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09.03.2011 · IWW-Abrufnummer 110791

Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 16.12.2009 – 1 K 3933/09

1. Aufwendungen eines Studenten für die Kosten der Wohnung am Studienort sowie die Fahrten von der elterlichen Wohnung zu seiner Wohnung am Studienort bzw. zur Hochschule sind dem Grunde nach als vorweggenommene Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung gem. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG vorliegen. Das ist nicht der Fall, wenn der Student durch fortwährende Nutzung seines Zimmers in die Wohnung der Eltern integriert ist und er sich weder an den Kosten des Hausstands beteiligt noch die Haushaltsführung mitbestimmt.



2. Diese dem Grunde nach als Werbungskosten abzugsfähigen Aufwendungen können nicht als Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1 Nr. 7 S. 3 EStG berücksichtigt werden.



3. Die durch den Diebstahl eines Fahrrads verursachten Kosten stellen Werbungskosten dar, wenn der Verlust so gut wie ausschließlich beruflich und nicht wesentlich durch den Steuerpflichtigen privat mit veranlasst ist. Erfolgt der Diebstahl des Fahrrades eines Studenten aus dem Fahrradkeller der Privatwohnung, so dass sich kein durch den Hochschulbesuch bedingtes Risiko realisiert, dürfen die Aufwendungen nicht (§ 12 Nr. 1 EStG) steuermindernd angesetzt werden.


FG Baden-Württemberg v. 16.12.2009

1 K 3933/09

Tatbestand
Streitig ist der Umfang der Werbungskosten für das Studium ACB-Weltwirtschaftssprachen.

Der Kläger besuchte nach der mittleren Reife die N Schule in X. Es handelt sich bei dieser Schule um ein kaufmännisches Berufskolleg, das neben der allgemeinen Fachhochschulreife auch den Abschluss einer kaufmännischen Ausbildung mit umfasst. Mit Abschlusszeugnis vom 14. Juli 2004 erwarb der Kläger daher den Abschluss als „Staatlich geprüfter Wirtschaftsassistent”. Zusätzlich erwarb er die Fachhochschulreife. Seit dem Wintersemester 2004 studiert der Kläger an der Fachhochschule Y im Studiengang ACB-Weltwirtschaftssprachen. Nach dem Routenplaner beträgt die Entfernung von der Wohnung in O – nach Y einfach 215 km.

In seinen Einkommensteuererklärungen machte der Kläger die Aufwendungen für sein Studium wie folgt als Werbungskosten geltend:

Sachverhalt Kosten 2004 Kosten 2005
Vorbereitung Studium 378,56 EUR
Wohnungssuche und Umzug 2.428,99 EUR
Studium 644,27 EUR 1.770,36 EUR
Fahrtaufwendungen, Wohnung – Uni 14,50 EUR 162,75 EUR
Fahrtaufwendungen zu Eltern (2004: 4 Fahrten; 2005: 26 Fahrten, 450 km *0,30 Euro;) 540,00 EUR 3.510,00 EUR
Anreisekosten, 1. und letzte Fahrt 135,00 EUR
doppelte Haushaltsführung 1.357,50 EUR 6.439,00 EUR
Fahrraddiebstahl 600,00 EUR
Summe 5.498,82 EUR 12.482,11 EUR

Der Beklagte erkannte die Aufwendungen für die berufliche Ausbildung nur im Rahmen der Sonderausgaben mit 4.000 EUR an. Das hiergegen geführte Einspruchs- und Klageverfahren blieb erfolglos. Der Senat wies mit Urteil vom 07. November 2006 die Klage ab, ließ allerdings die Revision zu. Der BFH hat mit Urteil vom 18. Juni 2009 entschieden, dass die Aufwendungen für das Studium im Falle des Klägers als Werbungskosten zu beurteilen seien und wies zur Aufklärung des Umfangs der Werbungskosten die Streitsache zurück an das Finanzgericht. Auf die jeweiligen Gerichtsentscheidungen wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Der Kläger trägt vor, er wohne zu Hause bei seinen Eltern in seinem bisherigen Jugendzimmer. Dieses sei etwa 23 m² groß und verfüge über keine eigene Kochgelegenheit. Für die Nutzung des Zimmers müsse er nichts aufwenden, auch erfolge keine Beteiligung an den Kosten der Haushaltsführung der Eltern. Allerdings hätten sein Bruder und er ab und zu gekocht. In diesem Fall hätten sie die Kosten des Essens aus eigenen Mitteln bestritten. Nachdem er zum Studium nach Y gegangen sei, sei er im Schnitt alle 2 bis 3 Wochen nach Hause gefahren. Auch habe er die Semesterferien zuhause verbracht. Sein Mountainbike sei ihm in der Zeit zwischen dem 1. Mai und dem 3. Mai 2005 aus dem Fahrradkeller der Wohnung in Y, gestohlen worden. Soweit die Kosten der Wohnung in Y sowie die Fahrtkosten dorthin nicht als Werbungskosten abziehbar seien, habe ein Abzug als Sonderausgaben zu erfolgen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 28.03.2006 den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 20.12.2005 zu ändern und die Aufwendungen für sein Studium mit weiteren 1.163,82 Euro,

den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 2.03.2006 zu ändern und weitere Aufwendungen für sein Studium mit 6.727,11 Euro

jeweils steuermindernd zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Aufwendungen des Klägers seien im Wesentlichen durch die Wohnung am Studienort entstanden. Diese Kosten seien allerdings nur dann als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn eine doppelte Haushaltsführung vorliegen würde. Dies sei bei dem ledigen Kläger, der in O in die Wohnung seiner Eltern integriert sei, nicht zu bejahen. Die Fahrtkosten seien vom Kläger nicht belegt worden. Soweit Kosten des Studiums anerkannt werden könnten, seien diese in einem Umfang, der unter dem bereits als Sonderausgaben berücksichtigten Betrag von 4.000 Euro liege.

Im Streitfall erfolgte bereits ein Erörterungstermin. Auf die Niederschrift vom 5. November 2009 wird Bezug genommen.



Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.

Zwar sind die vom Kläger nachgewiesenen Aufwendungen dem Grunde nach als Werbungskosten zu berücksichtigen, sie können jedoch teilweise aufgrund der Regelungen der §§ 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG nicht steuermindernd berücksichtigt werden. Da die Aufwendungen dem Grunde nach Werbungskostencharakter haben, ist ein Abzug als Sonderausgaben ausgeschlossen, § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG. Die als Werbungskosten zu berücksichtigenden Beträge liegen unter den, vom Beklagten bereits steuermindernd berücksichtigten Beträgen für das Studium in Höhe von 4.000 Euro. Eine Verböserung zulasten des Klägers ist dem Gericht jedoch verwehrt, § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO.

Die Aufwendungen des Klägers sind dem Grunde nach als Werbungskosten zu berücksichtigen. Sie sind durch die Absicht steuerpflichtige Einnahmen nach Abschluss des Studiums zu erzielen bedingt, § 9 Abs. 1 EStG. Der Kläger hat zur Überzeugung des Senats einen Zusammenhang der Aufwendungen mit künftig beabsichtigten steuerpflichtigen Einkünften nachgewiesen (BFH-Urteil vom 20.07.2006, VI R 26/05, BStBl II 2006, 764).

Die maßgebenden Kostenblöcke, die der Kläger berücksichtigt wissen will, sind die Aufwendungen für die Kosten der Wohnung am Studienort sowie die Fahrten von der elterlichen Wohnung zu seiner Wohnung am Studienort bzw. zur Fachhochschule Y. Die Aufwendungen für die Wohnung am Studienort können jedoch nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden, weil keine doppelte Haushaltsführung vorliegt. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG sind nur notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach Nr. 5 Satz 2 der Vorschrift vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Auch ein alleinstehender Arbeitnehmer kann einen doppelten Haushalt führen (BFH-Urteile vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90, BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180; in BFHE 207, 292, BStBl II 2005, 98; vom 14. Juni 2007 VI R 60/05, BFHE 218, 229, BStBl II 2007, 890; vom 9. August 2007 VI R 10/06, BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820; vom 5. März 2009 VI R 23/07, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2009, 1176). Hausstand im Sinn dieser Regelung ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt. Ein eigener Hausstand erfordert, dass er vom Arbeitnehmer aus eigenem oder abgeleitetem Recht genutzt wird. Sofern der Arbeitnehmer nicht alleiniger Eigentümer oder Mieter der Wohnung ist, muss anhand einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Falles festgestellt werden, dass der Hausstand jedenfalls auch ihm als eigener zugerechnet werden kann. Wesentlich ist, dass das Verbleiben des Steuerpflichtigen in der Wohnung sichergestellt ist. Nutzt der Arbeitnehmer die Wohnung nicht allein, muss er sie aber zumindest gleichberechtigt mitbenutzen können.

Der eigene Hausstand muss vom Arbeitnehmer unterhalten werden. Unterhalten bedeutet die Führung eines Haushalts. Dazu gehört auch, dass der Arbeitnehmer für die Kosten des Haushalts aufkommt. Im Übrigen kommt es darauf an, dass der ledige Arbeitnehmer sich in dem Haushalt, im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeitsbedingte Abwesenheit und ggf. Urlaubsfahrten, aufhält; denn allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist noch nicht als Unterhalten eines Hausstandes zu bewerten. Ebenfalls wird ein eigener Hausstand nicht unterhalten, wenn der Arbeitnehmer die Haushaltsführung nicht zumindest mitbestimmt, sondern in einen fremden Haushalt eingegliedert ist, so dass von einer eigenen Haushaltsführung nicht gesprochen werden kann (BFH-Urteil vom 30.07.2009, VI R 13/08, BFH/NV 2009, 1986).

Bezogen auf den Kläger bedeutet diese Rechtsprechung, dass eine doppelte Haushaltsführung nicht bejaht werden kann. Er war in O in die Wohnung seiner Eltern integriert. An der Nutzung seines bis zum Schulabschluss in X genutzten Zimmers hat sich sachlich nichts geändert. Er hat sich weder an den Kosten dieses Hausstands beteiligt noch konnte er die Haushaltsführung mitbestimmen. Das teilweise gemeinsame Kochen mit seinem Bruder – unter Übernahme der hierdurch entstehenden Kosten – ersetzt eine maßgebliche Beteiligung an den Kosten der Haushaltsführung seiner Eltern dagegen nicht. Die Wohnung in O kann daher nicht als eigener Hausstand des Klägers anerkannt werden. Die Aufwendungen für die Wohnung in Y sind daher nicht als Werbungskosten abzugsfähig.

Die Wohnungskosten können auch nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG berücksichtigt werden. Zwar sind nach dieser Vorschrift die Aufwendungen für eine auswärtige Unterbringung als Sonderausgaben berücksichtigungsfähig. Voraussetzung der Berücksichtigung ist auch nicht das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung (BFH-Urteil vom 20.03.1992, VI R 40/89, BStBl II 1992, 1033) sondern lediglich ein durch Ausbildungs-/Studienkosten bedingter Mehraufwand (Söhn in Kirchhoff/Söhn Einkommensteuergesetz Kommentar § 10, Rdnr. J 178). Durch die Regelung der Berufsausbildungskosten in § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG werden privat veranlasste Aufwendungen zusätzlich steuerlich zum Abzug zugelassen. Dagegen sollte sich an den begrifflichen Voraussetzungen des Werbungskosten- Begriffs und Abzugs nichts ändern. Da beim Kläger dem Grunde nach steuerlich nicht abzugsfähige Werbungskosten zu bejahen sind, können die Aufwendungen nicht als Sonderausgaben Berücksichtigung finden (Söhn aaO. J42).

Die durch den Diebstahl des Mountainbikes verursachten Kosten stellen ebenfalls keine Werbungskosten dar. Zwar kann auch der Verlust eines Wirtschaftsgutes aufgrund eines Diebstahls zu Betriebsausgaben / Werbungskosten führen (BFH-Urteil vom 18.04.2007, XI R 60/04, BStBl II 2007, 762). Voraussetzung des Werbungskostenabzugs ist jedoch, dass der Verlust so gut wie ausschließlich beruflich und nicht wesentlich durch den Steuerpflichtigen privat (mit-)veranlasst ist (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2003 VI R 185/97, BFHE 204, 466, BStBl II 2004, 491). Der Diebstahl des Fahrrades erfolgte aus dem Fahrradkeller der Privatwohnung des Klägers. Durch den Diebstahl hat sich mithin kein durch den Besuch der Fachhochschule bedingtes Risiko realisiert sondern der Diebstahl erfolgte im privaten Lebensumfeld des Klägers. Die hierfür angefallenen Aufwendungen dürfen gemäß § 12 Nr. 1 EStG nicht steuermindernd angesetzt werden.

Als Werbungskosten können daher nur folgende Beträge berücksichtigt werden:

2004 2005
Werbungskosten insgesamt 5.163,82 EUR 10.727,11 EUR
abzüglich Wohnungskosten 1.357,50 EUR 6.439,00 EUR
Fahrraddiebstahl 600,00 EUR
als Werbungskosten anzuerkennen 3.806,32 EUR 3.688,11 EUR

Bei den Fahrtkosten unterstellt der Senat dabei zugunsten des Klägers, dass die Aufwendungen für Fahrten zwischen der weiter entfernten „Wohnung” in O und dem Studienort in Y als Werbungskosten berücksichtigungsfähig sind, selbst wenn die Wohnung in O keinen eigenen Hausstand des Klägers begründet (BFH-Beschluss vom 16.09.2009, VI B 12/09, Juris Datenbank). Allerdings sind die Kosten nur je Entfernungskilometer ansetzbar; der Kläger hat seinen Antrag in der mündlichen Verhandlung entsprechend eingeschränkt.

Da der Beklagte in den streitigen Einkommensteuerbescheiden 4.000 Euro als Sonderausgaben für das Studium des Klägers berücksichtigt hat, die anzuerkennenden Werbungskosten jedoch niedriger sind, ist die Klage abzuweisen. Eine Verböserung zulasten des Klägers kann durch die Klage nicht eintreten, § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO.

Die Kostenfolge beruht auf § 135 FGO. Die vom Kläger zu tragenden Kosten beinhalten auch die Kosten des Revisionsverfahrens, da die Klage im Endergebnis trotz der Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils durch den BFH erfolglos blieb.

RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG § 10 Abs. 1 Nr. 7 S. 3 EStG § 12 Nr. 1

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