotenen Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen muss der Arbeitgeber die wesentlichen Umstände des Einzelfalls und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigen (stRspr, vgl. z. B. BAG Urteil vom 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - juris m. w. N.). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB der Billigkeit entspricht, trägt derjenige, dem das Recht eingeräumt wurde (BAG Urteil vom 11. Oktober 1995 - 5 AZR 1009/94 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 45). Allerdings ist dabei von einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast in dem Sinne auszugehen, dass zunächst ein Arbeitnehmer, der die Leistungsbestimmung nicht gelten lassen will, im Prozess angeben muss, weshalb er die Bestimmung für unbillig hält (AnwK-ArbR/Elz 1. Aufl. § 315 BGB Rn. 68).

a) Zu Recht ist das Arbeitsgericht deshalb davon ausgegangen, dass die Klägerin trotz der vorläufigen Bonusmitteilung vom 19. Dezember 2008 als Leistungsempfänger darlegen muss, weshalb sie die Bestimmung vom Februar 2009 für unbillig hält. Bereits dies ist ihr nicht gelungen.

Dabei kann die Klägerin nicht auf die Mitteilung vom 19. Dezember 2008 zurückgreifen, da diese - wie unter 1. bereits festgestellt - keine verbindliche Bonusfestsetzung darstellte. Damit war die Beklagte frei, auf Grund der ihr zum Zeitpunkt der Beschlussfassung vorliegenden Zahlen vertragsgemäß unter Berücksichtigung der Leistung der Klägerin ihr Ermessen zur Leistungsfestsetzung neu auszuüben.

Die Beklagte hat als Grundlage ihrer Entscheidung Zahlen vorgetragen, die für sich allein genommen bereits eine erhebliche Einschränkung der vorläufig mitgeteilten Boni rechtfertigen: Danach endete die Review zum Stand vom 04. Februar 2009 mit einem operativen Ergebnis der A von - 5,751 Mio. € und einem Verlust vor Steuern von 5,948 Mrd. €. Damit hatte sich der Verlust gegenüber der Prognose vom November annähernd verdoppelt, die Erträge präsentierten sich 10-fach schlechter als im November.

Die Klägerin hat diesen Vortrag der Beklagten nicht substanziiert bestritten. Insbesondere blieb unstreitig, dass sich die Gesamtsituation der Rechtsvorgängerin und damit auch die der sie übernehmenden Beklagten so dramatisch entwickelte, dass es schließlich zum operativen Ergebnis des Bereichs Investment Banking in Höhe von -6,275 Mio. € und einem operativen Verlust der Rechtsvorgängerin der Beklagten insgesamt von 6,560 Mrd. € kam.

Dieses endgültige Ergebnis wurde so im testierten Jahresabschluss der Rechtsvorgängerin der Beklagten (auszugsweise vorgelegt als Bl. 132 - 140 d. A.) festgestellt, und kann schon deshalb nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden. Wenn die Klägerin dem entgegenhält, es handele sich um Festlegungen, nicht um Feststellungen, so muss dies schon deshalb als unsubstanziiertes Bestreiten unberücksichtigt bleiben, weil sie die nach ihrer Auffassung möglichen Alternativen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen nicht benennt.

Im Übrigen spricht der Bestätigungsvermerk der Abschlussprüfer unter dem Finanzbericht 2008 der Rechtsvorgängerin (Bl. 139 f d. A.) eine deutliche Sprache, die dem Vortrag der Klägerin widerspricht. Darin heißt es:

"Ohne diese Beurteilung einzuschränken, weisen wir auf die Ausführungen im Konzernlagebericht in den Abschnitten "Geschäftliche Entwicklung" und "Ausblick" sowie im Konzernrisikobericht im Abschnitt "Zusammenfassung und Ausblick" hin. Dort ist ausgeführt, dass der Fortbestand der B davon abhängt, dass in ausreichendem Maße Eigenkapital zur Stärkung der aufsichtsrechtlichen Eigenmittel sowie der Risikodeckungsmasse zur Verfügung gestellt wird. Hierzu ist insbesondere erforderlich, dass

- die D eine stille Einlage in Höhe von 750 Mio. € leistet;

- die E als 100 %iger Gesellschafter der B für diese bis zur Verschmelzung eine angemessene Kapitalausstattung sicherstellen wird;

- das integrierte Institut E nach der Verschmelzung eine ausreichende Eigenkapitalausstattung ausweist;

- die zuständigen Behörden keine aufsichtsrechtlichen Maßnahmen ergreifen werden sowie

- gegen die vorgenannten Maßnahmen keine rechtlichen Vorbehalte (insbesondere EU-Verfahren) geltend gemacht werden."

Zwar lagen der Rechtsvorgängerin der Beklagten diese Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Bonusfestsetzung im Februar 2009 noch nicht vor, der Vermerk macht jedoch nachträglich deutlich, in welch prekärer finanzieller Situation sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten kurz vor Übernahme durch diese befand. Dadurch wurde die Richtigkeit der Review-Ergebnisse, die die Rechtsvorgängerin ihrer Bonusfestsetzung zu Grunde gelegt hatte, nachträglich bestätigt.

Indem die Beklagte allein diese Ergebnisse nunmehr zur Basis ihrer Ermessensentscheidung nahm, verstieß sie nicht gegen die gesetzlich gebotene Billigkeit. Insbesondere kommt es angesichts dieser Erkenntnisse nicht mehr darauf an, wie sich die Ertrags- und Ergebnissituation der A und/oder der Rechtsvorgängerin insgesamt in den Monaten zwischen August und Dezember 2008 in den Prognosen des Vorstands entwickelt hatte.

Dass die Rechtsvorgängerin im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung auch die individuelle Leistung der Klägerin in Beachtung der arbeitsvertraglichen Regelung berücksichtigt hat, folgt bereits daraus, dass sie hinsichtlich der Höhe der ausgezahlten Boni unter den bonusberechtigten Arbeitnehmern differenziert entschieden und in deren Verhältnis untereinander die Leistungsbeurteilung, die zur vorläufigen Mitteilung vom 19. Dezember 2008 geführt hatte, weiter zu Grunde gelegt hat.

b) Auch aus einem weiteren Grund ist der Vortrag der Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs aus § 611 BGB i. V. m. § 315 Abs. 1 und 3 BGB unschlüssig:

Da die Klägerin einen bezifferten Anspruch in Höhe des am 19. Dezember 2008 mitgeteilten Bonus' geltend macht, müsste sich aus ihrem Vortrag ergeben, dass allein die Festsetzung in dieser Höhe der ordnungsgemäßen Leistungsbemessung i. S. d. § 315 BGB entspräche. Für eine solche Reduzierung des Ermessensspielraums sind jedoch keine tragfähigen Anhaltspunkte ersichtlich, denn nach den vorausgehenden Erwägungen war die Rechtsvorgängerin jedenfalls berechtigt, den zu zahlenden Bonus vor dem Hintergrund des sich im Februar 2009 abzeichnenden schlechten wirtschaftlichen Ergebnis sowohl des Investment-Bereichs als auch der Bank insgesamt neu und weit geringer als zunächst angekündigt festzusetzen.

Dem Gericht wäre es danach selbst im Falle einer festgestellten fehlerhaften Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts unmöglich, auf der Basis der ihm mitgeteilten Daten eine eigene Leistungsbestimmung i. S. d. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB in Höhe des begehrten Betrags vorzunehmen.

3. Zu Recht hat es das Arbeitsgericht weiterhin abgelehnt, in der Mitteilung über die Bereitstellung des Bonuspools in Höhe von 400 Mio. € eine Gesamtzusage gegenüber der Klägerin und den anderen Arbeitnehmern zu erkennen. Weder die Mitteilung vom 18. August 2008 noch das Mitarbeiterschreiben vom 28. Oktober 2008 enthält irgendwelche Verteilungsgrundsätze oder sonstige Zahlungsvoraussetzungen. Es mangelt diesen Erklärungen somit an den vom Arbeitsgericht ausführlich dargestellten Voraussetzungen, die Rechtsprechung und Lehre an eine Gesamtzusage stellen.

In Ergänzung hierzu kann zur rechtlichen Beurteilung des Mitarbeiterbriefs vom 28. Oktober 2008 auf die den Parteien bekannte rechtskräftige Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 04. Februar 2010 (Az. 2 Sa 598/09 - NZA-RR 2010, 398-401) verwiesen werden, mit dem die Berufung eines Arbeitnehmers der Beklagten zurückgewiesen wurde, der allein unter Berufung auf den Mitarbeiterbrief vom 28. Oktober 2008 einen Bonusanspruch gegenüber der Beklagten geltend machte.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Da die der Entscheidung zu Grunde liegenden Rechtsfragen über den Einzelfall hinaus für eine Vielzahl von Arbeitnehmern der Beklagten von grundsätzlicher Bedeutung sind, wurde die Revision gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

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