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17.09.2002 · IWW-Abrufnummer 021225

Finanzgericht Münster: Urteil vom 15.03.2002 – 11 K 7343/00

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Freigabe: 01.05.2002

FINANZGERICHT MÜNSTER
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

11. Senat
11 K 7343/00 EZ

In dem Rechtsstreit des Herrn,

- Kläger -

gegen das Finanzamt
- vertreten durch den Vorsteher -

- Beklagter -

wegen Eigenheimzulage

hat der 11. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 15.03.2002, an der teilgenommen haben:

1. Vorsitzender Richter am Finanzgericht
2. Richter am Finanzgericht
3. Richter am Finanzgericht
4. Ehrenamtliche Richterin
5. Ehrenamtlicher Richter

auf Grund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 25.10.2000 wird die Eigenheimzulage ab dem Jahre 1998 auf 6.500 DM (3.323,40EUR) festgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Zu entscheiden ist, ob es der Beklagte (Bekl.) zu Recht abgelehnt hat, dem Kläger (Kl.) die Kinderzulage nach § 9 Abs. 5 Satz 1 Eigenheimzulagengesetz (EigZulG) zu gewähren.

Der Kl. ist der Vater des am 01.10.1991 geborenen Kindes D A M. Seit seinem im Februar 1994 erfolgten Auszug aus der gemeinsamen Wohnung lebt der Kl. von der Kindesmutter, mit der er nicht verheiratet war, getrennt. Aufgrund gemeinsamer Entscheidung des Kl. und der Kindesmutter hält sich ihre gemeinsame Tochter, für die der Kl. Unterhalt zahlt an mindestens 90 Tagen, und zwar immer Freitags und Samstags sowie bei Krankheit des Kindes oder der Mutter ggf. auch an weiteren Tagen beim Kl. auf.

In den Jahren 1997 und 1998 errichtete der Kl. durch einen Anbau an einem bereits vorhandenen Einfamilienhaus eine Wohnung, die von ihm seit dem 10.12.1998 zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird.

Mit Antrag vom 08.07.1999 beantragte der Kl. beim Bekl., ihm eine Eigenheimzulage einschließlich Kinderzulage zu gewähren.

Mit Bescheid vom 26.08.1999 setzte der Bekl. eine Eigenheimzulage für den Zeitraum 1998 bis 2005 in Höhe von jährlich 5.000,00 DM fest. Die zusätzlich beantragte Kinderzulage bezog er in seine Festsetzung nicht mit ein.

Hiergegen richtet sich die von dem Kl. nach erfolglosen Einspruchsverfahren erhobene Klage.

Der Kl. ist der Auffassung, der Bekl, habe es zu Unrecht abgelehnt, ihm die beantragte Kinderzulage zu gewähren. Seine Tochter gehöre nicht nur zum Haushalt ihrer Mutter, sondern ? bei einer an dem Gleichheitsgebot sowie dem Sinn und Zweck der Kinderzulage orientierten Auslegung des Begriffs der Haushaltzugehörigkeit ? auch zu seinem Haushalt. Denn bei den Zeiten, zu denen seine Tochter bei ihm lebe, handle es sich um von der Kindesmutter geduldete Besuche, sondern um Aufenthalte aufgrund der bewussten Entscheidung beider Elternteile, um auf diese Weise den ohnehin für das Kind belastenden Zustand der räumlichen Trennung von Vater und Mutter auf das Minimum zu reduzieren.

Auch in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei anerkannt, dass eine doppelte Haushaltzugehörigkeit eines Kindes durchaus möglich sei. Wann eine solche vorliege, könne jedoch vor dem Hintergrund ansonsten bestehender Manipulationsmöglichkeiten sinnvoller Weise nicht davon abhängen, wem nach dem Gesetz das Sorgerecht zustehe und ob sich das Kind, für das eine Kinderzulage begehrt werde, in etwa gleichlange bei jedem Elternteil aufhalte. Abgestellt werden müsse in diesem Zusammenhang vielmehr allein darauf, ob die Eltern tatsächlich ein gemeinsames Sorgerecht ausübten und wie sie in Ausübung dieses Sorgerechts den Aufenthalt ihres Kindes gemeinsam regelten.

Ein anderes Verständnis des Begriffs der Haushaltzugehörigkeit führen zu einer unverhältnismäßigen Benachteiligung von Elternteilen, die sich in der gleichen persönlichen Situation wie er befänden, und wiederspräche zudem der Absicht des Gesetzgebers, die dieser mit der Einführung der Kinderzulage verfolgt habe. Denn abgesehen davon, dass getrennt lebende Eltern, die sich um das Wohlergehen ihrer Kinder kümmerten, je nach Lebenssituation teilweise erheblich größere finanzielle Belastungen zu tragen hätten als verheiratete und zusammenlebende Eltern und daher an sich ohnehin bevorzugt gefördert werden müssten, habe er als Bauherr aufgrund des Umstandes, dass seine Tochter eventuell zu einem späteren Zeitpunkt auch im Sinne der Auffassung des BekI. zu seinem Haushalt gehören könnte, größer gebaut und damit einerseits erheblich höhere finanzielle Aufwendungen gehabt, als wenn er alleinstehend gewesen wäre. Anderseits habe er jedoch die gleichen Mehraufwendungen für sein Kind gehabt und trage als barunterhaltsplichtiger Elternteil genauso zum Lebensunterhalt seiner Tochter bei, wie jeder andere Elternteil, der mit der Kindesmutter und seinem Kind zusammen lebe und daher bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen die Kinderzulage bekomme.

Eine andere Auslegung des Begriffs der Haushaltzugehörigkeit eröffne zudem erhebliche Manipulationsmöglichkeiten. Zwar sei es formal richtig, dass in § 9 Abs. 5 EigZuIG nicht auf die bloße Anmeldung abgestellt werde. Tatsächlich dürfte es jedoch anders sein mit der Folge, dass er die beantragte Kinderzulage bekommen hätte, wenn er seine Tochter für den Zeitpunkt des Bezugs der errichteten Wohnung bei sich angemeldet hätte.

Darüber hinaus müsse aber auch berücksichtigt werden, dass der spätere Wegfall der Haushaltszugehörigkeit im Verlauf des Förderungszeitraums nicht zum Wegfall der Kinderzulage führe. Im Umkehrschluss müsse die Kinderzulage dann aber auch für den gesamten Förderungszeitraum gewährt werden, wenn die Möglichkeit einer Haushaltszugehörigkeit zu einem späteren Zeitpunkt bestehe.

Durch die Nichtgewährung des Baukindergeldes werde im Übrigen seine Tochter auch gegenüber anderen Kindern benachteiligt, da er durch den Bau auch die finanzielle Zukunft seiner Tochter absichere.

Unabhängig davon habe aber auch ein Elternteil, der gar keinen Umgang mit seinem Kind habe, bei Erfüllung der Unterhaltspflicht größere finanzielle Belastungen und müsse dementsprechend Baukindergeld bekommen. Eine annähernd gerechte Gewährung von Baukindergeld müsse daher an sich so aussehen, dass jeder Elternteil, der baue und zum Unterhalt des Kindes entscheidend beitrage, das halbe Baukindergeld bekomme. So würde man allen nicht nachprüfbaren, den tatsächlichen Lebensumständen widersprechenden Bewilligungskriterien aus dem Wege gehen.

Zum Nachweis seiner Behauptung, dass er mit der Kindesmutter tatsächlich ein gemeinsames Sorgerecht ausübe, hat der KI. eine schriftliche Erklärung der Kindesmutter vom 15.02.2001 vorgelegt, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird.

Der KI. beantragt,
die Einspruchsentscheidung (EE) vom 25.10.2000 aufzuheben und ab dem Jahre 1998 eine Eigenheimzulage unter Einschluss der Kinderzulage zu gewähren.

Der BekI. beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Er ist der Auffassung dass die Tochter des KI., für die dieser eine Kinderzulage begehre, bislang nicht zu dessen Haushalt gehöre und ihm daher derzeit eine Kinderzulage nicht gewährt werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie die vom BekI. vorgelegte Steuerakte verwiesen.

Der Senat hat am 15.03.2002 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Die Klage ist begründet.

Der BekI. hat es zu Unrecht abgelehnt, dem KI. für seine Tochter D A M die beantragte Kinderzulage gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 Eigenheimzulagegesetz zu gewähren.

Die Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Kinderzulage sind im Streitfall gegeben. Insbesondere fehlt es nicht an dem Erfordernis, dass die Tochter des KI. im Förderzeitraum zu dessen inländischem Haushalt gehört oder gehört hat.
Nach der früheren Rechtsprechung des BFH (vgl. u. a. Urteil vom 14. April 1999 ? X R 11/97, BFH E 188, 330, BStBl. II 1999, 594) galt ein Kind nur dann als zum Haushalt eines Steuerpflichtigen gehörig, wenn das Kind bei einheitlicher Wirtschaftsführung unter dessen Leitung dessen Wohnung teilt, oder sich mit dessen Einwilligung vorübergehend außerhalb der Wohnung aufhält. In seiner neueren Rechtsprechung (vgI. u. a. Urteil des BFH vom 14. November 2001 ? X R 24/99, BFH E nn, Juris-Dokument Nr.: STRE 200210028) ist der BFH jedoch von dem Abstellen auf eine einheitliche Wirtschaftsführung unter Leitung des Steuerpflichtigen abgerückt und hat sich der sozialrechtlichen Definition des Begriffs ?Haushaltszugehörigkeit? angeschlossen. Diese geht davon aus, dass Haushaltzugehörigkeit aus dem Zusammenwirken örtlicher Gegebenheiten sowie materieller und immaterieller Faktoren entstehe. So verlange Haushaltzugehörigkeit eine Familienwohnung, die vom Steuerpflichtigen und der Person, die zu seinem Haushalt gehört, genutzt werde. Haushaltzugehörigkeit erfordere ferner, dass der Steuerpflichtige Verantwortung für das materielle Wohl des Haushaltsangehörigen trägt und dass zwischen den Personen familiären Bindungen bestehen und unterhalten werden, was sich auch in der Fürsorge für den Haushaltszugehörigen niederschlage.

Danach gehört ein Kind dann zum Haushalt eines Elternteils, wenn es dort wohnt und betreut wird, sodass es sich in der Obhut des Elternteils befindet. Formale Gesichtspunkte, z. B. die Sorgerechtsreglung oder die Eintragung in ein Melderegister, können bei der Beurteilung, in welchem Haushalt das Kind aufgenommen ist, allenfalls unterstützend herangezogen werden. Ein Obhutsverhältnis in dem geschilderten Sinne besteht allerdings dann nicht, wenn sich das Kind nur für einen von vornherein begrenzten, kurzfristigen Zeitraum bei einem Elternteil befindet, etwa zu Besuchszwecken oder in den Ferien (vgI. Urteil des BFH vom 20. Juni 2001 ? VI R 224/98, BFH E 195,564, BStBI. II 2001, 713).

Der erkennende Senat schließt sich dieser neueren Rechtsprechung des BFH an, da sie ihm eher geeignet erscheint, den komplexen Sachverhalt, der sich hinter dem Begriff der ?Haushaltszugehörigkeit? verbirgt, rechtlich zu erfassen.
Bei Anwendung der vorgenannten Grundsätze ist im Streitfall von einer Haushaltszugehörigkeit des Kindes D A M beim KI. auszugehen.

Zum einen ist eine Familienwohnung, die vom Kl. und seiner Tochter genutzt wird vorhanden. Zum anderen kümmert sich der Kläger nach seinem unwidersprochenen Vortrag sowohl um die materiellen auch immateriellen Bedürfnisse seiner Tochter und pflegt und unterhält die bestehenden familiären Bindungen. Schließlich stellen sich nach dem auch insoweit unwidersprochen gebliebenen Vortrag des KI. sowie der vorgelegten schriftlichen Erklärung der Kindesmutter die Aufenthalte des Kindes D A M beim KI. nicht lediglich als gelegentliche Besuche, sondern als bewusste und gewollte Aufenthalte des Kindes bei seinem Vater dar, um auf diese Weise die Entwicklung des Kindes bestmöglich zu fördern.

Der Annahme einer Zugehörigkeit des Kindes D A M auch zum Haushalt des KI. steht nicht entgegen, dass D A M nicht durchgehend oder überwiegend im Haushalt des KI. lebt, sondern nur zeitweise und in der übrigen Zeit im Haushalt der Mutter. Bereits der früheren Rechtsprechung des BFH (vgI. Urteil vom 14. April 1999 ? X R 11/97, a. a. O.) war anerkannt, dass ein Kind auch gleichzeitig dem Haushalt beider Elternteile angehören kann, wenn das Kind tatsächlich zeitweise beim Vater und zeitweise bei der Mutter lebt und nach den tatsächlichen Umständen des einzelnen Falles als in beide Haushalte eingegliedert anzusehen ist. Anhaltspunkte, die es rechtfertigen könnten, dies bei Anwendung der neueren Rechtsprechung des BFH anders zu sehen, sind nicht ersichtlich. Danach gehört im Streitfall das Kind D A M derzeit zu den Haushalten seiner beiden Elternteile. Denn ? wie oben bereits dargelegt ? ist im Streitfall davon auszugehen, dass D A M ihren Vater nicht lediglich besucht, sondern zeitweise unter seiner Obhut und Fürsorge bei ihm lebt, mithin in der Zeit, in der sie sich bei ihrem Vater aufhält, in dessen Haushalt eingegliedert ist und dort ihren Lebensmittelpunkt hat.

Schließlich ist aber auch noch zu berücksichtigen, dass der KI. seine nach dem Eigenheimzulagengesetz geförderte Wohnung so gestaltet hat, dass ein auch längerfristiger Aufenthalt des Kindes bei ihm ohne weiteres möglich ist. Damit trägt die vom KI. beantragte Kinderzulage auch dem vom Gesetzgeber mit dem Eigenheimzulagengesetz verfolgten Ziel Rechnung, zur Finanzierung des durch Kinder erhöhten Wohnbedarfs beizutragen und damit die Bildung von Wohneigentum gerade von Familien zu fördern. Dabei ist unter einer Familie nicht nur eine Lebensgemeinschaft zu verstehen, der neben einem oder mehreren Kindern beide Elternteile angehören, sondern auch eine Lebensgemeinschaft, der neben einem oder mehreren Kindern ? aus welchen Gründen auch immer ? nur ein Elternteil angehört.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

RechtsgebietEigenheimzulagengesetzVorschriften§ 9 Abs.5

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