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07.04.2011

Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 10.01.2011 – 5 Sa 1159/10

Reichweite einer Dynamisierungszusage.


Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.03.2010 - 3 Ca 6286/09 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Reichweite einer Besitzstandszusage.

Der am 04.01.1953 geborene Kläger war seit Oktober 1972 bei dem beklagten Verkehrsunternehmen zunächst als Kfz-Schlosser tätig.

Mit schriftlichem Vertrag vom 02.03.2005 (Bl. 11 ff. d. A.) wurde festgehalten, dass der Kläger mit Wirkung vom 01.10.2004 an als kaufmännischer Arbeitnehmer bei der Beklagten weiterbeschäftigt wurde. In § 2 des Arbeitsvertrages war festgehalten, dass sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des Spartentarifvertrages Nahverkehrsbetriebe (im Folgenden TV-N NW) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung richte. In § 3 des Arbeitsvertrages war festgehalten, dass der Kläger in die Entgeltgruppe 6 der Anlage 1 zum TV-N NW eingruppiert war. Innerhalb dieser Entgeltgruppe war der Kläger der Entgeltstufe 5 zugeordnet.

Als neue Tätigkeit wurde dem Kläger mit Schreiben vom 01.03.2005 eine Planstelle Fahrdienstleitung/Fahrzeugdisposition als kaufmännischer Angestellter zugewiesen (Bl. 14 d. A.). In dem Schreiben hieß es weiter:

"An Ihrem Entgelt ändert sich nichts. Ihre Wechselschichtzulage BAT/BMT-G, der Leistungszuschlag, sowie der Ausgleichsbetrag für den Verlust an dienstplanmäßigen Zeitzuschlägen erhalten Sie im Rahmen der betrieblichen Regelung "Besitzstand bei Rationalisierungsmaßnahme" als Garantiebetrag."

In einem weiteren Schreiben vom 17.05.2005 (Bl. 45 f. d. A.) hieß es:

"Ihr Garantiebetrag setzt sich nach der betrieblichen Regelung für den Besitzstand bei Rationalisierungsmaßnahmen wie folgt zusammen:"

In der insoweit angesprochenen betrieblichen Regelung "Besitzstand bei Rationalisierungsmaßnahme" hieß es u. a. (Bl. 15 ff. d. A.):

"Im Falle von Rationalisierungsmaßnahmen (darunter fällt auch eine betriebsbedingte Versetzung) gelten folgende Ausgleichsregelungen:

Sicherung des Grundentgeldes1

Das Grundgehalt in Höhe der bisherigen Eingruppierung ist gesichert.

Der Mitarbeiter wird entsprechend seiner neuen Tätigkeit eingruppiert und erhält auf dieser Basis das Grundentgelt sowie ggf. etwaige Zulagen und Zuschläge.

Das gesicherte Grundentgelt ist dynamisch und wird bei Tariflohnänderungen entsprechend angepasst.

Ausgleich von Zulagen/Zuschlägen

Darüber hinaus erhalten betroffene Beschäftigte einen Ausgleich nach folgenden Maßgaben:

Beschäftigte, die eine feste funktionsbedingte Zulage, Schichtzulage, Wechselschichtzulage, dienstplanmäßige Zeitzuschläge oder Erschwerniszuschläge

mehr 10 Jahre erhalten und das 45. Lebensjahr vollendet haben, erhalten einen Ausgleichsbetrag in Höhe der weggefallenen Zulage bzw. in Höhe der Durchschnittszuschläge der letzten 6 Monate bis zu ihrem Ausscheiden.

&

Der Ausgleichsbetrag ist nicht dynamisch."

Durch die Versetzung verlor der Kläger dem Grunde nach verschiedene Zulagen und Zuschläge, die ihm bisher zusätzlich zu seinem Entgelt gezahlt worden waren, insbesondere den dienstplanmäßigen Zeitzuschlag und die Wechselschichtzulage.

In der Folgezeit stellte die Beklagte monatlich das Entgelt, das sich aus der dienstplanmäßigen Arbeit des Klägers ergab, der Summe aller garantierten Entgeltbeträge gegenüber. Soweit sich daraus für den Kläger eine negative Differenz ergab, wurde diese an den Kläger als Ausgleich gezahlt. Bei der Berechnung ging die Beklagte - insoweit unbeanstandet vom Kläger - davon aus, dass garantiert waren das Grundentgelt G 6 Entgeltstufe 5 in Höhe von 2.354,11 - sowie Zuschläge in Höhe von 613,21 -, die sich zusammensetzten aus

Überleitung TV-N in Höhe von 20,29 -,

einem Leistungszuschlag K in Höhe von 62,48 -,

einem durchschnittlichen dienstplanmäßigen

Zeitzuschlag in Höhe von 388,10 -

und einer Wechselschichtzulage in Höhe von 142,34 -,

so dass sich aus allem ein Garantieentgelt im Jahr 2005 in Höhe von 2.967,32 - ergab.

Soweit es in der Folgezeit zu Tariflohnerhöhungen kam, hatte dies - auch insoweit vom Kläger unbeanstandet - die Auswirkung, dass Garantielohn erhöht wurde, und zwar im Einzelnen das Grundentgelt nach Entgeltgruppe 6, Entgeltstufe 5 sowie der Differenzbetrag Überleitung TV-N und der Leistungszuschlag K , während der durchschnittliche dienstplanmäßige Zeitzuschlag und die Wechselschichtzulage konstant blieben.

Anlass für die Streitigkeit der Parteien war der Umstand, dass der Kläger ab dem 01.01.2008 innerhalb der Entgeltgruppe 6 eine Stufensteigerung von Entgeltstufe 5 auf Entgeltstufe 6 erreichte.

Der Kläger vertrat die Auffassung, dass auch diese Stufensteigerung bei der Berechnung des Garantielohns zu einer Erhöhung des monatlichen Garantielohnes führen müsse, während die Beklagte die gegenteilige Auffassung vertrat, wonach das garantierte Grundentgelt nicht aus Anlass einer Stufensteigerung zu erhöhen sei.

Unter Zugrundelegung seiner Berechnungsweise hat der Kläger für die Monate Juli 2008 bis Juni 2009 Differenzen zwischen der von ihm berechneten Garantievergütung und der tatsächlich in den einzelnen Monaten bezogenen Vergütung in Höhe von insgesamt 527,79 - mit der Klage geltend gemacht. Er hat darüber hinaus mit der Klage einen Feststellungsantrag gestellt und diesen damit begründet, dass dieser erforderlich sei, da ansonsten die Gefahr bestünde, dass der Kläger für den Bezugszeitraum ab Mai 2009 eine erneute Leistungsklage anhängig machen müsse. Im Wege der Klageerweiterung hat der Kläger alsdann weitere Differenzansprüche für die Monate August bis Dezember 2009 in Höhe von 412,12 - geltend gemacht.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 527,79 - zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6,23 - seit 01.08.2008, 103,50 - seit 01.09.2008, aus 103,50 - seit 01.10.2008, aus 54,43 - seit 01.12.2008, aus 86,54 - seit 01.03.2009, aus 11,03 - seit 01.04.2009, aus 89,27 - seit 01.05.2009 und aus 64,27 - seit 01.06.2009 zu zahlen;

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger monatlich ein garantiertes Entgelt in Höhe von 530,44 - zzgl. dem jeweils gültigen Differenzbetrag Überleitung Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe (TV-N NW), mindestens jedoch zzgl. 22,47 -, zzgl. jeweils gültigen Leistungszuschlag K , mindestens jedoch zzgl. 69,21 - brutto, zzgl. der monatlichen Bruttovergütung, die sich gemäß der Vergütungstabelle Entgeltgruppe 6 Stufe 6 zum Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe in der jeweils gültigen Fassung berechnet, mindestens jedoch zzgl. 2.654,44 - zu zahlen;

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 417,12 - zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basis aus 95,94 - seit 01.09.2009, aus 108,49 - seit 1.10.2009, aus 104,20 - seit 01.11.2009 und aus 108,49 - seit 01.01.2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass die von ihr vorgenommene Berechnung der Garantievergütung rechtmäßig sei. Die Beklagte habe lediglich das Entgelt aus der damaligen Entgeltgruppe und der damaligen Entgeltstufe (Entgeltgruppe 6, Entgeltstufe 5) garantiert. Die Höherstufung in Entgeltstufe 6 rechtfertige es nicht, die Garantievergütung anheben.

Durch Urteil vom 17.03.2010 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Gegen das am 30.08.2010 nach Ablauf der 5-Monats-Frist zugestellte Urteil richtet sich die am 10.09.2010 bei Gericht eingegangene und am Montag, dem 18.10.2010 begründete Berufung des Klägers.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlich gestellten Zahlungsnträge weiter und begehrt zusätzlich im Wege der Klageerweiterung für den Zeitraum Januar bis September 2010 einen weiteren Differenzanspruch in Höhe von 309,26 -. Den erstinstanzlichen Feststellungsantrag hat der Kläger nicht aufrecht erhalten.

Zur Begründung trägt der Kläger vor, die von der Beklagten vorgenommene Berechnung des Garantielohns sei falsch. Sie habe eine unzulässige Anrechnung der ab dem 01.01.2008 eintretenden Stufensteigerung auf die garantierten Zuschläge vorgenommen. Unstreitig sei in diesem Zusammenhang, dass zwei Bestandteile der garantierten Zulagen und Zuschläge, nämlich die durchschnittlichen dienstplanmäßigen Zeitzuschläge (388,10 -) sowie die Wechselschichtzulage (142,34 -) nicht dynamisch seien. Lediglich der Differenzbetrag Überleitung TV-N und der Leistungszuschlag K seien dynamisch und seien auch von der Beklagten entsprechend erhöht worden.

Entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts vertrete der Kläger nicht die Auffassung, dass die durchschnittlichen dienstplanmäßigen Zeitzuschläge und die Wechselschichtzulage dynamisch seien. Es gehe vielmehr darum, dass bei der Berechnung des garantierten Grundentgelts nach der Stufensteigerung nunmehr als Garantielohn Entgeltgruppe 6, Entgeltstufe 5 zzgl. der statischen Zulagen (durchschnittliche dienstplanmäßige Zeitzuschläge und Wechselschichtzulage) und der dynamischen Zuschläge (Differenzbetrag Überleitung TV-N und Leistungszuschlag K ) zugrunde zu legen seien. Aus der betrieblichen Regelung "Besitzstand bei Rationalisierungsmaßnahme" ergebe sich, dass als garantiertes Grundentgelt das Grundentgelt aus der jeweiligen Entgeltgruppe und der zwischenzeitlich erreichten Entgeltstufe zugrunde zu legen sei. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, die betriebliche Regelung sei zwischen den Parteien nicht vereinbart worden.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 17.03.2010 - 3 Ca 6286/09 -

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 527,79 - zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6,23 - seit 01.08.2008, 103,50 - seit 01.09.2008, aus 103,50 - seit 01.10.2008, aus 54,43 - seit 01.12.2008, aus 86,54 - seit 01.03.2009, aus 11,03 - seit 01.04.2009, aus 89,27 - seit 01.05.2009 und aus 64,27 - seit 01.06.2009 zu zahlen;

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 417,12 - zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basis aus 95,94 - seit 01.09.2009, aus 108,49 - seit 01.10.2009, aus 104,20 - seit 01.11.2009 und aus 108,49 - seit 01.01.2010 zu zahlen.

Im Wege der Klageerweiterung im Berufungsverfahren die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 309,26 - zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 74,72 - seit dem 01.02.2010, aus 43,78 - seit dem 01.03.2010, aus 63,65 - seit dem 01.05.2010, aus 18,42 - seit dem 01.08.2010 und aus 108,69 - seit dem 01.10.2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergäbe sich nicht aus dem schriftlichen Arbeitsvertrag, denn dieser enthalte keine Besitzstandsregelung. Der Kläger könne sich zur Begründung seines Anspruchs auch nicht auf das Schreiben der Beklagten vom 01.03.2005 berufen. Denn der Kläger habe behauptet, den Inhalt der betrieblichen Regelung "Besitzstand bei Rationalisierungsmaßnahme" bei Abschluss des Arbeitsvertrages vom 02.03.2005 nicht gekannt zu haben. Das Schreiben vom 01.03.2005 der Beklagten enthalte keine rechtsgeschäftliche Erklärung.

Der Kläger könne sich auch nicht auf eine betriebliche Übung bei der Beklagten berufen. Denn die Praxis der Beklagten bestehe darin, Stufensteigerungen bei der Bemessung des garantierten Grundentgelts nicht zu berücksichtigen; vielmehr komme es durch spätere Erhöhungen der Entgeltstufe zu entsprechenden Abschmelzungen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm geltend gemachten Beträge und die damit verbundene Berechnungsweise.

I. Die Berufung ist zulässig. Der vorliegende Fall ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass das erstinstanzliche Urteil nicht innerhalb von fünf Monaten nach der Verkündung in vollständiger Form zugestellt wurde. Für diesen Sonderfall, dass die Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils verspätet erfolgt, enthält § 66 Abs. 1 S. 2 HS 2 ArbGG die Regelung, dass die Frist zur Berufungseinlegung spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils beginnt.

Da das Urteil des Arbeitsgerichts am 17.03.2010 verkündet wurde, begann die Berufungsfrist folglich am 17.08.2010. Die ab diesem Zeitpunkt laufende 1-monatige Berufungseinlegungsfrist wurde durch die am 10.09.2010 eingelegte Berufung gewahrt. Auch die Frist zur Berufungsbegründung ist unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der 17.10.2010 auf einen Sonntag fiel, gewahrt.

II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachten Zahlungsansprüche, weil für die vom Kläger angenommene Berechnungsweise keine Rechtsgrundlage vorhanden ist.

1. Grundlage des Anspruchs des Klägers kann nur die betriebliche Regelung "Besitzstand bei Rationalisierungsmaßnahme" (Bl. 15 f. d. A.) sein. Unstreitig ist, dass diese betriebliche Regelung Basis der Entgeltsicherung im Betrieb der Beklagten ist. Auf diese Regelung ist sowohl in dem Schreiben an den Kläger vom 01.03.2005 (Bl. 14 d. A.) aus Anlass der Versetzung wie auch in dem Schreiben an den Kläger vom 17.05.2005 (Bl. 45 d. A.) Bezug genommen worden.

Hinsichtlich der Rechtsqualität der Geltung dieser betrieblichen Regelung ist festzuhalten, dass die betriebliche Regelung zwar nicht unmittelbar arbeitsvertraglich zum Teil des Arbeitsvertrages gemacht worden ist. Denn sie lag - wie unstreitig ist - bei Abschluss des neuen ab dem 01.10.2004 geltenden Arbeitsvertrages wie auch bei der Unterzeichnung dieses Vertrages nicht in konkreter Textform den unterzeichnenden Vertragsparteien vor. Dies ändert aber an ihrer Geltung nichts.

Denn bereits die Schreiben vom 01.03.2005 und vom 17.05.2005 enthielten den klaren Hinweis seitens der Beklagten, dass diese betriebliche Regelung angewandt werden sollte. Zudem hat die Beklagte dadurch, dass sie in den Folgejahren diese betriebliche Regelung auch tatsächlich auf das Arbeitsverhältnis des Klägers angewandt hat, eine Selbstbindung erzeugt und deutlich gemacht, dass es ihrem Willen entsprach, die betriebliche Regelung auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anzuwenden. Hierzu wäre sie im Übrigen auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten verpflichtet gewesen und hat demzufolge ihre Verpflichtung, zur Anwendung der betrieblichen Regelung erstinstanzlich auch nicht in Frage gestellt.

2. Die betriebliche Regelung muss im vorliegenden Fall als Gesamtzusage angesehen werden. Auf eine betriebliche Übung kann sich der Kläger demgegenüber nicht berufen. Denn die tatsächliche Praxis der Beklagten, auf der eine betriebliche Übung gründen könnte, hat, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 10.01.2011 eingeräumt hat, so ausgesehen, dass auch bei Arbeitskollegen des Klägers die Berechnung des garantierten Einkommens so erfolgt ist, wie dies beim Kläger geschehen ist. Eine abweichende, gegenüber dem Fall des Klägers günstigere Berechnungsweise hat auch bei anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht stattgefunden. Daher scheidet eine betriebliche Übung als Anspruchsgrundlage aus. In Betracht kommt nur, die vom Arbeitgeber verkündete betriebliche Regelung "Besitzstand bei Rationalisierungsmaßnahme" als Gesamtzusage anzusehen.

Kennzeichnend für eine Gesamtzusage ist eine in allgemeiner Form an alle Arbeitnehmer gerichtete ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers, zusätzliche Leistungen erbringen zu wollen (s. BAG, Urteil vom 18.03.2003 - 3 AZR101/02, NZA 2004, S. 1099 ff; ErfK/Preis, 11. Aufl. 2011, § 611 BGB, Rn. 218). Der einzelne Arbeitnehmer muss typischerweise in die Lage versetzt sein, von dem Angebot Kenntnis zu nehmen. Auf die konkrete Kenntnis des einzelnen Arbeitnehmers kommt es aber für das Wirksamwerden der Gesamtzusage nicht an (s. BAG, Urteil vom 15.02.2005 - 9 AZR 116/04, NZA 2005, S. 1117).

Eine solche Gesamtzusage liegt hier unabhängig von der konkreten Textkenntnis des Klägers vor. Denn durch die schriftlich fixierte Regelung "Besitzstand bei Rationalisierungsmaßnahme", die sich erkennbar an alle betroffenen Arbeitnehmer richtete, hat die Beklagte eine ausdrückliche schriftliche Erklärung abgegeben, bestimmte Garantieleistungen im Fall von Rationalisierungen, wozu auch die betriebsbedingte Versetzung zählte, erbringen zu wollen.

3. Gesamtzusagen sind als "typisierte Willenserklärungen" nach objektiven, vom Einzelfall unabhängigen Kriterien auszulegen. Dabei ist der objektive Erklärungsinhalt aus der Sicht der jeweiligen Empfänger das entscheidende Kriterium (s. zuletzt BAG, Urteil vom 22.12.2009 - 3 AZR 136/09, NZA-RR 2010, S. 541).

Die Auslegung ergibt im vorliegenden Fall, dass die Dynamisierungsklausel der betrieblichen Regelung nicht den Aufstieg in eine höhere Entgeltstufe innerhalb derselben Entgeltgruppe erfassen sollte.

a) Nach dem Wortlaut der Regelung ist das gesicherte Grundentgelt dynamisch und wird bei Tariflohnänderungen entsprechend angepasst. Bereits vom Wortlaut her passt der Aufstieg in eine höhere Entgeltstufe nicht unter den Begriff "Tariflohnänderungen". Denn die Tariflöhne ändern sich durch eine solche Maßnahme überhaupt nicht. Sie bleiben vielmehr unverändert. Die Änderung betrifft allein die nachträglich eintretende Erfüllung individueller, gehaltssteigernder Tarifmerkmale. Demgegenüber legt die Formulierung "Tariflohnänderungen" nahe, dass eine Dynamisierung dann und nur dann stattfinden soll, wenn sich die Tariflöhne allgemein zu einem bestimmten Stichtag ändern.

Der Begriff "Tariflohnerhöhung" oder "Tariflohnänderung" kann im Zweifel nicht über seinen Wortlaut hinaus ausgelegt werden. So hat das Bundesarbeitsgericht es in seiner Entscheidung vom 15.03.2000 (5 AZR 557/98, NZA 2001, S. 105 ff.) abgelehnt, von dem Begriff Tariflohnerhöhungen auch den Lohnausgleich für eine tarifliche Arbeitszeitverkürzung umfasst zu sehen.

b) Die Systematik der betrieblichen Regelung spricht ebenfalls dafür, das Erreichen einer höheren Entgeltstufe nicht als dynamisierungspflichtiges Element anzusehen. Denn in der betrieblichen Regelung wird deutlich unterschieden zwischen den Vergütungselementen, die eine Dynamisierung auslösen sollen, und solchen, bei denen lediglich eine statische Weiterzahlung erfolgt, nämlich u. a. der hier maßgebenden Wechselschichtzulage und der dienstplanmäßigen Zeitzuschläge. Daraus ist erkennbar, dass es Absicht der Gesamtzusage nicht war, die komplette im Ausgangsjahr bezogene Vergütung als Mindestentgelt zu dynamisieren, sondern dass dies nur und ausschließlich bezogen auf Tariflohnänderungen beim Grundentgelt eingreifen sollte.

c) Entscheidend spricht schließlich der Sinn und Zweck der Besitzstandsregelung für das gefundene Ergebnis. Denn Sinn und Zweck einer Besitzstandsregelung ist es grundsätzlich, dass ein Arbeitnehmer nicht hinter einen einmal erreichten Besitzstand zurückfällt. Er soll nicht ein niedrigeres Einkommen beziehen, als dies vor dem Umsetzungsstichtag der Fall gewesen ist. Daher sind Besitzstandsregelungen in der Regel ohnehin statisch angelegt. Die Dynamisierung von einigen oder allen Teilen des Entgelts im Rahmen einer Besitzstandsmaßnahme ist daher als Ausnahme zu betrachten. Da erkennbarer Sinn und Zweck einer Besitzstandsregelung regelmäßig ist, den bisher erreichten Lebensstandard aufrecht zu erhalten, kann daraus nur geschlossen werden, dass eine Besitzstandsregelung in der Regel nicht dazu dienen kann, Entgeltsteigerungen gegenüber dem ursprünglich erreichten Besitzstand zu begründen. Für eine solche ausnahmsweise Dynamisierung einer Besitzstandszulage fehlen aber bezüglich der tariflichen Entgeltstufe entsprechende Anknüpfungspunkte.

d) Die betriebliche Regelung kann schließlich nicht unter den Aspekten des § 305 c) Abs. 2 sowie § 307 Abs. 1 S. 2 BGB beanstandet werden. Denn die Regelung ist klar und eindeutig und lässt keine relevanten Auslegungszweifel zu. Hierfür spricht sowohl der Wortlaut, der eine Dynamisierung nur bei Tariflohnänderungen, also einer Abänderung des Entgelttarifvertrages vorsieht, wie auch der Sinn und Zweck dieser Regelung. Zudem ergibt sich die Eindeutigkeit und Zweifelsfreiheit der Regelung letztlich auch durch die bei der Beklagten praktizierte Verfahrensweise. Auslegungszweifel oder Unklarheiten verbleiben daher nicht.

Im Übrigen findet die AGB-Kontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB ohnehin nur statt bei allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dabei muss es sich um Vertragsbedingungen handeln, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind und die eine Vertragspartei, der Verwender, bei Abschluss des Arbeitsvertrages stellt (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB). Solche allgemeinen Geschäftsbedingungen lagen aber im vorliegenden Fall nicht vor, da die betriebliche Regelung nicht unmittelbar vertraglich in den Arbeitsvertrag einbezogen wurde, sondern - wie bereits dargelegt - als Gesamtzusage gilt.

III. Insgesamt konnte daher die Klage keinen Erfolg haben, so dass die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen war.

Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da die Rechtssache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung hatte und auch kein Fall von Divergenz vorlag.

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