Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

19.06.2009 · IWW-Abrufnummer 091971

Amtsgericht Viersen: Urteil vom 16.05.2006 – 17 C 21/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Amtsgericht Viersen

17 C 21/06

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Am 09.08.2005 gegen 17.45 Uhr befuhr die Zeugin G. mit dem PKW des Klägers BMW 530 i, amtliches Kennzeichen AC- ..... den Parkplatz in dem Straßencarré Petersstraße/Hauptstraße/Lambersartstraße/Remigiusstraße in Viersen. Sie wollte das Parkplatzgelände über eine Zufahrt von der Petersstraße verlassen, als es im Bereich der Schnittstelle der von der Zeugin befahrenen Fahrbahn mit einer querenden Fahrbahn zu einer Kollision mit dem aus Sicht der Zeugin G. von links kommenden, vom Beklagten zu 2.) geführten und bei der Beklagten zu 3.) haftpflichtversicherten PKW der Beklagten zu 1.) Ford mit dem amtlichen Kennzeichen MG- kam.

Am klägerischen Fahrzeug entstand ein Gesamtschaden einschließlich Wertminderung, Sachverständigenkosten, Nutzungsausfall und Kostenpauschale in Höhe von 5.457,01 €, welcher auf der Grundlage einer Haftungsquote von 50 % vorprozessual von der Beklagten mit einem Betrag in Höhe von 2.726,01 € reguliert wurde.

Der Kläger behauptet, dass die Zeugin G. das Fahrzeug sofort zum Stehen gebracht habe, als sie den herannahenden Beklagten zu 2.) bemerkt habe. Dieser sei aus Unaufmerksamkeit, wohl weil er sich nach hinten gedreht habe, um sich mit seinen auf dem Rücksitz befindlichen Kindern zu unterhalten, gegen die vordere linke Ecke des Fahrzeuges gefahren. Der Kläger ist der Ansicht, für den Einmündungsbereich der beiden Fahrbahnen auf dem Parkplatz gelte zu seinen Gunsten die Vorfahrtsregel "rechts vor links", die Beklagten seien ihm zur vollumfänglichen Schadenerstattung verpflichtet.

Der Kläger beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 2.726,01 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die nicht anrechenbaren Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 165,71 € zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.

Sie sind der Ansicht, dass auf dem Parkplatzgelände nicht die StVO Anwendung finde, sondern der Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme. Die klägerischen Ansprüche seien mit der vorprozessualen Zahlung angemessen und ausreichend abgefunden. Zum Unfallhergang behaupten die Beklagten, dass der Beklagte das von ihm geführte Fahrzeug schon fast zum Stehen gebracht habe, als die Zeugin G. scharf nach links ziehend die Kurve geschnitten und das Fahrzeug der Beklagten zu 1.) getroffen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze sowie die mit diesen überreichten Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat den Beklagten zu 2.) informatorisch angehört, Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugin G. und die Unfallörtlichkeit in gerichtlichen Augenschein genommen; wegen des Ergebnisses der Anhörung, Beweisaufnahme und Augenscheinseinnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 25.04.2006 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Ein über die vorprozessuale Zahlung der Beklagten zu 3.) hinausgehender Schadenersatzanspruch gem. den §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1, 17 StVG, § 3 Nr. 1, Nr. 2 PflVersG steht dem Kläger nicht zu. Die Ansprüche des Klägers sind mit der vorprozessualen Zahlung des Betrages in Höhe von 2.726,01 € erfüllt.

Gegenüber der grundsätzlichen Haftung der Beklagten haftet auch der Kläger selbst gem. § 7 Abs. 1 StVG.

Das Unfallgeschehen stellte für die Fahrzeugführerin G. weder höhere Gewalt im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG noch ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs.3 StVG dar; einen Unabwendbarkeitsnachweis hat der Kläger – wie noch auszuführen sein wird – nicht geführt.

Ausgehend von der grundsätzlichen Haftung beider Seiten hängt die Verpflichtung zum Schadenersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes gem. § 17 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Unfall vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Für das Maß der Verursachung ist ausschlaggebend, mit welchem Grad von Wahrscheinlichkeit ein Umstand allgemein geeignet ist, Schäden der vorliegenden Art hervorzurufen. Hierbei richtet sich die Schadensverteilung auch nach dem Grad eines Verschuldens eines Beteiligten. In die Abwägung eingestellt werden indes nur zugestandene, sonst unstreitige oder nachgewiesene Umstände.

Auf das Parkplatzgelände finden die Regeln der StVO unmittelbare Anwendung. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Verkehrsraum dann öffentlich, wenn er entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird. Umfasst werden demnach nicht nur Verkehrsflächen, die dem allgemeinen Straßenverkehr gewidmet sind, sondern auch solche, deren Benutzung durch eine nach allgemeinen Merkmalen bestimmte größere Personengruppe ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund oder auf eine verwaltungsrechtliche Widmung durch den Berechtigten ausdrücklich oder faktisch zugelassen wird (BGH NJW 2004,1965).

Auf dem streitgegenständlichen Parkplatzgelände ist jedermann zur Benutzung des Parkplatzes zugelassen. Es handelt sich um bewirtschafteten Parkraum, bei welchem für die Benutzung der Parkplätze ein Entgelt an einem Parkscheinautomaten zu entrichten ist. Der öffentliche Verkehr ist seitens des Berechtigten im Hinblick auf die einhergehenden Einnahmen geradezu erwünscht.

Die Beklagten selbst verweisen auf das allgemeine Rücksichtnamegebot, welches der Straßenverkehrsordnung als Generalklausel gem. § 1 Abs. 2 StVO zugrunde liegt; die Anwendung des § 1 Abs. 2 StVO setzt ersichtlich die Anwendbarkeit der Straßenverkehrsordnung voraus.

Allein aus der Bejahung der Anwendbarkeit der Straßenverkehrsordnung ergibt sich indes nichts dafür, dass im Verhältnis der Fahrbahnen, in deren Schnittstellenbereich sich der Unfall ereignet hat, die Vorfahrtsregel "rechts vor links" gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO Platz greift. Gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO hat an Kreuzungen und Einmündungen Vorfahrt, wer von rechts kommt. Eine Kreuzung ist die Schnittfläche zweier oder mehrerer sich schneidender Fahrbahnen verschiedener Straßen, die sich jenseits der Kreuzung fortsetzen; eine Einmündung ist das Zusammentreffen einer Straße mit einer durchgehenden Straße ohne Fortsetzung über diese hinaus. Daraus folgt, dass Fahrbahnen und selbst markierte Fahrspuren auf Parkplätzen keine dem fließenden Verkehr dienenden Straßen sind und deshalb keine Vorfahrt gewähren. Die Vorfahrtsregel gilt nur dort, wo die angelegten Fahrspuren eindeutigen Straßencharakter haben (vgl. Henschel 38. Auflage StVO § 8 Randnr. 31 a; OLG Düsseldorf NJW 2000, 263).

Während nämlich der Straßenverkehr die möglichst zügige Ortsveränderung zum Ziele hat, dient der Verkehr auf Parkplätzen dem Aufsuchen und vorübergehenden Abstellen von Kraftfahrzeugen, um sie alsbald wieder in Betrieb zu nehmen. Die Aufmerksamkeit der Benutzer ist in erster Linie auf Parkplatzsuche und vorsichtiges Ein- und Ausparken ausgerichtet. Auch muss vermehrt mit Fußgängerverkehr gerechnet werden. Das Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme nach § 1 StVO erfordert, dass alle Parkplatzbenutzer ihre Fahrgeschwindigkeit nach § 3 Abs. 1 StVO einrichten und brems- und anhaltebereit fahren. Einen Vertrauensgrundsatz in Bezug auf ein Vorrecht gibt es auf Parkplätzen nicht (OLG a.a.O.).

Nach diesen Grundsätzen findet die Vorfahrtsregel "rechts vor links" im Verhältnis der unfallbeteiligten Fahrzeuge für die konkrete Unfallörtlichkeit keine Anwendung. Das Gericht hat die Fahrbahnen, in deren Schnittstelle sich der Unfall zugetragen hat, in Augenschein genommen. Nach Augenscheinseinnahme lässt sich der erforderliche eindeutige Straßencharakter der Fahrbahnen nicht feststellen; tatsächlich ist das Gegenteil der Fall.

Die Frage, an welcher Schnittstelle welcher Fahrbahnen sich der Unfall zugetragen hat, stand auf der Grundlage der Angaben des Beklagten zu 2.) und der Zeugin G. außer Streit. Der Unfall ereignete sich nicht am Ende einer der beiden Zufahrtsstraßen, die von der Petersstraße zu dem Parkplatzgelände führen, vielmehr war der Beklagte zu 2.) bereits von der aus Richtung Innenstadt/Hauptstraße aus gesehen zweiten Zufahrtsstraße von der Petersstraße nach links auf die Fahrbahn aufgefahren, zu deren linker Seite sich Garagen und rechter Hand Parkflächen befinden. Die von der Zeugin G. befahrene Fahrbahn weist zu beiden Seiten Parkflächen aus. Die von der Zeugin G. befahrene Fahrbahn hat lediglich eine Länge von rund 30 m, an deren Ende zu beiden Seiten sich dann die jeweils T-förmig querende Fahrbahn anschließt. Die Fahrbahnen haben keinen Straßencharakter, sondern sie stehen der Parkplatzsuche und der An- und Abfahrt vom Parkplatzgelände zur Verfügung. Dies ergibt sich auch aus den Angaben der Unfallbeteiligten. Während der Beklagte zu 2.) nach seinen Angaben nicht wusste, wie er in dem Schnittstellenbereich weiter fahren wollte, dies vielmehr nach einem parkplatztypischen Verhalten von der Ausschau nach einem Parkplatz anhängig machen wollte, hat die Zeugin G. bekundet, dass sie sich mit ihrem Fahrzeug ca. 2 m entfernt von der linksseitig vorhandenen Parkfläche, mithin eher zur linken Seite der Fahrbahn hin orientiert, befand. Auch und gerade diese Einordnung des klägerischen Fahrzeuges auf der Fahrbahn entspricht nicht dem Verhalten einer zügigen Ortsveränderung auf einer Straße, auf welcher sich das Fahrverhalten nach dem Rechtsfahrgebot ausrichtet, sondern vielmehr einem adäquaten Verhalten auf einem Parkplatzgelände, auf dem sich die Position innerhalb der Fahrbahn nach vorhergehenden Rangiermanövern beim Ausparken oder möglichen Hindernissen wie Fußgängern oder Parkplatzbenutzern, die sich zum Beladen ihres Fahrzeuges auf der Fahrbahn befinden, richtet.

Findet demnach nicht die Vorfahrtsregel "rechts vor links" auf das streitgegenständliche Unfallgeschehen Anwendung, sondern das allgemeine Rücksichtnamegebot gem. § 1 Abs. 2 StVO, so waren sowohl die Zeugin G. als auch der Beklagte zu 2.) gleichermaßen zur Sorgfalt und gegenseitigen Verständnis verpflichtet.

Nach dem Ergebnis der Einvernahme und Anhörung der Unfallbeteiligten sind die näheren Einzelheiten des Unfallherganges nicht erweislich. Beide Unfalldarstellungen kommen in gleicher Weise in Betracht und angesichts der unmittelbaren Unfallbeteiligung beider Fahrzeugführer und ihrer jeweiligen persönlichen Nähe zum jeweiligen Fahrzeughalter ist das Gewicht der jeweiligen Aussagen beider Fahrzeugführer als einander gleichwertig zu erachten. Für das Gericht besteht keine Veranlassung, der Aussage eines Unfallbeteiligten ein höheres Gewicht einzuräumen als der Aussage des anderen Unfallbeteiligten. Auf der Grundlage der angebotenen hauptbeweislichen Beweismittel sind die jeweiligen Verursachungsbeiträge als einander gleichwertig zu erachten, ohne das es nach der hälftigen vorprozessualen Zahlung noch auf eine Erweislichkeit des Sachvortrages der Beklagten ankäme.

Eine andere Beurteilung ist letztlich nicht im Hinblick auf den Vortrag des Klägers zu einem Schuldanerkenntnis veranlasst. Ein rechtserhebliches Schuldanerkenntnis ist vom Beklagten zu 2.) unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrages nicht erklärt worden. Nach dem eigenen klägerischen Vortrag sollte dem Beklagten zu 2.) ein Anerkenntnis zur Unterschrift vorgelegt werden, dessen Unterzeichnung der Beklagte zu 2.) verweigerte; im Hinblick auf die vorgesehene Schriftlichkeit war ein rechtlich relevantes Schuldanerkenntnis nicht abgegeben (vgl. § 154 Abs. 2 BGB). Nach dem der Beklagte zu 2.) schon im Anschluss an das Unfallgeschehen die Abgabe eines schriftlichen Schuldanerkenntnisses verweigert hat, ist für die Annahme, dass etwaige vorherige Äußerungen von einem rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen getragen sind, kein Raum.

Die Beklagten haften weder auf Erfüllung des über die Quote von 50 % hinausgehenden Schadens noch auf Erstattung der hierauf entfallenden vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: 2.726,01 €

RechtsgebietVerkehrsrechtVorschriften§ 7 Abs. 1, 2 StVG; § 8 Abs. 1 StVO

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr