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12.11.2002 · IWW-Abrufnummer 021588

Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 25.04.2002 – 11 K 8135/99 BG

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FINANZGERICHT DÜSSELDORF
11 K 8135/99 BG

Im Namen des Volkes

U R T E I L

In dem Rechtsstreit
- Kläger -Prozessvertreter:

gegen Finanzamt
- vertreten durch den Vorsteher -StNr.:
- Beklagten -
wegen

Festsetzung des Grundbesitzwertes zum Zwecke der Erb-schaftsteuer
für das Grundstück ?Q? , Flur ?W? , Flurstück ?A?
hat der 11. Senat in der Besetzung:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht
Richter am Finanzgericht
Richterin
ehrenamtlicher Richter
ehrenamtlicher Richter

auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 25.04.2002 für Recht erkannt:

Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundstückswertes zum 03.05.1998 für das Grundstück ?Q?, Flur ?W? , Flurstück ?A? vom 18.06.1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.12.1999 wird insoweit geändert, als der Grundstückswert auf 255.000 Euro festgestellt wird.

Der Kläger trägt die gesamten Kosten des Gutachtens des Gutachterausschusses und bis zum 25.04.2002 27 % der Kosten des Rechtsstreits, der Beklagte trägt die übrigen Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

T a t b e s t a n d :

Streitig ist, ob der Beklagte zu Recht für das mit einem fremden Gebäude bebauten Grundstück in ?Q? , Gemarkung ?Q? , Flur ?W?, Flurstück ?A? auf den 03.05.1998 einen Grundbesitzwert in Höhe von 1.135.000,-- DM festgestellt hat.

Der Kläger ist Rechtsnachfolger der am 03.05.1998 gestorbenen Frau ?S?. Zum Nachlass von Frau ?S? gehörte das Grundstück in ?Q? , ?D-Straße? . Durch Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 03.05.1998 für Zwecke der Erbschaftsteuer wurde der Grundbesitzwert für das Grundstück ?Q? , Gemarkung ?Q? , Flur ?W? , Flurstück ?A? auf 1.135.000,-- DM festgestellt. Der Grundbesitzwert wurde gemäß § 148 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) auf Grund des jährlichen Pachtzinses in
Höhe von 61.068,-- DM und dem Vervielfältiger 18,6 berechnet.

Gegen diesen Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein, der durch Einspruchsentscheidung vom 02.12.1999 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Der Kläger hat am 10.12.1999 Klage erhoben.

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger unter anderem vor, dass der Sachverständige Diplom-Ingenieur ?E? den Verkehrswert des Grundstücks in seinem Gutachten vom 27.10.1999 mit 261.300,-- DM (1.742 qm x 150,-- DM pro qm) beziffere. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens wird auf die zur Gerichtsakte eingereichte Ausfertigung
des Gutachtens Bezug genommen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass auch bei der Bewertung eines Grundstücks, dass mit einem fremden Gebäude bebaut ist, wie bei der Bewertung von unbebauten Grundstücken in § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG geregelt und bei der Bewertung von bebauten Grundstücken in § 146 Abs. 7 BewG geregelt, die Möglichkeit bestehen müsse, einen geringeren
gemeinen Wert nachzuweisen. Zwar sehe § 148 BewG eine entsprechende Öffnungsklausel nicht ausdrücklich vor, eine solche Nachweismöglichkeit müsse dem Steuerpflichtigen jedoch eröffnet werden, wenn sich nur auf diese Weise eine anderenfalls anzunehmende
Verfassungswidrigkeit des § 148 BewG vermeiden lasse. Im Wege einer verfassungskonformen Auslegung seien daher die §§ 145 Abs. 3 Satz 3 BewG und § 146 Abs. 7 BewG analog auf § 148 BewG anzuwenden. Für eine analoge Anwendung dieser Vorschriften spreche deren Gesetzeszweck eine Überbesteuerung bei der Erbschaft-und Schenkungsteuer zu vermeiden. Einer analogen Anwendung des § 145 Abs. 3 Satz 3
BewG stehe nicht entgegen, dass Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) normbedingte Ungleichbehandlungen hier und da zulasse. Gemeint sei der verfassungsrechtliche Gesichtspunkt, dass nicht jede bei Anwendung typisierender Bewertungsnormen sich ergebende Ungleichbehandlung die Verfassungswidrigkeit der typisierenden Norm nach sich ziehe, wenn vom Gesetzgeber für die Normstruktur etwa hinreichend beachtliche Gründe der Verwaltungsvereinfachung angeführt werden können. Dies sei jedoch bei der Bewertung von Grundstücken, die mit einem fremden Gebäude bebaut seien, nicht der Fall, da
den Finanzbehörden vom Gesetzgeber in den Fällen der §§ 145 bis 149 BewG ansonsten durchgängig aufgegeben worden sei, vom Steuerpflichtigen zu eigenen Gunsten vorgelegte Verkehrswertgutachten bei der Feststellung des Bewertungsergebnisses zu berücksichtigen.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 03.05.1998 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 18.06.1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.12.1999 insoweit zu ändern, als der Grundbesitzwert auf 255.000 Euro herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,
1. die Klage als unbegründet abzuweisen,
2. hilfsweise die Revision zuzulassen.

Er ist der Ansicht, dass der Kläger keine Möglichkeit habe, einen unter dem gemäß § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG ermittelten Steuerwert liegenden Verkehrswert nachzuweisen. Da der Nachweis gesetzlich nicht vorgesehen sei, könne ein Wertgutachten nicht berücksichtigt
werden.

Das Gericht hat durch Beauftragung des Gutachterausschusses der Stadt ?Q? zu folgendem Thema Beweis erhoben: Wie hoch war der gemeine Wert (Verkehrswert) desGrundstücks in ?Q? , Gemarkung ?Q?, Flur ?W? , Flurstück ?A? (?D-STraße?), das mit einem fremden Gebäude bebaut ist, auf den 03.05.1998. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in der Stadt ?Q? vom 27.03.2002 Bezug genommen. Die Beteiligten sind mit dem
vom Gutachterausschuss ermittelten Verkehrswert einverstanden.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist begründet.

Der Grundbesitzwert für das streitige Grundstück beträgt 498.736,65
DM (255.000 Euro).

Ist ein Grundstück mit einem fremden Gebäude bebaut, beträgt der Wert des belasteten Grundstücks gemäß § 148 Abs. 2 i. V. m. § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG das 18,6-fache des nach den vertraglichen Bestimmungen im Besteuerungszeitpunkt zu zahlenden jährlichen Pachtzinses. Der Beklagte hat - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - den
Grundstückswert in Höhe von 1.135.000,-- DM gemäß dieser Vorschrift zutreffend ermittelt.

Zwar enthält § 148 BewG für die Bewertung des Grundstücks, das mit einem fremden Gebäude bebaut ist, keine ausdrückliche Regelung. § 148 Abs. 2 BewG verweist seinem Wortlaut nach nur für die Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden auf § 148 Abs. 1 BewG. Es besteht somit eine Regelungslücke. Diese Regelungslücke könnte zwar auch durch die Anwendung des § 145 Abs. 3 BewG geschlossen werden, wie dies für die Einheitsbewertung in § 94 Abs. 2 BewG vorgesehen ist (vgl. Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 148 Tz. 31). Da es sich aber um die Bewertung eines bebauten Grundstücks handelt, ist davon auszugehen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Bewertung des mit einem fremden Gebäude bebauten Grundstücks analog § 148
Abs. 1 Satz 1 BewG zu erfolgen hat.

In den Fällen, in denen - wie im Streitfall - die Bewertung gemäß § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt, ist § 148 BewG jedoch im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung durch eine den §§ 145 Abs. 3
Satz 3 BewG und 146 Abs. 7 BewG entsprechende Öffnungsklausel zu ergänzen. Eine derartige Öffnungsklausel ist zumindest in den Fällen geboten, in denen § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG ansonsten wegen Verstoßes gegen das verfassungsrechtlich garantierte Übermaßverbot verfassungswidrig wäre. Der gemeine Wert des zu bewertenden, mit ei-nem fremden Gebäude bebauten Grundstücks beträgt, nachdem der Gutachteraus-schuss den Verkehrswert im Klageverfahren ermittelt hat, unstreitig nur 498.731,65 DM. Der auf Grund des § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG ermittelte Wert von 1.135.000,-- DM ist mehr als doppelt so hoch. Damit ist die Grenze der im Rahmen einer typisierenden
Bewertung hinzunehmenden Überbewertung eindeutig überschritten. Die Notwendigkeit einer Öffnungsklausel bei der Bewertung von mit einem fremden Gebäude bebauten Grundstücken wird inzwischen auch von den an der Gesetzgebung Beteiligten gesehen.

So ist im Gesetzesantrag der Länder Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes und anderer Gesetze vom 22.03.2001 in Artikel 1 Nr. 5 eine Neufassung des § 138 BewG vorgesehen, die in Abs. 4 eine auch für § 148 BewG geltende
Öffnungsklausel enthält (vgl. BR-Drucksache 229/01). Auch im Gesetzentwurf des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 vom 27.08.1999 (BT-Drucksache 14/1514) war bereits eine derartige Öffnungsklausel vorgesehen.

Im Interesse der Normerhaltung ist nach Ansicht des Senats ausnahmsweise eine ver-fassungskonforme Auslegung zulässig, die über den Wortlaut des Gesetzes hinausgeht (vgl. zum Wortlaut als Grenze der verfassungskonformen Auslegung Starck in Isen-see/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. 7, § 164 Tz. 31 m. w. N.). Der Gesetzge-ber hat bei der Regelung der Bedarfsbewertung für die mit einem fremden Gebäude be-bauten Grundstücke übersehen, dass in Einzelfällen der Pachtzins kein geeigneter Maßstab für die Ermittlung des typisierten gemeinen Wertes des Grundstückes sein kann.
Diese Lücke ist durch eine Analogie zu den Regelungen in den § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG, § 146 Abs. 7 BewG zu schließen. Da Billigkeitsmaßnahmen gemäß § 138 Abs. 3 Satz 3 BewG i. V. m. § 20 Satz 2 BewG bei der Bedarfsbewertung nur unter Voraussetzungen
möglich sind, die für die Bewertung eines mit einem fremden Gebäude bebauten Grundstücks nicht gegeben sind, dient die Verfassungskonforme Auslegung der Normerhaltung. Dass die Überbewertung des Grundstücks des Klägers unter Umständen durch
eine abweichende Festsetzung der Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO kompensiert werden könnte, ist für die Frage, ob die Bedarfsbewertung des Grund-stücks des Klägers gegen das Übermaßverbot verstößt, ohne Bedeutung. Denn die Bewertung
des Grundstücks des Klägers gemäß § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG wird nicht dadurch rechtmäßig, dass die Überbewertung im Rahmen der Festsetzung der Erb-schaftsteuer rückgängig gemacht werden könnte.

Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO und § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG. Da § 145 Abs. 3 Satz 2 BewG wie § 90 Abs. 2 AO eine Regelung zur Beweislast enthält, trägt der Steuerpflichtige immer, d. h. auch wenn er in der Sache obsiegt, die Gutachter-kosten (vgl. Schumann, UVR 1997, 422; a. A. Knobel in
Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, ErbStG und BewG, § 146 BewG Rn. 84).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

RechtsgebieteBewertungsgesetz, ErbschaftsteuerVorschriften§ 148, S 145 Abs. 3, § 146 Abs. 7 BewG

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