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29.04.2011

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Beschluss vom 01.07.2010 – 5 Ta 123/10


Tenor:

Die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 27. April 2010 - 3 Ca 677/09 - wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerde der Beschwerdeführer (Prozessbevollmächtigte der Beklagten) richtet sich gegen die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts gemäß § 63 Abs. 2 GKG.

2

Im Ausgangsverfahren wandte sich der Kläger gegen eine außerordentliche wie hilfsweise ordentliche Kündigung vom 21. Dezember 2009 sowie eine ordentliche Kündigung vom 30. November 2009. Der Rechtsstreit endete durch Vergleich vom 2. Februar 2010, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger betriebsbedingter Kündigung mit Ablauf des 28. Februar 2010 enden wird, die Beklagte an den Kläger eine Sozialabfindung zahlt und die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger noch durch Einzelabrechnungen abrechnet sowie der Kläger unter Verrechnung auf eventuelle Urlaubsansprüche bis zum Ablauf des Arbeitsverhältnisses freigestellt wird.

3

Das Arbeitsgericht hat nach Gewährung rechtlichen Gehörs den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert im angefochtenen Beschluss auf EUR 16.687,83 und ein Vergleichsmehrwert in Höhe von EUR 250,00 festgesetzt. Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 3. Mai 2010 beim Arbeitsgericht eingegangene Beschwerde der Beschwerdeführer, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 11. Juni 2010 nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.

4

Das Landesarbeitsgericht hat mit Verfügung vom 21. Juni 2010 die Beschwerdeführer auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammer hingewiesen. Die Beschwerdeführer haben mit Schriftsatz vom 29. Juni 2010 abschließend Stellung genommen.

II.

5

Die nach dem Wert der Beschwer (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat im angefochtenen Beschluss den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert auf EUR 16.687,83 sowie einen Vergleichsmehrwert in Höhe von EUR 250,00 zutreffend festgesetzt. Weder ist die Festsetzung eines höheren Verfahrenswertes noch eines höheren Vergleichsmehrwerts begründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert unter einmaliger vollständiger Ausschöpfung des Wertrahmens nach § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG festgesetzt. Es ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass zwischen den letztlich drei Kündigungsschutzanträgen hinsichtlich der ordentlichen Kündigung vom 30. November 2009 sowie der außerordentlichen hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 21. Dezember 2009 wirtschaftliche Identität besteht, weshalb die einzelnen Werte für die jeweiligen Klaganträge nicht nach § 39 Abs. 1 GKG addiert werden können. Ebenso zutreffend hat das Arbeitsgericht die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts hinsichtlich der vereinbarten Freistellung abgelehnt.

6

1. Zu Recht hat das Arbeitsgericht zunächst für den Klagantrag, gerichtet gegen die außerordentliche Kündigung vom 21. Dezember 2009, einen Wert in Höhe des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts nach § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG mit EUR 16.687,83 festgesetzt. Dies wird insoweit von der Beschwerde auch nicht in Zweifel gezogen.

7

2. Der gegen die ordentliche Kündigung vom 21. Dezember 2009 und gegen die ordentliche Kündigung vom 30. November 2009 gerichtete Kündigungsschutzanträge zu 2 und 3 führen zu keiner Werterhöhung. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend entschieden. Zwar haben die beiden Kündigungsschutzanträge jeweils einen eigenen Wert in Höhe von EUR 16.687,83. Diese Werte sind aber mit dem Wert des Antrags zu 1 nicht zusammenzurechnen.

8

a) Zwischen den drei punktuellen Kündigungsschutzanträgen besteht wirtschaftliche Identität, da sie wirtschaftlich dasselbe Ziel verfolgen, nämlich den Fortbestand des Vertragsverhältnisses zwischen den Arbeitsvertragsparteien. Deshalb sind diese Werte nicht nach § 39 Abs. 1 GKG zu addieren. Wo trotz prozessualer Anspruchsmehrheiten keine wirtschaftliche Werthäufung entsteht, darf auch keine Zusammenrechnung erfolgen (vgl. etwa BGH 29. Januar 1987 - V ZR 136/86 - NJW-RR 1987, 1148). Es kommt deshalb streitwertrechtlich nicht darauf an, welche prozessualen Streitgegenstände zur Entscheidung gestellt wurden, sondern ob durch einen weiteren prozessualen Gegenstand ein weiterer wirtschaftlicher Wert in den Rechtsstreit eingeführt wurde. Dies ist aber in Bezug auf Anträge, die den Bestand des nämlichen Arbeitsverhältnisses betreffen, nicht der Fall, wenn und soweit sich die Zielrichtung der Anträge unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten deckt. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung der früheren Beschwerdekammer und steht überdies insoweit auch in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 6. Dezember 1984 - 2 AZR 754/79 (B) - AP ArbGG 1979 § 12 Nr. 8 = EzA ArbGG 1979 § 12 Nr. 34; vgl. auch LAG Hamm 3. Februar 2003 - 9 Ta 520/02 - LAGE ArbGG § 12 Streitwert Nr. 128 = NZA-RR 2003, 321 für den Fall des Zusammentreffens eines Antrages nach § 4 KSchG mit einem solchen nach § 256 Abs. 1 ZPO). Das Additionsverbot bei Anträgen, die wirtschaftlich nicht zur Werterhöhung führen, ist ein allgemeines Prinzip im Regelungsbereich der § 5 ZPO und § 39 Abs. 1 GKG (vgl. zur Frage der wirtschaftlichen Teilidentität im Bereich des Mietrechts mit vergleichbarer Problematik BGH 22. Februar 2006 - XII ZR 134/03 - MDR 2006, 980 = NJW-RR 2006, 1004; BGH 2. November 2005 - XII ZR 137/05 - MDR 2006, 657 = NJW-RR 2006, 378). Die von Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Auflage § 12 Rn. 108 vertretene Auffassung, es könne keinen Unterschied machen, ob mehrere Kündigungen in einem Verfahren oder in mehreren Verfahren bekämpft werden, ist unzutreffend. Richtig ist das Gegenteil. Auch doppelt anhängig gemachte Anträge sind in jedem Verfahren mit dem vollen Betrag zu bewerten (vgl. LAG Baden-Württemberg 28. Januar 2005 - 3 Ta 3/05 - zitiert nach juris), im selben Verfahren findet mangels Werthäufung keine Addition statt. Soweit die Feststellungsklagen untereinander als unecht eventual-kumuliert erachtet würden und auch unechte Hilfsanträge unter § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG fielen, ergäbe sich das Additionsverbot auch unter diesem Gesichtspunkt. Daran können auch arbeitsrechtliche Sonderansichten nichts ändern. Jede Klage ist, soweit das wirtschaftliche Interesse des Klägers dies gebietet, mit dem vollen Wert anzusetzen, weil jede Kündigung geeignet wäre, das Arbeitsverhältnis auf Dauer zu beenden. Es stellt sich lediglich die Frage, ob die Werte nach § 39 Abs. 1 GKG zu addieren sind. Dies ist aber nicht der Fall, weil ein Arbeitsverhältnis auch durch noch so viele Kündigungen oder sonstige vom Arbeitgeber vorgebrachte Beendigungstatbestände und Klagen gegen diese für den Kläger nicht wertvoller wird (ständige Rechtsprechung statt vieler LAG Baden-Württemberg 11. Januar 2008 - 3 Ta 5/08 - zitiert nach juris).

9

b) Hieran hält die erkennende Beschwerdekammer auch nach nochmaliger Überprüfung ausdrücklich fest (LAG Baden-Württemberg 22. Juli 2009 - 5 Ta 23/09 -, zu II der Gründe; 23. Oktober 2009 - 5 Ta 108/09 -, zu II 1 b der Gründe; 27. November 2009 - 5 Ta 126/09 -, zu II 1 b der Gründe). Eine höhere Bewertung mit dem Argument, dass zwischen den beiden Beendigungszeitpunkten der beiden Kündigungen ein Zeitraum von einem Monat liegt und damit der zweite Kündigungsschutzantrag ein eigenes wirtschaftliches Ziel habe, das über das des ersten Antrags hinausgeht, kommt nicht in Betracht. Auch dies hat nach dem zuvor Ausgeführten keine Auswirkung auf den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert. Es liegt wirtschaftliche Identität vor, weshalb eine Zusammenrechnung der Werte ausscheidet.

10

3. Soweit das Arbeitsgericht einen Vergleichsmehrwert in Höhe von EUR 250,00 festgesetzt hat, lässt diese Festsetzung Fehler nicht erkennen. Die Nichtfestsetzung eines Vergleichsmehrwerts für die Freistellung ist zutreffend. Insoweit fehlt es an den Voraussetzungen für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts.

11

a) Ein Vergleichsmehrwert setzt nach allgemeiner Überzeugung im Sinne des § 779 BGB die Beseitigung eines Streits oder einer Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch die Vereinbarung voraus (vgl. nur Schneider-Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozess 12. Auflage Rn. 5717 ff. m. w. N.). Ein Rückgriff insoweit auf die Regelung Nr. 1000 VV RVG wird der gesetzlichen Systematik nicht gerecht. Diese Bestimmung regelt nicht die Frage, wann ein Vergleichsmehrwert anzunehmen ist, sondern wann eine Einigungsgebühr entsteht. Aus welchem Wert sie zu berechnen ist, ist nicht Gegenstand der Regelung. Erforderlich ist danach auch für das Entstehen einer Einigungsgebühr, dass ein Streit oder eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis vertraglich beseitigt wird. Dieser Wortlaut stimmt mit § 779 BGB insoweit überein, mit der Maßgabe, dass auf ein gegenseitiges Nachgeben verzichtet wird. Darüber hinaus soll die Einigungsgebühr die Bemühung der Rechtsanwälte um eine Beilegung eines Streitfalls ohne streitige Entscheidung unter den dort genannten Voraussetzungen honorieren. Dies beinhaltet ohne Weiteres auch eine Regelung von begleitenden Umständen oder Folgewirkungen des Vergleichs; denn die Vergleichsbereitschaft einer Partei hängt häufig davon ab, dass mit dem Vergleich weitere Regelungen getroffen werden über Umstände, die zwar rechtlich nicht umstritten waren, die aber als Ansatzpunkt für eigene Forderungen bezüglich des Inhalts der Vereinbarung benutzt werden, um in einer anderen Frage der Gegenpartei entgegenzukommen. Eine doppelte Honorierung der Rechtsanwälte durch die Einigungsgebühr und durch die Erhöhung des Vergleichsmehrwerts kommt im Rahmen des § 63 Abs. 2 GKG nur in Betracht, soweit nach den Grundsätzen, die für die Berechnung der Gerichtsgebühren maßgeblich sind, eine Werterhöhung stattfindet. Wegen der Einheitlichkeit der im Rahmen des Gerichtskostengesetzes zu beachtenden Regelungen ist für diese Frage auf die Gebührentatbestände zurückzugreifen, die in den anderen dort geregelten Gerichtsverfahren anzuwenden sind.

12

Dass im Bereich des arbeitsgerichtlichen Verfahrens für den Vergleichsmehrwert, soweit dieser den Wert der rechtshängigen Ansprüche übersteigt, keine Gebühren verlangt werden, ändert nichts daran, dass in einem Verfahren, bei dem sich die Gebühren nach dem Streitwert richten, eine Wertfestsetzung zu erfolgen hat. In Nr. 1900 KV GKG ist dies, wie bei den anderen, dieselbe Gebührenfrage betreffenden Regelungen (vgl. z. B. Nr. 5600 KV GKG) der Fall, wenn der Wert dessen, worüber der Vergleich geschlossen worden ist, den Wert dessen übersteigt, der Gegenstand des Rechtsstreits war (vgl. etwa Hartmann Kostengesetze 40. Auflage KV 1900 Rn. 6 ff.). Nicht maßgeblich ist, welche Leistungspflicht im Vergleich festgelegt wird, also der Inhalt des Vergleichs (LAG Baden-Württemberg 18. Februar 2010 - 5 Ta 14/10 -, zu II 3 a der Gründe).

13

b) Gemessen an diesen Voraussetzungen hat das Arbeitsgericht zu Recht die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts abgelehnt. Die Regelung hinsichtlich der Freistellung hat keinen Mehrwert in vorstehendem Sinne. Für die unwiderrufliche Freistellung des Klägers zur Fortzahlung der Bezüge (Nr. 4 des Vergleichs), lässt sich aus dem im Beschwerdeverfahren gehaltenen Vortrag nicht schließen, dass der Kläger einen Anspruch auf Freistellung geltend gemacht oder die Beklagte sich eines Rechts auf Freistellung des Klägers berühmt hat. Die Regelung der Freistellung stellt lediglich eine Regelung zur Abwicklung des Arbeitsverhältnisses dar und löst keinen Mehrwert aus. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Vergütung für den genannten Zeitraum letztlich mit dem Bestandsschutz, wirtschaftlich (teil-)identisch ist, weshalb eine Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts nicht in Betracht kommt. Im Übrigen wird auf die Verfügung vom 21. Juni 2010 Bezug genommen und verwiesen.

III.

14

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).

15

Gegen diese Entscheidung findet ein Rechtsmittel nicht statt (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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