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15.02.2012

Finanzgericht Münster: Urteil vom 20.12.2011 – 1 K 3146/08 G

Bei der Berechnung des Gewerbeertrags gemäß § 18 Abs. 4 UmwStG a.F. ist der Freibetrag aus § 16 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen.


Im Namen des Volkes

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht Richter … am Finanzgericht Richter … am Finanzgericht ehrenamtliche Richterin … ehrenamtlicher Richter … ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 20.12.2011 für Recht erkannt:

Tatbestand

Streitig ist, ob bei der Berechnung des Gewerbesteuerertrages gemäß § 18 Abs. 4 UmwStG i.d.F. für das Streitjahr 2006 (= § 18 Abs. 4 UmwStG 1995, heute: § 18 Abs. 3 UmwStG) der Freibetrag aus § 16 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen ist.

Die Klägerin hat bis zum Jahr 2005 ihr Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH betrieben. Mit Notarvertrag vom 3.11.2005 ist diese GmbH in eine GmbH & Co. KG in Form einer Einheitsgesellschaft umgewandelt worden. Umwandlungsstichtag war der 1.10.2005, die Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 21.11.2005. In Folge dieser Umwandlung war die J. Verwaltungs-GmbH Komplementärin mit einer Beteiligung in Höhe von 250 Euro und Herr J alleiniger Kommanditist mit einem Anteil von 100.000 Euro. Die Stammeinlage der J Verwaltungs-GmbH übernahm die Klägerin (vgl. § 4 Nr. 2 des GmbH-Vertrages).

Mit Vertrag vom 15.12.2005 veräußerte Herr J seinen Kommanditanteil an der Klägerin zum Preis von 220.000 Euro an Herrn S. Herr J hatte zu diesem Zeitpunkt das 55. Lebensjahr vollendet. Die Übertragung betraf den gesamten Kommanditanteil und erfolgte wirtschaftlich mit Wirkung zum Ablauf des 1.1.2006.

Aufgrund der Veräußerung des Kommanditanteils an Herrn S entstand ein Veräußerungsgewinn von 98.109 Euro, der der Höhe nach unstreitig ist. Durch Bescheid vom 20.4.2007 wurde dieser Gewinn für gewerbesteuerliche Zwecke zum laufenden Gewinn in Höhe von 132.834 Euro gerechnet. Bei der Klägerin wurde somit ein Gewinn aus Gewerbebetrieb für gewerbesteuerliche Zwecke in Höhe von 230.943 Euro in 2006 angesetzt, der zu einem Gewerbesteuer-Messbetrag von 9.400 Euro bei der Klägerin führte.

Am 21.5.2007 legte die Klägerin Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbescheid ein und bat um Berücksichtigung des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG in Höhe von 45.000 Euro.

Aus anderen Gründen wurde der Gewerbesteuermessbescheid für 2006 am 2.7.2007 geändert. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb einschließlich des Veräußerungsgewinns betrug nun 223.078 Euro, der Gewerbesteuermessbetrag 9.010 Euro.

Der Beklagte wies den Einspruch durch Entscheidung vom 6.8.2008 als unbegründet zurück. Hiergegen hat die Klägerin am 19.8.2008 Klage eingelegt. Sie vertritt die Ansicht, dass im vorliegenden Fall zwar § 18 Abs. 4 UmwStG 1995 anwendbar ist. Der deshalb zu ermittelnde Veräußerungsgewinn unterliege der Freibetragsregelung des § 16 Abs. 4 EStG. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Gewerbeertrag – ohne Berücksichtigung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen und Kürzungen – dem Gewinn des Gewerbebetriebs, wie ihn das Einkommensteuergesetz ermittele, entspreche. § 16 EStG sei deshalb, da es sich insoweit um eine einkommensteuerliche Gewinnermittlungsvorschrift handele, auch nach § 7 GewStG und folglich auch im Zusammenhang mit § 18 Abs. 4 UmwStG 1995 zu berücksichtigen.

Da die Veräußerung der gesamten Kommanditbeteiligung vorliege, komme es nicht auf die Problematik der Veräußerung von Teilanteilen an. Auch sei hier zu beachten, dass Verkäufer und Käufer nicht dieselben Personen seien. Somit läge kein laufender Gewinn vor.

Zwar seien die Vorschrift des § 18 Abs. 4 UmwStG 1995 bzw. die heutige identische Vorschrift des § 18 Abs. 3 UmwStG 2002 eine Missbrauchsvorschrift, da insoweit verhindert werden soll, dass eine Kapitalgesellschaft, deren Liquidationsgewinne der Gewerbesteuer unterläge, zum Zwecke der Gewerbesteuerersparnis vor der Liquidation in eine Personengesellschaft umgewandelt werde. Folge wäre bekanntlich ansonsten die Erlangung der Gewerbesteuerfreiheit, da die Aufgabe einer Mitunternehmerschaft grundsätzlich gewerbesteuerfrei möglich sei. Anknüpfungspunkt sei aber allein diese grundsätzliche Besteuerungspflicht der Kapitalgesellschaft. Ein fiktiver Übertragungsgewinn werde ebenso wenig erfasst wie ein fiktiver Liquidationsgewinn. Eine Nachholung der Gewerbesteuerbelastung der umgewandelten Kapitalgesellschaft nach deren Steuerregime erfolgt gerade nicht. Steuerpflichtig sei allein der Veräußerungsvorgang „Mitunternehmeranteil” entsprechend den für ihn geltenden Vorschriften.

Gegen ein Abstellen auf die fiktiv bei der umgewandelten Kapitalgesellschaft entstandene Gewerbesteuer sprächen auch die gewerbesteuerlichen Tarifvorschriften für Personengesellschaften nach § 11 GewStG. Diese enthielten einen Freibetrag sowie die Anwendung des Staffeltarifs, der bei Kapitalgesellschaften nicht zum Tragen komme.

Subjekt der Einkünfteerzielung sei für Zwecke der Gewerbesteuer der einzelne Mitunternehmer, was sich aus der Tatsache ergebe, dass Ergänzungs- und Sonderbilanzergebnisse des einzelnen Gesellschafters in den Gewerbeertrag der Gesellschaft einflössen. Den Gewinn aus der Veräußerung der Gesellschaftsanteile erziele auch nicht die Gesellschaft sondern der einzelne Gesellschafter. In diesem Zusammenhang sei dann auch § 16 Abs. 4 EStG als sachliche Befreiungsvorschrift zu beachten. Auch der Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer ändere hieran nichts.

Die Klägerin beantragt,

den Gewerbesteuermessbescheid 2006 in Gestalt der

Einspruchsentscheidung vom 6.8.2008 dahingehend zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag um 2.250 Euro auf 6.760 Euro herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

und hilfsweise im Fall des Unterliegens

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte verweist darauf, dass § 18 Abs. 4 UmwStG 1995 eine Missbrauchsvorschrift sei. Hierdurch solle erreicht werden, dass die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft die Besteuerung des Liquidationsgewinns bei einer Kapitalgesellschaft bzw. eines Veräußerungsgewinns im Zusammenhang mit einer Kapitalgesellschaft verhindere. Aus diesem Grunde werde auch in § 18 Abs. 4 Satz 3 UmwStG 1995 die Anrechnung nach § 35 EStG nicht zugelassen, um so eine Kompensation der Einkommensteuer der Mitunternehmer mit der dann anfallenden Gewerbesteuer auszuschließen. Hieraus ergebe sich weiter, dass der Gesetzgeber den Veräußerungsgewinn in voller Höhe der Gewerbesteuer habe unterwerfen wollen, soweit es zur Veräußerung innerhalb des dort festgelegten Fünfjahreszeitraumes komme.

Auch die Gesetzessystematik des UmwStG lasse keine Rückschlüsse darauf zu, dass im vorliegenden Fall im Rahmen der Ermittlung des Veräußerungsgewinns der Freibetrag aus § 16 Abs. 4 EStG zum Tragen komme. So seien neben Vorschriften, die die Anwendbarkeit des § 16 Abs. 4 EStG ausdrücklich ausschlössen, etwa § 22 Abs. 1 Satz 1 HS 2 UmwStG 2006 oder § 22 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 UmwStG 2006 auch solche vorhanden, die die Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG ausdrücklich vorsähen, etwa § 24 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 2006.

Der Veräußerungsgewinn selbst werde in § 18 Abs. 4 UmwStG 1995 nicht definiert, weshalb auf die Regelung des § 16 Abs. 2 EStG zurück zu greifen sei. Allein diese Vorschrift definiere den Begriff des Veräußerungsgewinns. Der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG mindere dagegen nicht den Veräußerungsgewinn sondern ziehe den Veräußerungsgewinn nur nach Minderung um den dort genannten Freibetrag zur Einkommensbesteuerung heran.

Zu beachten sei auch, dass § 18 Abs. 4 UmwStG 1995 zumindest für gewerbesteuerliche Zwecke als lex specialis Vorrang vor der Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG i.V.m. § 7 GewStG habe und auch deshalb § 16 Abs. 4 EStG ausgeschlossen sei.

Aus Sicht des Beklagten ist § 16 Abs. 4 EStG auch keine Gewinnermittlungsvorschrift im Sinne des Gewerbesteuergesetzes. § 7 Satz 1 GewStG verweise zwar auf die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes, dies betreffe aber nur § 16 Abs. 2 EStG. Andernfalls käme es zu einer Begünstigung der Personengesellschaft, die selbst Steuerschuldner der Gewerbesteuer sei, obwohl die Vorschrift des § 16 Abs. 4 EStG nur eine Begünstigung des Mitunternehmers selbst sei. Diese Personenverschiedenheit sei zu beachten.

Der Berichterstatter hat den Sach- und Streitstand am 19.2.2010 mit den Beteiligten erörtert. Unter Hinweis auf die Entscheidung des BFH vom 16.12.2009 (IV R 22/08) hat er die Ansicht vertreten, dass ein Ausschluss des § 16 Abs. 4 EStG durch die Regelung des § 18 Abs. 4 UmwStG 1995 nicht erkennbar sei. Auch der BFH habe in der genannten Entscheidung keine Bedenken gehabt, den Veräußerungsgewinn nach §§ 16, 34 EStG zu behandeln.

Die Beteiligten haben im Erörterungstermin bzw. im Anschluss an diesen ihr Einverständnis damit erklärt, dass der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.

Die Klage ist begründet.

Aufgrund der Veräußerung des Anteils an der Personengesellschaft durch Herrn J innerhalb des in § 18 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 1995 genannten Fünfjahreszeitraums nach Umwandlung der Rechtsform der Klägerin ist gemäß § 18 Abs. 4 Satz 2 UmwStG 1995 der Veräußerungsgewinn zu ermitteln und zu versteuern, und zwar gemäß § 16 EStG unter Berücksichtigung des Freibetrags i.S.d. § 16 Abs. 4 EStG in der für das Streitjahre 2006 bis zum 12.12.2006 geltenden Fassung bei der Klägerin.

Eine Beschränkung des § 16 EStG in den Fällen des § 18 Abs. 4 UmwStG 1995 bzw. des heute geltenden § 18 Abs. 3 UmwStG 2002 auf die Regelung des § 16 Abs. 2 EStG ist weder durch den Wortlaut des § 18 UmwStG noch aufgrund der Systematik des UmwStG anzunehmen. § 18 Abs. 4 UmwStG 1995 will – wie auch die heutige Vorschrift des § 18 Abs. 3 UmwStG 2002 – allein verhindern, dass eine Veräußerung innerhalb des dort festgelegten Fünfjahreszeitraums gewerbesteuerfrei möglich wird, wobei die Weite dieser Regelung zweifelhaft erscheint.

Gemäß § 18 Abs. 4 Satz 2 UmwStG 1995 hat der Beklagte zu Recht den Veräußerungsgewinn des bisherigen Kommanditisten Herrn J bei der Klägerin dem Grunde nach der Gewerbesteuer unterworfen – was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Dabei ist es unerheblich, in welcher Art und Weise die vor der Veräußerung liegende Umwandlung erfolgte (vgl. nur BFH-Urteil vom 26.6.2007 IV R 58/06, BStBl II 2008, 73). Diese Regelung des § 18 Abs. 4 UmwStG 1995 ist als verfassungsgemäß anzusehen (vgl. etwa BVerfG-Beschluss vom 6.11.2008 – 1 BvR 2360/07, NJW 2009, 499). Ausgehend von diesem Nichtannahmebeschluss des BVerfG geht auch der Senat davon aus, dass die Regelung des § 18 Abs. 4 UmwStG 1995 in seiner Gesamtheit verfassungsgemäß ist. Dies betrifft somit auch die Besteuerung eines Veräußerungsvorgangs bei der Gesellschaft, der auf der Gesellschafterebene angefallen ist (§ 18 Abs. 4 Satz 2 UmwStG 1995).

Die Regelung des § 18 Abs. 4 UmwStG 1995 begründet nämlich eine eigene Gewerbesteuerpflicht des Veräußerungsgewinns bei der Personengesellschaft – in Satz 2 auch im Hinblick auf die Veräußerung von Mitunternehmeranteilen (vgl. nur FG Hamburg, Urteil vom 24.06.2009, 1 K 42/09, EFG 2009, 1983 mwN.). Dabei soll die Besteuerung auch der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen sicherstellen, dass die stillen Reserven der Wirtschaftsgüter der ursprünglichen Kapitalgesellschaft, die ursprünglich auf der Ebene der Kapitalgesellschaft im Fall der Liquidation zu besteuern gewesen wären, zumindest mit besteuert werden. Dies macht aber nur Sinn, wenn man darauf abstellt, dass auch in den Mitunternehmeranteilen diese stillen Reserven der Kapitalgesellschaft verkörpert sind (so FG Hamburg, Urteil vom 24.06.2009, 1 K 42/09, EFG 2009, 1983). Letztlich dient die Regelung des § 18 Abs. 4 Satz 2 UmwStG 1995 des umfassenden Missbrauchschutzes und soll verhindern, dass Gesetzeslücken entstehen, wie noch im Fall des § 25 Abs. 2 UmwStG 1977 (vgl. dazu: BFH-Urteil vom 13.12.1989 I R 118/87, BStBl II 1990, 474 und die Reaktion hierauf im JStG 1997, BTDrucks 13/5952, 53). Unerheblich ist dabei, ob es bei der Veräußerung der Kapitalgesellschaftsanteile vor der Umwandlung zu einer Gewerbesteuerbelastung gekommen wäre oder nicht (BFH-Urteil vom 11.12.2001 VIII R 23/01, BStBl II 2004, 474).

Bemessungsgrundlage für die Besteuerung gemäß § 18 Abs. 4 Satz 2 UmwStG 1995 ist der Veräußerungsgewinn i.S.d. § 16 Abs. 2 EStG – was insoweit auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist. § 18 Abs. 4 Satz 2 UmwStG unterwirft nämlich bei der Veräußerung eines Gesellschaftsanteils an der Personengesellschaft, die aus einer Umwandlung aus einer Kapitalgesellschaft hervorgegangen ist, den Veräußerungsvorgang selbst der Gewerbesteuer (BFH-Urteil vom 16.12.2009 IV R 22/08, BStBl II 2010, 736 mwN.) Eine Unterscheidung hinsichtlich der bis zur Umwandlung angefallenen stillen Reserven und der erst danach angefallenen erfolgt gerade nicht. Entscheidend ist der tatsächlich erzielte Veräußerungsgewinn (BFH-Urteil vom 16.11.2005 X R 6/04, BStBl II 2008, 62). Dies gilt auch dann, wenn nach der Umwandlung ein Wertverlust eingetreten ist (BFH-Urteil vom 20.11.2006 VIII R 45/05, BFH/NV 2007, 793). Mangels eigener Vorschrift in § 18 Abs. 4 UmwStG 1995 ist dabei auf die allgemeinen Vorschriften zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 16 Abs. 2 EStG abzustellen (vgl. zum grundsätzlichen Verhältnis zwischen UmwStG und § 16 EStG: HHR-Geissler, § 16 EStG, Rz. 36).

Beachtet man aber weiter, dass – wie dargestellt – die Vorschrift des § 18 Abs. 4 Satz 2 UmwStG 1995 allein der grundsätzlichen Erfassung der stillen Reserven aus der umgewandelten Kapitalgesellschaft – repräsentiert in den Mitunternehmeranteilen – dienen soll, nicht aber diese tatsächlich erfasst und beachtet man auch, dass eine Besteuerung eines Vorgangs auf der Gesellschafterebene auf die Gesellschaftsebene der Personengesellschaft verlagert wird, ist nach Ansicht des Senats eine restriktive Handhabung der Vorschrift geboten. Dies bedeutet, dass ein Steuerpflichtiger freundliche Auslegung der Vorschrift vorzunehmen ist.

Im vorliegenden Fall hat dies zur Folge, dass nach Ansicht des Senats der Verweis des § 18 Abs. 4 Satz 2 UmwStG 1995 auf die Begrifflichkeit des Veräußerungsgewinns auch für gewerbesteuerliche Zwecke die Anwendung des § 16 EStG in seiner Gesamtheit zur Folge hat, also auch der in § 16 Abs. 4 EStG genannte Freibetrag zum Tragen kommt.

Der Wortlaut des § 18 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 1995, den Satz 2 sinngemäß für den vorliegenden Fall für anwendbar erklärt, weist – wie bereits gezeigt – allein auf den Begriff des Veräußerungsgewinns und eröffnet damit die Anwendung des § 16 EStG (so wohl auch: Pung in Dötsch, § 18 UmwStG, 72. ErgLfg November 2011, Rz. 55, Trossen in R/H/vL, § 18 UmwStG Rn. 54). Ein Ausschluss der Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG ist vom Wortlaut der Vorschrift her nicht vorgesehen.

Dass die Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG ausdrücklich ausgeschlossen wird, kennt das UmwStG 1995 aber etwa in §§ 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1995 und auch das neue UmwStG 2006 schließt in §§ 22 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, 22 Abs. 2 Satz 1 HS. 2 UmwStG 2006 diese Anwendung ausdrücklich aus. Sämtliche Vorschriften betreffen die Besteuerung von Anteilseignern, also die Gesellschafterebene, nach Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen in eine Kapitalgesellschaft und zwar den Fall, dass entweder nicht alle Anteile in die Kapitalgesellschaft eingebracht worden sind (§ 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1995) oder rückwirkend die seit 2006 normierte Besteuerung mit dem fiktiven Einbringungsgewinn I oder II erfolgt.

Ein besonderer Ausschluss, darauf weist der Beklagte zu Recht hin, ist in § 24 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 2002 vorgesehen, und zwar für den Fall, dass die Einbringung zum Teilwert bzw. heute (seit 2006) zum gemeinen Wert erfolgt.

Ausgehend von dieser Systematik ist festzustellen, dass das Umwandlungssteuerrecht grundsätzlich die Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG auf der Ebene des Gesellschafters kennt und zwar in den Fällen, in denen es zu einer Einbringung von Mitunternehmeranteilen kommt. Einbringungen sind aber wie Umwandlungen nach dem UmwG als Veräußerungs- bzw. Anschaffungsgeschäfte anzusehen (vgl. nur Jacobsen, FR 2011, 973 (975) mwN.). Auf den hier zu beurteilenden Fall angewandt bedeutet dies, dass das UmwStG systematisch also bei Veräußerungsvorgängen den § 16 EStG in seiner Gänze grundsätzlich zur Anwendung kommen lassen will. Er schließt § 16 Abs. 4 EStG nur aus, wenn nicht alle Mitunternehmeranteile betroffen sind, eine Regelung, die dem § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG seit dem UntStF v. 20.12.2001 (BStBl I 2002, 35), welches auf Veräußerungen von Mitunternehmeranteilen ab dem 1.1.2002 anzuwenden ist, entspricht.

Sowohl die Regelung in § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 1995 wie auch die in § 24 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 2002 betreffen die Fälle, dass es zu Veräußerungen bzw. Einbringung zum Teilwert erfolgen. Ein solcher Fall liegt bei § 18 Abs. 4 Satz 2 UmwStG 1995 schon deshalb vor, weil dort gerade auf die Veräußerung abgestellt wird.

Zu beachten ist in diesem Fall auch der vom Beklagten genannte Ausschluss der Regelung des § 16 Abs. 4 EStG in den Fällen der Ermittlung des Einbringungsgewinns I (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 UmwStG 2006) bzw. des Einbringungsgewinns II (§ 22 Abs. 2 Satz 1 HS. 2 UmwStG 2006). Beiden Fällen liegt eine fiktive Ermittlung des ursprünglichen Einbringungsgewinns zugrunde. Der Gesetzgeber will durch diese Regelungen die bei Einbringung vorhandenen stillen Reserven berechnen und besteuern – ein Fall, dem § 18 Abs. 4 Satz 2 UmwStG 1995 schon insoweit nicht entspricht, weil, wie dargestellt, eine Besteuerung der bei Umwandlung der Kapitalgesellschaft vorhandenen stillen Reserven gerade nicht erfolgt. Auffällig ist aber, dass selbst in diesem Fall der Gesetzgeber grundsätzlich von der Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG auf Gesellschafterebene ausgeht, und deshalb dies allein durch eine expliziten Regelung ausschließen muss.

Beachtet man das bisher Gesagte für diese Einbringungsfälle, so erschließt sich für den Senat nicht, warum ein Ausschluss des § 16 Abs. 4 EStG durch die Regelung des § 18 Abs. 4 Satz 2 UmwStG 1995 erfolgen soll. Wie bereits gezeigt, wird durch diese Regelung die Besteuerung für Gewerbesteuerzwecke von der Gesellschafterebene auf die Gesellschaftsebene verlagert und die Gesellschaft deshalb Steuerschuldner. Dies hat nicht zur Folge, dass dadurch grundsätzlich bestehende Begünstigungen auf der Gesellschafterebene wie gerade § 16 Abs. 4 EStG wegfallen. Aufgrund dieser Verlagerung auf die Gesellschafterebene kann es nach Ansicht des Senats nicht auf die Sozialzwecknorm der Freibetragsregelung, die an eine natürliche Person gebunden ist, ankommen. Die Verlagerung auf die Gesellschaftsebene stellt nämlich nur die Besteuerung des Veräußerungsvorgangs fest, so wie er ansonsten auf der Gesellschafterebene erfolgen sollte. Die Schaffung der Steuerschuldnerschaft der Gesellschaft für einen gesellschafterbezogenen Vorgang kann nicht dazu führen, dass es ansonsten zu Einschränkungen kommt, die es auf Gesellschafterebene nicht gäbe.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Regelung des § 18 Abs. 4 Satz 2 UmwStG 1995 als gewerbesteuerliche Sonderanweisung im Kern auf den Erhalt des gewerblichen Substrats der umgewandelten Kapitalgesellschaft abzielt (vgl. insoweit BFH-Urteil vom 15.4.2010 IV R 5/08, BStBl II 2010, 912). Die typisierte Missbrauchsregelung der § 18 Abs. 4 Sätze 1 und 2 UmwStG 1995 umfassen gerade auch die stillen Reserven, die nach der Umwandlung erst entstehen und gehen damit über dieses gewerbliche Substrat hinaus. Durch das Abstellen auf den tatsächlich angefallenen Veräußerungsgewinn ist gerade nicht gesichert, dass bei der späteren Veräußerung dieses gewerbliche Substrat überhaupt noch vorhanden ist. Will man deshalb einen Ausschluss des § 16 Abs. 4 EStG, so wäre dies ausdrücklich in § 18 Abs. 4 UmwStG 1995 bzw. heute in § 18 Abs. 3 UmwStG 2002 zu regeln gewesen.

Ein Normwiderspruch des § 18 Abs. 4 UmwStG ist aufgrund der gewählten Art und Weise der Missbrauchsregelung auch nicht erkennbar. Wenn schon durch die gewählte Regelung das gesamte gewerbliche Substrat allein aufgrund der bei Veräußerung vorliegenden tatsächlichen Wertverhältnisse verloren gehen kann, darf es auch zur Anwendung von persönlichen Freibeträgen des Veräußerers bei der Gesellschaft kommen. Zu Recht weist die Klägerseite auch darauf hin, dass nach allgemeiner Ansicht dieses gewerbliche Substrat der Kapitalgesellschaft schon durch die Gewährung der geltenden Freibetragsregelung des § 11 Abs. 1 Nr. 1 GewStG wie auch des im EZ 2006 noch geltenden Staffeltarifs gemäß § 11 Abs. 2 GewStG nicht vollumfänglich erhalten bleibt, da der Veräußerungsgewinn von 98.109 Euro unterhalb der in § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG festgesetzten Grenze von 136.000 Euro bleibt.

Der Gewinn aus Gewerbebetrieb von 223.078 Euro ist also um 45.000 Euro auf 178.078 Euro zu reduzieren. Es ergibt sich folglich nach Berücksichtigung der Hinzurechnungen von 5.651 Euro, Abrundung auf volle 100 Euro sowie Abzug des Freibetrags gemäß § 11 Abs. 1 GewStG i.H.v. 24.500 Euro ein verbleibender Betrag von 183.000 Euro, für den sich unter Anwendung des Staffeltarifs ein Gewerbesteuermessbetrag von 6.760 Euro ergibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision zuzulassen.

VorschriftenEStG § 16 Abs 4, UmwStG a.F. § 18 Abs 4

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