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21.04.2011

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Beschluss vom 20.12.2010 – 26 Ta 2314/10

1. Bei Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft ist anerkannt, dass Unterhaltsleistungen zu Gunsten eines Lebensgefährten im Rahmen der besonderen Belastungen iSd. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO Berücksichtigung finden können.

Der Höhe nach ist insoweit generell jedenfalls ein Betrag ansatzfähig, der dem entspricht, der dem Lebensgefährten im Hinblick auf die Unterhaltsleistungen durch ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft von seiner Sozialleistung abgezogen wird (vgl. KG 30. März 2006 - 3 WF 42/06 - FamRZ 2006, 962, Rn. 6).

2. Aus Vereinfachungsgründen - insbesondere wenn im Hinblick auf die bestehende Bedarfsgemeinschaft erst gar kein Leistungsantrag gestellt worden ist - können diese Unterhaltsleistungen bis zu den sich aus § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO ergebenden Beträgen als besondere Belastung Berücksichtigung finden. Die Freibeträge des § 115 Abs. 1 Nr. 2 ZPO sind allerdings um das Einkommen des Lebensgefährten zu kürzen (vgl. OLG Karlsruhe 7. November 2007 - 16 WF 164/07 - FamRZ 2008, 421).


Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg

Geschäftszeichen

26 Ta 2314/10

56 Ca 13125/09

Arbeitsgericht Berlin

Beschluss

In dem Beschwerdeverfahren

pp
- Beschwerdeführer -

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 26. Kammer,

durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht K. als Vorsitzenden

am 20. Dezember 2010 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 20. Oktober 2010 - 56 Ca 13125/09 - teilweise mit der Maßgabe abgeändert, dass Raten nicht in Höhe von 150 Euro, sondern in Höhe von 75 Euro zu zahlen sind. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdegebühr wird auf die Hälfte ermäßigt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Das Arbeitsgericht bewilligte dem Beschwerdeführer am 10. August 2009 Prozesskostenhilfe ohne Raten.

Im August 2010 forderte das Arbeitsgericht (Rechtspflegerin) den Beschwerdeführer auf, dem Gericht mitzuteilen, ob sich seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse geändert hätten. Dieser teilte daraufhin mit, dass er inzwischen über ein Nettoeinkommen als Zeitsoldat in Höhe von 1.682 Euro verfüge. Außerdem legte er einen Mietvertrag bei. Danach bewohnt er inzwischen seit dem 1. Oktober 2009 gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin eine Wohnung. Die Lebensgefährtin verfügt lediglich über ein Einkommen in Höhe von 132 Euro (Schüler-BAFÖG) monatlich. Der Beschwerdeführer zahlt die Miete in Höhe von 539 Euro im Monat. Ein Wohngeldantrag der Legensgefährtin wurde wegen anrechenbaren monatlichen Einkommens abgelehnt. Auch ihr Antrag auf einen Zuschuss zu den Kosten für Unterkunft und Heizung blieb erfolglos.

Das Arbeitsgericht wies den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 28. September 2010 darauf hin, dass es angesichts der veränderten Einkommensverhältnisse beabsichtige, den Bewilligungsbeschluss abzuändern. Das geschah mit Beschluss vom 20. Oktober 2010 dahingehend, dass monatliche Raten in Höhe von 150 Euro zu zahlen seien.

Der Beschwerdeführer hat gegen den ihm am 27. Oktober 2010 zugestellten Beschluss mit einem am 3. November 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde begründet er damit, dass "angefallene Gerichtskosten garantiert nicht vier Jahre nach Abschluss des Verfahrens noch nachgefordert werden können". Er habe im gesamten Verfahrensverlauf Arbeitslosengeld II bezogen. Zudem könne er keine 150 Euro/Monat zahlen, da seine Mitbewohnerin nur über Einnahmen in Höhe von 132 Euro verfüge und er den Lebensunterhalt bis auf weiteres komplett übernehmen müsse.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 9. November 2010 nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht vorgelegt.

II. 1. Die nach § 11a Abs. 3 ArbGG i. V. m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 78 Satz 1 ArbGG i. V. m. §§ 127 Abs. 2 Satz 3, 569 ZPO).

2. Die sofortige Beschwerde hat jedoch in der Sache nur teilweise Erfolg.

a) Die Entscheidung über die nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu leistenden Zahlungen kann dann abgeändert werden, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben (§ 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Es muss sich um eine Änderung der Verhältnisse handeln, die Grundlage der Bewilligungsentscheidung gewesen sind.

b) Die Lebensverhältnisse des Beschwerdeführers haben sich durch die aufgenommene Tätigkeit und die sich daraus ergebenden Nettoeinkünfte deutlich geändert. Bei der Berechnung des nun einzusetzenden Einkommens sind aber die Unterhaltsleistungen an die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers als besondere Belastung iSd. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO bis zum einem Betrag in Höhe des Freibetrags nach § 115 Abs. 1 Nr. 2 ZPO vom einzusetzenden Einkommen abzugsfähig.

aa) Im Sozialrecht wird ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, ua. vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben, § 7 Abs. 3a SGB II. In einem solchen Fall ist anerkannt, dass Unterhaltsleistungen zu Gunsten eines Lebensgefährten im Rahmen der besonderen Belastungen iSd. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO Berücksichtigung finden können. Der Höhe nach ist insoweit generell jedenfalls ein Betrag ansatzfähig, der dem entspricht, der dem Lebensgefährten im Hinblick auf die Unterhaltsleistungen durch ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft von seiner Sozialleistung abgezogen wird (vgl. KG 30. März 2006 - 3 WF 42/06 - FamRZ 2006, 962, Rn. 6). Aus Vereinfachungsgründen - insbesondere wenn im Hinblick auf die bestehende Bedarfsgemeinschaft erst gar kein Leistungsantrag gestellt worden ist - können diese bis zu den sich aus § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO ergebenden Beträgen als besondere Belastung Berücksichtigung finden. Die Freibeträge des § 115 Abs. 1 Nr. 2 ZPO sind allerdings um das Einkommen des Lebensgefährten zu kürzen (vgl. OLG Karlsruhe 7. November 2007 - 16 WF 164/07 - FamRZ 2008, 421).

bb) Danach waren von dem Einkommen des Beschwerdeführers über die durch das Arbeitsgericht bereits berücksichtigten Beträge (wie die gesamte Miete, da es sich um Kosten der Unterkunft der Bedarfsgemeinschaft iSd. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ZPO handelt) hinaus weitere 263 Euro in Abzug zu bringen, nachdem der Antragsteller auf den ausdrücklichen Hinweis des Gerichts auf strafrechtliche Folgen von Falschangaben versichert hatte, seine Lebensgefährtin verfüge über keine weiteren als die angegebenen Einkünfte. Es ist daher davon ausgegangen worden, dass ihr an sich zustehende Aufstockungsleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (vgl. BSG 21. Dezember 2009 - B 14 AS 61/08 R - SGb 2010, 86) angesichts des Zusammenlebens mit dem Beschwerdeführer seit dem 1. Oktober 2009 nicht gewährt bzw. beansprucht werden (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 u. 4, § 9 SGB II). Dadurch ermäßigen sich das anrechenbare Einkommen auf 248 Euro und die durch den Beschwerdeführer zu zahlenden Raten auf 75 Euro.

c) Soweit der Beschwerdeführer sich darüber hinaus darauf beruft, er könne inzwischen überhaupt nicht mehr zu Ratenzahlungen herangezogen werden, steht dem die eindeutige gesetzliche Regelung entgegen. Die Abänderung ist innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren nach Beendigung des Verfahrens möglich, § 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO.

3. Die Beschwerdegebühr war angesichts des teilweisen Obsiegens auf die Hälfte zu ermäßigen.

4. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

VorschriftenZPO § 115 Abs. 1 S. 3, ZPO § 120, SGB II § 7, SGB II § 9, BAFÖG § 12 Abs. 1 Nr. 1

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