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06.07.2009 · IWW-Abrufnummer 091245

Sozialgericht Karlsruhe: Urteil vom 17.11.2008 – S 5 AL 4129/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


S 5 AL 4129/08

Tenor:

1. Der Bescheid vom 11.4.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.7.2007 wird aufgehoben, soweit die Beklagte darin die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. - 14.4.2007 aufhebt. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger 1/10 seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld.

Der Kläger war seit dem 2.7.1990 bei der A. AG (im Folgenden: AG) als Gießer beschäftigt. Ab dem 17.10.2005 war er arbeitsunfähig und bezog im Anschluss an die Lohnfortzahlung der Arbeitgeberin ab dem 28.11.2005 Krankengeld. Vom 26.6. - 27.7.2006 und vom 25.1. - 15.2.2007 absolvierte er jeweils eine stationäre Rehabilitation; während dieser Zeiträume gewährte ihm der Rentenversicherungsträger Übergangsgeld.

Bereits am 19.12.2006 hatte sich der Kläger - trotz des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses - bei der Beklagten arbeitslos gemeldet. Die Beklagte bewilligte ihm daraufhin mit Bescheid vom 14.2.2007 (in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 28.2.2007) ab dem 16.2.2006 Arbeitslosengeld für die Dauer von 360 Tagen in Höhe von 33,98 EUR pro Tag.

Am 2.4.2007 begann der Kläger bei der AG mit einer stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben. Seine tägliche Arbeitszeit betrug zunächst vier Stunden und erhöhte sich in der Folgezeit. Die Wiedereingliederung dauerte nach Angaben des Klägers bis zum 31.8.2007; seither arbeite er wieder in Vollzeit. Für April 2007 zahlte ihm die AG ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1.402,49 EUR, für Mai in Höhe von 1.259,98 EUR, für Juni in Höhe von 3.984,88 EUR (inklusive Urlaubsgeld), für Juli in Höhe von 1.359,63 EUR und für August in Höhe von 1.481,88 EUR.

Den Beginn der Wiedereingliederungsmaßnahme hatte der Kläger der Beklagten am 10.4.2007 angezeigt. Die Beklagte hob daraufhin mit Bescheid vom 11.4.2007 die Bewilligung von Arbeitslosengeld rückwirkend zum 1.4.2007 auf. Zur Begründung gab sie an, die Entscheidung beruhe auf § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 3 SGB III und § 118 f. SGB III. Wegen der Aufnahme einer mehr als kurzzeitigen Beschäftigung sei der Kläger nicht mehr arbeitslos.

Hiergegen legte der Kläger am 23.4.2007 Widerspruch ein. Er machte geltend, sein Hausarzt Dr. B. habe ihm am 29.3.2007 die stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben empfohlen. Da es ihm sehr wichtig sei, beruflich wieder Fuß zu fassen, habe er dem Plan zugestimmt. Dies ändere aber nichts daran, dass er nach wie vor als arbeitsunfähig anzusehen sei. Zudem müsse er immer wieder die Arbeit unterbrechen, weil er starke Schmerzen verspüre.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.7.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, gemäß § 118 Abs. 1 SGB III setze ein Anspruch auf Arbeitslosengeld u. a. Arbeitslosigkeit voraus. Nach § 119 Abs. 1 SGB III sei ein Arbeitnehmer arbeitslos, wenn er nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, das mindestens 15 Stunden pro Woche umfasst. Gemessen hieran hätten die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld im vorliegenden Fall ab dem 1.4.2007 nicht mehr vorgelegen. Denn der Kläger habe eine Erwerbstätigkeit ausgeübt, die Arbeitslosigkeit ausschließe. Es sei unbeachtlich, dass die Tätigkeit zur Wiedereingliederung erfolgt sei. Der Kläger wäre gemäß § 60 SGB I verpflichtet gewesen, ihr die Aufnahme seiner Erwerbstätigkeit unverzüglich mitzuteilen. Dies habe er indes nicht unverzüglich getan, sondern erst am 10.4.2007. Zudem hätte er wissen müssen, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld entfallen sind. Denn das ihm ausgehändigte Merkblatt enthalte hierzu verständliche Hinweise. Vor diesem Hintergrund habe sie die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X aufheben können.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der am 16.8.2007 erhobenen Klage. Er trägt vor, entgegen der Auffassung der Beklagten sei durch die Aufnahme der Wiedereingliederungsmaßnahme keine wesentliche Änderung in den Verhältnissen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X eingetreten. Wie das BSG mit Urteil vom 21.3.2007 entschieden habe, werde durch eine stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben die Beschäftigungslosigkeit nicht beendet; denn anders als bei einem Beschäftigungsverhältnis stünde bei einer Wiedereingliederung der therapeutische und rehabilitative Zweck im Vordergrund. Im vorliegenden Fall habe er in der Phase der Wiedereingliederung ärztliche Vorgaben hinsichtlich der Hebelast und der Hüftrotation einhalten müssen. Er habe daher seine bisherige Tätigkeit nicht in vollem Umfang ausüben können. Angesichts dessen fehle es an einer vollständigen Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 11.4.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.7.2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, es erscheine fraglich, ob das erwähnte Urteil des BSG auf den vorliegenden Fall übertragbar sei. Zudem wäre es unbillig, könnte der Kläger neben seinem Arbeitsentgelt noch Arbeitslosengeld beanspruchen. Stellte die Aufnahme der Wiedereingliederungsmaßnahme keine wesentliche Änderung der Verhältnisse dar, so hätte sie, die Beklagte, die Bewilligung von Arbeitslosengeld jedenfalls aufgrund des Erzielens von Einkommen aufheben müssen. Hinzuweisen sei im Übrigen darauf, dass es sich hier um keinen sogenannten Nahtlosigkeits-Fall gehandelt habe; vielmehr sei sie bei der Bewilligung von Arbeitslosengeld von einem vollschichtigen Leistungsvermögen des Klägers ausgegangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1) Die Klage ist zulässig, aber nur zu einem geringen Teil begründet. Soweit die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. - 14.4.2007 aufgehoben hat, ist dies rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; demgegenüber ist die Aufhebung für die Zeit ab dem 15.4.2007 nicht zu beanstanden.

Zutreffend hat die Beklagte die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld auf § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III i. V. m. § 48 Abs. 1 SGB X gestützt (dazu a); allerdings war die Aufhebung erst mit Wirkung für die Zukunft zulässig (dazu b).

a) Gemäß § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine Änderung ist dann "wesentlich", wenn sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. § 48 SGB X setzt mithin voraus, dass aufgrund veränderter Umstände der ursprüngliche Verwaltungsakt nun nicht mehr erlassen werden dürfte (BSG, NZS 2008, 160 Rdnr. 3; Schütze in: von Wulffen, SGB X, 6. Aufl., § 48 Rdnr. 12).

So verhält es sich hier. Nach Erlass des Bewilligungsbescheids vom 14.2.2007 (in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 28.2.2007) war der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld ab dem 2.4.2007 entfallen:

Gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III setzt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld u. a. voraus, dass der Arbeitnehmer arbeitslos ist. Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer nur, wenn er nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Die Ausübung einer Beschäftigung schließt die Beschäftigungslosigkeit lediglich dann nicht aus, wenn die Arbeitszeit weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt (§ 119 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Wesentliches Kennzeichen einer Beschäftigung im Sinne des § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III ist die Erbringung einer fremdnützigen Arbeit von wirtschaftlichem Wert im Rahmen eines Austauschverhältnisses. Die Tätigkeit muss nach Weisungen eines Dritten (insbesondere eines Arbeitgebers) erfolgen und mit der Eingliederung des Arbeitnehmers in dessen Arbeitsorganisation verbunden sein. Allerdings handelt es sich nicht bei jeder Beteiligung an der Produktion von Gütern oder der Erbringung von Dienstleistungen in abhängiger Stellung um ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Vielmehr kann es auch "Arbeit" im Rahmen einer medizinischen, beruflichen oder sozialen Rehabilitation geben, die nicht in einem Beschäftigungsverhältnis erfolgt, und zwar insbesondere dann, wenn (ungeachtet einer Eingliederung in den Betrieb und eventueller Weisungsbefugnisse des Arbeitgebers) nicht die Erbringung fremdnütziger und fremdbestimmter Arbeit im Vordergrund steht, sondern die Ausrichtung auf einen Rehabilitationserfolg. Bei der Abgrenzung ist mit zu berücksichtigen, inwieweit die Tätigkeit der Erzielung von Lebensunterhalt dient. Denn wenn auch die Zahlung von Arbeitsentgelt bzw. dessen Höhe kein ausschlaggebendes Kriterium für ein Beschäftigungsverhältnis ist, so können doch Art und Umfang gewährter Leistungen Anhaltspunkte dafür geben, ob der Charakter eines wirtschaftlichen Austauschverhältnisses gewahrt ist (BSG, a. a. O., Rdnr. 16 - 18).

Gemessen hieran war der Kläger ab dem 2.4.2007 nicht mehr arbeitslos. Denn ab diesem Zeitpunkt war er bei der AG in einem zeitlichen Umfang von mehr als 15 Stunden pro Woche beschäftigt: Zwar lag seiner Tätigkeit (zumindest bis zum 31.5.2007) ein Plan des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. B. zur stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben zugrunde; in diesem Plan hatte Dr. B. zum einen eine Reduzierung der Arbeitszeit festgesetzt, zum anderen qualitative Einschränkungen (keine Hüftrotation; keine Hebelast von mehr als 5 kg). Die Tätigkeit erfolgte aber nach den Weisungen der AG unter Eingliederung in deren betriebliche Organisation. Dem Umstand, dass der Kläger während der Phase seiner Wiedereingliederung in einer anderen Abteilung arbeitete als vor der Arbeitsunfähigkeit, kommt kein entscheidendes Gewicht zu. Maßgebend ist vielmehr, dass sowohl der Kläger als auch die AG von einem wirtschaftlichen Austauschverhältnis ausgingen: Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, war für ihn Anlass für die Aufnahme der Tätigkeit (im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung) "Geldmangel"; das Arbeitslosengeld habe ihm nicht gereicht. Umgekehrt hat die AG dem Kläger im streitigen Zeitraum ein Gehalt gezahlt, das sich am Wert der geleisteten Arbeit orientierte. Denn die Vergütung erfolgte grundsätzlich nach einem tariflichen Stundensatz entsprechend der Zahl der tatsächlich gearbeiteten Stunden. Der Charakter eines wirtschaftlichen Austauschverhältnisses war somit gewahrt.

Die gegenteilige, vom Kläger vertretene Auffassung würde im übrigen zu dem fragwürdigen Ergebnis führen, dass der Kläger neben seinem Arbeitsentgelt Arbeitslosengeld in ungeminderter Höhe erhielte. Denn die Regelung des § 141 SGB III über die Anrechnung von Nebeneinkommen gilt nur bei einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung. Mit dem Charakter des Arbeitslosengeldes als Entgeltersatzleistung wäre dieses Ergebnis kaum zu vereinbaren.

Entfällt mithin der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld bereits wegen seines Beschäftigungsverhältnisses, kann die Kammer dahingestellt lassen, ob er im streitigen Zeitraum überhaupt neben seiner Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung eine weitere, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Tätigkeit hätte ausüben können und dürfen, also verfügbar im Sinne des § 119 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 1 SGB III war.

b) Die Beklagte durfte die Bewilligung von Arbeitslosengeld allerdings nicht rückwirkend aufheben, sondern erst mit Wirkung zum 15.4.2007.

aa) Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X erfolgt bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung grundsätzlich mit Wirkung für die Zukunft. Aufhebung für die "Zukunft" bedeutet Aufhebung für die Zeit nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes (Schütze, a. a. O., Rdnr. 18). Ausgehend von der gesetzlichen Vermutung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist der Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 11.4.2007 dem Kläger am 14.4.2007 bekannt gegeben worden. Danach war die Aufhebung erst zum 15.4.2007 zulässig.

bb) Eine rückwirkende Aufhebung ist nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X möglich. In Betracht kommen hier allenfalls die Fälle des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X (dazu (1)) und § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X (dazu (2)); beide sind indes im Ergebnis nicht einschlägig.

(1) Gemäß § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X ist ein Verwaltungsakt rückwirkend aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.

Der Kläger wäre nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I verpflichtet gewesen, die (erneute) Aufnahme seiner Beschäftigung bei der AG am 2.4.2007 unverzüglich der Beklagten mitzuteilen. Dieser Verpflichtung ist er nicht nachgekommen.

Allerdings beruhte diese Pflichtverletzung nicht auf grober Fahrlässigkeit:

Die in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X vorausgesetzte Sorgfaltspflichtverletzung entspricht der groben Fahrlässigkeit nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X (Schütze, a. a. O., Rdnr. 23). Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten des Begünstigten. Grobe Fahrlässigkeit ist zu bejahen, wenn er schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.1.2002, L 12 AL 1886/01, Rdnr. 31 - nach Juris).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgetragen, er sei davon ausgegangen, dass ihm während der Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung weiter Arbeitslosengeld zustehe. Die Unrichtigkeit dieser Annahme war jedenfalls nicht offenkundig: Immerhin hat das BSG (a. a. O.) die Gewährung von Arbeitslosengeld während einer Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung für möglich erachtet, wenn der Arbeitgeber kein Arbeitsentgelt zahlt. Zur vorliegenden Konstellation einer Wiedereingliederung mit Zahlung von Arbeitsentgelt hat es sich - soweit ersichtlich - noch nicht geäußert. Obwohl die Kammer hier von einem Beschäftigungsverhältnis ausgeht (s. o.), erscheint die gegenteilige Auffassung des Klägers jedenfalls nicht völlig unvertretbar. Wegen des zugrunde liegenden Wiedereingliederungsplans unterschied sich die Beschäftigung ab dem 2.4.2007 erheblich von einem typischen Arbeitsverhältnis. Der Irrtum des Klägers ist daher zumindest nachvollziehbar.

Zu keinem anderen Ergebnis führt der Hinweis der Beklagten im Abschnitt 8.2 des dem Kläger ausgehändigten Merkblatts für Arbeitslose (Stand: Januar 2006), der Agentur für Arbeit sei die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses anzuzeigen. Zwar begründet es im allgemeinen grobe Fahrlässigkeit, wenn der Versicherte einen Hinweis im Merkblatt für Arbeitslose außer Acht lässt. Dies setzt aber voraus, dass der Hinweis unmissverständlich ist (Schütze, a. a. O., § 45 Rdnr. 57). Diesen Anforderungen wird der Hinweis im Merkblatt für Arbeitslose nicht gerecht. Denn ihm ist nicht hinreichend deutlich zu entnehmen, dass die Mitteilungspflicht auch für solche Arbeitsverhältnisse gilt, die im Rahmen einer Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung erfolgen.

Unerheblich ist schließlich, dass der Kläger der Beklagten den Beginn der Maßnahme der stufenweisen Wiedereingliederung am 10.4.2007 mitgeteilt hat. Aus den angegebenen Gründen wäre es nicht grob fahrlässig gewesen, hätte er von einer Anzeige gänzlich abgesehen. Dann kann es ihm aber nicht zum Nachteil gereichen, wenn er den fraglichen Umstand (aus welchen Gründen auch immer) der Beklagten jedenfalls verspätet mitgeteilt hat.

(2) § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X ist hier ebenfalls nicht einschlägig.

Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt rückwirkend aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes weggefallen ist.

Aus den unter (1) genannten Gründen musste der Kläger hier nicht wissen, dass sein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 2.4.2007 entfallen war.

2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

3) Die Berufung bedarf der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt (144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Im Gegensatz zur Beschwer des Klägers (Arbeitslosengeld für die Zeit vom 15.4. - 31.8.2007) bleibt die Beschwer der Beklagten (Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. - 14.4.2007) hinter dieser Grenze zurück. Denn für diesen Zeitraum kann der Kläger nur Arbeitslosengeld in Höhe von 475,72 EUR beanspruchen.

Gründe, gemäß § 144 Abs. 2 SGG für die Beklagte die Berufung zuzulassen, liegen

RechtsgebietSGB IIIVorschriften§ 119 Abs. 3 SGB III

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