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21.04.2004 · IWW-Abrufnummer 040969

Kammergericht Berlin: Beschluss vom 26.02.2004 – 2 Verg 16/03

1. Ist bei einzelnen Positionen ein Einheitspreis von 0,01 ? eingesetzt, handelt es sich auch dann um eine vollständige Preisangabe i. S. v § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A, wenn korrespondierend dazu andere Positionen deutlich teurer angeboten werden, als es ohne die Abpreisungen der Fall gewesen wäre (Divergenz zu OLG Düsseldorf vom 26. November 2003 - Verg 53/03).


2. Das wirtschaftlichste Angebot darf nicht wegen spekulativer Aufpreisungen bei einzelnen Positionen unberücksichtigt bleiben, wenn seine Preiswürdigkeit selbst im gedachten Fall des Aufgehens der Spekulation nicht infrage gestellt ist. Bei der in diesem Zusammenhang anzustellenden Wirtschaftlichkeitsprognose müssen konkrete Umstände feststellbar sein, die mit einiger Wahrscheinlichkeit die Annahme rechtfertigen, dass es bei diesen Positionen zu erheblichen Nachforderungen kommen kann.


3. Sind in Positionen von untergeordneter Bedeutung Zuliefererprodukte anzubieten und wird ein Hersteller bzw. ein Produkt mit dem Zusatz "oder gleichwertig" angeboten, kann das nach den gesamten Umständen dahin auszulegen sein, dass der Auftraggeber berechtigt sein soll, ein (gleichwertiges) Alternativprodukt zu bestimmen (mögliche Divergenz zu OLG Dresden, Bs. v. 10. Juli 2003, VergabeR 2004, 92).


4. Selbst bei anderem Verständnis solcher Bieterangaben sind Nachverhandlungen zur Festlegung auf bestimmte Produkte statthaft, wenn der Abstand zum folgenden Bieter so groß ist, dass der Wettbewerb nicht verfälscht werden kann (Anschluss an Thüringer OLG Bs. v. 24. Februar 2003 (VergabeR 2003, 339 ff.) und vom 8. April 2003 - 6 Verg 1/03).

KG, Beschluss vom 26.02.2004 - 2 Verg 16/03


In dem Vergabenachprüfungsverfahren
......

hat der Vergabesenat des Kammergerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Weiß und die Richter am Kammergericht Gröning und Beier beschlossen:

Das Nachprüfungsverfahren wird gemäß § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB dem Bundesgerichtshof vorgelegt.

Gründe:

A.
Der Antragsgegner betreibt im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung den Bau des Autobahnzubringers Dresden BAB A 113 (neu). Zum 23. Bauabschnitt gehören u. a. die Lose 4 - Tiefbau/Ingenieurbau zur Herstellung des Tunnels "Rudower Höhe" (BW TRH50) und 4 A und B - Tiefbau/Ingenieurbau zur Herstellung der Stützbauwerke im Einschnitt "Rudower Höhe" (BW TRH60) sowie Tiefbau/Ingenieurbau zur Herstellung der Fußgängerbrücke Gerosteig (TRH20).

In der Ausschreibung betreffend das Los 4 hat die "Bietergemeinschaft Rudower Tunnel", der die hiesige Antragstellerin und ein weiteres Unternehmen angehören, das günstigste Angebot abgegeben. Jene Ausschreibung ist Gegenstand des parallel beim Senat anhängigen Nachprüfungsverfahrens 2 VERG 17/03. Das vorliegende Nachprüfungsverfahren bezieht sich auf Los 4 A und B. Die Antragstellerin hat unter Berücksichtigung eines wertungsfähigen Preisnachlasses das günstigste Hauptangebot mit einem Nettopreis von ? ? abgegeben. Der Antragsgegner hat das Angebot ausgeschlossen und will den Zuschlag auf ein Angebot mit einem um rd. 668.000 ? höheren Nettopreis erteilen.

In der Sache geht es bei dem Ausschluss des Angebots der Antragstellerin - wie beim Ausschuss des Angebots der Bietergemeinschaft "Rudower Tunnel" im Parallelverfahren - in erster Linie darum, dass die Antragstellerin bei mehreren Positionen des Leistungsverzeichnisses Einheitspreise eingesetzt hat, die von den durchschnittlichen Einzelpreisen aller Bieter akzentuiert entweder nach oben oder nach unten abweichen.

Die Position 1.10.10, Baustelleneinrichtung, etwa bietet die Antragstellerin zu einem Preis von rund 60.000 ? an. Dieser Preis ist der zweitgünstigste aller Bieter. Von den 7 in den Preisspiegel (Vergabeakten grüner Stehordner Bl. 40) aufgenommenen Bewerbern bietet die Antragstellerin diese Position mit dem niedrigsten Preis an; die Preise der übrigen sechs Bieter aus diesem Kreis liegen zwischen dem knapp 4fachen bis zum 10fachen dieses Preises. Wie sich aus dem Aufklärungsgespräch ergeben hat, sind in dem in der Position 1.10.10 angeführten Preis der Antragstellerin nur Leistungen für die Tief- und Straßenbautitel kalkuliert; die Baustelleneinrichtung für die Rohbauleistungen hat sie im Baustellengemeinkosten-Leistungsverzeichnis kalkuliert und über das Gesamtangebot umgelegt (Vergabeakten, grüner Stehordner Bl. 152).

Für die Position 1.10.20 - Baustelle räumen - verlangt die Antragstellerin 0,01 ?. Die tatsächlichen Aufwendungen für das Räumen der Baustelleneinrichtung hat sie innerhalb der Position 1.10.10 berücksichtigt. Die übrigen Positionen der Antragstellerin mit relativ deutlichen Abpreisungen sind:

Erdarbeiten: 1.11.240, 1.11.310, 1.11.320
Wasserhaltungsarbeiten: 1.15.10, 1.15.20
Beton-, Stahlbeton: 1.18.50,1.18.70, 1.18.150, 1.18.160, 1.18.180, 1.18.190,
1.18.200, 1.1.8.250, 1.18.350
Stahlbau-, Schmiede-.: 1.19.20
Abdichtungsarbeiten: 1.22.20, 1.22.40
Korrosionsschutzarbeiten: 1.23.20
Straßenbauarbeiten: 2.12.10, 2.12.20
Abdichtungs- und...: 2.22.70, 2.22.80

Mit Ausnahme der Positionen 1.15.10 und 1.15.20 handelt es sich dabei um Einzelpreise von 0,01 ?. Die Antragstellerin erläuterte ihre Preisfindung im Schreiben vom 24. Februar 2003 (Vergabeakten grüner Stehordner Bl. 124 ff. = Anlage BG 8 zur Beschwerdeerwiderung) und, ergänzend, im Schreiben vom 20. März 2003 Vergabeakten aaO Bl. 150 ff.). Unter anderem ergibt sich daraus, dass die Position 1.11.240 - Verbau für die Grabenbaugrube - auf den gesamten Titel 11 umgelegt wurde.

Den für die Positionen 1.11.310 und 1.11.320 - gelagerten Boden des Auftraggebers aufnehmen - eingesetzten Preis von jeweils 0,01 ? erklärt die Antragstellerin damit, dass der in die Schadstoffbelastungsklassen Z1.1 und Z1.2 einzustufende Boden bei diesen beiden Positionen bestimmungsgemäß in das Eigentum des Auftragnehmers übergehen soll und dass sie kalkulatorisch hat berücksichtigen können, dass dieser Boden bei anderen Bauvorhaben ihrer Niederlassung als Einbaumaterial verwendet werden kann, so dass die Aufwendungen für den Abtransport durch entsprechende Erlöse kompensiert werden könnten.
Die Aufwendungen für die Positionen 1.18.50 und 1.18.70 hat die Antragstellerin in der Position 1.18.40 berücksichtigt. Der Punkt 1.18.150 ist in der Hauptposition 1.18.130. berücksichtigt worden; die Positionen 1.18.180 bis 1.18.200 hat sie über das Gesamtangebot umgelegt. Die Straßenbauarbeiten in 2.12.10 und 2.12.20 sowie 2.22.70 und 2.22.80 sind auf die Leistungspositionen des Titels 11 umgelegt worden.

Mehr oder minder deutlich aufgepreist hat die Antragstellerin die Positionen 1.18.10, 1.18.30, 1.18210 sowie 1.18.240. Wegen ihrer Erläuterungen im Einzelnen wird auf die beiden genannten Schreiben Bezug genommen.

Im Informationsschreiben gemäß § 13 VgV hat der Antragsgegner angegeben, die Angemessenheit des Angebots der Antragstellerin könne anhand der eingereichten Unterlagen nicht überprüft und das Angebot nach § 24 Abs. 2 VOB/A nicht berücksichtigt werden. Die Antragstellerin hat dagegen Vergabenachprüfung beantragt und vor der Vergabekammer in der Hauptsache die Anträge gestellt,

1. dem Antragsgegner zu untersagen, ihr Angebot gemäß § 24 Nr. 2 VOB/A von der Wertung auszuschließen,

2. den Antragsgegner zu verpflichten, den Zuschlag auf kein anderes Angebot als das Ihre zu erteilen,

hilfsweise:

den Antragsgegner zu verpflichten, die Angebote unter Einbeziehung ihres Angebotes und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu werten.

Im Nachprüfungsverfahren hat der Antragsgegner sich zusätzlich darauf berufen, das Angebot der Antragstellerin sei schon wegen Fehlens geforderter Erklärungen auszuschließen. Dieser Einwand bezieht sich auf folgende Angaben der Antragstellerin bei folgenden Positionen:

1.15.40. Messung und Berechnung der gefoerderten Wassermenge
durchfuehren. Erforderliche Verzeichnisse, Protokolle
und grafische Darstellungen fertigen.
......
Messung mit Messeinrichtungen nach Wahl des AN.
Angaben im Bieterangaben-Verzeichnis ueber
(61)Messanlage
(61)
(61) "Wasseruhr o. glw." (Kursivschrift im Original handschriftlich)

1.22. 100. Anti-Graffiti-System (AGS)/(Beschichtung) auf Beton
flächen herstellen..
...
Angaben im Bieterangaben verzeichnis über:
(61)Handelsbezeichnung,
(61)
(61) . "AGSB IV B. Neumann GmbH o. glw."
(62) Lieferwerk'
(62)
(63)System'
"AGSB IV UBA-Nr. 1705 - 0001"

2.19. 20. Stl-Nr. 85 121/112 39 04 01 41 TB
Verformungslager, zweiachsig verformend verschieblich,
nach Zeichnung gebrauchsfertig einbauen.
...
Angaben im Bieterangaben-Verzeichnis ueber
(11) Lieferwerk
(11) "Maurer & Söhne Brückenausrüstung GmbH o. glw."

2.19. 40. Stl-Nr. 85 121/122 03 01 21 71 TB
Verformungslager, festgelegt, nach Zeichnung gebrauchs-
fertig einbauen.
...
Angaben im Bieterangaben-Verzeichnis ueber
(11)Lieferwerk
(11) "Maurer & Söhne Brückenausrüstung GmbH o. glw."

2.19. 50. Wasserdichte Uebergangskonstruktion aus Stahl entspre
chend statischen und konstruktiven Erfordernissen
einbauen.
...
Angaben zur Konstruktion im Bieterangaben- Verzeichnis
ueber
(61) Lieferwerk
(61) "Maurer & Söhne Brückenausrüstung GmbH o. glw."
(61)Typenbezeichnung
(61) "D 80 - B - 5 o. glw."

Soweit es in den vorstehend wiedergegebenen Positionen heißt, dass die jeweiligen Angaben im Bieterangaben- Verzeichnis zu machen sind, hat sich in der mündlichen Verhandlung ergeben, dass ein solches Verzeichnis den Verdingungsunterlagen dieses Vergabeverfahren nicht beigefügt war. Die Bieter haben sich im Allgemeinen damit beholfen, die Angaben im Blankett des Leistungsverzeichnisses zu machen.

Wegen der Einzelheiten der Begründung des Angebotsausschlusses - auch wegen zusätzlicher Angriffspunkte - wird auf die im Verfahren vor der Vergabekammer eingereichten Schriftsätze des Antragsgegners Bezug genommen.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag nach mündlicher Verhandlung als unzulässig zurückgewiesen. Sie hat gemeint, das Angebot der Antragstellerin sei wegen fehlender bzw. unvollständiger Preisangaben auszuschließen. Preise von 0,01 ? seien keine vollständigen Preisangaben i. S. v. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A, wenn die tatsächlichen Kosten der Leistungserbringung in der jeweiligen Position des Leistungsverzeichnisses nicht abgedeckt seien und sich die jeweilige geforderte Vergütung auch nicht mit den zusätzlichen Angaben des Bieters ermitteln lasse. So verhalte es sich hier bei den Positionen 1.11.310 und 1.11.320. Auch bei weiteren Positionen, etwa 1.11.240, sei die leistungsgerechte Vergütung anhand der Angaben der Antragstellerin nicht zu ermitteln.

Die Kammer hat außerdem gemeint, der Nachprüfungsantrag wäre auch als unbegründet zurückzuweisen. Die Antragstellerin sei wegen der spekulativen Auf- und Abpreisung einzelner Positonen in ihrem Angebot als ungeeignet auszuschließen. Auch habe der Antragsgegner die Auskömmlichkeit des Angebots infrage stellen können. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss der Vergabekammer vom 3. November 2003 (Bd. I, 41a ff. d. A.) Bezug genommen.

Mit ihrer fristgerecht eingereichten sofortigen Beschwerde begehrt die Antragstellerin die Verpflichtung des Antragsgegners, den Zuschlag auf kein anderes Angebot als das Ihre zu erteilen, hilfsweise, ihn zu verpflichten, die Angebote unter Einbeziehung ihres Angebots unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts neu zu werten.

Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde. Er verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer und wiederholt vertiefend seine im erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Gründe für die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der Antragstellerin. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdeerwiderung nebst Anlagenkonvolut und den Schriftsatz vom 10. Februar 2004 Bezug genommen. Die Beigeladene hat im Beschwerdeverfahren keine Schriftsätze eingereicht, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine Erklärungen abgegeben und auch keine Anträge gestellt.

B.

Der Senat hat, wie er bereits in seinem Beschluss gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB zum Ausdruck gebracht hat, keine durchgreifenden Bedenken gegen die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde. Er hält das Rechtsmittel auch in der Sache - nach dem Hilfsantrag - für begründet, sieht sich aber durch die dem Beschluss des OLG Düsseldorf vom 26. November 2003 - Verg 53/03 zu Grunde liegende Rechtsauffassung, die er nicht teilt, daran gehindert, der Beschwerde stattzugeben.

I. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf bezieht sich auf ein Bauvergabeverfahren, in dem die dortige Beigeladene bei der eine Wirtschaftswegbrücke betreffenden Position des Leistungsverzeichnisses einen Preis von 1 ? eingesetzt und die für die Bereitstellung der Brücke tatsächlich veranschlagten Kosten von rund 140.000 ? bei anderen Kostenpositionen eingestellt hatte. Im Angebot selbst hatte die Beigeladene diesbezüglich keine konkreten Zuordnungen vorgenommen; in der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht aber erläutert, die kalkulierten Kosten seien u. a. bei der Position "Baustelleneinrichtung" berücksichtigt worden. Das OLG Düsseldorf hat die Ansicht vertreten, damit sei bei der Position für die Wirtschaftswegbrücke nicht der in der Leistungsbeschreibung vorgesehene Preis so wie gefordert vollständig mit dem Betrag angegeben, der für die betreffende Leistung beansprucht werde. Das Angebot sei deshalb zwingend auszuschließen.

Der vom OLG Düsseldorf entschiedene Fall unterscheidet sich vom vorliegenden nur dadurch, dass der Bieter dort lediglich eine einzige Position abgepreist und dies bei mehreren anderen Positionen berücksichtigt hatte, während hier eine Vielzahl von Positionen stark verbilligt angeboten waren und einige wenige dazu korrespondierend mehr oder minder markante Aufpreisungen enthielten und außerdem kalkulatorische Umlagen auf ganze Titel vorgenommen wurden. Darin liegt aber nach Ansicht des Senats kein erheblicher Unterschied im Sachverhalt, der ihm erlauben würde, der sofortigen Beschwerde im Streitfall stattzugeben ohne sich in Divergenz zu der Entscheidung des OLG Düsseldorf zu begeben.

II. Der Senat vermag sich die Sicht des OLG Düsseldorf, die im Ergebnis mit dem von der Vergabekammer im Streitfall eingenommenen Standpunkt übereinstimmt, nicht zu eigen zu machen.

Die Kalkulationsweise der Antragstellerin, einzelne Positionen im Vergleich zu den durchschnittlichen Positionspreisen aller Bieter markant auf- oder abzupreisen, ist im öffentlichen Auftragswesen seit langem geläufig, wird in der vergaberechtlichen Literatur unter dem Begriff des "Spekulationsangebots" erörtert und ist auch schon Gegenstand von vergaberechtlichen Entscheidungen gewesen (vgl. etwa BayOLG VergabeR 2004, 87 ff. mwN). Soweit die Antragstellerin ihre Kalkulationsweise vorprozessual auch als Auf- und Abgebotsverfahren bezeichnet hat, ist dies allerdings missverständlich, weil die VOB diesem Begriffspaar ein ganz bestimmtes Preisermittlungsverfahren zuordnet, um das es hier ersichtlich nicht geht (§ 6 Nr. 2 VOB/A).

Das BayObLG hat in seinem Beschluss vom 18. September 2003 - Verg 12/03, VergabeR 2004, 87 mit Anm. Waldner) unter Bezugnahme auf Entscheidungen der Oberlandesgerichte Celle und Naumburg die Auffassung vertreten, dem Auftraggeber sei es verwehrt, ein Angebot allein deshalb auszuschließen, weil es in einzelnen Positionen Preise von 0,01 ? enthält. Maßgeblich sei, ob sich aus der Prüfung einzelner Positionen die Besorgnis nicht einwandfreier Ausführung der ausgeschriebenen Leistung ergebe. Deshalb sei es dem Auftraggeber auch nicht verwehrt, so genannte Unterkostenpreise bei der Auftragsvergabe zu akzeptieren, wenn er nach Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Anbieter auch zu diesem Preis zuverlässig und vertragsgerecht wird leisten können (VergabeR aaO S. 89). Das Thüringer OLG hat die Ansicht vertreten, es könne vom Grundsatz her nicht beanstandet werden, wenn ein Bieter - ggfs. unter Ausnutzung einer mangelhaften Leistungsbeschreibung oder besonderer Kenntnis der örtlichen Verhältnisse einzelne Einheitspreise abweichend von einem ordnungsgemäß ermittelten Preis anbiete. Zur Begründung hat das Thüringer OLG darauf verwiesen, die Preisermittlung sei ausschließlich Sache des Bieters (Thüringer OLG, Urt. v. 27.02.2002 - 6 U 360/01, zitiert nach IBR 2002, 273).

In der Fachliteratur wird zunächst zwischen Mengen- und Textspekulation sowie dem Sonderfall der Spekulation bei Bedarfspositionen unterschieden (vgl. Kapellmann/Messerschmidt-Dähne § 25 VOB/A Rn. 77 ff; Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, A § 25 Rn. 154, 156; Thormann BauR 2000, 953 ff. mwN). Im Streitfall geht es nach dem Vorbringen des Antragsgegners vor allem um eine Mengenspekulation (Beschwerdeerwiderung S. 19 ff., Bd. I, 90 ff. d. A.).
Einhellig wird im Schrifttum die Ansicht vertreten, dass spekulative Angebote nicht ohne weiteres von der Wertung ausgeschlossen werden können (vgl. neben den vorstehenden Fundstellen Beck'scher VOB/A-Komm./Brinker/Ohle § 25 Rn. 60 ff.; Kratzenberg in Ingenstau/Korbion, 15.Aufl., § 25 VOB/A Rn. 44; Kuß, VOB-Komm., 4. Aufl., § 25 VOB/A Rn. 19 f.), insbesondere wenn der Auftraggeber durch ein nachlässig erstelltes Leistungsverzeichnis Raum für derlei Spekulation gegeben hat (Kratzenberg aaO; Thormann aaO S. 955, 957), über das den Auftraggeber aufzuklären der Bieter nicht verpflichtet sei (Thormann aaO S. 955; anders wohl BayObLG VergabeR 2004, 87, 90).

Schließlich werden signifikante Auf- und Abpreisungen einzelner Einheitspreise unter dem Gesichtspunkt der unangemessenen Preise i. S. v. § 25 Nr. 3 Abs. 1 und 2 VOB/A und dabei mit der zusätzlichen Fragestellung erörtert, inwieweit hinsichtlich der Unangemessenheit auf die einzelnen Einheitspreise abzustellen ist oder auf den Angebotsendpreis (vgl. dazu OLG Köln NJW-RR 1999, 316; ablehnend zu dieser Entscheidung Thormann aaO S. 958 f.; vgl. ferner Brinker/Ohle aaO Rn. 61 f.).

III. Der vorlegende Senat ist im Ausgangspunkt entgegen dem OLG Düsseldorf der Ansicht, dass ein Bieter, der bei einzelnen Positionen einen Einheitspreis von 0,01 ? einsetzt, seine Preise i. S. der §§ 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1, 25 Nr. 1 lit. b) VOB/A vollständig angibt. Bei diesem Preis handelt es sich dann um den für die jeweilige Einheit verlangten Preis, auf den sich der Auftraggeber bei der Angebotswertung einstellen kann. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Bieter gleichzeitig, gleichsam zum "betriebswirtschaftlichen Ausgleich" andere Positionen (deutlich) höher kalkuliert und dafür entsprechend deutlich mehr verlangt, als dies bei den Ausschreibungskonkurrenten zu beobachten ist. Ein Bieter, der auf diese Weise kalkuliert, nimmt lediglich im Wege von betriebswirtschaftlich motivierten kalkulatorischen Rechenoperationen eine angebotsbezogene Umgruppierung verschiedener jeweils unselbstständiger Kalkulationsposten innerhalb des Gesamtangebots vor. Das kann ihm wettbewerbs- und vergaberechtlich auch unter Berücksichtigung der wohl verstandenen und berechtigten Interessen der Auftraggeberseite nicht verwehrt werden. Die Angebotskalkulation berührt den Kernbereich unternehmerischen Handelns im Wettbewerb um öffentliche Aufträge und damit die Freiheit des Wettbewerbs in diesem Marktgeschehen schlechthin. Vorschriften, auf welche Weise der Unternehmen zu kalkulieren hat, kann es in einer freien Wirtschaftsordnung nicht geben. Das hat im Übrigen auch plausible tatsächliche Gründe. Auf Grund der vielfältigsten Variablen, die nach den jeweiligen betrieblichen und sonstigen vom Unternehmen zu berücksichtigenden Verhältnisse zulässigerweise in die Kalkulation eines Angebots einfließen können, lässt sich ein wie auch immer aufzufassender "leistungsgerechter" Einheitspreis des einzelnen anbietenden Unternehmens kaum je objektiv feststellen.

Auch die Vorschrift des § 24 Nr. 1 letzter Hs. VOB/A bietet keine tragfähige Grundlage dafür, ein Angebot, das so kalkuliert worden ist, wie das der Antragstellerin, ohne weiteres mit dem Ausschluss zu sanktionieren. Diese Vorschrift verpflichtet die Bieter, ggfs. das Ergebnis ihrer Kalkulation darzulegen, nicht aber, diese in ihrem gesamten Ablauf in der Weise vorzunehmen und transparent zu machen, dass genau aufgeschlüsselt werden kann, welche Positionen mit welchen Beträgen abgepreist und auf welche anderen Positionen diese Abpreisungen mit welchen Beträgen umgelegt wurden. Jedenfalls kann ein Angebot, welches bei bestimmten Einheiten auffällige Abpreisungen aufweist, nicht schon - wie die Vergabekammer aber zu meinen scheint - dann ausgeschlossen werden, wenn sich die Differenz zum gleichsam "leistungsgerechten" Einheitspreis nicht anderen aufgepreisten Positionen eindeutig zuordnen und aus ihnen herausrechnen lässt. Dabei kann es in einer wettbewerblich orientierten Wirtschaftsordnung und in Anbetracht des gesetzlichen Leitbilds der Vergabe öffentlicher Aufträge im Wettbewerb (§ 97 Abs. 1 GWB) des Weiteren nicht beanstandet werden, sondern muss als typisches Wettbewerbsverhalten der Bieterseite hingenommen werden, wenn diese bemüht ist, durch genaue Analyse der Leistungsbeschreibungen und des Projekts die Positionen herauszufinden, bei denen sich ggfs. Mengenmehrungen bzw. -minderungen ergeben könnten und wenn die Bieter generell darauf bedacht sein werden, bei den ersteren nicht zu niedrige und bei den letzteren nicht zu hohe Einheitspreise anzubieten.
Bei Durchsicht der im vorliegenden oder im Parallelfall von der Vergabestelle gefertigten Preisspiegel fällt im Übrigen auf, dass die Einheitspreise der einzelnen Bieter nicht selten Schwankungsbreiten aufweisen, die so beträchtlich sind, dass sie nicht allein durch interne betriebswirtschaftliche Gegebenheiten erklärlich erscheinen, sondern die die Annahme stützen, dass die Praxis, mit "nicht leistungs- oder kostengerechten" Einzelpreisen zu operieren, weit verbreitet ist. Dabei fällt außerdem auf, dass Auf- und Abpreisungen keineswegs synchron bei allen oder mehreren Bietern immer gleiche Leistungsteile betreffen. In diesem Zusammenhang kann es der Bieterseite auch nicht generell, sondern allenfalls in außergewöhnlichen Sachverhaltsgestaltungen nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auferlegt werden, die Auftraggeber auf fehlerhaft oder zweifelhaft angesehene Positionen hinzuweisen (für eine weit gehende Hinweispflicht aber wohl BayObLG VergabeR 2004, 87, 90), ähnlich wie die Auftraggeber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur in engen Grenzen verpflichtet sind, die Bieter auf Kalkulationsirrtümer hinzuweisen (BGHZ 139, 177 ff.). Den Bietern kann generell nicht angesonnen werden, den Interessen der Marktgegenseite nur deshalb erhöhte Rücksichtnahme zukommen zu lassen, weil es sich dabei um öffentliche Auftraggeber handelt. Diese können im Vergabewettbewerb keine wie auch immer geartete Sonderbehandlung im Vergleich zu privaten Parteien beanspruchen. Die Gefahr ihrer prinzipiellen unangemessenen Übervorteilung resultiert aus dieser Sicht nicht, weil der Wettbewerb selbst und die damit verbundene Notwendigkeit, das preiswerteste Angebot abzugeben, um einen Auftrag zu erlangen, das immanente Korrektiv gegen eventuelle übermäßige Preisspekulationen bietet.

Den Senat überzeugt deshalb die Sichtweise des OLG Düsseldorf nicht, das die zum Ausschluss vom Wettbewerb nötigende Unvollständigkeit der Preisangaben in dem von ihm zu beurteilenden Fall darin gesehen hat, dass der angesetzte Betrag von 1 ? nicht die für die Zurverfügungstellung der Wirtschaftswegbrücke kalkulierten Kosten wiedergab. Auch insoweit sollte gelten, dass der Bieter rechtlich nicht verpflichtet werden kann, auf eine solche Weise zu kalkulieren und anzubieten. Dass die Beigeladene im Düsseldorfer Fall bei der unternehmensinternen Kalkulation des gesamten Angebots für die Wirtschaftswegbrücke rechnerisch einen Kostenbeitrag von 140.000 DM ermittelt hat, ändert nichts daran, dass es sich dabei nur um eine unselbstständige gedankliche Rechenoperation handelt und dass der für die Brücke im Angebot ausgewiesene Preis von 1 ? der für diese Position verlangte Preis ist. Entsprechendes gilt bezüglich des für die Baustelleneinrichtung verlangten Preises, den die Beigeladene des Düsseldorfer Falls u. a. korrespondierend erhöht hatte, um die verbilligte Position "Wirtschaftswegbrücke" zu kompensieren.

IV. Der Senat meint des Weiteren, dass das OLG Düsseldorf nicht auf Grund des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 7. Januar 2003 - X ZR 50/01 (VergabeR 2003, 558 ff.) gezwungen war, so zu entscheiden, wie es entschieden hat. Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung ausgesprochen, ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren, wie es die VOB/A gewährleisten solle, sei nur zu erreichen, wenn in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebender Hinsicht vergleichbare Angebote abgegeben werden. Jeder in der Leistungsbeschreibung vorgesehene Preis sei deshalb so wie gefordert vollständig und mit dem Betrag anzugeben, der für die betreffende Leistung beansprucht wird.

Wie bereits vorstehend (III., erster Absatz) ausgeführt, hat die Antragstellerin dieser Anforderung entsprochen. Im Übrigen ging es in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nicht um das hier interessierende Problem der so genannten spekulativen korrespondierenden Auf- bzw. Abpreisung von Einzelpreisen - um das es der Sache nach auch im Düsseldorfer Fall ging, auch wenn diese Problematik in den dortigen Beschlussgründen nicht ausdrücklich behandelt ist.

Im vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall sollte der klagende Auftragnehmer gering belastete mineralische Baurestmassen, die üblicherweise nur gegen Entgelt abgenommen werden, als Verfüllmassen einsetzen dürfen. Die Bieter waren deshalb aufgefordert, der beklagten Vergabestelle neben dem eigentlichen Leistungsangebot ein Entgelt für die "Abnahme" dieser gering belasteten Massen anzubieten. Der dortige Kläger hatte in seinem Angebot für einzelne Positionen negative Preise angegeben, obwohl er dem Auftraggeber dafür nicht etwa eine Vergütung zahlen, sondern auch für diese Positionen eine solche beanspruchen wollte; es war in der Folge aber nicht gelungen, den wirklich geforderten Preis zu ermitteln. In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof den vorstehend zitierten Rechtssatz gebildet. Dieser Rechtssatz scheint dem vorlegenden Senat aber keine zwingende rechtliche Bewertung des Problems der Spekulationspreise vorzugeben, zu dem der Bundesgerichtshof, soweit ersichtlich, auch sonst noch nicht dezidiert Stellung zu beziehen hatte.

V. Die berechtigten Interessen der Auftraggeberseite gebieten es nach Ansicht des Senats nicht, Angebote mit so genannten spekulativen Auf- und Abpreisungen gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A ohne sachliche Prüfung von der Wertung auszuschließen.

Soweit es Angebote mit signifikanten Aufpreisungen bei einzelnen Einheiten betrifft, sind die schützenswerten Interessen der öffentlichen Auftraggeber erst dann erheblich berührt, wenn die Gefahr besteht, dass sich das bei der Wertung vermeintlich wirtschaftlichste Angebot infolge der Aufpreisungen im Nachhinein auf Grund von abrechnungsfähigen Mehrmengen als nachteilig und letztlich teurer erweisen könnte, als ein Angebot mit einem höheren Submissionspreis. Ob diese Gefahr spekulativer Übervorteilung der Vergabestelle besteht, ist regelmäßig im Rahmen einer Prognoseentscheidung zu beurteilen. Dabei dürfen sich der Auftraggeber oder die Nachprüfungsinstanzen nicht mit bloßen Mutmaßungen zufrieden geben. Vielmehr müssen Umstände festgestellt werden können, die mit einiger Wahrscheinlichkeit die Annahme rechtfertigen, dass es bei diesen Positionen zu erheblichen Nachforderungen kommen kann. Dabei ist das mutmaßliche finanzielle Ausmaß der potentiellen überproportionalen Nachforderungen schon deshalb von erheblicher Bedeutung, weil die befürchteten nachträglichen Verteuerungen auf Grund des Gebots zur möglichst wirtschaftlichen Beschaffung in Beziehung zu setzen sind zu den Vorteilen, die das auszuschließende Angebot auf Grund des preislichen Abstands zu demjenigen Angebot aufweist, das an seiner Stelle angenommen werden soll. Außerdem ist zu prüfen, ob sich eventuell Vorteile auf Grund der vorgenommenen Abpreisungen bei anderen Positionen ergeben könnten.

Die mit der Erstellung einer solchen Prognoseentscheidung verbundenen Aufwendungen belasten die öffentlichen Auftraggeber nicht über Gebühr. Die notwendige Transparenz der einzelnen Angebote lässt sich durch die Preisspiegel herstellen, die ohnehin angefertigt werden und auch im Streitfall vorliegen. Die tatsächlichen Verhältnisse auf der Baustelle muss die Vergabestelle schließlich auch kennen, weil sie ansonsten ein einigermaßen wirklichkeitsgerechtes Leistungsverzeichnis gar nicht erstellen kann.

Spekulativen Abpreisungen einzelner Positionen können unterschiedliche Strategien zu Grunde liegen.

Spekuliert ein Bieter einseitig auf Mengenmehrungen bei bestimmten Positionen, nicht dagegen auf Minderungen bei anderen und preist er die Ersteren auf, dienen die abgepreisten Positionen lediglich als rechnerische Gegenpole dem Zweck, insgesamt noch mit einem wettbewerbsfähigen Angebotsendpreis aufwarten zu können. Rechnet der Bieter dagegen mit konkreten Mengenminderungen bei der Bauausführung und preist der die entsprechenden Teile des Angebots gezielt ab, erlangen sie eigenständigen spekulativen Charakter.

Im letzteren Fall hat der Auftraggeber konkret darzulegen, dass ihm ungeachtet des günstigen Wettbewerbspreises dieses Bieters signifikante Übervorteilungen im Zusammenhang mit den im Vergleich zu den Mitbewerbern abgepreisten Positionen auf Grund der zu erwartenden Mengenminderungen drohen und plausibel zu erläutern, worauf die Fehleinschätzungen in der Leistungsbeschreibung beruhten.

Ansonsten werden solche Abpreisungen vergaberechtlich erst unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Auskömmlichkeit i. S. v. § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A relevant. Dieser Ausschlussgrund ist von dem Vorwurf, spekulativ geboten zu haben, zu trennen. Bezüglich des Ausschlussgrundes der fehlenden Auskömmlichkeit hat der Senat bereits anderer Stelle (Beschluss v. 22. August 2001, VergabeR 2001,392, 399) die Ansicht vertreten, dass die vom Bundesgerichtshof zum Betrugsschaden (§ 263 StGB) durch Submissionsabsprachen entwickelten Grundsätze (BGH wistra 2001, 103 ff.) bei der Prüfung der Unauskömmlichkeit von Angeboten zu berücksichtigen sind. Bei Übertragung dieser Grundsätze besteht der Ausschlussgrund nicht schon dann, wenn sich ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Preis und Leistung feststellen lässt. Vielmehr muss zusätzlich die Erwartung gerechtfertigt sein, dass der Auftragnehmer wegen dieses Missverhältnisses in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und den Auftrag deshalb nicht oder nicht ordnungsgemäß ausführen wird (BGH aaO S. 104 unter 2.a) bb). Dabei kann es entgegen der Ansicht der Vergabekammer aus wirtschaftlich-kaufmännischen Gründen grundsätzlich nur darauf ankommen, ob das Angebot im Ganzen nicht auskömmlich ist. Etwas anderes kann allenfalls gelten, wenn schon auf Grund der durch die Abpreisungen verringerten Abschlagzahlungen die Gefahr heraufbeschworen wird, dass der Auftrag nicht oder nicht ordnungsgemäß ausgeführt werden kann, was besonderer Feststellungen bedarf.

VI. Der Antragsgegner hat den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin wegen spekulativer Aufpreisungen bislang weder im Vergabe- noch im Nachprüfungsverfahren mit hinreichend tragfähiger Begründung unterlegt.

Er macht geltend, die Antragstellerin habe die Positionen 1.11.10, 1.11.20, 1.11.90 sowie 1.11.70, 1.11.80 und 1.11.150 exorbitant überhöht (Bd. I, 92 d. A.). Bei der Position 1.11.10 belegt der Preisspiegel (grüner Stehordner Bl. 45), dass die Preise der 7 besten Bieter in einer Spannweite im unteren einstelligen bis unteren zweistelligen Euro-Bereich differieren. Auch wenn die Antragstellerin hier den höchsten Preis verlangt, so steht das hieraus resultierende Preisrisiko ersichtlich in keinem Verhältnis zum Preisvorteil ihres Angebots von netto über 668.000 ?. Bei der Position 1.11.20, bei der im Übrigen auffällt, dass andere Bieter, darunter die Beigeladene, einen auffällig geringen Einheitspreis angesetzt haben, steht der - gerade zweistellige - Einheitspreis der Antragstellerin ebenfalls außer Verhältnis zum Vorteil ihres Gesamtpreises. Die Position 1.11.90 wird nach dem Preisspiegel im Bereich zwischen knapp unter 11 und unter 23 ? angeboten. Eine signifikante Aufpreisung lässt sich bei der Antragstellerin bereits nicht feststellen. Der Antragsgegner legt nicht dar, dass sich hier so immense Mehrmengen ergeben könnten, dass der günstige Angebotsendpreis der Antragstellerin auch nur ansatzweise kompensiert werden könnte. Soweit der Antragsgegner schon erstinstanzlich den Vorwurf erhoben hat, die Antragstellerin würde durch eine schlechte Vertragsausführung Boden der Bodenklasse 2 gleichsam selbst produzieren und sich auf diese Weise, da die entsprechenden Einheitspreise überhöht angesetzt seien, Mehreinnahmen verschaffen (Schriftsatz vom 29. August 2003, Anlage BG 12, S. 32), lässt sich schon der Ausgangspunkt einer zu besorgenden mangelhaften Vertragsausführung nicht halten (unten VIII.)

Bei den Positionen 1.11.70, 1.11.80 und 1.11.150 liegen die Einheitspreise zwar mehr oder weniger deutlich über denen der Konkurrenten; die absolute Höhe dieser Preise bewegt sich aber in allen Fällen bei unter 30 ?. Bezüglich dieser Positionen macht der Antragsgegner zwar abstrakt ein Risiko der Mengenvergrößerung geltend, vermag dieses Risiko aber nicht zu beziffern (vgl. Schriftsatz vom 29. August 2003, Anlage BG 12 Seite 29 f.).

Weitere Aufpreisungen betreffen die Positionen 1.18.10, 1.18.30, 1.18.210 und 1.18.240.

Für die Position 1.18.10 verlangt die Antragstellerin zwar einen rund vier bis fünfmal so hohen Preis wie die unmittelbaren Mitbewerber. Von der absoluten Größe her ist diese Position aber ebenfalls nicht erheblich, weil die Einheitspreise im ein- bis zweistelligen Euro-Bereich liegen. Nicht wesentlich anders verhält es sich bei der Position 1.18.30, wobei hinzukommt, dass der Abstand zu den übrigen Bietern, insbesondere zu der Beigeladenen, die den Zuschlag erhalten soll, nicht sonderlich hoch ist. Bei einer Auftragsvergabe an einen anderen Bieter müssen bei diesen Positionen nach den Ausführungen des Antragsgegners (vgl. Schriftsatz vom 29. August 2003, Anlage BG 12 Seite 30 f.) ebenfalls Mengenmehrungen in Erwägung gezogen werden. Ohnehin errechnet der Antragsgegner in diesem Zusammenhang konkrete Preisrisiken von lediglich 91.300 ?, was einem Anteil von rund 14 % des Preisvorsprungs der Antragstellerin entspricht und ein weiteres Preisrisiko bei der Position 1.18.210 von 12.500 ? (vgl. Schriftsatz vom 29. August 2003, Anlage BG 12 Seite 32). Insoweit ist des Weiteren zu bemerken, dass es nicht im Belieben eines Auftragnehmers steht, von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses abzuweichen, um auf diese Weise Mehrmengen zu produzieren, die immer auch abrechnungsfähig sind.

Soweit der Antragsgegner im Zusammenhang mit den aufgepreisten Positionen darauf verweist, dass diese zumindest teilweise recht früh im Verlauf des gesamten Bauvorhabens anfallen und die Antragstellerin sich deshalb eine unzulässige Kreditierung verschaffe, ist - anders als im Parallelfall - nicht ansatzweise konkretisiert, welche wann fälligen Abschlagzahlungen in welcher Höhe dieses Risiko begründen und welche Zinsverluste dem Antragsgegner auf Grund verfrühter Zahlung drohen. Für ein einigermaßen konkretes Insolvenzrisiko der Antragstellerin, mit dem das Kreditierungsrisiko ebenfalls begründet werden kann (Heiermann/Riedl/Rusam aaO A § 25 Rn. 155), vermag der Antragsgegner, der die generelle Eignung der Antragstellerin im Übrigen mit positivem Ergebnis bejaht hat, nichts anzuführen.

Wesentliche Preisrisiken legt der Antragsgegner auch nicht hinsichtlich der Position 1.22.90 dar, die die Antragstellerin zwar vergleichsweise teuer anbietet, dies aber nur in einem Bereich im mittleren zweistelligen Euro-Bereich (vgl. Preisspiegel grüner Stehordner Bl. 68).

Nach alledem bieten die Aufpreisungen im Angebot der Antragstellerin keinen hinreichenden Grund, den Zuschlag nicht auf diese Offerte zu erteilen. Im Hinblick darauf, dass der Vergabewettbewerb kein Selbstzweck ist, sondern mittelbar, über die Herstellung von Auftragschancen für in- und ausländische Bieter, auch das Gebot zum ökonomischen Einsatz der Haushaltsmittel schützt, erscheint es dem Senat vergaberechtlich nicht statthaft, ein Angebot wegen spekulativer Ausschläge auszuschließen, wenn die Preiswürdigkeit dieses Angebots selbst im gedachten Fall des Aufgehens der Spekulation nicht infrage gestellt ist.

VII. Auch die abgepreisten Positionen stellen die Wirtschaftlichkeit des Angebots der Antragstellerin nicht entscheidend infrage.

Soweit es die Baustelleneinrichtung betrifft, liegt gerade kein typischer Spekulationspreis vor. Baustelleneinrichtungen werden bei spekulativen Angeboten typischerweise in der Hoffnung aufgepreist angeboten, eine hohe erste Abschlagzahlung in Rechnung stellen zu können (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam aaO A § 25 Rn. 155; Kratzenberg aaO § 25 VOB/A Rn. 44). Vorliegend ist die Baustelleneinrichtung jedoch verbilligt angeboten, so dass Kreditierungsrisiko und Zinsnachteil gerade nicht entstehen.

Bei den Positionen 1.11.50, 1.11.100, 1.11. 170, 1.11.200 und 1.11.220 rechnet der Antragsgegner selbst nicht mit nennenswerten Mindermengen (vgl. Schriftsatz vom 29. August 2003, Anlage BG 12 Seite 29 f.). Deshalb besteht auch nicht die Aussicht, dass sich andere Angebote, in welchen diese Positionen teurer angeboten wurden, in einem Maße verbilligen könnten, das die Günstigkeit des Angebots der Antragstellerin ernstlich relativieren würde.

Bei der Kalkulation des Einheitspreises von 0,01 ? pro m3 bei den Positionen 1.11.310 und 1.11.320 - Aufnahme von je 1.000 m3 gelagerten Boden des Auftraggebers - hat die Antragstellerin kalkulatorisch berücksichtigt, dass der Boden, der in das Eigentum des Auftragnehmers übergehen soll, bei anderen Bauvorhaben ihrer Niederlassung als Einbaumaterial verwendet werden kann, so dass die Aufwendungen für den Abtransport durch zu erwartende Erlöse gegengerechnet werden können. Die Vergabekammer hat gemeint, dass Angebot sei insoweit wegen fehlender bzw. unvollständiger Preisangaben nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A auszuschließen und sich dafür auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. Januar 2003 berufen. Dem vermag der Senat nicht beizupflichten, weil der dortige Sachverhalt sich, wie schon ausgeführt (vgl. oben B.IV.), vom hiesigen erheblich unterscheidet. Dort sollte der Bieter berechtigt sein, belastetes Material zur Verfüllung anzuliefern und dem Auftraggeber, da solches Material üblicherweise nur gegen Vergütung abgenommen wird, dafür ein Entgelt zahlen. Im Streitfall geht es dagegen um den Erwerb von (abzutransportierendem) Boden des Auftraggebers durch den Auftragnehmer. Die Antragstellerin kann nach ihren unbestrittenen Angaben diesen geringen Preis verlangen, weil sie sich Chancen ausrechnet, den abzunehmenden Boden durch ihre - nahe beim Bauvorhaben residierende - Niederlassung weiterverwerten zu können. Den Wiederverkaufspreis kann sie im Zeitpunkt der Angebotsabgabe schwerlich beziffern. Eine vergaberechtlich bedenkliche Abpreisung dieser Position ist unter diesem Gesichtspunkt nicht zu besorgen. Das gilt umso mehr, als es sich bei den Positionen 1.11.310 und 1.11.320 ausweislich des Preisspiegels der Vergabestelle um gänzlich untergeordnete Positionen handelt. Die Wettbewerber haben dafür nämlich Gesamtpreise gefordert, die höchstens im untersten fünfstelligen ?-Bereich liegen.

Wenig realistisch und deshalb nicht überzeugend sind auch die im Zusammenhang mit Mengenminderungen angestellten Überlegungen des Antragsgegners zu Teilkündigungen und daraus denkbaren Verlusten (vgl. Schriftsatz vom 29. August 2003, Anlage BG 12 Seite 32).

Bei den abgepreisten Positionen zur Wasserhaltung (1.15.10-20) und zum Verbau (1.11.240) stellt der Antragsgegner keine Preisrisiken in den Vordergrund seiner Überlegungen, sondern den Vorwurf fehlender Vertragstreue (Bd. I, Bl. 102 d. A.). Dieser Ausschlussgrund erscheint dem Senat auf wenig überzeugende Weise konstruiert. Die Antragstellerin hat die geforderten Positionen gemäß dem Leistungsverzeichnis angeboten. Sie hat dann zwar im Aufklärungsgespräch Erläuterungen zur Ausführung abgegeben, die mit der Leistungsbeschreibung (1.15.10) bzw. den örtlichen Gegebenheiten nicht in Einklang zu bringen sind. Daraus kann aber nicht überzeugend der Vorwurf späterer Vertragsuntreue hergeleitet und der Ausschluss des Bieters gerechtfertigt werden. Es ist dem Auftraggeber unbenommen, einen Bieter an seinem Angebot festzuhalten und auf Vertragserfüllung zu bestehen (vgl. etwa den bereits zitierten Fall BGHZ 139, 177 ff.), anstatt über dessen zukünftige Vertragsuntreue Mutmaßungen anzustellen, die einen tragfähigen Grund dafür abgeben sollen, einem um fast 670.000 ? teureren Angebot den Vorzug geben zu können. Der Antragsgegner hat keinerlei Anhaltspunkte dafür dargelegt, dass die Antragstellerin nicht in der Lage wäre, im Rahmen ihres Angebots eine vertragsgerechte Ausführung dieser Positionen zu gewährleisten. Das gilt umso mehr, als die Preise der 6 weiteren in den Preisspiegel aufgenommen Bieter einen Durchschnittspreis von gut 30.000 ? ergeben. Bei der Position 1.15.20 beträgt dieser Durchschnittswert nur rund 2.600 ?. Es handelt sich dementsprechend um Positionen von ganz untergeordneter Bedeutung, die die Vertragserfüllung seitens der Antragstellerin nicht ernstlich infrage stellen können, selbst wenn sie sich mit ihren diesbezüglichen Abpreisungen insoweit "verspekuliert" haben sollte. Die Abpreisung der Position 1.11.240 hat die Antragstellerin auf den gesamten Titel 11 umgelegt und außerdem bei den Positionen 1.18.10, 1.18.30 1.18.210 sowie 1.18.240 berücksichtigt.

Soweit der Antragsgegner die Abpreisungen mit dem Vorwurf verbindet, die Antragstellerin habe ein unauskömmlichen Gesamtangebot unterbreitet, geht es nicht mehr um ein Problem der Preisspekulation (oben V.). Darauf, das Angebot sei i. S. v. § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A nicht auskömmlich, ist die Vergabeentscheidung, wie die Antragstellerin zutreffend bemerkt, nicht gestützt; vielmehr wird dort lediglich auf den beträchtlichen Preisabstand der Antragstellerin zum nächsten Bieter hingewiesen, allerdings rechnerisch unzutreffend (nicht rund 20 %, sondern rund 17 % billiger als dieser). Der Preisabstand allein rechtfertigt aber die Annahme eines nicht auskömmlichen Preises nicht. Im Nachprüfungsverfahren behauptet der Antragsgegner zwar, das Gesamtangebot der Antragstellerin sei nicht auskömmlich, sondern weise eine Unterdeckung von 460.000 ? auf, er hat diese Behauptung aber nie durch Tatsachenvortrag, insbesondere nicht durch aussagekräftige Zahlen unterlegt, obwohl er selbst die Kalkulation der Antragstellerin eingesehen haben will (Bd. I., 113 d. A.). Hinzu kommt, dass selbst bei einem nicht auskömmlichen Angebot gesondert zu prüfen ist, ob der Auftragnehmer wegen des Missverhältnisses zwischen Leistung und Preis in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und den Auftrag deshalb nicht oder nicht ordnungsgemäß ausführen wird (in Anlehnung an BGH wistra 2001, 103 ff.; vgl. oben V.; ähnlich auch BayObLG VergabeR 2004, 87, 89). Auch für diese Voraussetzung ist nichts Konkretes vorgetragen oder sonst ersichtlich.

Weitere im Zusammenhang mit den Auf- und Abpreisungen erhobene, die Eignung der Antragstellerin leugnende Rügen sind ebenfalls unbegründet.

Die mangelnde Zuverlässigkeit der Antragstellerin leitet der Antragsgegner im Wesentlichen aus Gründen her, die mit der Unterbreitung eines spekulativen Angebots zusammenhängen und keine eigenständige Bedeutung haben. Der daneben erhobene Vorwurf, die Antragstellerin habe schon bei dem Bauvorhaben "Bundesautobahn 100" erfolgreich mit spekulativ erhobenen Preisen operiert (Beschwerdeerwiderung S. 28, Bd. I, 99 d. A.), ist nicht schlüssig dargetan. Der Antragsgegner legt lediglich dar, dass es dort bei zwei Positionen von Baustahl zu erheblichen Mehrmengen gekommen ist, trägt aber keine konreten Tatsachen, insbesondere keine Vergleichspreise der Mitbieter vor, aus denen sich ergibt, dass die Antragstellerin dort mit spekulativ überhöhten Einheitspreisen gearbeitet und dadurch auf seine Kosten einen den Preisabstand zum nächstbesten Bieter übersteigenden Spekulationsgewinn erzielt hätte. Im Übrigen wurde dieser Vergabewettbewerb Mitte der 90er Jahre durchgeführt. Ein so lange zurückliegendes, zumal vereinzeltes Verhalten kann nur unter besonderen Umständen, für die hier nichts ersichtlich ist, den Vorwurf andauernder Unzuverlässigkeit eines Bieters begründen.

Den Vorwurf, die Aufklärung des Angebotsinhalts in einer den Ausschluss nach § 24 Nr. 2 VOB/A rechtfertigenden Weise untergraben zu haben, erhebt der Antragsgegner ebenfalls zu Unrecht. Er beruht auf unzutreffenden Vorstellungen darüber, wie die Bieter zu kalkulieren haben und stellt deshalb überspannte Anforderungen an deren Dokumentationspflichten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen oben unter III. und IV. Bezug genommen.

Unbegründet ist auch die weiterhin aufrecht erhaltene Rüge,der Nachunternehmeranteil der Antragstellerin sei höher als nach dem Vertrag zulässig. Auf die diesbezüglichen Ausführungen der Vergabekammer nimmt der Senat Bezug (Bd. I., 51a d.A.).

VIII. Der Antragsgegner will das Angebot der Antragstellerin ferner wegen Fehlens geforderter Erklärungen ausgeschlossen wissen, weil diese bei den aus den Tatbestand ersichtlichen Positionen die geforderten Angaben mit dem Zusatz "o. glw." angeboten hat. Der Senat hält einen Ausschluss des Angebots von der Wertung auf Grund dieses Umstands nicht für gerechtfertigt. Soweit seinem Beschluss vom 8.Januar 2004 Gegenteiliges entnommen werden könnte, hält er daran nicht mehr in der Strenge fest.

Die fraglichen Bieterangaben sind als Teile rechtsgeschäftlicher Erklärungen nach allgemeinen Grundsätzen auszulegen. Nach den gesamten Umständen sind sie dahin zu verstehen, dass die Antragstellerin - genauso wie die Beigeladene - das jeweils angegebene Lieferwerk bzw. Produkt anbieten, dem Auftraggeber aber die Möglichkeit einräumen will, bei der Bauausführung den Einsatz eines gleichwertigen Alternativherstellers bzw. - produkts zu bestimmen. Es ist nämlich keinerlei besonderes Interesse der Antragstellerin oder der Beigeladenen an der Verwendung gerade des einen oder anderen Zulieferers bzw. Produkts zu oder daran erkennbar, sich aus was für Gründen auch immer vertragliche Optionen auf die Auswechslung des angebotenen Herstellers bzw. Erzeugnisses oder irgend welche sonstigen Manipulationsmöglichkeiten oder unzulässige Handlungsspielräume offen zu halten. An der notwendigen Bestimmtheit der Angebote fehlt es deshalb nicht. Dabei ist auch, worauf noch näher einzugehen sein wird, zu berücksichtigen, dass allen in diesem Zusammenhang interessierenden Positionen im Rahmen des Gesamtangebots nur ganz untergeordnete Bedeutung zukommt. Der Antragsgegner macht ferner auch nicht etwa geltend, dass die monierte Zweideutigkeit des Angebots von sachlicher Bedeutung für ihn wäre oder dass ihm daraus irgendwelche greifbaren Nachteile erwachsen könnten. Vielmehr geht es ihm mit den aufgezeigten Passagen im Angebot der Antragstellerin nach den gesamten Umständen ersichtlich allein darum, ein zusätzliches Argument für seine Entscheidung nachzuschieben, den Zuschlag auf ein rund 670.000 ? teureres Angebot zu erteilen, obwohl er diesem Gesichtspunkt in Wahrheit auch jetzt noch keine Bedeutung beimisst. Diese prozessuale Strategie kontrastiert - abgesehen von dem Gebot zum sparsamen Einsatz von Haushaltsmitteln - vorliegend in besonders auffälligem Maße zu der Verpflichtung der öffentlichen Auftraggeber zur Gleichbehandlung aller Bieter (§ 97 Abs. 2 GWB) und und zu ihren allen Teilnehmern an einer Ausschreibung geschuldeten vorvertraglichen Pflichten, weil das Angebot, welches den Zuschlag erhalten soll, die identischen, teils noch zusätzliche Mängel aufweist. Der Senat hat dem Antragsgegner im Rahmen des eingeschränkten Amtsermittlungsgrundsatzes aufgegeben, die entsprechenden Passagen aus allen gewerteten Angeboten vorzulegen. Die Prüfung der daraufhin eingereichten Unterlagen hat offenbart, dass die Beigeladene, die den Zuschlag erhalten soll, unter den Positionen 2.19.20, 2.19.30 und 1.19.40 angeboten hat (Anlage BG 29 zum Schriftsatz des Antragsgegners vom 18. Februar 2004):

"Glacier Sollinger Hütte o. glw."

Bei der Position 2.19.50 ist als Lieferwerk angegeben:

"Maurer Söhne o. glw."

Zur zusätzlich abgefragten Typenbezeichnung hat die Beigeladene im Gegensatz zur Antragstellerin überhaupt keine Angabe gemacht.

Unabhängig von diesem widersprüchlichen Verhalten des Auftraggebers meint der Senat jedenfalls, dass die Angebotspassagen so auszulegen sind, wie vorstehend ausgeführt.

IX. Unabhängig von dieser Auslegung erscheint es dem Senat auch zweifelhaft, ob ein Angebotsausschluss auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwangsläufig wäre. Der Bundesgerichtshof hat ausgesprochen, ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren sei nur zu erreichen, wenn lediglich in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet werden (...). Dies erfordere, dass hinsichtlich jeder Position der Leistungsbeschreibung alle zur Kennzeichnung der insoweit angebotenen Leistung geeigneten Parameter bekannt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belaste, aber ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert war, so dass sie als Umstände ausgewiesen sind, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen (BGH X ZB 43/02).

Sämtliche hier streitigen mehrdeutigen Positionen sind nach den gesamten Umständen nicht im Sinne dieser Rechtsprechung als Umstände ausgewiesen, die für die Vergabeentscheidung wirklich relevant sein sollen. Das zeigt sich schon darin, dass der Antragsgegner die fraglichen Unzulänglichkeiten gerade bei dem Angebot toleriert, dem er den Zuschlag erteilen möchte und auch bei anderen Angeboten über gleichartige oder ähnliche Mängel hinweggeht (vgl. die als Anlage zum Schriftsatz vom 18. Februar 2004 eingereichten Auszüge aus den gewerteten Angeboten).

Dafür, dass die hier interessierenden Positionen von gänzlich untergeordneter Bedeutung sind, spricht des Weiteren, dass der Auftraggeber den Bietern bei der Position 1.15.40 die Auswahl des Messsystems und in allen anderen Fällen vollständig die Wahl des Lieferwerks bzw. Produkts überlässt, sogar ohne ein bestimmtes Orientierungsfabrikat mit dem üblichen Zusatz "o. glw." vorzugeben. Dazu korrespondiert, dass sämtliche Positionen im Rahmen des ausgeschriebenen Projekts auch preislich unbedeutend sind:

Für die Messeinrichtung des Wasserdurchflusses in der Position 1.15.40 verlangen die 7 besten Bieter Beträge zwischen 150,53 und 4.717,39 ?.

Die angebotenen Einheitspreise für das Anti-Graffiti-System, Position 1.22.100, liegen zwischen 4,24 und 5,33 ?; trotz der hohen Gesamtmenge machen die Gesamtbeträge nur Summen zwischen 20.140 und 25.317,50 ? aus (Vergabeakten, grüner Stehordner Bl. 69).

Bei den Verformungslagern der Position 2.19.20 differieren die Einheitspreise (geforderte Stückzahl: 2) zwischen 672,63 ? und 1.169,21 ?; bei den Lagern der Positionen 2.19.30 und 40 (gefordert jeweils 1 Stück) geht es um Einheitspreise zwischen 840,51 ? und 1.595,09 ? bzw. 889,61 ? und 1.709,72 ?; bei der Übergangskonstruktion 2.19.60 um Einheitspreise zwischen 831,71 ? und 1.884,85 ? (ausgeschrieben: 11 m; alle Angaben bezogen auf die sieben im Preisspiegel aufgeführten Bieter, vgl. grüner Stehordner Bl. 80 f.).

X. Aber selbst wenn die umstrittenen Angaben als für die Vergabeentscheidung relevante Umstände i. S. der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufzufassen wären, erschiene der Ausschluss des Angebots nicht zwingend.

Den diesbezüglichen Angaben im Leistungsverzeichnis könnte, wenn der vorstehend unter VIII. dargelegten Auslegung nicht gefolgt würde, dann zwar in diesen Punkten kein genau bestimmbarer Inhalt beigelegt werden. Wie bereits ausgeführt, sprechen die gesamten Umstände aber nicht dafür, dass Bieter wie die Antragstellerin oder die Beigeladene es geradezu darauf angelegt hätten, ihre Angebote in den fraglichen Positionen mehrdeutig zu halten, um Spielraum dafür zu gewinnen, den Auftraggeber während der Bauausführung mit nachteiligen Alternativen konfrontieren zu können. Die Zusätze "o. glw." sind vielmehr allenfalls als bloße Eindeutigkeitsmängel ohne besonderen konkreten rechtsgeschäftlichen Inhalt zu verstehen, zu denen es möglicherweise u. a. deshalb gekommen ist, weil die Auftraggeber selbst in den von ihnen erstellten Verdingungsunterlagen ganz häufig bestimmte geforderte Leistungsinhalte auf die gleiche Weise beschreiben, indem sie ein bestimmtes Leitprodukt "oder ein gleichwertiges" vorgeben. Es liegt auch nicht fern, dass solche unpräzisen Bieterangaben teilweise dem Umstand geschuldet sind, dass die Bieter bei der Erstellung ihrer Angebote bei Ausschreibungen mit so umfangreichen Leistungsverzeichnissen wie hier unter hohem Zeitdruck stehen und es gerade bei so untergeordneten Positionen, wie sie hier in Rede stehen, leicht zu flüchtigen Versäumnissen kommt, die mit dem sofortigen Ausschluss des Angebots zu sanktionieren in keinem vernünftigen Verhältnis zur Bedeutung solcher Nachlässigkeiten stünde. Das gilt umso mehr, als die Bieter vielfach gezwungen sein werden, bei verschiedenen Herstellern Nachfrage zu halten, ob die vorgesehenen Produkte (noch) verfügbar sind. Im Übrigen kann sich gerade bei längeren Bauvorhaben an dieser Verfügbarkeit, etwa infolge von Modellwechseln oder auf Grund ähnlicher Umstände etwas ändern.

Handelt es sich lediglich um mehrdeutige Angaben, so ist zu bedenken, dass die vom Bundesgerichtshof gebildeten Rechtssätze (oben IX.) keine Anhaltspunkte für die Annahme bieten, dass damit ausgesprochen werden sollte, die geforderte Eindeutigkeit müsse sich - unter Ausschluss jeglicher nachträglichen Erörterungsmöglichkeit der Beteiligten - abschließend aus dem eingereichten Angebot selbst ergeben. Für ein solches Verständnis dieser Rechtssätze besteht umso weniger Anlass, als § 24 VOB/A Verhandlungen nach Angebotseröffnung u. a. zu dem Zweck vorsieht, inhaltliche Zweifel über die Angebote auszuräumen. Der vorlegende Senat sieht in dieser Bestimmung ein Korrektiv, das geeignet aber auch notwendig ist, um vermeidbare Unzulänglichkeiten der starren Förmlichkeit, auf die die "Vertragsverhandlungen" im Ausschreibungsverfahren naturgemäß reduziert sind, abzumildern und abstellbare Angebotsmängel im Interesse konstruktiver, wettbewerblich erwünschter Ergebnisse zu beheben und dem Wettbewerb abträgliche Konsequenzen nach Möglichkeit abzuwenden. Deshalb wäre es nach Ansicht des Senats zwanglos zulässig, Zweideutigkeiten, wie sie hier in Rede stehen, im Wege eines Aufklärungsgesprächs auszuräumen.

XI. Solche - im Interesse des Wettbewerbs jedenfalls wünschenswerten - Aufklärungsgespräche könnten sogar dann für statthaft gehalten werden, wenn die hier interessierenden Angebotspassagen dahin aufzufassen wären, dass die Antragstellerin sich damit spätere Lieferanten- bzw. Fabrikatswechsel habe vorbehalten wollen. Unter dieser Prämisse erscheint die bisherige Rechtsprechung mehrerer Vergabesenate, die auch in der Literatur befürwortet wird und die durchaus nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (oben X.) stehen muss, für sachgerecht, wonach fehlende Angaben oder Erklärungen dann nachgeholt werden können, wenn dies für den Wettbewerb unschädlich ist (vgl. BayObLG VergabeR 2003, 675, 677 mwN in Fn. 5; 680; OLG Dresden VergabeR 2004, 92, 95). Sachgerecht erscheint insoweit die Herangehensweise des Thüringer OLG in seinen Beschlüssen vom 24. Februar 2003 (VergabeR 2003, 339 ff.) und vom 8. April 2003, beide zum Aktenzeichen 6 Verg 1/03. Auch im vorliegenden Fall wäre ein Aufklärungsgespräch, in welchem dem Bieter nachträglich Gelegenheit gegeben würde, sich ggfs. auf ein bestimmtes Lieferwerk/Produkt festzulegen, ohne Verfälschung des Wettbewerbs möglich. Wie oben dargelegt, wäre das Angebot der Antragstellerin selbst unter Berücksichtigung aller "spekulativen" Mehrmengen immer noch das mit Abstand preiswerteste, so dass das Wettbewerbsergebnis durch ein Aufklärungsgespräch mit einem solchen Inhalt nicht verfälscht, den Zielen des Vergabewettbewerbs aber gedient wäre, indem der Weg gebahnt werden könnte, das wirtschaftlichste Angebot anzunehmen.

XII. Nach alledem wäre dem Nachprüfungsantrag jedenfalls nach dem Hilfsantrag der Antragstellerin stattzugeben. Zwar erscheint die Angebotswertung abgeschlossen; der Senat befürwortet aber auch in solchen Fällen nicht, die Verpflichtung der Vergabestelle zur Zuschlagserteilung an einen bestimmten Bieter auszusprechen oder sie entsprechend zu verurteilen (so aber BayObLG VergabeR 2003, 186, 192 f.). Die Nachprüfungsinstanzen treffen in ihren Entscheidungen die geeigneten Maßnahmen, um Rechtsverletzungen zu beseitigen und Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern (§ 114 Abs. 1 Satz 1 GWB). Dafür reicht es aus, der Vergabestelle die erneute Wertung aufzugeben (vgl. Beck'scher VOB/A-Komm., § 123 GWB Rn. 8).

So zu entscheiden ist der Senat auf Grund der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf gehindert. Ob zusätzlich eine Divergenz i. S. v. § 124 Abs. 2 GWB zur Entscheidung des OLG Dresden vom 10. Juli 2003 - Verg 16/02 (VergabeR 2003, 92 besteht) oder ob unterschiedliche Auslegungen der in den jeweiligen Angeboten liegenden Willenserklärungen ohne Verletzung der Pflicht zur Divergenzvorlage rechtmäßig sind, kann danach offen bleiben.

RechtsgebieteGWB, VOB/AVorschriftenGWB § 124 Abs. 2 Satz 1; VOB/A § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3, § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b)

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