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07.04.2011 · IWW-Abrufnummer 111205

Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 11.01.2011 – 2 K 1429/10

1. Nicht jede negative Erwähnung einer Körperschaft in einem Verfassungsschutzbericht löst die Rechtsfolge des § 51 Abs. 3 S. 2 AO aus. Lediglich Vereinigungen, die selbst extremistisch sind, sind dieser Norm zu unterwerfen. Finden sich nach Ansicht des Verfassungsschutzes lediglich Hinweise, die einen extremistischen Einfluss auf die Vereinigung dokumentieren bzw. wird eine solche im Zusammenhang mit extremistischen Vereinigungen genannt, ist die Vorschrift nicht anzuwenden.



2. Gerichtlicher Rechtsschutz gegen den Inhalt des Verfassungsschutzberichtes ist vor den Verwaltungsgerichten statthaft. Ein Verein dessen Gemeinnützigkeit aufgrund § 51 Abs. 3 S. 2 AO versagt wird, ist jedoch nicht verpflichtet, zunächst den verwaltungsgerichtlichen Rechtsweg zu beschreiten. Das FA hat ein eigenes Prüfungsrecht inne.


Sächsisches FG v. 11.01.2011

2 K 1429/10

Tatbestand
Streitig ist die Gemeinnützigkeit eines Vereins.

Der Kläger ist ein seit dem Jahr 1995 beim Vereinsregister des Amtsgerichts X eingetragener Verein. Er betreibt eine Moschee. Nach seiner Satzung vom 29. August 1995 in der Fassung vom 5. November 2003 hat der Verein den Zweck, die Religion zu fördern, die Förderung kultureller Zwecke, der Hilfe für religiös Verfolgte und Flüchtlinge und der Volks- und Berufsbildung. Mitglied kann jeder unabhängig von Hautfarbe, Nationalität oder Geschlecht werden, wenn die Satzung anerkannt wird. Organe des Vereins sind der Vorstand, der aus einer Person besteht, und die Mitgliederversammlung. Der Vorstand ist Z.

Der Satzungszweck soll insbesondere durch folgende Maßnahmen erreicht werden:

Durchführung der religiös-kulturellen Handlungen und Gottesdienste,

Informationen durch Durchführung von Veranstaltungen, Vorträgen und Diskussionen,

Integrationsarbeiten, z.B. Begleitung bei Behördengängen und Veranstaltungen für die Förderung der Integration,

Zusammenarbeit mit anderen muslimischen Verbänden in Deutschland und

Einrichtung eines Archivs mit Büchern und audiovisuellen Medien, das allen zugänglich ist.

Nach der Satzungsänderung vom 31. März … sind weitere Zwecke aufgeführt, wie die Jugendhilfe, die Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens sowie die Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Als weitere Aktivitäten sind genannt:

sinnvolle Freizeitbeschäftigung für Jugendliche durch Exkursionen, Workshops, Jugendberatung, Begegnungen und Bildung,

Veranstaltungen und Aktivitäten im Sinne des Völkerverständigungsgedankens und der Toleranz, z.B. Begegnungen mit Andersdenkenden,

Veranstaltungen, Projekte und Fortbildungen zur Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern,

Beratung muslimischer Bürger und Menschen, die mehr über den Islam wissen möchten,

Begegnungen mit anderen religiösen Gemeinden und Vereinen, um ein friedliches Miteinander zu schaffen und

Aufklärungsarbeiten durch Beratungen, Gespräche im Sinne der Toleranz und durch Kennenlernen anderer, z.B. den Tag der offenen Moschee.

Im Verfassungsschutzbericht des Bundeslandes Y für das Streitjahr finden sich im Kapitel „Ausländerextremismus” folgende Ausführungen im Zusammenhang mit dem Kläger:

„Eine zunehmende Rolle spielen salafistische Bestrebungen im Raum X. Diese islamistische Strömung gewinnt nicht nur in Y und Deutschland zunehmend an Bedeutung, sondern auch europaweit. In Deutschland haben sich bereits salafistische Netzwerke herausgebildet, in die auch der Verein eingebunden ist. Dessen Aktivitäten strahlen auf das gesamte Bundesgebiet aus. Das salafistische Gedankengut, so wie es im Verein als politische Bestrebung verbreitet wird, ist in Teilen als demokratiefeindlich einzustufen. Von Menschen erdachte Konzepte, wie z.B. Demokratie, gelten als unvereinbar mit dem islamischen Glauben salafistischer Lesart. Ein wesentliches Glaubensfundament besteht beispielsweise darin, Gott als einzigen Gesetzgeber anzusehen. Die Akzeptanz und Ausführung eines säkularen, also nicht auf göttlichem Gesetz basierenden Rechtsystems wird als „Akt des Unglaubens” bezeichnet und abgelehnt. Die salafistischen Bestrebungen sind dazu geeignet, einer Integration von Muslimen abträglich zu sein und die Herausbildung und Festigung von Parallelgesellschaften zu fördern. So wird in frei zugänglichen Schriften und auf mit dem Verein in Verbindung stehenden Internetseiten dazu aufgerufen, sich von Juden und Christen, die insgesamt als Ungläubige diffamiert werden, zu lösen, sie zu hassen und Feindschaft gegen sie zu hegen. Freundschaft und Gehorsam ihnen gegenüber würden einen Muslim des Glaubens abtrünnig machen. Das verbreitete Gedankengut kann den Nährboden für eine islamische Radikalisierung und ggf. Rekrutierung bilden. Gleichwohl gibt es keine Belege für eine ausdrückliche Befürwortung von Gewalt. Der Verein verbreitet seine Sichtweisen z.B. über die bundesweite Durchführung von Islamseminaren und Vortragsveranstaltungen sowie über wöchentliche Infostände in der Innenstadt von X. Dort werden auch zahlreiche Publikationen salafistischen Inhalts verteilt. Darüber hinaus lassen sich einige Internetseiten salafistischer Ausrichtung mit dem Verein in Verbindung bringen.”

Vergleichbare Ausführungen finden sich im Verfassungsschutzbericht des Folgejahres sowie im Verfassungsschutzbericht des Bundeslandes W. Der Kläger hat sich mit Anwaltsschriftsatz vom 7. April 2010 an den Verfassungsschutz des Bundeslandes Y gewandt und ist dem Verfassungsschutzbericht des Folgejahres entgegengetreten.

Der Kläger reichte am 14. Dezember 2009 beim Beklagten die Körperschaftsteuererklärung für … ein. Der Beklagte erließ am 25. Februar 2010 den Körperschaftsteuerbescheid …. und setzte die Körperschaftsteuer auf EUR 122 fest. Dabei anerkannte er den Kläger nicht als gemeinnützig. Dagegen legte der Kläger Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 10. August 2010 als unbegründet zurückwies.

Der Kläger ist der Auffassung, dass er die Anforderungen an die Gemeinnützigkeit erfülle. Die Angaben des Verfassungsschutzes beruhten auf unzutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen. Vorliegend ergebe sich aus dem Bericht nicht, dass lediglich ein bloßer Verdacht vorliege, ein Nachweis sei nicht geführt. Der Kläger sei geradezu vorbildlich im Sinne der Integration tätig, da er bzw. sein Vorstand

Teilnehmer des runden Tisches der Religionen in X sei, an dem auch Christen und Juden beteiligt seien,

Mitglied eines Islamforums sei, in dem auch Nichtmuslime und Vertreter des LKA vertreten seien,

Mitveranstalter des „Tages der offenen Moschee” sei,

Beteiligter der „Kulturellen Wochen” der Stadt X sei 10 Jahren sei,

im Jahr 2003 einen Vortrag in einer jüdischen Gemeinde gehalten habe und

im Jahr 2006 ein Fußballspiel mit sechs christlichen Pfarrern organisiert habe.

Der Beklagte verwische die Grenzen zwischen weltlichen und religiösen Gesetzen. Der Kläger vertrete die Ansicht, dass die Gesetze des demokratischen Staates zu befolgen seien. In anderen Verfassungsschutzberichten werde genauer unterschieden zwischen dem Dschihad-Salafismus und dem sonstigen Salafismus, der keine politische Zielsetzung verfolge, sondern das Ziel der Rückkehr zum „wahren Islam” habe. Gott sei lediglich der alleinige Gesetzgeber für die Religion. Der Kläger habe nie im Internet oder in Schriften dazu aufgerufen, sich von Juden oder Christen zu lösen, sie zu hassen oder Feindschaft gegen sie zu hegen. Verantwortung für den Inhalt anderer Internetseiten könne der Kläger nicht übernehmen.

Der Vorstand des Klägers habe an Veranstaltungen zur Integration im Landtag teilgenommen.

Hinsichtlich des Internetauftrittes habe der Kläger die Verlinkung vorgenommen, weil dort Werbung für Unterricht des Vorstandes des Klägers zugesagt worden sei. Dieser habe sich auch bereit erklärt, die Bankverbindung des Klägers für Spenden aufzunehmen. Von den Broschüren habe der Kläger nur eine im Zusammenhang mit einer Veranstaltung bei der Volkshochschule verteilt. Den Inhalt der Broschüren habe der Vorstand des Klägers nicht gekannt. Als er feststellte, dass dort problematische Passagen enthalten gewesen seien, habe er die Broschüre eingezogen. Die Autoren der Schriften schrieben diese nicht für Deutschland, sondern für Saudi-Arabien oder andere Länder, wo es fast ausschließlich Moslems gebe.

Der Kläger beantragt,

den Körperschaftsteuerbescheid …. vom 25. Februar 2010 sowie die Einspruchsentscheidung vom 10. August 2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger nicht gemeinnützig sei, da er Bestrebungen nach § 4 BVerfSchG verfolge. Der Kläger weiche von seinem satzungsmäßigen Zweck ab und handele dem Gedanken der Völkerverständigung zuwider. Das vom Kläger verbreitete Gedankengut sei in Teilen als demokratiefeindlich einzustufen. Als einziger Gesetzgeber werde Gott angesehen und ein nicht auf göttlichem Gesetz basierendes Rechtssystem abgelehnt. Im Internet sei der Kläger vertreten, wo sich verschiedene Links befänden, die direkt in Verbindung mit dem Vorstand des Klägers stünden und dessen Geisteshaltung wiedergäben.

Der Verfassungsschutz habe verschiedene Feststellungen getroffen, die dies belegten. So sei auf Seiten verwiesen worden, auf denen der Vorstand des Klägers zu Spenden aufrufe. Ferner seien religiöse Urteile und Handlungsempfehlungen aufgeführt worden, die im Widerspruch zur freiheitlich demokratischen Grundordnung stünden, so insbesondere durch Negierung des Rechts auf freie Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 1, 2 GG, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Art. 3 GG, Einschränkung des Rechtes auf freie Berufswahl nach Art. 12 GG, Ablehnung der Gewaltenteilung und der Volkssouveränität sowie der Propagierung von Feindschaft gegenüber Andersgläubigen und Befürwortung der Segregation von Bevölkerungsteilen nach Art. 9 Abs. 2 GG. Insbesondere sei dies in Aufsätzen zu finden gewesen, wie z.B. „Rechte und Pflichten der Frau im Islam”, „Was jeder Muslim wissen sollte” und „Die Erläuterung der jemandes Islam vernichtenden Faktoren”. Dies ergebe sich des Weiteren aus Broschüren, die der Kläger verteile: „Die Religion der Wahrheit” von Al'Omar, „Frauen im Schutz des Islam” von Asch-Schiha und „Muhammad der Gesandte Allahs” von Al-Sheha.

Ziel der salafistischen Ideologie, die der Kläger propagiere, sei die stückweise Islamisierung der westlichen Welt durch Missionierung mit dem Endziel der Errichtung einer islamistischen Gesellschaft. Der Kläger sei ein extremistischer Verein, weil er ein demokratiefeindliches Religionsverständnis vertrete.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhaltes im Übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der dem Gericht übersandten Verwaltungsakten sowie der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 2011 verwiesen.



Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, da er im Streitjahr als gemeinnützig anzusehen ist.

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG sind die Körperschaften u.a. von der Körperschaftsteuer zu befreien, die nach ihrer Satzung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken im Sinne von § 51 AO dienen.

Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Eine Förderung der Allgemeinheit setzt voraus, dass der Kreis der Personen, denen die Förderung zugute kommt, weder fest abgeschlossen ist noch dauernd nur klein sein kann (§ 52 Abs. 1 Satz 2 AO). Der Sinngehalt des unbestimmten Rechtsbegriffes „Förderung der Allgemeinheit” in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO ist wesentlich geprägt durch die objektive Wertordnung, wie sie insbesondere im Grundrechtskatalog der Art. 1 bis 19 GG zum Ausdruck kommt. Eine Tätigkeit, die mit diesen Wertvorstellungen nicht vereinbar ist, ist keine Förderung der Allgemeinheit (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 31. Mai 2005 – I R 105/04, BFH/NV 2005, 1741). Der Kläger fördert die Religion, was als Förderung der Allgemeinheit nach § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO anzusehen ist.

Nach § 51 Abs. 1, 3 AO setzt eine Steuervergünstigung zudem voraus, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen im Sinne des § 4 BVerfSchG fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandelt. Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satz 1 nicht erfüllt sind.

1. § 51 Abs. 3 Satz 2 AO trat zum 1. Januar 2009 in Kraft. Nach Art. 97 § 1 d EGAO ergibt sich, dass die Norm ab dem 1. Januar 2009 anzuwenden ist. Sie kann auch für Äußerungen in Verfassungsschutzberichten verwendet werden, die vor dem 1. Januar 2009 veröffentlich worden sind, da § 51 Abs. 3 AO lediglich klarstellenden Charakter hat, sodass die Norm auch für frühere Fallkonstellationen anwendbar ist (Jäschke, DStR 2009, 1669). Auch im Gesetzgebungsverfahren wurde davon ausgegangen, dass § 51 AO insoweit klarstellenden Charakter hat und insbesondere die Praxis der Finanzverwaltung hinsichtlich der Anforderungen an die Gemeinnützigkeit lediglich kodifiziert (Deutscher Bundestag Drucksache 16/10189, S. 79). Der Beklagte konnte daher die Norm auf den Streitfall anwenden.

2. Nach § 53 Abs. 3 AO i.V.m. § 4 Abs. 1 BVerfSchG sind nach

Buchstabe a Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen;

Buchstabe b Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; sowie

Buchstabe c Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen.

Nach § 4 Abs. 2 BVerfSchG zählen zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes:

das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,

die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,

das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,

die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,

die Unabhängigkeit der Gerichte,

der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und

die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.

Der Senat ist der Auffassung, dass nicht jede negative Erwähnung einer Körperschaft in einem Verfassungsschutzbericht die Rechtsfolge des § 51 Abs. 2 Satz 3 AO auslöst. Lediglich Vereinigungen, die selbst extremistisch sind, sind dieser Norm zu unterwerfen. Finden sich nach Ansicht des Verfassungsschutzes – wie hier – lediglich Hinweise, die einen extremistischen Einfluss auf die Vereinigung dokumentieren bzw. wird eine solche im Zusammenhang mit extremistischen Vereinigungen genannt, ist die Vorschrift nicht anzuwenden (Jäschke, DStR 2009, 1669). Ferner soll § 51 Abs. 3 AO lediglich die bisherige Praxis von Verwaltung (des AEAO) und Rechtsprechung zur Gemeinnützigkeit gesetzlich erfassen, aber keine eigenen strengeren neuen Maßstäbe für die Gemeinnützigkeit aufstellen. Daher kann nach Auffassung des Senates die bis zur Geltung der Norm ergangene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes weiter Anwendung finden.

3. Nach Aktenlage begründet sich die Aufnahme des Klägers in den Verfassungsschutzbericht des Bundeslandes Y für …. auf Veröffentlichungen im Internet auf Web-Seiten, die zwar nicht der Kläger selbst betreibt, aber auf die er verweist bzw. durch die wegen Spendenaufrufen Rückschlüsse auf den Kläger möglich sind. Der Vorstand des Klägers ist selbst nicht der Autor der Schriften, die der Verfassungsschutz zitiert. Gegen die Äußerungen im Verfassungsschutzbericht hat sich der Kläger zwar bisher nicht gerichtlich gewandt. Gerichtlicher Rechtsschutz gegen den Inhalt des Verfassungsschutzberichtes ist vor den Verwaltungsgerichten statthaft (Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juli 2010 – 10 CE 10.1201, Juris-Dokument). Allerdings war der Kläger nicht verpflichtet, zunächst den verwaltungsgerichtlichen Rechtsweg zu beschreiten. Denn gemäß § 51 Abs. 3 Satz 2 AO besteht eine widerlegbare Vermutung für die Nichterfüllung der Voraussetzungen des Satzes 1 der Vorschrift, daraus ist zu schließen, dass dies innerhalb des steuerrechtlichen Verfahrens zu erfolgen hat. Maßgeblich ist, ob der Kläger satzungsmäßig handelt oder seine tatsächliche Geschäftsführung – entgegen der Satzung – Bestrebungen im Sinne des § 4 BVerfSchG sind. Schließlich kann es im vorliegenden Verfahren auch nicht um die Frage gehen, ob der Verfassungsschutz den Kläger in seinem Bericht erwähnen durfte, da hierfür ein gesonderter Rechtsweg eröffnet ist und der Beklagte ein eigenes Prüfungsrecht inne hat.

Der konkrete Verfassungsschutzbericht bezeichnet den Salafismus in seiner politischen Form als demokratiefeindlich und geeignet, die Integration von Muslimen in Deutschland zu behindern. Damit ist schon nicht klar zum Ausdruck gekommen, ob der Verfassungsschutz den Kläger für einen extremistischen Verein hält oder – wie es der Aufbau und die Wortwahl des Berichtes nahelegt – den Kläger als Vereinigung ansieht, die lediglich im Zusammenhang mit extremistischen Vereinen steht. So lautet die Überschrift des entsprechenden Kapitels des Berichtes „Islamismus/Islamischer Terrorismus”. Dann werden islamistisch-terroristische Organisationen benannt wie Al-Quaida und die Islamische Jihad-Union. Anschließend werden nicht-terroristische islamistische Organisationen genannt, die das Ziel haben die verfassungsmäßige Ordnung zu beeinträchtigen, so die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs und die Islamische Gemeinschaft in Deutschland sowie z.T. salafistische Bestrebungen. Erst im übernächsten Absatz wird dann der Kläger in der zitierten Weise genannt. Danach ist auch ein Verständnis des Berichtes dahingehend möglich, dass der Verfassungsschutz den Kläger deshalb beobachtet, weil seine Aktivitäten potenziell für die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährlich werden können, aber der Kläger selbst kein extremistischer Verein ist. Die Gefährlichkeit, die der Verfassungsschutzbericht annimmt – und die der Senat ebenfalls als solche ansieht – besteht in der Verbreitung einer Ideologie, die das Gemeinwesen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigen kann. Jedoch tragen die vorgenommenen Erkenntnisse jedenfalls die Aberkennung der Gemeinnützigkeit nicht, weil der vage, allenfalls vorübergehende Zusammenhang von demokratiefeindlichen, ideologischen Äußerungen nicht ausreichend ist, die – im Übrigen belegte – tatsächliche Geschäftsführung des Klägers als eine Bestrebung im Sinn von § 4 BVerfSchG anzusehen. Zudem sind bislang weder Strafverfahren gegen den Vorstand des Klägers anhängig geworden noch ist ein Verbotsverfahren durch das Sächsische Innenministerium durchgeführt worden.

4. Die Beweismittel, die im Streitfall vorgelegt wurden, belegen die Annahme eines extremistischen Vereins nicht zur vollen Überzeugung des Senates. Die Verbindung des Klägers mit den vom Verfassungsschutz festgestellten Veröffentlichungen im Internet ist sehr vage. Der Kläger hatte auf seiner Web-Seite im Streitjahr einen Link auf eine Internetseite, die er nicht selbst betreibt. Er weist auf seiner Seite darauf hin, dass er für Inhalte aus verlinkten Seiten nicht verantwortlich ist. Es kann hier offen bleiben, ob damit bereits zivilrechtlich ein Haftungsausschluss gewährleistet ist, denn einen vollständigen Haftungsausschluss etwa für Aufforderungen zu Gewalt o.ä. kann es auch zivilrechtlich nicht geben. Gleichwohl hat sich der Kläger mit dem Link die in einigen Artikeln auf dieser Internetseite verbreiteten Ansichten nicht zu Eigen gemacht. Die Artikel stammen nicht vom Kläger, sondern von Autoren aus Saudi-Arabien. Allen Artikeln ist vorangestellt, dass sich der Betreiber dieser Internetseite verpflichtet habe, authentisches Wissen über den Islam zu publizieren, wobei es unumgänglich sei, über gewisse Praktiken eines islamischen Staates mit islamischer Gesetzgebung zu sprechen, die im Widerspruch zur hiesigen Ordnung stehen. Die Darstellung solcher Inhalte sei keinesfalls als Aufruf zur Umsetzung, sondern nur als Aufklärung über die islamische Sichtweise zu verstehen. Damit distanziert sich der Betreiber der Seite seinerseits von den Inhalten der Schriften, dann muss dies auch für den Kläger gelten können. Allerdings teilt der Senat die Auffassung des Beklagten, dass diese Artikel inhaltlich geeignet sind, die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Frage zu stellen, insbesondere durch Einführung der Scharia, auch wenn der Vorstand des Klägers dies anders verstehen will. Allerdings reicht der bloße Link noch nicht aus, um eine satzungswidrige Geschäftsführung anzunehmen.

5. Des Weiteren muss die Tätigkeit des Vorstandes dem Kläger zurechenbar sein. Öffentliche Äußerungen eines Vorstandes sind regelmäßig der Körperschaft zuzurechnen (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 29. August 1984 – I R 215/81, BStBl II 1985, 106). Nach der vorliegenden Sachlage sind aber Äußerungen vom Vorstand des Klägers selbst nicht Gegenstand der Ermittlungen des Verfassungsschutzes, lediglich hinsichtlich der Internetseiten kann ein Zusammenhang mit dem Kläger hergestellt werden, der aber – wie gezeigt – allein nicht ausreicht, um die Gemeinnützigkeit des Klägers abzusprechen. Es wird nur pauschal behauptet, dass Demokratiefeindliches anlässlich von Vortragsveranstaltungen, bundesweiten Islamseminaren und Freitagsgebeten verbreitet werde. Wer aber welche Äußerungen dort getan hat, wird weder dargestellt noch belegt.

6. Weitere Unterlagen, die auf Äußerungen des Vorstandes des Klägers mit dem genannten Inhalt schließen lassen, liegen nicht vor, insbesondere die erwähnten Broschüren. Auch über den Infostand in der Innenstadt von X ist nichts weiter festgestellt worden. Zu den Broschüren hat der Vorstand des Klägers in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass nur „Mohammad der Gesandte Allahs” anlässlich einer Veranstaltung in der Volkshochschule verteilt worden sei. Die Verteilung sei eingestellt worden, nachdem festgestellt worden sei, dass die Broschüre problematische Inhalte habe. Dem hat der Beklagte nicht widersprochen.

Des Weiteren hat der Kläger eine Vielzahl von Unterlagen vorgelegt, mit denen er seine Aktivitäten belegt, die seiner Satzung entsprechen. Damit ist ihm die Widerlegung der vom Verfassungsschutz aufgefundenen Aussagen hinsichtlich seiner Überzeugungen und seiner tatsächlichen Geschäftsführung gelungen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

RechtsgebieteAO, BVerfSchG, KStG, FGOVorschriftenAO § 51 Abs. 3 S. 2 AO § 52 Abs. 2 Nr. 2 BVerfSchG § 4 Abs. 1 KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9 FGO § 33

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