24.01.2012 · IWW-Abrufnummer 120141
Oberlandesgericht Celle: Beschluss vom 03.11.2011 – 13 U 167/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
13 U 167/11
8 O 23/11 Landgericht Stade
B e s c h l u s s
In dem Rechtsstreit XXX
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch XXX am 3. November 2011 beschlossen:
Es wird erwogen, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Die Beklagten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 29. November 2011.
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G r ü n d e
Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch fordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Änderung des § 522 ZPO; Anhaltspunkte dafür, dass hier die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten wäre, sind nicht ersichtlich.
Die Berufung hat nach derzeitigem Beratungsstand auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht entschieden, dass die Beklagten es zu unterlassen haben, im geschäftlichen Verkehr kostenlose Venenuntersuchungen zu bewerben und/oder durchzuführen, wenn dies geschieht wie in der C. Zeitung am 13. August 2010 (Anlage K 1) und/oder auf der Homepage der Beklagten zu 1 (Anlage K 2). Dementsprechend hat es auch die Widerklage der Beklagten zu 2 zu Recht abgewiesen.
Die Einwände der Beklagten gegen dieses Urteil rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. Im Einzelnen:
1. Die Beklagten ziehen in der Berufung die Klagebefugnis des Klägers nicht mehr in Zweifel. Der Senat hält die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil (Seite 5 LGU) auch für richtig.
2. Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass dem Kläger gegen die Beklagte zu 1 ein Anspruch auf Unterlassung der streitbefangenen Bewerbung und Durchführung kostenloser Venenchecks zusteht (§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 7 HWG).
a) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) eröffnet.
aa) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG findet das HWG Anwendung auf die Werbung für andere Mittel, Verfahren, Behandlungen und Gegenstände, soweit sich die Werbeaussage auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden bei Mensch oder Tier bezieht.
Verfahren und Behandlungen in diesem Sinn sind jegliche Dienstleistungen, die am oder im Menschen bzw. Tier durchgeführt werden oder Anleitungen dazu geben. Der Begriff der Verfahren und Behandlungen im Sinne des HWG ist sehr weit zu fassen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. Juli 1998, 2 U 166/97, zitiert nach juris, Rn. 37). Entscheidend für die Frage, ob ein Verfahren heilmittelwerberelevant ist, sind das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise und die vor diesem Hintergrund Absatz fördernde Werbeaussage (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 37 und 38). Insofern reicht es auch im Rahmen des HWG aus, dass bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise der Eindruck entsteht, das beworbene Verfahren bzw. die beworbene Behandlung beziehe sich auch auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 39 m.w.N.).
bb) Nach diesen Grundsätzen ist hier festzustellen, dass sich für einen nicht unerheblichen Teil des von der streitbefangenen Werbung angesprochenen Verkehrskreises, zu dem auch die Mitglieder des Senats gehören, die beworbene kostenlose Venenkurzuntersuchung bzw. der Venencheck als Maßnahme darstellt, die sich auf die Erkennung eines körperlichen Leidens bezieht und die die Grundlage für gegebenenfalls anschließende lindernde Maßnahmen bieten soll.
Der Anwendungsbereich des HWG ist mithin eröffnet.
b) Die streitbefangene Werbung ist unzulässig i.S.d. § 7 Abs. 1 HWG.
aa) Nach dieser Vorschrift ist es unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren- oder Dienstleistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, dass einer der in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG genannten Ausnahmetatbestände greift.
bb) Die Kostenlosigkeit des beworbenen Venenkurzchecks stellt eine Zuwendung bzw. sonstige Werbegabe i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG dar. Das Landgericht hat insofern zutreffend ausgeführt, dass es sich bei der angebotenen Venenkurzuntersuchung um einen Teil einer ärztlichen Leistung handelt, die in der Regel nur gegen Geld zu erhalten ist. Der interessierte Verbraucher erwartet im Rahmen einer solchen ärztlichen Venenkurzuntersuchung eine individuelle körperliche Befunderhebung zu seinem Venensystem und gegebenenfalls eine weiterführende Beratung. Daher stellt sich die Kostenlosigkeit des Venenchecks jedenfalls aus Sicht des Verbrauchers als Zuwendung und sonstige Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG dar, die geeignet ist, seine Entscheidung, ob und in wessen Behandlung er sich begibt, unsachlich zu beeinflussen.
cc) Dass der einzig in Betracht kommende Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG hier nicht einschlägig ist, hat das Landgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt. Die Kostenlosigkeit der Venenchecks besteht bereits sachlogisch nicht aus der Erteilung von Ausk ünften oder Ratschlägen. Auch der Venencheck selbst beinhaltet i. Ü. eine individuelle (Kurz-)Befunderhebung.
c) Soweit die Beklagte zu 1 in der Berufung einwenden will, der Artikel in der streitbefangenen Anlage K 1 sei nicht von ihr selbst veröffentlicht worden, verkennt sie, dass der Kläger vorliegend von ihr nicht die Unterlassung der Veröffentlichung verlangt, sondern die Unterlassung der Bewerbung und Durchführung. Insofern hat die Beklagte zu 1 die Schaltung des Artikels weder in der Berufung bestritten, noch im Hinblick auf die tatbestandliche Feststellung des Landgerichts, nach der der Artikel in der C. Zeitung von der Beklagten zu 1 geschaltet worden ist, mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen.
d) Im Hinblick auf den Internetauftritt der Beklagten zu 1 steht ihre Verantwortlichkeit ohnehin außer Zweifel.
e) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das ausgeurteilte Unterlassungsverbot auch nicht zumindest teilweise auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Zwar ist den Beklagten zuzugeben, dass die Formulierung in Ziffer 1 des Tenors hinsichtlich der Durchführung „wenn dies geschieht wie in der C. Zeitung(L)und/oder auf der HomepageL“, sprachlich nicht ganz geglückt ist. Indes besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass hiermit gemeint ist: „wenn dies geschieht wie in der C. Zeitung(L)und/oder auf der Homepage beworbenL“.
f) Die Beklagte zu 1 könnte sich auch nicht mit Erfolg auf das so genannte Klinikprivileg berufen. Danach gelten zwar für Kliniken (und vergleichbare gewerbliche Unternehmen) nicht dieselben Werbebeschränkungen wie für Ärzte, denn bei ihnen handelt es sich - zumindest auch - um Gewerbebetriebe, die aufgrund des höheren personellen und sachlichen Aufwands und der laufenden Betriebskosten durch Werbebeschränkungen typischerweise stärker belastet sind als die Gruppe niedergelassener Ärzte. Sie sind zur Sicherung ihrer Existenz darauf angewiesen, auf ihr Leistungsangebot aufmerksam zu machen. Kliniken (und vergleichbare Unternehmen) dürfen daher in sachangemessener Weise für ihre eigenen – wenngleich durch angestellte Ärzte, Vertragsärzte und Belegärzte erbrachten – Leistungen und für die Eigenschaften ihres Betriebs, insbesondere Klinikführung, -ausstattung und -atmosphäre werben (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 4 UWG, Rn. 11.114 m.w.N.; s. auch BGH, Urteil vom 31.10.2002, I ZR 60/00, zitiert nach juris, Rn. 48). Sachangemessen ist die Werbung, wenn sie einem berechtigten Informationsbedürfnis der Patienten entspricht (Köhler, a.a.O.). Diese Voraussetzung ist indes bei der streitgegenständlichen, gegen das HWG verstoßenden Werbung nicht der Fall. Das Anbieten kostenloser Venenchecks hat mit dem berechtigten Informationsbedürfnis der Patienten nichts zu tun; diesem wäre auch im Fall der Kostenpflichtigkeit gedient.
2. Das Landgericht hat auch die Beklagte zu 2 zu Recht in das Unterlassungsverbot einbezogen.
a) Nach § 27 Abs. 3 Satz 1 der Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen ist dem Arzt eine berufswidrige Werbung untersagt. Nach Satz 2 darf er eine solche Werbung durch andere weder veranlassen noch dulden. Gemäß Satz 4 gelten die Verbote des Heilmittelwerbegesetzes für den Arzt entsprechend.
b) Diese berufsrechtlichen Vorschriften sind Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG (vgl. Köhler, a.a.O., Rn. 11.74). Das stellen die Beklagten auch nicht in Abrede.
c) Die Beklagte zu 2 durfte die nach dem Heilmittelwerbegesetz unzulässige Werbung für kostenlose Venenchecks nicht - wie geschehen - dulden, da dies eine Umgehung des Verbots der berufswidrigen Werbung darstellt (vgl. Köhler, a.a.O. Rn. 11.112). Zwar liegt ein Dulden fremder Werbung nur dann vor, wenn dem Arzt die Unterbindung tatsächlich und rechtlich möglich und zumutbar ist. Der Senat folgt insofern aber dem Einwand der Beklagten zu 2 nicht, ihr sei es nicht möglich gewesen, auf die Beklagte zu 1 entsprechend einzuwirken. Dass sie es überhaupt versucht hat, behauptet sie selbst nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb ihr eine zumindest auf ihr Foto und ihre Namensnennung bezogene Einwirkung nicht möglich gewesen sein sollte.