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22.06.2004 · IWW-Abrufnummer 041598

Landgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 03.12.2003 – 3/2 O 108/03

1. Wenn der Beklagte dritte Personen in Vergleichsverhandlungen mit dem Kläger schickt, kann dieser zumindest aufgrund Rechtsscheinsvollmacht davon ausgehen, dass Vertretungsmacht vorliegt.


2. Der Zulässigkeit des Urkundsverfahrens steht nicht entgegen, dass die eingereichten Abrechnungslisten nicht unterschrieben sind. Eine Unterschrift ist nicht Voraussetzung einer Urkunde.

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 03.12.2003 - 3/2 O 108/03 (rechtskräftig)


In dem Rechtsstreit

....

hat die 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main durch Vorsitzenden Richter am Landgericht S#### aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3.12.2003

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.632.849,45 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetzbuches seit dem 18.3.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt vorbehalten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Beklagten bleibt die Ausführung ihrer Rechte vorbehalten.


Tatbestand

Die Beklagte sollte für die M#### in D#### Anlage erstellen. In diesem Rahmen beauftragte die Beklagte die Klägerin Mit vier Sub-Gewerken bezüglich Rohrleitungen, Dämmtechnik, Grobmontage, Anstrich- und Beschichtungsarbeiten sowie sonstigen Leistungen.

Die geschuldeten Leistungen hat die Klägerin erbracht. Die Klägerin hat diese in Rechnung gestellt. Sie begehrt Zahlung offener Rechnungen über 1.632.849,45 EUR im Wege der Teilklage im Urkundsverfahren.

Die Beklagte hat im Rahmen der nach Rechnungsstellung aufgenommenen Verhandlungen der Parteien über die Vergütung der Klägerin dieser verschiedene Abrechnungslisten (Anlagen K 9 bis K 12 sowie K 15 und K 18) übergeben. In diesen sind jeweils die Rechnungen bezeichnet, der jeweilige Betrag aufgeführt und angegeben, in welcher Höhe die jeweilige Rechnung anerkannt wird. Die Summe der Beträge aus den jeweiligen Spalten "Anerkannt" beträgt 1.632.849,45 EUR. Wegen des weiteren Inhalts der Abrechnungslisten wird auf die genannten Anlagen Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe die sich aus der Spalte "Anerkannt" ergebenden Beträge im Rechtssinne anerkannt.


Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.632.849,45 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetzbuches seit dem 18.3.2002 zu zahlen.


Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.


Sie ist der Ansicht, die Urkundenklage sei unzulässig. So fehle es bezüglich des Anspruchs auf Vergütung nach § 631 BGB an der Vorlage erforderlicher Urkunden, auch sei der Vortrag zum Leistungsinhalt unzureichend. Die Klägerin habe urkundlich die Leistungserbringen, die Abnahme sowie weiter Fälligkeitsvoraussetzungen nicht nachgewiesen. Anerkenntnisse lägen nicht vor, die vorgelegten Abrechnungen stellten lediglich unverbindliche Listen dar im Rahmen geführter Vergleichsgespräche. Auch seien die handelnden Personen zur Vertretung nicht berechtigt. Die "Anerkenntnisse" hätten unter der Prämisse gestanden, daß deine Gesamtlösung gefunden werde.

Im übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist im Urkundsverfahren zulässig.

Die Voraussetzung für die Statthaftigkeit des Urkundsverfahrens, wonach zumindest eine Urkunde Vorgelegt wird, wie sich auch aus dem von der Beklagten in Bezug genommenen Urteil des OLG Köln vom 7.1.1993 (OLGZ 1994; 466) ergibt, wurde von der Klägerin erfüllt, indem sie die Abrechnungslisten vorgelegt hat, denen sie das behauptete Anerkenntnis entnimmt. Desweiteren ist es nicht notwendig, daß zwischen den Parteien unstreitige Tatsachen von der Klägerin durch Urkunden belegt werden. Für das Urkundsverfahren sind grundsätzlich die allgemeinen Beweisvorschriften der ZPO (§§ 138 Abs. 3, 288, 291 ZPO) maßgeblich. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 592 ZPO, der offen lässt, ob die Möglichkeit eines Beweises oder der erfolgreiche Beweis gefordert wird. Zudem enthält § 597 Abs. 2 ZPO eine Einschränkung des in § 592 ZPO ausgesprochenen Grundsatzes. Nach dieser Vorschrift ist der Urkundenprozeß unstatthaft, wenn ein Beweis nicht mit den im Urkundenprozeß zulässigen Beweismitteln angetreten bzw. geführt werden kann. Dies beinhaltet den Hinweis auf die allgemeinen Beweisvorschriften der ZPO, nach denen lediglich streitige Tatsachen bewiesen werden müssen (vgl. auch BGH NJW 1973, S. 1199).

Der Zulässigkeit des Urkundsverfahrens steht auch nicht entgegen, dass die eingereichten Abrechnungslisten nicht unterschrieben sind. Eine Unterschrift ist nicht Voraussetzung einer Urkunde (Baurnbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., Übers. § 415 Rz. 5).

Die Klage ist auch im Urkundsverfahren begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis, § 781 BGB, zu.

Das Anerkenntnis der Beklagten ergibt sich aus der Übergabe der eingereichten Abrechnungslisten seitens der Beklagten an die Klägerin. Soweit die Beklagte hierin jeweils in der Spalte "Anerkannt" Rechnungsbeträge auflistet, welche sich in der Summe auf 1.632.849,45 EUR belaufen, handelt es sich um deklaratorische Schuldanerkenntnisse. Es kann somit dahinstehen, ob der Klägerin auch aus § 631 BGB ein entsprechender Vergütungsanspruch zusteht.

Bei den Abrechnungslisten handelt es sich um Schuldanerkenntnisse, soweit Beträge "anerkannt" sind. Die Beklagte hat die Abrechnungslisten selbst erstellt. Aus diesen ergibt sich wörtlich, daß die entsprechenden Beträge anerkannt werden. Aus der maßgeblichen Sicht des Empfängerhorizontes ist dem Wort "Anerkannt" zumindest im kaufmännischen Verkehr keine andere Bedeutung als ein rechtsgeschäftliches Anerkenntnis beizumessen. Der Verwendung dieses Begriffs ist zu entnehmen, daß sich die Rechnungssumme nicht nur als richtig ermittelt darstellt, sondern als rechtlich begründet "anerkannt" wird. Eine andere Bedeutung ist dem Wortlaut nicht zu entnehmen. Den Abrechnungslisten ist nicht zu entnehmen, daß es sich - entgegen diesem Wortlaut - um unverbindliche Angaben handeln sollte. So ist bezüglich der anerkannten Betrage keinerlei Zusatz im Sinne eines etwaigen Vorbehalts o.ä. vorhanden.

Dieser Würdigung steht auch nicht entgegen, daß die Abrechnungslisten im Rahmen von Vergleichsgesprächen erstellt worden sein sollen. Es ist ohne weiteres nicht nur verständlich, sondern sogar sinnvoll, bestimmte Teile gegenseitiger Forderungen von etwaigen Streitigkeiten freizuhalten, indem diese anerkannt werden. Hierdurch wird klargestellt, daß der Streit nicht um diese Positionen, sondern eben um andere Forderungen geführt wird.

Daß die Beklagte selbst davon ausgeht, daß es sich bei den Abrechnungslisten um rechtsverbindliche Anerkenntnisse handelt, läßt sich deren Schreiben vom 15.8.2002 (Anlage K 25) entnehmen. In diesem Schreiben wird ein Restbetrag von 231.509,56 EUR ermittelt. Mit diesem Betrag sollen nach dem Inhalt des Schreibens die berechtigten Forderungen der Klägerin (abzüglich behaupteter Gegenforderungen der Beklagten) erfüllt werden. Hiernach bezeichnet die Beklagte selbst die zuvor in den Abrechnungslisten aufgeführten anerkannten Beträge als "berechtigte Forderung".

Dem Anerkenntnis steht nicht entgegen, daß die Abrechnungslisten nicht unterschrieben sind. Das gemäß § 781 BGB grundsätzlich erforderliche Schriftformerfordernis gilt gemäß § 350 HGB nicht für Handelsgeschäfte.

Es fehlt auch nicht an der erforderlichen Vertretungsmacht der seitens der Beklagten handelnden Personen. Es liegt zumindest eine Rechtsscheinvollmacht vor. Die Klägerin durfte davon ausgehen, daß die erforderliche Vertretungsmacht vorliegt. Wenn die Beklagte bestimmte Personen in Vergleichesverhandlungen mit der Klägerin schickt, kann diese zumindest aufgrund Rechtsscheinsvollmacht davon ausgehen, daß Vertretungsmacht vorliegt. Daß dies der Fall ist, ergibt sich aus den vorgelegten Urkunden und ist daher im Urkundsverfahren zulässig (ebenso LG Schwerin BauR 2002, 346; LG Bochum BauR 2002, 344).

Daß die Beklagte das Verhalten ihrer Mitarbeiter letztlich auch genehmigt hat, ergibt sich aus dem bereits in bezug genommenen Schreiben vom 15.8.2002. Dieses ist von zwei Personen unterschrieben, so vom "Projekt Direktor" #### sowie vom "Sen. Contract Manager" ####. Sowohl der Umstand, daß zwei Personen dieses Schreiben unterzeichneten sowie die angegebenen Funktionsbezeichnungen lassen aus der Sicht des Empfängers darauf schließen, daß die unterzeichnenden Personen zumindest gemeinsam vertretungsbefugt sind.

Zinsen stehen der Klägerin im ausgeurteilten Umfang als Verzugsschaden gemäß §§ 284 III a.F., 288 BGB zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr.4, 711 ZPO.

RechtsgebieteBGB, ZPOVorschriftenBGB §§ 164, 167; ZPO § 592 ff

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