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03.06.2004 · IWW-Abrufnummer 041425

Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 26.11.2003 – 2 K 242/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


T a t b e s t a n d
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die von der Steuerfahndung in X an die Gemeinsa-me Steuerfahndungsstelle der Finanzämter (Steufa Y) weitergeleiteten Unterlagen über Ka-pitalanlagen des Klägers (Kl.) einem Verwertungsverbot unterliegen. Die Unterlagen waren bei der Durchsuchung der Bank A sichergestellt worden. Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die verheirateten Kl. werden zusammen zur Vermögensteuer (VSt) veranlagt. Der Kl. war in den verfahrensrelevanten Jahren Gesellschafter-Geschäftsführer (Beteiligung zu 50 %) der ... (K). Diese war wiederum Alleingesellschafterin der ... (L). Die L stand bis 1993 mit dem Werk M in der Karibik in Geschäftsverbindung. Die Firma M gehörte seinerzeit der Regie-rung in der Karibik. Der Kl. führte Verhandlungen mit dieser Regierung. Für das Zustande-kommen der Geschäftsverbindung hatten L und K erhebliche nützliche Abgaben gezahlt. Diese wurden steuerlich geltend gemacht und anerkannt. Die Zahlungen wurden an N ge-leistet und von diesem an die Empfänger in der Karibik weitergeleitet. Im Jahr 1993 erwarb der asiatische Konzern O die Firma M. Die K veräußerte ihre Beteiligung an der L mit Wir-kung zum 31. Dezember 1993. Aus der Abwicklung des Vertrages ergab sich für die K 1993 ein Verlust von 2,7 Mio. DM. Die Beteiligung erwarb der Kl. in Treuhandschaft für die ....bank. Die wirtschaftliche Lage der L war in den streitbefangenen Jahren teilweise gefähr-det. Nach Aktenlage gab es verschiedene Kaufinteressenten; zum 31. Dezember 1994 wur-de die L an die O verkauft.

Ausweislich der von den Kl. abgegebenen VSt-Erklärungen befand sich im Depot der Bank eine am 25. Januar 1993 fällige Inhaberschuldverschreibung der Hypothekenbank über 1.200.000 DM. Der Jahresdepotauszug der Bank des Kl. per 31. Dezember 1993 enthält keine Bestände.

In der VSt-Erklärung auf den 01. Januar 1995 (Hauptveranlagung) wurden festverzinsliche Wertpapiere in Höhe von 313.783 DM erklärt. Das auf den Kl. lautende Depot der Bank AG wurde nicht genannt. Die VSt-Hauptveranlagung 01. Januar 1995 wurde unter Übernahme der erklärten Besteuerungsmerkmale antragsgemäß durchgeführt (siehe dazu Bescheid auf den 01. Januar 1995 über VSt-Hauptveranlagung vom 27. August).

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft beim Landgericht (LG) in X wurde in dem Ermittlungsver-fahren gegen Verantwortliche und Mitarbeiter der Bank AG wegen des Verdachts der Beihil-fe zur Körperschaftsteuer(KSt)-, Einkommensteuer(ESt)-, Umsatzsteuer(USt)-, Gewerbe-steuer(GewSt)- und VSt- Hinterziehung sowie zur Hinterziehung von Solidaritätszuschlag der Veranlagungszeiträume ab dem Jahre 1991 zugunsten von namentlich bekannten und na-mentlich noch nicht bekannten Anlegern der Bank Luxemburg, Bank Schweiz sowie Bank Gibraltar und des Verdachts des Verstoßes gegen das Geldwäschegesetz gemäß §§ 102, 103, 105 Abs. 1, 162 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) die Durchsuchung aller Geschäfts- und Büroräume, insbesondere der Büroräume von Filialleitern, Abteilungsleitern und Sach-bearbeitern, die mit dem Geldtransfer von und nach Luxemburg bzw. Gibraltar als auch aus der und in die Schweiz befasst sind oder gewesen sind, angeordnet. Ferner wurde gemäß §§ 94, 98 StPO die Beschlagnahme sämtlicher Unterlagen ab 1991 im Original angeordnet, die im Zusammenhang mit der Geld- und Depottransferierung von und nach Luxemburg bzw. Gibraltar sowie aus der und in die Schweiz stehen. Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen sei zu vermuten, dass die Durchsuchung zum Auffinden, insbesondere folgen-der Schriftstücke führen wird: Unterlagen, mit Buchungen bezogen auf die verschiedenen Korrespondenzkonten der Firmen ..., insbesondere die Konten-Nr. ... u.a. In den Gründen ist ausgeführt, dass namentlich noch nicht bekannte verantwortliche Mitarbeiter der Bank AG und der angeschlossenen Gebietsfilialen verdächtig seien, Beihilfe zur Hinterziehung von KSt, ESt, USt, VSt und GewSt und Solidaritätszuschlag durch namentlich bekannte und na-mentlich noch nicht bekannte Haupttäter in dem im Beschlusstenor bezeichneten Tatraum geleistet zu haben. Als Mitarbeiter der Bank sollen sie Bankkunden, die ihnen namentlich bekannt gewesen seien, den inländischen Geschäftsbetrieb der Kreditinstitute unter Verstoß gegen bankübliche Gepflogenheiten in der Weise zur Verfügung gestellt haben, dass es den Bankkunden ermöglicht worden sei, anonyme Vermögenswerte ins Ausland zu verbringen oder aus dem Ausland in das Inland zurückzutransformieren (siehe im Einzelnen Durchsu-chungs- und Beschlagnahmebeschluss vom 14. Oktober 1997). Der Beschluss wurde durchgeführt und die angeordnete Beschlagnahme der Gegenstände laut Sicherstellungs-verzeichnis mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) in X vom 31. März 1998 richterlich bestä-tigt. Die dagegen erhobene Beschwerde blieb im Wesentlichen erfolglos. Die Beschlagnah-me wurde vom LG X mit Beschluss vom 26. Mai 1999 im Wesentlichen bestätigt und ledig-lich bezüglich der im Sicherstellungsverzeichnis aufgeführten Gegenstände über Transfer-vorgänge inländischer Körperschaften des öffentlichen Rechts zwischen Großunternehmen untereinander und von ausländischen Botschaften von einer Bank im Inland auf eine aus-ländische Bank und umgekehrt sowie Transfervorgänge vom Ausland ins Inland die Eigen-geschäfte der Bank Luxemburg betreffend aufgehoben. In den Gründen des Beschlusses ist ausgeführt, dass auch Belege mit namentlich aufgeführten Auftraggebern für die vorliegende Untersuchung Beweisbedeutung haben könnten, indem einerseits untersucht werden könne, ob Transaktionen für einzelne Kunden unter falschem Namen aufgeführt worden seien, auch wenn derzeit konkrete Anhaltspunkte dafür nicht gegeben seien. Angesichts der von der Bank angebotenen Möglichkeiten der Geldanlage bei deren Auslandsniederlassungen und des nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis bestehenden Tatverdachts, dass diese Anla-gemöglichkeiten von den Anlegern vor allem zum Zwecke der Steuerhinterziehung genutzt würden, erscheine die umfassende Untersuchung der Zahlungsvorgänge sowie Geld- und Wertpapiertransfers mit Auslandsberührung auch in nicht anonymisierter Form für die weite-re Sachverhaltsaufklärung und Beweisführung von Bedeutung. Bedenken gegenüber der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme aufgrund des weit gefassten Rahmens der sicherge-stellten Unterlagen, soweit deren Beschlagnahme durch diesen Beschluss bestätigt werde, bestünden nicht, da sich die Datenträger auch weiterhin in den Geschäftsräumen der Bank befinden würden und durch die angefochtene Maßnahme der Geschäftsbetrieb nicht beein-trächtigt werde (siehe im Einzelnen Beschluss des LG X). Zu den beschlagnahmten Unterla-gen gehört ein Beleg über eine Überweisung von 1 Mio. DM vom inländischen Depotkonto des Kl. bei der Bankfiliale ... Depot-Nr. ... auf das Konto-Nr. ... bei der Bank Schweiz AG vom 29. Januar 1993. Am 08. November 1993 und am 21. November 1994 erfolgte jeweils ein Rücktransfer von 80.000 DM bzw. 150.000 DM nach Abzug einer Überarbeitungsgebühr von jeweils 0,15 % auf das Inlandskonto bei der abgehenden Bank.

Nach einer Gesprächsnotiz wurden das beschlagnahmte Material gesichtet und die den Kl. betreffenden Konten abgeglichen; für das Beihilfeermittlungsverfahren wurden keine Straf-tatbestände festgestellt, das betreffende Material fand für das Beihilfeermittlungsverfahren keine Verwendung.

Nunmehr übergab die Steufa X der Steufa Y die den Kl. betreffenden Unterlagen. Die Über-prüfung der Unterlagen anhand der von den Kl. abgegebenen Steuererklärungen (ESt, VSt) führte zu dem Ergebnis, dass aus den aufgedeckten Transaktionen Kapitalerträge und das aufgedeckte Vermögen erkennbar nicht erklärt worden seien. Die Steufa Y leitete daraufhin gegen die Kl. das Steuerstrafverfahren ein, weil der Verdacht bestehe, dass sie fortgesetzt und vorsätzlich handelnd die Verkürzung von ESt und VSt zumindest ab 1993 in noch fest-zustellender Höhe bewirkt hätten. Aus der Durchsuchung der Bank A würden Unterlagen vorliegen, die beweisen würden, dass von den Kl. Kapital ins Ausland transferiert worden sei.

Im Zuge der weiteren Ermittlungen legte der Kl. dar, dass von der Überweisung von 1 Mio. DM ein Betrag von 770.000 DM als so genannte nützliche Aufwendungen einem ge-wissen Herrn N für einen beabsichtigten Verkauf der Gesellschaftsanteile des Kl. an den L an den Staat in der Karibik geflossen seien. Außerdem wurde die Kopie einer notariell be-glaubigten Erklärung von N vom 17. November 2002 in englischer Sprache vorgelegt. Darin bestätigt dieser sinngemäß, dass er einen Betrag von 772.000 DM durch die Bank des Kl., die Bank Schweiz, erhalten habe und dass dieses Geld dafür gedacht gewesen sei, Interes-senten für die L zu finden. Ferner wurde eine Bestätigung der Bank Schweiz vom 29. No-vember 2000 in Kopie vorgelegt, wonach bestätigt werde, dass das Konto ... geschlossen worden sei, weil es kein Guthaben mehr ausweise, und dass der Kl. keine Einnahmen aus Zinsen und Dividenden habe. Kontoverdichtungen sowie Gutschrift- und Lastschriftbelege des Schweizer Kontos wurden trotz Aufforderung durch die Steufa nicht vorgelegt.

Nach Ansicht der Steufa reichten die vorgelegten Erklärungen für eine Belegung des Mit-telabflusses aus der Schweiz nicht aus. Vielmehr hätten die Kl. durch Nichtvorlage der Kon-toverdichtungen sowie der Gutschrift- und Lastschriftbelege ihre Mitwirkungspflichten schuldhaft verletzt. Es sei davon auszugehen, dass ein Mittelabfluss tatsächlich nicht erfolgt und der Transfer in die Schweiz zum Zwecke einer Kapitalanlage erfolgt sei. Unter Zugrun-delegung der Überweisung und des Rücktransfers wurde eine Verzinsung von 8 % bzw. 1995 von 7 % geschätzt und auf den 01. Januar 1995 zu dem bisher erklärten sonstigen Vermögen von 1.191.562 DM ein Betrag für Festgeld, Schweiz von 922.089 DM hinzuge-schätzt.

Die Ergebnisse der Steufa wurden der Besteuerung zugrunde gelegt und gegen die Kl. mit geändertem Bescheid vom 06. August 2001 folgende VSt festgesetzt: 1995 und 1996 je-weils ... DM (siehe im Einzelnen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung -AO- geänder-ter Bescheid auf den 01. Januar 1995 über VSt - Hauptveranlagung ? vom 06. August 2001).

Dagegen erhoben die Kl. Einspruch und führten zur Begründung aus: Die Erkenntnisse der Steufa Y würden einem Verwertungsverbot unterliegen und hätten nicht ausgewertet werden dürfen. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren der Steufa X habe sich offensichtlich nur gegen solche Kunden der Bank gerichtet, die über diese anonyme oder pseudonyme Geld-/oder Wertpapiertransfers zu Auslandsbanken getätigt hätten. Das Verfahren habe sich nicht gegen solche Kunden der Bank gerichtet, die offen unter ihrem zutreffenden Namen und in banküblicher Weise Auslandtransfers getätigt hätten, gegenüber solchen Kunden habe nicht einmal der Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung bestanden. Soweit die Steufa X Er-mittlungen gegen solche offenen Kunden durchgeführt habe, seien diese folglich einer so genannten Rasterfahndung ausgesetzt gewesen. Die Kl. hätten zu den so genannten offe-nen Kunden der Bank gehört, die unter ihrem zutreffenden Namen und in banküblicher Wei-se gehandelt hätten. Aufzeichnungen und Erkenntnisse der Steufa X dürften deshalb nicht steuerlich gegen sie ausgewertet werden. Zu alledem sei zu berücksichtigen, dass es sich um ein legitimationsgeprüftes Konto handele. Dieses Konto falle einschließlich der dazu ge-hörenden Unterlagen in den Schutzbereich des § 30 a Abs. 3 AO. Aufgrund des bestehen-den Verwertungsverbots sei die Steufa X nicht befugt gewesen, die von ihr beschlagnahm-ten Unterlagen weiterzugeben. Außerdem könnten sie von der Steufa Y wegen des beste-henden Verwertungsverbots nicht ausgewertet werden. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe dargelegt, dass Geld- oder Kapitalanlagen im Ausland, die von den Anlegern über ein deut-sches Kreditinstitut in banküblicher Weise abgewickelt würden, in Anbetracht der Gewähr-leistung der Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern nicht geeignet seien, einen steuerstraf-rechtlichen Anfangsverdacht zu begründen. Sofern das AG und das LG X dies seinerzeit anders gesehen haben sollten, sei dies rechtsirrig. Außerdem seien in den Beschlüssen des AG und des LG X die Beschlagnahme von Belegen namentlich aufgeführter Auftraggeber lediglich auf § 94 Abs. 1 StPO gestützt worden, wonach die Beschlagnahme von Belegen namentlich aufgeführter Auftraggeber damit gerechtfertigt werde, dass sie als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein könnten, ob Transaktionen für einzelne Kunden unter falschem Namen durchgeführt worden seien. Dieser Hinweis mag strafprozessual die Beschlagnahme der seinerzeit von der Steufa X bei der Bank sichergestellten Belege ge-rechtfertigt haben, reiche aber nicht aus, daraus einen steuerstrafrechtlichen Anfangsver-dacht gegen die Kl. herzuleiten. Diese strafprozessualen Überlegungen enthielten keine Aussage über ein steuerrechtliches Verwertungsgebot.

Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das FA führte u.a. aus: Das von der Steufa Y festgestellte zusätzliche Geldvermögen sei gemäß § 110 des Bewertungsgesetzes (BewG) i.V.m. § 9 des Vermögensteuergesetzes (VStG) der VSt zu unterwerfen. Die von der Steufa gemäß § 162 AO im Schätzungswege vorgenommene Ermittlung der Besteuerungs-grundlagen sei nicht zu beanstanden. Der Steufa Y sei der Vorgang über den Kapitaltransfer des Kl. in einem Steuerstrafverfahren und nicht anlässlich einer auch nur funktional von der Steufa durchgeführten Außenprüfung gemäß § 194 Abs. 3 AO zur weiteren Überprüfung zugeleitet worden, weil durch den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des AG X auch die Belegarten, die nicht anonymisierte Transfers dokumentierten, richterlich bestätigt worden seien (siehe dazu Beschluss des LG vom 26. Mai 1999). Diese Grundsätze seien auch zu beachten, wenn sich der Durchsuchungsbeschluss nur gegen Verantwortli-che/Mitarbeiter der Bank wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung wende und dabei Kontrollmaterial aufgefunden werde, das Dritte betreffe, denn die Durchsuchung diene regelmäßig auch dazu, Beweismittel gegen den ? bekannten oder nicht bekannten ? Haupttäter (z.B. einen Bankkunden) sicherzustellen. Der strafrechtliche Anfangsverdacht der Steufa X sei dahin begründet gewesen, dass die Möglichkeit einer Steuerverkürzung des Kl. in Betracht gekommen sei und in Anbetracht des Transfers von 1 Mio. DM in die Schweiz sogar die konkrete Vermutung der Steuerverkürzung bestanden habe. Zwar sei den Kl. darin zuzustimmen, dass im Streitfall kein anonymisierter Geldtransfer vorgelegen habe, weil es sich um ein inländisches und nach § 154 AO geprüftes Konto gehandelt habe. Gleichwohl umfasse der Durchsuchungsbeschluss auch solche Konten, so dass die ungewöhnliche Hö-he des Transfers von 1 Mio. DM zu Recht den strafrechtlichen Anfangsverdacht begründet habe, die - sei es auch nur durch Vermittlung von Erfahrenssätzen - einen Verstoß gegen strafrechtliche Normen als möglich erscheinen ließe (siehe zum Anfangsverdacht im Zu-sammenhang mit legitimationsgeprüften Konten z. B. BFH-Beschluss vom 29. Januar 2002 VIII B 91/01, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2002, 749). Damit entfalle nicht nur der Einwand, dass die Kl. einer unzulässigen Raster-fahndung ausgesetzt gewesen seien, vielmehr habe das Vorliegen eines strafrechtlichen Anfangsverdachts zur Folge, dass die Einschränkungen des § 30 a Abs. 3 AO zum Aus-schreiben von Kontrollmitteilungen über legitimationsgeprüfte Guthabenkonten (§ 154 Abs. 2 AO) nicht eingriffen. Außerdem liege hinsichtlich der Weiterleitung des Kontrollmaterials auch kein Verstoß gegen die Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit nach § 56 EG-Vertrag n.F. vor, denn der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss sei in diesem Punkt dahin auszulegen, dass er sich lediglich gegen diejenigen Kunden gerichtet habe, gegen die ein strafrechtlicher Anfangsverdacht bestanden habe. Der von den Kl. im Einspruchsverfahren angeführte Leitsatz im Beschluss des BFH vom 06. Februar 2001 (BFH Bundessteuerblatt -BStBl- II 2001, 306), in dem der Anfangsverdacht verneint worden sei, regele einen anderen Sachverhalt und sei auf den Streitfall nicht übertragbar. Aus den vorgenannten Gründen hätten die anlässlich der Durchsuchung aufgefundenen Unterlagen nicht nur beschlag-nahmt, sondern auch entsprechend den vorstehend dargelegten Grundsätzen der Steufa Y zur weiteren Untersuchung zugeleitet werden können. Soweit die Finanzbehörde die Be-steuerungsgrundlagen nicht anhand von vorliegenden Unterlagen habe ermitteln oder be-rechnen können, seien diese gemäß § 162 Abs. 1 AO zu schätzen. Dem Kontrollmaterial zufolge habe der Kl. am 29. Januar 1993 1 Mio. DM auf ein Konto bei der Bank Schweiz überwiesen, am 08. November 1993 und 21. November 1994 seien Rücktransfers in Höhe von 80.000 DM bzw. 150.000 DM erfolgt. Bei dem Geldtransfer handele es sich somit um einen Sachverhalt außerhalb des Geltungsbereiches der AO. In diesem Falle hätten die Be-teiligten gemäß § 90 Abs. 2 AO den Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Be-weismittel zu beschaffen. Ein Beteiligter könne sich nicht darauf berufen, dass er den Sach-verhalt nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen könne, wenn er sich nach Lage des Falles bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können. Wegen der Nichtvorlage der Kontoverdichtungen und der Gut-schrift- und Lastschriftbelege hätten die Kl. ihre Mitwirkungspflicht verletzt mit der Folge, dass das überwiesene Geld als Festgeld beim sonstigen Vermögen der VSt zu unterwerfen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 2003 verwiesen.

Mit der dagegen erhobenen Klage begehren die Kl., die strittigen Verwaltungsakte aufzuhe-ben, und tragen zur Begründung vor:
Die angefochtenen Verwaltungsakte seien rechtswidrig. Das FA habe auf Kontrollmaterial zurückgegriffen, das einem Verwertungsverbot unterliege. Das FA habe das Kontrollmaterial von der Steufa Y erhalten, die es seinerseits von der Steufa X erhalten habe. Die Steufa Y habe die Erkenntnisse und das Kontrollmaterial aufgrund einer Durchsuchung bei der Bank A bekommen. Diese Durchsuchung sei in dem Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der Bank A wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung erfolgt. Die Steufa X sei deshalb gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zur Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswid-rigkeiten tätig geworden. Eine Tätigkeit der Steufa in diesem Aufgabenbereich setzte die Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (§ 397 AO) voraus. Letzteres erfordere das Vorliegen eines sog. Anfangsverdachts einer Straftat. Dabei komme es ge-genüber den Kl. allein darauf an, ob gegen sie ein derartiger Anfangsverdacht bestanden habe, denn der Steufa X habe keinesfalls eine einschränkungslose Ermittlungsbefugnis für alle Fälle von Geldtransfers in das Ausland zugestanden. Deshalb habe es Kunden der Bank, die solche Transfers getätigt hätten, gegen die aber kein Anfangsverdacht einer Steu-erstraftat bestanden habe, freigestanden, sich gegenüber Aufzeichnungen und Erkenntnis-sen der Steufa X auf ein Verwertungsverbot zu berufen (BFH, BStBl II 2001, 624). Das FA beziehe sich demgegenüber zwar auf die Beschlüsse des AG und des LG X, führe aber da-zu aus, dass diese Beschlüsse dahingehend auszulegen seien, dass sie sich lediglich gegen Kunden gerichtet hätten, gegen die ein strafrechtlicher Anfangsverdacht bestanden habe. Diese Auslegung entspreche der höchstrichterlichen Rechtsprechung, gegen die Kl. habe aber ein derartiger Anfangsverdacht nicht bestanden. Dabei sei zunächst zugunsten der Kl. zu berücksichtigen, dass die Beschlüsse des AG und des LG X nicht einmal in einem Ver-fahren gegen bekannte oder noch nicht bekannte Anleger ergangen seien, sondern in einem Verfahren gegen die Verantwortlichen der Bank A. Darüber hinaus hätten die Kl. ihre Über-weisungen in offener und banktypischer Weise, ohne sie zu anonymisieren oder zu pseudo-nymisieren, durchgeführt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung seien banktypisch vor allem solche Anlagen, die im Wege direkter Überweisungen von legitimationsgeprüften Konten eines namentlich bekannten Kunden der Bank auf ein Konto der Auftragsbank aus-geführt würden, wobei sich aus den Gesamtumständen der Transaktion keine Anhaltspunkte für eine verschleierte bzw. anonyme Anlage ergeben dürften (s. BFH, BStBl II 2001, 306 ff). Der BFH führe dazu aus, dass für den Fall, dass allein die Durchführung eines banküblichen Auslandsgeschäfts den Verdacht einer Steuerhinterziehung begründe und die Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen Auslandsanleger rechtfertige, dies eine Maßnahme wäre, die eine willkürliche Diskriminierung gegenüber dem inländischen Kapital- und Zahlungsverkehr oder zumindest eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs darstelle (Art. 58 Abs. 3 EG-Vertrag) und mit den den Mit-gliederstaaten in diesem Bereich vorbehaltenen Rechten (insbesondere Art. 58 Abs. 1 EG-Vertrag) auf keinen Fall zu rechtfertigen wäre. Wenn danach feststehe, dass das strafrecht-liche Ermittlungsverfahren der Steufa Y sich nicht gegen die Kl. gerichtet habe und sich mangels eines Anfangsverdachts auch nicht habe richten können, so folge daraus, dass Erkenntnisse, Aufzeichnungen und Material der Steufa X nicht dazu hätten verwendet wer-den dürfen, Besteuerungsgrundlagen bei den Kl. zu ermitteln. Insoweit bestehe ein Verwer-tungsverbot mit der Folge, dass die angefochtenen Verwaltungsakte rechtswidrig seien. Auf die Frage, ob den Beschlüssen des AG und LG X Tatbestandswirkung zukomme, komme es nicht an. Eine etwaige Tatbestandswirkung der Beschlüsse würden sich jedenfalls nicht ge-gen die Kl. richten. Im Übrigen bestehe eine derartige Tatbestandswirkung nach der ein-schlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht.

Die Kl. beantragen,
den geänderten VSt-Bescheid auf den 01. Januar 1995 ? Hauptveranlagung ? vom 06. August 2001 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 2003 aufzuheben.

Das beklagte FA beantragt,
die Klage abzuweisen.

Das FA hält die Klage unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung für nicht begrün-det.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergän-zend auf die vorbereitenden Schriftsätze und den Inhalt der Steuerakten einschl. der beige-zogenen Fahndungsvorgänge verwiesen. Die genannten Vorgänge waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Verwaltungsakte sind rechtswidrig und verletzen die Kl. in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Das von der Steufa X an die Steufa Y weitergeleitete Kontrollmaterial unterliegt einem Verwertungsver-bot, denn die Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Nr. 1 ? 3 AO für ein Tätigwerden der Steu-fa X liegen insoweit nicht vor.

Gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 AO ist Aufgabe der Steufa,
1. die Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten,
2. die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in Nr. 1 bezeichneten Fällen,
3. die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle.
Nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung besitzt die Steufa nach dieser Vor-schrift eine Doppelfunktion. Es ist ihre Aufgabe, Steuerstraftaten aufzuklären und hierbei die Besteuerungsgrundlagen für die hinterzogenen Steuern zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AO) und darüber hinaus unbekannte Steuerfälle aufzudecken und zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO). Zur Erfüllung dieser Aufgaben hat die Steufa einerseits die Befugnisse, die die StPO den Polizeibeamten einräumt (§§ 208 Abs. 1 Satz 2, 404 Satz 1 AO) sowie die in § 404 Satz 2 AO aufgeführten Befugnisse, andererseits stehen der Steufa auch die Ermittlungsbefugnisse zu, die den Finanzämtern zustehen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO). Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Steufa die ihr eingeräumten Befugnisse nicht kumulativ ausüben darf (§ 208 Abs. 1 Satz 3 AO). § 208 Abs. 1 Satz 3 AO lässt § 393 Abs. 1 AO ausdrücklich unberührt. Diese Vorschrift regelt das Verhältnis des Steuerstrafverfahrens zum Besteuerungsverfahren. Gemäß § 393 Abs. 1 Satz 1 AO richten sich die Rechte und Pflichten der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren und im Strafverfahren nach den für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften. § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO kommt damit eine über den Rahmen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO hinausgehende Bedeutung zu, denn sie ermächtigt die Steufa kraft eigenen Rechts über die strafrechtliche Relevanz hinaus den steuerlich erheblichen Umständen einer Straftat oder Steuerordnungswidrigkeit nachzu-gehen. Wenn die Steufa in einem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen einen Steuerpflichtigen tätig ist und dabei zwangsläufig Besteuerungsgrundlagen für einen steuer-strafrechtlich nicht verjährten Zeitraum feststellt, so muss sie auch die Aufgabe und das Recht haben, gleichzeitig oder in zeitlich nachfolgenden Ermittlungen bezüglich des gleichen Lebenssachverhalts die Besteuerungsgrundlagen für zwar strafrechtlich, nicht aber steuer-rechtlich verjährte frühere Besteuerungszeiträume festzustellen und zu prüfen, ob dem noch bestehenden Steueranspruch des Staates Genüge getan worden ist. Zwischen Steuerstraf-tat und Ermittlung der Besteuerungsgrundlage besteht hier ein enger und unmittelbarer Zu-sammenhang, dass insoweit von einer verselbständigten Ermittlungstätigkeit der Steufa kei-ne Rede sein kann. Eine andere Betrachtung wäre auch lebensfremd und mit den Grundsät-zen der Steuergleichheit und der Steuergerechtigkeit nicht zu vereinbaren (BFH, BStBl II 1998, 231, 233). § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO begründet deshalb für die Steufa die Befug-nis, kraft eigenen Rechts über die strafrechtliche Relevanz hinaus den steuerlich erheblichen Umständen nachzugehen. Dabei ist allerdings Folgendes zu beachten. Außerhalb des Steu-erstrafverfahrens darf die Steufa nur die Mittel der AO, nicht etwa jene der StPO wie z. B. Durchsuchung und Beschlagnahme anwenden. Es ist die strikte Trennung der Befugnisse, die der Steufa im Besteuerungsverfahren einerseits und im Strafverfahren andererseits zu-stehen, zu beachten. Es ist der Steufa verwehrt, von den unterschiedlichen Ermittlungsbe-fugnissen der StPO und der AO nach Belieben Gebrauch zu machen. Davon zu unterschei-den ist die Alternative des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, nämlich die Aufdeckung und Ermitt-lung unbekannter Steuerfälle. Diese Vorschrift konkretisiert den allgemeinen Steuersiche-rungsauftrag des § 85 Satz 2 AO. Insoweit übt der Fahnder die Befugnisse einer Finanzbe-hörde im Besteuerungsverfahren aus. Es ist unzulässig, mit strafprozessualen Mitteln Zwe-cke des Besteuerungsverfahrens zu verfolgen oder umgekehrt, mit den Befugnissen des Besteuerungsverfahrens zu versuchen, Steuerstraftaten aufzuklären.

Wenn die Steufa auf der Grundlage von Durchsuchungsbeschlüssen tätig wird, die die ört-lich zuständigen Amtsgerichte im Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Bankkunden und Bankmitarbeiter wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung bzw. der Beihilfe erlassen, handelt es sich um strafrechtliche Ermittlungsverfahren zur Aufklärung von Steuerstraftaten im Sinne des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Dabei ist es nicht zu beanstanden, dass die Steufa bei der Erfüllung dieser gesetzlichen Aufgabe doppelfunktional tätig wird, d. h. an-lässlich eines konkreten Einsatzes sowohl straf- als auch steuerverfahrensrechtliche Ermitt-lungen durchführt, auch wenn diese Ermittlungen sich gegen unterschiedliche Personen richten und im Laufe des Einsatzes, etwa bei der Durchsicht von Geschäftsunterlagen, fort-laufend Aufgabe und Ermittlungsziel gewechselt werden. Die oben dargelegte Aufgabenzu-weisung an die Steufa in § 208 Abs. 1 Satz 1 AO sieht insoweit kein Alternativ- oder Aus-schließlichkeitsverhältnis vor, vielmehr entspricht die Doppelfunktionalität dem Gesetzes-plan. Dieser Grundsatz besteht im Übrigen auch bei der Außenprüfung, bei der dem Außen-prüfer, der die steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen prüft, die Pflicht trifft, bei Ver-dacht einer Steuerstraftat steuerstrafrechtliche Ermittlungen aufzunehmen. Die Möglichkeit der gleichzeitigen Erfüllung unterschiedlicher Aufgaben durch den Steuerfahnder wird letzt-lich gerechtfertigt durch die strikte Trennung der Befugnisse, die der Finanzbehörde im Be-steuerungsverfahren einerseits und in dem Strafverfahren andererseits zustehen. Die jewei-lige Aufgabenerfüllung bestimmt die Befugnisse mit der Folge, dass bei § 208 Abs. 1 AO zwischen der Aufgabenzuweisung einerseits (Satz 1 Nr. 1 bis 3) und den zur Erfüllung dieser Aufgaben verliehenen Befugnissen andererseits zu unterscheiden ist. In diesem Spannungs-feld kann die Steufa jederzeit die Zielrichtung ihres Tätigwerdens ändern. Auch wenn die erste Untersuchung in der Bank als strafprozessuale Grundlage im Rahmen eines steuer-strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durchgeführt worden ist, kann die Steufa im Laufe des Verfahrens gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO zur Aufdeckung und Ermittlung unbe-kannter Steuerfälle tätig werden (BFH/NV 1998, 424, 428; BStBl II 2000, 643, 646). Die Steufa hat allerdings insoweit dann nicht die strafprozessualen, sondern stattdessen die Be-fugnisse einer Behörde im Besteuerungsverfahren. Gemäß § 194 Abs. 3 AO können die in einer steuerlichen Außenprüfung gewonnenen Erkenntnisse über die Verhältnisse Dritter für die Besteuerung ausgewertet werden (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Lief. 92 August 2000, § 208 Rn. 33). Werden jedoch in einem Kreditinstitut Erkenntnisse über Konten und Depots von Kunden gewonnen, ist § 30 a AO zu beachten, denn diese Vorschrift schränkt die Be-stimmung des § 194 Abs. 3 AO ein. Dabei ist der Begriff Außenprüfung im Sinne des § 30 a Abs. 3 AO funktional auszulegen und damit auch die Fahndungsprüfung als Außenprüfung anzusehen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung leitet dieses Ergebnis aus der weitge-henden Übereinstimmung der Befugnisse der Steufa anlässlich einer Fahndungsprüfung mit den Befugnissen der Außenprüfung ab, was andererseits spiegelbildlich auch für die Fahn-dungsprüfung dieselben Einschränkungen und Beschränkungen rechtfertigt (BFH/NV 1998, 424; 2002, 830, 834, BStBl II 2000, 643).

Gemäß § 30 a Abs. 1 AO haben die Finanzbehörden bei der Ermittlung des Sachverhalts auf das Vertrauensverhältnis zwischen den Kreditinstituten und deren Kunden besondere Rücksicht zu nehmen. Die Auswertung von Erkenntnissen über Kontoguthaben für die Be-steuerung des Kontoinhabers grenzt § 30 a Abs. 3 AO ein. Danach dürfen Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorge-nommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsmäßigen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden. Die Ausschreibungen von Kontrollmitteilungen soll insoweit unterbleiben (s. BFH, BStBl II 1997, 499, 506 sowie Tipke/Kruse, a.a.O., § 30 a Rn. 12 ff m.w.N.). Dabei ist aber eine diffe-renzierende Betrachtung geboten. Die Einschränkung gilt zunächst nach dem Wortlaut des § 30 a Abs. 3 Satz 1 AO (Guthabenkonten) nicht für debitorisch geführte Konten sowie aus-drücklich nicht für solche Guthabenkonten und Depots, hinsichtlich derer eine Identitätsprü-fung (Legitimationsprüfung) im Sinne von § 154 Abs. 2 AO unterblieben ist. Derartige Konten können anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut zwecks Nachprüfung der ord-nungsgemäßen Versteuerung festgestellt und abgeschrieben sowie unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 194 Abs. 3 AO verwertet werden. Eine weitere wesentliche Redukti-on erfährt § 30 a Abs. 3 AO dadurch, dass Zufallserkenntnisse, die den Verdacht einer Steuerverkürzung im Einzelfall begründen, auch hinsichtlich solcher Guthabenkonten und Depots durch den Außenprüfer des betreffenden Kreditinstituts dem zuständigen FA mitge-teilt werden können, bei deren Errichtung eine Identitätsprüfung im Sinne von § 154 Abs. 2 AO vorgenommen wurde (s. zur Abgrenzung unzulässiger Ermittlungen ins Blaue hinein, Rasterfahndungen und Austausch von Durchsuchungen o. ä. Ermittlungsmaßnahmen BFH, BStBl II 2000, 643; 2001, 306; 624; BFH/NV 2002, 830, jeweils m.w.N.). Eine weitere we-sentliche Einschränkung des in § 30 a Abs. 3 AO statuierten grundsätzlichen Kontrollmittei-lungsverbots liegt dann vor, wenn für Kontrollmitteilungen ein hinreichender Anlass besteht. Ein hinreichender Anlass in diesem Sinne ist nicht erst dann gegeben, wenn der Betriebs-prüfer Zufallserkenntnisse gewinnt, die den Verdacht einer Steuerverkürzung im Einzelfall begründen, vielmehr genügt für das Vorliegen eines hinreichenden Anlasses, dass der Au-ßenprüfer im Rahmen einer aufgrund allgemeiner Erfahrung getroffenen Prognoseentschei-dung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung zu dem Ergebnis kommt, dass eine Kontrollmitteilung zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen zu führen vermag. Hinrei-chender Anlass im Anwendungsfeld des § 30 a Abs. 3 AO meint folglich dasselbe wie der hinreichende Anlass für ein Auskunftsersuchen im Sinne von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steufa-Behörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Nr. 3 AO). Schon aus dem eindeutigen Wortlaut des § 30 a Abs. 3 Satz 2 AO (?soll?) ergibt sich, dass diese Bestimmung kein generelles ? ausnahmsloses ? Verbot zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen statuiert (BFH, BStBl II 1997, 499, 506). Nach An-sicht des BFH folgt dieses Ergebnis aus der gebotenen teleologischen, grammatikalischen, historischen und verfassungskonformen Auslegung des § 30 a Abs. 3 AO. Dabei ist zu be-rücksichtigen, dass die Entscheidung zur Frage ergangen ist, ob die Besteuerungen und steuerlichen Erhebungen der im Veranlagungszeitraum 1993 erzielten Kapitaleinkünfte im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 Einkommensteuergesetz (EStG) 1993 nicht gegen das Grund-gesetz verstoßen. Die durch den BFH vorgenommene Auslegung des § 30 a AO ist in Lite-ratur und Rechtsprechung auf Bedenken gestoßen. U.a. wird dargelegt, dass der Senat ei-nes obersten Bundesgerichtes nicht befugt sei, einem Gesetz eine mit seinem Wortlaut un-vereinbare Auslegung zu geben. Insbesondere dürfe das Gericht den Willen des Gesetzge-bers nicht durch eigene Gerechtigkeitsvorstellungen ersetzen und ein Gesetz praktisch au-ßer Kraft setzen. Die Grenze jeder Auslegung sei der eindeutige Wortlaut eines Gesetzes (s. dazu Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 30 a Rn. 12 ff sowie Weinreich, Die Verwertbarkeit von Ermittlungsergebnissen des Steuerstrafverfahrens im Besteuerungsverfahren der Bankkun-den, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2002, 1925). Der VII. Senat des BFH hat in seinem Be-schluss vom 28. Oktober 1997 (BFH/NV 1998, 424 f) betr. Befugnisse der Steufa im Ban-kenbereich lediglich ausgeführt, dass die verfassungskonforme Auslegung, die der VIII. Se-nat dieser Vorschrift geben müsste, dem beschließenden Senat auf den ersten Blick nicht so überzeugend erscheine, und ausgeführt, dass wenigstens ein Kernbestand des Bankge-heimnisses gewahrt bleiben müsse, solange § 30 a AO Bestand habe. In dem von ihm ent-schiedenen Fall wurde dargelegt, dass bei der Beurteilung, ob eine bestimmte Tätigkeit der Steufa rechtmäßig sei, zu prüfen sei, ob die Steufa im Rahmen ihrer Aufgabenzuweisung tätig geworden sei und ob ihr für die Ausübung dieser Tätigkeit auch eine gesetzliche Be-fugnis zustehe. Das Notieren und Festhalten steuerlich erheblicher Vorgänge aus dem Schriftverkehr einer Bank mit ihren Kunden mit dem Ziel der Anfertigung von Kontrollmittei-lungen gehöre zur Aufgabenzuweisung Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle jedenfalls dann, wenn ein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden bestehe (so wörtlich BFH/NV 1998, 424 Nr. 5 des Tenors; siehe auch Nr. 7 des Tenors: Im Bankbereich wird die Auswertungsbefugnis begrenzt durch die Spezialvorschrift des § 30 a Abs. 3 AO, wonach Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung vorgenom-men worden ist, anlässlich einer Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nach-prüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfe). In einer weiteren Entscheidung hat der VII. Senat mit Beschluss vom 21. März 2002 (BFH/NV 2002, 830) ausgeführt, dass Sammelauskunftsersuchen an Kreditinstitute zur Er-mittlung von Einkünften aus Spekulationsgeschäften im Rahmen von Ermittlungen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO rechtmäßig seien, wenn hierfür ein hinreichender Anlass beste-he, unzulässig seien lediglich Ermittlungen ins Blaue hinein, Rasterfahndungen und Aus-tausch von Durchsuchungen o. ä. Maßnahmen. Der erkennende Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die vom VII. und vom VIII. Senat des BFH dargelegten Auslegungen mit § 30 a AO in Einklang zu bringen sind. Die Ausfertigung von Kontrollmitteilungen im Rahmen der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle durch die Steufa (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) ist dann nicht durch § 30 a Abs. 3 AO eingeschränkt, wenn ein hinreichender An-lass für ein Tätigwerden besteht. Mit dieser Einschränkung wird der in § 30 a Abs. 3 AO ma-nifestierte Wille des Gesetzgebers beachtet, der den Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Bank und Kunden als höherrangig ansieht als die grundlegende Befugnis der Be-triebsprüfung bei Bankenprüfungen, Aufzeichnungen zu machen und Kontrollmitteilungen zu schreiben (BFH BStBl II 1997, 499; BFH/NV 1998, 424; 2002, 830).

Bei Anwendung dieser Grundsätze war die Steufa X daran gehindert, die Kenntnisse über den Transfer von 1 Mio. DM in die Schweiz an die Steufa Y weiterzuleiten. Zwar ist das Be-kanntwerden dieses Kontos aufgrund einer richterlich bestätigten Durchsuchung und Be-schlagnahme im Rahmen von Ermittlungen gegen Mitarbeiter der Bank A bei der Bank A erfolgt. Die Kenntnisse über das Konto sind aber nicht in einem gegenüber den Kl. eingelei-teten Steuerstrafverfahren bekannt geworden. Die Steufa X ist bezüglich der Kl. im Bereich des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO zwecks Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuer-fälle tätig geworden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der strafrechtliche Vorwurf, der zur Durchsuchung und Beschlagnahme der Bankunterlagen führte, sich gegen Bankange-stellte richtete, die der Beihilfe zur Steuerhinterziehung der Kunden der Bank verdächtigt sind. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Durchsuchung der Räumlichkeiten auch zu dem Zweck angeordnet wurde, gegen bisher noch unbekannte Haupttäter zu ermit-teln. Die Steufa X ist gerade nicht im Hinblick aufgrund eines hinreichenden strafrechtlichen Anfangsverdachts gegenüber den Kl. tätig geworden. Außerdem ist zu beachten, dass der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss sehr weit gefasst war, denn er bezog sich ausdrücklich auch auf sog. legitimierte Konten. Im Beschluss des LG X ist dazu ausgeführt, dass auch Belege mit namentlich aufgeführten Auftraggebern für die vorliegende Untersu-chung Beweisbedeutung haben können, indem untersucht werden kann, ob Transaktionen für einzelne Kunden unter falschem Namen durchgeführt wurden, auch wenn derzeit konkre-te Anhaltspunkte dafür nicht gegeben sind. Zwar ist die Anordnung des AG, die Geschäfts-räume der Bank wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung durch Mitarbeiter der Bank zu durchsuchen, im Besteuerungsverfahren nicht mehr der finanzgerichtlichen Kontrolle zu unterziehen, im finanzgerichtlichen Verfahren ist demgemäß davon auszugehen, dass die Steufa aufgrund eines hinreichenden strafrechtlichen Anfangsverdachts tätig geworden ist. Eine solche Durchsuchung und Anordnung ist dahin auszulegen, dass sie sich lediglich ge-gen diejenigen Kunden richtete, gegen die ein strafrechtlicher Anfangsverdacht bestand (sog. Verfahrensbeteiligte), weil sie ihre Geldgeschäfte in unüblicher oder zumindest unge-wöhnlicher und damit nicht banktypischer Weise betrieben hatten (so wörtlich BFH/NV 2002, 749 bezüglich der rechtlichen Würdigung einer Bankendurchsuchung und der Verneinung eines Verwertungsverbots). Ausdrücklich wird in diesem Beschluss ein strafrechtlicher An-fangsverdacht dann angenommen, wenn Geldgeschäfte in unüblicher oder zumindest un-gewöhnlicher und damit nicht banktypischerweise z. B. durch Verschleierung von Geldüber-weisungen aufgrund von Buchungen auf bankinternen Konten oder durch Anonymisierung aufgrund Abkopplung der Barzahlungen für ein Tafelgeschäft von bestimmten Kunden be-trieben wurden. Bezüglich des vom Kl. geführten Kontos bei der Bank, von der die Überwei-sung auf ein Schweizer Konto geführt wurde, trifft dies ausdrücklich nicht zu, denn es han-delt sich um ein legitimiertes Konto im Sinne des § 154 Abs. 2 AO. Der vom FA dargelegte strafrechtliche Anfangsverdacht kann auch nicht mit der Höhe des Transfers von 1 Mio. DM in die Schweiz begründet werden. Weder die Höhe des Betrages noch die Tatsache, dass es sich um einen Transfer in die Schweiz handelt, begründen einen strafrechtlichen An-fangsverdacht. Eine andere Auslegung würde in ungerechtfertigter Weise offen dargelegte Transfers in die Schweiz diskriminieren. Eine solche Auslegung würde der im Art. 56 EG-Vertrag n. F. niedergelegten Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit widersprechen. Geld- oder Kapitalanlagen im Ausland, die von Anlegern über ein deutsches Kreditinstitut in bank-üblicher Weise abgewickelt werden, sind in Anbetracht der Gewährleistung der Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitglied-staaten und Drittländern nicht geeignet, einen steuerstrafrechtlichen Anfangsverdacht zu begründen (BFH, BStBl II 2001, 306, 310: ?Begründet allein die Durchführung eines banküb-lichen Auslandsgeschäfts den Verdacht einer Steuerhinterziehung und rechtfertigt die Einlei-tung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Auslandsanleger, so wä-re dies nach Auffassung des Senats eine Maßnahme, die eine willkürliche Diskriminierung gegenüber dem inländischen Kapital- und Zahlungsverkehr oder zumindest eine verschleier-te Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs darstellte, die allgemeine An-nahme, dass eine Steuerhinterziehung und Umgehung stattfinden werde, ist kein rechtferti-gender Grund für einen Eingriff in diese garantierte Grundfreiheit?). Mangels Vorliegens ei-nes strafrechtlichen Anfangsverdachts sind deshalb die oben ausgeführten von der höchst-richterlichen Rechtsprechung entwickelten Einschränkungen des § 30 a Abs. 3 AO zum Ausschreiben von Kontrollmitteilungen über legitimationsgeprüfte Guthabenkonten zu be-achten. Gegenteiliges ergibt sich insbesondere nicht aus dem vom FA in der Einspruchsent-scheidung zitierten Beschluss des BFH vom 29. Januar 2002, VIII B 91/01 (BFH/NV 2002, 749). Da die Steufa X gehindert war, die Kenntnisse über das Konto der Kl. in Form einer Kontrollmitteilung an das für die Kl. zuständige FA weiterzuleiten, war auch das FA daran gehindert, die Kontrollmitteilung auszuwerten. Der Senat braucht deshalb nicht darüber zu entscheiden, ob die vom FA vorgenommenen Schätzungen bezüglich der Erhöhung des sonstigen Vermögens auf die Stichtage 01.01.1995 und 1996 zutreffend sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren aus § 139 Abs. 3 FGO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzu-lassen.

RechtsgebietAOVorschriften§ 30a Abs. 3 AO, § 154 Abs. 2 AO, § 194 Abs. 3 AO, § 208 AO

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