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27.11.2002 · IWW-Abrufnummer 020972

Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 18.04.2002 – 4 K 1869/01

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FINANZGERICHT RHEINLAND-PFALZ

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Finanzrechtsstreit XXX
wegen Schenkungsteuer

4 K 1869/01

hat der 4. Senat durch XXX

am 18. April 2002 für Recht erkannt:

1. Der Schenkungsteuerbescheid vom 2. April 2002 sowie der Schenkungsteuerbescheid vom 10. November 2000 und die Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2001 werden aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten zugunsten des Klägers vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine freigebige Zuwendung durch Einräumung von Nutzungsrecht an Wohnräumen und anderen Grundstücksteilen.

Durch notariellen Vertrag vom 10. April 2000 (BI. 3 bis 6 der Schenkungsteuerakten) räumte der Kläger seiner Lebensgefährtin .... mit der er laut den ?Vorbemerkungen? in Abschnitt I Ziffer 2 des Vertrages ?seit ca. 10 Jahren zusammen in eheähnlicher Lebensgemeinschaft? lebte, an dem Anwesen ... ... Straße ein ?lebenslängliches Wohnungs- und Benutzungsrecht? ein. Dieses Recht umfasst nach Abschnitt II Ziffer 1 Buchst. a und b des Vertrages,

?a) zu Lebzeiten des Eigentümers .... S .... die Befugnis, die Wohnung im ersten Obergeschoss sowie alle Nebenräume des Anwesens wie Keller und Speicher sowie den Garten gemeinsam mit dem Eigentümers zu bewohnen und zu nutzen;
b) im Falle des Vorablebens von ... S ...die Befugnis, die Wohnung im ersten Obergeschoss, die Nebenräume sowie den gesamten Garten alleine unter Ausschluss des Eigentümer zu bewohnen und zu nutzen.?
Eine Überlassung des Nutzungsrechts an Dritte war ?auch im Falle des Vorablebens? des Klägers nicht gestattet. Laut Abschnitt II Ziffer 2 des Vertrages verpflichtete sich die Lebensgefährtin ?als Gegenleistung für die Einräumung des vorstehenden Wohnungs- und Benutzungsrechts? den Kläger ?bei Krankheit und im Alter unentgeltlich zu warten und zu pflegen?. Zur Sicherung des Wohnungs- und Benutzungsrechtes hatte der Kläger eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zugunsten seiner Lebensgefährtin zu bestellen. Nach Abschnitt II Ziffer 4 des Vertrages ?erlöschen ... das Wohnungs- und Benutzungsrecht sowie die mit dem Recht verbundene Verpflichtung zu Warte und Pflege ... vorzeitig im Falle einer Auflösung der zwischen den Beteiligten bestehenden Lebensgemeinschaft?. Die Kosten der ?Urkunde und ihres Vollzugs? übernahm der Kläger.

Durch Schenkungsteuerbescheid vom 10. November 2000 setzte der Beklagte wegen dieses Vorgangs gegen den Kläger Schenkungsteuer von 7.565 DM fest, wobei er von einem Wert des steuerbaren Erwerbs von 54.504 DM ausging und einen Freibetrag von 10.000 DM berücksichtigte. Bei der Berechnung des Erwerbswertes setzte er den Jahreswert des Wohnungs- und Benutzungsrecht unter Berücksichtigung eines Grundbesitzwertes von 142.000 DM, eines Nutzflächenanteils des Wohnrechts von 75/200, eines Lebensalters der Lebensgefährtin bei Vertragsabschluss von 32 Jahren und der Höchstwertbegrenzung nach § 16 BewG mit (142.000 x 75/200 =) 2.863 DM und den Kapitalwert mit (2.863 x 16,781 =) 48.044 DM an (BI. 23, 24 u. 26 der Schenkungsteuerakten). Den Kapitalwert erhöhte er um den Wert der Steuerübernahme, den er mit (17 v. H. von 38.000 =) 6.460 DM ansetzte. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Im Verlauf des Klageverfahrens erklärte der Beklagte die Schenkungsteuerfestsetzung durch Bescheid vom 2. April 2002 im Hinblick auf verfassungsrechtliche Zweifel am ErbStG für vorläufig nach § 165 Abs. 1 AO.

Mit der Klage begehrt der Kläger eine Aufhebung der Schenkungsteuerfestsetzung. Er trägt vor, es liege keine Schenkung vor. Dies folge bereits aus der Abrede, dass das Wohnrecht bei Auflösung der Lebensgemeinschaft beendet werden solle. Damit fehle es an dem Dauerhaften einer Schenkung, so dass eine Leihe anzunehmen sei. Überdies sei die Zuwendung von einer Gegenleistung ? nämlich der Verpflichtung zur dauerhaften Pflege ? abhängig. Insoweit bestehe eine kausale Verknüpfung.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Schenkungsteuerbescheid vom 2. April 2002 sowie den Schenkungsteuerbescheid vom 10. November 2000 und die Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2001 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er führt aus,
die unentgeltliche Überlassung des lebenslänglichen Wohnungs- und Benutzungsrechts stelle eine freigebige Zuwendung dar. Dass dieses Recht bei Auflösung der Lebensgemeinschaft erlösche, sei ? da es sich dabei um auflösende Bedingung handele ? nicht in die Berechnung des Werts des Erwerbs einzubeziehen. Die Pflegeverpflichtung sei nicht als Gegenleistung abzuziehen, da es sich um eine aufschiebend bedingte Last handele, die erst mit Bedingungseintritt zu berücksichtigen sei.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Schenkungsteuerbescheide vom 2. April 2002 und vom 10. November 2000 sowie der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2001.

Der Beklagte hat für die im notariellen Vertrag vom 10. April 2000 vereinbarte Einräumung von Nutzungsrechten zu unrecht Schenkungsteuer festgesetzt. Die durch diese Vereinbarungen eventuell ausgelöste Erbschaftsteuer ist noch nicht entstanden.

Bei den der Lebensgefährtin des Klägers vertraglich versprochenen Leistungen ist zu unterscheiden zwischen der Wohnungsüberlassung zur Mitbenutzung bis zum Tode des Klägers (Abschnitt II Ziffer 1 Buchst. a. der notariellen Urkunde) und dem inhaltlich abweichend gestalteten Nutzungsrecht, das der Lebensgefährtin nach dem (Vor-)Ableben des Klägers zustehen sollte (Abschnitt II Ziffer 1 Buchst. b der notariellen Urkunde). Nur die Nutzungsüberlassung zu Lebzeiten des Klägers könnte, sofern sie als freigebige Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) zu werten wäre, Schenkungsteuer auslösen, während durch die Einräumung des postmortalen Nutzungsrechts, die überlebensbedingt ist, allenfalls Erbschaftsteuer anfallen kann, sofern es sich um eine steuerbare Schenkung auf den Todesfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG) handelt.

Eine freigebige Zuwendung setzt eine Vermögensverschiebung voraus, durch die der Zuwendende entreichert und der Bedachte bereichert wird. Eine entreichernde Vermögenshingabe wird bei der bloßen Überlassung von Wohnräumen und anderen Grundstücksteilen zur Selbstnutzung meist fehlen (vgl. u. a. BGH-Urteil vom 11. Dezember 1981 V ZR 247/80, NJW 1982, 820; BFH-Urteil vom 29. November 1983 VIII R 184/83, BStBI. II 1984, 371). Sie kann aber nach Ansicht des Senats dann vorliegen, wenn nach der Verwendungsplanung des überlassenden Eigentümers andernfalls eine erwerbswirtschaftliche Nutzung erfolgt wäre, wobei von einer dahingehenden Verwendungsplanung bei leicht vermietbaren Wohnungen regelmäßig auszugehen ist. Eine Entreicherung durch die unentgeltliche Wohnungsüberlassung ist indes zu verneinen, wenn ? wie vorliegend ? lediglich die Mitbenutzung einer Wohnung gestattet wird, die auch vom Eigentümer aufgrund seines originären Nutzungsrecht für eigene Wohnzwecke genutzt wird. Im Streitfall kommt hinzu, dass die Wohnräume und Grundstücksteile, die Gegenstand der Nutzungsvereinbarung im notariellen Vertrag vom 10. April 2000 sind, sowohl vor als auch nach dem Vertragsabschluss die gemeinsame Wohngrundlage einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft bildeten, die beim Vertragsabschluss zwischen dem Kläger und seiner Vertragspartnerin bereits seit ca. 10 Jahren bestanden hat (Vgl. Abschnitt II Ziffer 2 der notariellen Urkunde). Durch die vertragliche Fixierung dieser Nutzungssituation ist weder das Vermögen des Klägers vermindert noch das Vermögen der Lebensgefährtin vermehrt worden. Auch die dingliche Absicherung der beurkundeten Vereinbarung durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit kann an dieser Feststellung nichts ändern. Dinglich gesicherte Nutzungsrechte führen zwar in Regel zu einer Entreicherung des Eigentümers, da seine Nutzungsbefugnis dadurch mit Wirkung für eventuelle Rechtsnachfolger auf Dauer beseitigt oder zumindest eingeschränkt wird. Vorliegend ist aber aufgrund der in Abschnitt II Ziffer 4 des notariellen Vertrages vom 10. April 2000 enthaltenen Klausel ausnahmsweise nicht der Fall. Danach sollte nämlich das Mitbenutzungsrecht der Lebensgefährtin erlöschen, sofern die eheliche Lebensgemeinschaft aufgelöst wird. Daraus wird deutlich, das sich auch durch die eingetragene Dienstbarkeit die bereits zuvor bestehende Nutzungssituation nicht verändert hat. Die Lebensgefährtin des Klägers hat auch durch die vertraglichen Vereinbarungen und deren dingliche Absicherung zu Lebzeiten des Lebenspartners keine vom Fortbestand der Lebensgemeinschaft unabhängige Nutzungsbefugnis erlangt.

Anders liegen die Dinge hinsichtlich des der Lebensgefährtin des Klägers in Abschnitt II Ziffer 1 Buchst. b des notariellen Vertrages vom 10. April 2000 eingeräumten Nutzungsrechts. Danach sind ihr für die Zeit nach dem Tode ihres Lebenspartners die Wohnräume zur Selbstnutzung ?unter Ausschluss des Eigentümers? überlassen. Um dieses Recht zur alleinigen Nutzung ist sie dann auf Kosten des Klägers bzw. seiner Rechtsnachfolger bereichert. Da dieses Nutzungsrecht aber nur ausgeübt werden kann, wenn die Lebensgefährtin den Kläger überlebt, und auch nur für diesen Fall gewollt ist, handelt es sich um einen aufschiebend bedingten (und zugleich befristeten) Rechtserwerb, wobei angesichts der Klausel in Abschnitt II Ziffer 4 des Vertrages neben dem Vorversterben der Bedachten auch die vorherige Auflösung der Lebensgemeinschaft zum endgültigen Bedingungsausfall führen kann. Eine überlebensbedingte Zuwendung ist indes als Schenkung auf den Todesfall zu werten, die gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG der Erbschaftsteuer unterliegt, sofern sie un- oder teilentgeltlich ist. Die Steuer für den durch eine solche Zuwendung ausgelösten Erwerb von Todes wegen kann aber erst mit dem Tod des Zuwendenden ? hier des Klägers ? entstehen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Sollte der Kläger zuvor pflegebedürftig sein, sind überdies von der Lebensgefährtin bis zum Todestag erbrachte Pflegeleistungen, die sich dann aufgrund der Regelung in Abschnitt II Ziffer 2 des Vertrages als Entgelt darstellen, bereicherungsmindernd zu berücksichtigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten aus § 151 Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Senat hat mit Einverständnis der Verfahrensbeteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 90 Abs. 2 FGO).

Die Revision war nicht zuzulassen.

RechtsgebietSchenkungsteuerVorschriften§ 10 ErbStG, § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG

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