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14.04.2011

Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 27.08.2010 – 4 Sa 391/10

1) Der Obmann des Bühnenoberschiedsgerichts kann nach § 32 Abs. 3 BSchGO die Frist zur Begründung der Berufung mehrfach verlängern.

2) Für die Anwendbarkeit des § 61 Abs. 3 NV-Bühne ist ausreichend, dass das Arbeitsverhältnis am Ende der Spielzeit, zu deren Ablauf die Nichtverlängerungsmitteilung ausgesprochen wird, mehr als 15 Jahre besteht.


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.01.2010 - 10 Ha 15/09 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Nichtverlängerungsmitteilung. Dabei dreht sich der Streit im Aufhebungsverfahren um zwei Rechtsfragen, nämlich erstens die Frage, ob der Obmann des Bühnenoberschiedsgerichts die von ihm gemäß § 32 Abs. 3 BSchGO schriftlich bestimmte Frist zur Begründung der Berufung zweimal verlängern kann, und zweitens die, ob es für die Feststellung des mehr als 15jährigen Bestehens des Arbeitsverhältnisses i. S. d. § 61 Abs. 3 NV-Bühne auf das Ende der Spielzeit ankommt, in der die Nichtverlängerungsmitteilung ausgesprochen wird, oder auf das Ende derjenigen, zu deren Ablauf sie wirken soll.

Wegen des streitigen und unstreitigen Vorbringens der Parteien sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Ergänzend - was die Einladung zur Anhörung der Aufhebungsbeklagten wegen der beabsichtigten Nichtverlängerungsmitteilung anbelangt - wird auf den Tatbestand des Schiedsspruchs des Bühnenoberschiedsgerichts vom 06.02.2009 (Bl. 90 ff. der Bühnenschiedsgerichts-Akten) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Aufhebungsklage abgewiesen.

Die Aufhebungsklägerin hat gegen dieses am 28.01.2010 verkündete und ihr am 11.02.2010 zugestellte Urteil am 11.03.2010 Berufung eingelegt und diese am 09.04.2010 begründet.

Die Aufhebungsklägerin wendet sich mit Rechtsausführungen gegen das erstinstanzliche Urteil. Wegen derer wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 368 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Aufhebungsklägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.01.2010 - 10 Ha 15/09 - abzuändern. Der Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts Frankfurt am Main vom 06.02.2009 (BOSchG 8/08) wird aufgehoben. Die Klage der Aufhebungs- und Berufungsbeklagten vom 31.10.2007 wird abgewiesen;

hilfsweise

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.01.2010 - 10 Ha 15/09 - abzuändern. Der Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts Frankfurt am Main vom 06.02.2009 (BOSchG 8/08) wird aufgehoben. Die Berufung der Aufhebungs- und Berufungsbeklagten gegen den Schiedsspruch des Bühnenschiedsgerichts, Bezirksschiedsgericht Chemnitz, vom 10.03.2008 - 28/07 - wird zurückgewiesen.

Die Aufhebungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Aufhebungsbeklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Sie beruft sich ferner darauf, dass das Bühnenoberschiedsgericht in ständiger Praxis seit Jahren mehrfachen Anträgen zur Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist stattgebe, wenn sie nur rechtzeitig, d. h. vor Ablauf der ursprünglich gesetzten Frist, gestellt worden seien.

Zu der vom erkennenden Gericht mit Schreiben vom 14.04.2010 aufgeworfenen Frage des § 329 Abs. 2 S. 2 ZPO (vgl. Bl. 410 d. A.) trägt die Aufhebungsbeklagte vor, der Beschluss des Bühnenoberschiedsgerichts vom 12.06.2008 sei in der Form, wie er als Anlage B1 zur Klageerwiderung vom 04.09.2009 vorgelegt worden sei, auch zur Akte ihres Prozessbevollmächtigten gelangt. Ein anderes Dokument sei nicht zugegangen. Der Zugang sei per Post ohne weiteres Anschreiben erfolgt.

Wegen des weiteren, in Rechtsausführungen bestehenden Inhalts der Berufungserwiderung, wird auf diese (Bl. 430 ff. d. A.) Bezug genommen.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Aufhebungsklägerin hatte in der Sache keinen Erfolg.

A. Im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht entschieden, dass die Berufung der Aufhebungsbeklagten vor dem Bühnenoberschiedsgericht zulässig war. Die Zulässigkeit der Berufung scheitert nicht daran, dass der Obmann des Bühnenoberschiedsgerichts die von ihm gemäß § 32 Abs. 3 BSchGO schriftlich bestimmte Frist zur Begründung der Berufung zweimal verlängert hat und die Berufungsbegründung der Aufhebungsbeklagten erst nach Ablauf der ersten Verlängerung beim Bühnenoberschiedsgericht eingegangen ist.

Aus § 39 BSchGO in Verbindung mit § 66 Abs. 1 S. 5 ArbGG folgt entgegen der Auffassung der Aufhebungsklägerin nicht, dass die "Berufungsbegründungsfrist" nur einmal verlängert werden kann.

Die Kammer teilt allerdings die Einschätzung der Aufhebungsklägerin, dass § 32 Abs. 3 BSchGO nicht auslegungsbedürftig ist und sich das gesuchte Ergebnis unmittelbar aus den in § 39 BSchGO in Bezug genommenen Verfahrensgesetzen ergibt.

§ 66 Abs. 1 ArbGG allerdings ist, soweit er die Berufungsbegründungsfrist einschließlich ihrer Verlängerungsmöglichkeit regelt, auf die richterliche Frist des § 32 Abs. 3 BSchGO nicht anwendbar. Vielmehr gilt § 224 Abs. 2 ZPO.

§ 32 Abs. 3 BSchGO regelt nämlich anders als § 31 BSchGO für die Berufungsfrist keine gesetzliche (normative) Frist für die Berufungsbegründung.

Nach § 224 Abs. 2 ZPO können auf Antrag richterliche und gesetzliche Fristen abgekürzt oder verlängert werden, wenn erhebliche Gründe glaubhaft gemacht sind, gesetzliche Fristen jedoch nur in besonders bestimmten Fällen.

Einen solchen besonders bestimmten Fall enthält § 66 Abs. 1 S. 5 ArbGG. In § 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG ist eine gesetzliche Frist zur Begründung der Berufung geregelt. Die besondere Bestimmung zu ihrer Verlängerung enthält § 66 Abs. 1 S. 5 ArbGG. Danach kann die gesetzliche Frist zur Begründung der Berufung vom Vorsitzenden (nur) einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

Diese Norm aber ist für § 32 Abs. 3 BSchGO nicht einschlägig, da es sich dort nicht um eine gesetzliche Frist handelt. Vielmehr handelt es sich im Sinne des § 224 Abs. 2 ZPO um eine richterliche Frist. Der Obmann als Vorsitzender des Bühnenoberschiedsgerichts fordert den Berufungskläger auf, seine Berufung innerhalb bestimmter Frist schriftlich zu begründen.

Mangels abweichender Vorschriften im Arbeitsgerichtsgesetz gilt für diese richterliche Frist aufgrund der Verweisung in § 39 BSchGO der § 224 Abs. 2 ZPO. Dieser enthält keine Beschränkungen hinsichtlich der Dauer und der Zahl der Verlängerungen, so dass auch mehrmals verlängert werden kann (vgl. statt vieler Zöller/Stöber § 224 ZPO Rn. 6).

B. Zu Recht auch hat das Arbeitsgericht entschieden, dass die Nichtverlängerungsmitteilung vom 17.07.2007 unwirksam ist, da die Aufhebungsklägerin die Vorgaben des § 61 Abs. 3 NV-Bühne nicht beachtet hat. Für die Anwendbarkeit des § 61 Abs. 3 NV-Bühne ist ausreichend, dass das Arbeitsverhältnis am Ende der Spielzeit, zu deren Ablauf die Nichtverlängerungsmitteilung ausgesprochen wird, mehr als 15 Jahre besteht.

Insoweit nimmt die Kammer auf die überzeugenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II. der Entscheidungsgründe gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug und macht sich diese mit der Maßgabe zu eigen, dass das in diesem Abschnitt der Entscheidungsgründe mehrfach vorkommende Wort "Unterabsatz" richtig "Satz" heißen muss, womit zugleich der mehrfache, durch Fettdruck und Unterstreichung hervorgehobene Einwand der Aufhebungsklägerin in der Berufungsbegründung erledigt ist, da es in § 61 Abs. 2 NV-Bühne keine Unterabsätze gebe, verstoße die Begründung des Arbeitsgerichts gegen "Denkgesetze". Soweit das Arbeitsgericht insofern von Unterabsätzen spricht, handelt es sich um ein offenbares Versehen.

Zu den übrigen Argumenten der Berufungsbegründung sei Folgendes ergänzt:

1. Soweit die Aufhebungsklägerin meint, § 63 Abs. 3 NV-Bühne beziehe sich "ausdrücklich auf den Ausspruch, nicht auf das Wirksamwerden oder Greifen einer Nichtverlängerungsmitteilung" (Bl. 393 d. A.) bzw. der Wortlaut des Tarifvertrages stelle "unmissverständlich auf den Ausspruch und nicht etwa auf das Wirksamwerden der Nichtverlängerungsmitteilung" (Bl. 396 d. A.), so ist dieses nicht richtig. Die Voraussetzung "mehr als 15 Jahre (Spielzeiten)" bezieht sich offensichtlich nicht auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Nichtverlängerungsmitteilung, sondern auf das "Ende einer Spielzeit". § 63 Abs. 3 NV-Bühne sagt aber nicht, jedenfalls nicht ausdrücklich, auf das Ende welcher Spielzeit es ankommt.

2. Soweit die Berufungsbegründung erneut eine Parallele zu § 52 Abs. 3 BAT bzw. § 42 Abs. 1 TVK a. F. zieht (insbesondere Bl. 394 ff. d. A.), so überzeugt das nicht: Zunächst ist die Begründung des Arbeitsgerichts richtig, dass Kündigungserklärung und Nichtverlängerungsmitteilung nicht vergleichbar sind. Wesentlicher noch erscheint, dass die Tarifvertragsparteien des NV-Bühne für die Berechnung der Dauer des Bestands des Arbeitsverhältnisses gerade nicht auf den Zeitpunkt der Erklärung, der Nichtverlängerungsmitteilung, abstellen, sondern auf das Ende einer Spielzeit und damit auf den typischen Beendigungszeitpunkt des Arbeitsvertrages eines Solomitglieds einer Bühne. Insoweit verbietet sich jede Parallele zu der Regelung in den von der Aufhebungsklägerin genannten Tarifverträgen, die auf den Zeitpunkt der Erklärung, der Kündigung, abstellen.

3. Soweit die Aufhebungsklägerin schließlich aus der Systematik des § 61 Abs. 2 NV-Bühne ableiten will, dass mit dem Begriff "am Ende der Spielzeit zunächst immer von der laufenden Spielzeit ausgegangen wird" (Bl. 397 d. A.), so ist auch dieses unrichtig: Denn § 61 Abs. 2 NV-Bühne regelt in den Sätzen 1 und 2 zwei unterschiedliche Fälle. Der erste Fall ist der, dass das Arbeitsverhältnis am Ende der Spielzeit ununterbrochen noch nicht mehr als acht Jahre (Spielzeiten) besteht. Hier muss die Nichtverlängerungsmitteilung bis zum 31.10. "der Spielzeit, mit deren Ablauf der Arbeitsvertrag endet", zugegangen sein. Der zweite Fall, der des Satzes 2, ist der, dass das Arbeitsverhältnis am Ende der Spielzeit ununterbrochen mehr als acht Jahre (Spielzeiten) besteht. Hier muss die Nichtverlängerungsmitteilung bis zum 31.06. "des jeweils vorangegangenen Spielzeit" zugegangen sein. In diesem zweiten Fall wird gerade nicht auf die laufende Spielzeit, sondern auf die vorangegangene Spielzeit abgestellt, was wiederum bedeutet, dass es für die Berechnung der acht Jahre auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem das Arbeitsverhältnis aufgrund der in der vorangegangenen Spielzeit ausgesprochenen Nichtverlängerungsmitteilung enden soll.

4. Ganz entscheidend für die Auslegung, die das Arbeitsgericht gefunden hat, spricht, dass in den Fällen des Absatzes 3 Satz 1 - hier in der Tat "denknotwendig" - stets zugleich ein Fall des § 61 Abs. 2 S. 2 und nicht ein Fall des § 61 Abs. 1 S. 1 NV-Bühne vorliegt. Denn wenn ein Arbeitsverhältnis am Ende einer Spielzeit ununterbrochen mehr als 15 Jahre besteht, dann besteht es auch mehr als acht Jahre. Da in § 61 Abs. 3 S. 1 NV-Bühne ausdrücklich auf Absatz 2 Bezug genommen ist, muss es mithin für die Bestimmung, auf das Ende welcher Spielzeit es für die Berechnung der 15 Jahre ankommt, ebenso wie in § 61 Abs. 2 S. 2 NV-Bühne auf das Ende der Spielzeit ankommen, mit der das Arbeitsverhältnis enden soll.

5. Auch aus § 61 Abs. 3 Unterabsatz 2 NV-Bühne lässt sich entgegen der Auffassung der Aufhebungsklägerin kein anderes Ergebnis ableiten. Diese Regelung ist für die Frage, auf das Ende welcher Spielzeit es für die Berechnung der 15 Jahre ankommt, nicht etwa die "sachnähere" Regelung. Dieses aus zwei Gründen: Zum Ersten nimmt § 61 Abs. 3 Unterabsatz 1 NV-Bühne - wie gesagt - ausdrücklich auf Absatz Bezug. Zum Zweiten regelt Absatz 3 Unterabsatz 2 die Frage, auf welchen Zeitpunkt es für die Bestimmung der 15 Jahre ankommt, überhaupt nicht. Er regelt nur die Frage, auf welchen Zeitpunkt es für die Vollendung des 55. Lebensjahres ankommt. Dieses wird abweichend von der Frage geregelt, auf welchen Zeitpunkt es für die 15 Jahre ankommt. Während es für die 15 Jahre auf das "Ende einer Spielzeit" ankommt, kommt es für das 55. Lebensjahr auf den Zeitpunkt an, zu dem "die Nichtverlängerungsmitteilung spätestens zugegangen sein muss".

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung, nämlich der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage, ob die "Berufungsbegründungsfrist" nach § 32 Abs. 3 BSchGO mehrfach verlängert werden kann, und der Rechtsfrage, auf welche Spielzeit es für die Bestimmung der 15 Jahre (Spielzeiten) im Sinne des § 61 Abs. 3 NV-Bühne ankommt, die Revision zugelassen.

Dr. Backhaus
Dr. Noppeney
Hejtmanek

VorschriftenBSchGO § 32 Abs. 3, BSchGO § 39, NV-Bühne § 61, ZPO § 224, ArbGG § 66

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